CSD: Dürum und Ayran in Sonneberg

Eine bun­te Pri­de mit 650 Men­schen zog durch das fast men­schen­lee­re Son­ne­berg und hauch­te ihm für ein paar Stun­den Leben ein…

Das Herz schlägt links“, sagt San­dro Kes­sel, sei­nes Zei­chens Stadt­rat von Son­ne­berg für das „Bünd­nis Sahra Wagen­knecht“ (BSW). Vor dem Rat­haus sam­melt sich lang­sam eine immer bun­ter und lau­ter wer­den­de Men­schen­men­ge, auf­ge­kratzt und erwar­tungs­voll, Regen­bo­gen- und Que­er-Fah­nen, dazwi­schen auch Par­tei­fah­nen, die Grü­nen, Jusos, Links­ju­gend Solid, domi­nie­rend die „Par­tei der Huma­nis­ten“ (PdH). Sie sind alle zur ers­ten „Chris­to­pher Street Day“-Parade (CSD) in die ver­schla­fe­ne süd­thü­rin­gi­sche Klein­stadt gekom­men, um dort – im wahrs­ten Sin­ne es Wor­tes – Far­be, oder viel­mehr vie­le bun­te und schil­lern­de Far­ben zu beken­nen. Gegen einen braun und brau­ner wer­den­den All­tag, in dem die AfD den Ton angibt und mit Robert Ses­sel­mann den ers­ten faschis­ti­schen Land­rat in Deutsch­land nach 1945 stellt. Jeden­falls hat sich in Son­ne­berg und in Süd­thü­rin­gen die Lage von Men­schen, die nicht ins rech­te Welt­bild pas­sen, erheb­lich ver­schlech­tert, laut der Opfer­be­ra­tungs­stel­le Ezra ist der Land­kreis neben der Lan­des­haupt­stadt Erfurt und der Mit­tel­stadt Wei­mar unter­des­sen zum drit­ten Hot­spot rech­ter Gewalt geworden.

BSW drängt sich ins Bild

Trotz­dem bleibt es an die­sem Sams­tag, wäh­rend die 650 Teil­neh­men­de zäh­len­de Pri­de laut und fröh­lich durch die fast aus­ge­stor­be­nen Stra­ßen der idyl­lisch gele­ge­nen Stadt zieht, ruhig. Es zei­gen sich kaum Einwohner*innen, Passant*innen geben sich freund­lich tole­rant. „Solan­ge hin­ter­her die Stra­ßen nicht dre­ckig sind“, sagt eine jun­ge Frau, sei das okay. Die erwar­te­ten Gegendemonstrant*innen und Stö­run­gen blei­ben völ­lig aus. Auch die Poli­zei gibt sich freund­lich und ent­spannt, war ja auch nichts.

Also bleibt nur das BSW. Vie­le der Teil­neh­men­den ste­cken schon wäh­rend des Zuges die Köp­fe zusam­men und fra­gen sich, wes­halb die­se erklär­ter­ma­ßen trans- und que­er­feind­li­che Par­tei sich hier so in die stol­ze Pri­de drängt. San­dro Kes­sel bleibt dabei, sei­ne neue Par­tei BSW — er kommt ursprüng­lich von „Die Par­tei“ – gehö­re hier mit dazu. Sei­nen T‑Shirt-Ärmel hat er extra hoch­ge­rollt, damit man sein umfang­rei­ches Till-Lin­de­mann-Tatoo nur ja gut sehen kann. Auch das bei einem CSD ein eher ver­stö­ren­des State­ment, wenn man sich die Debat­te um den Ramm­stein-Front­mann ins Gedächt­nis ruft. Auf die que­er­feind­li­chen State­ments sei­ner neu­en Par­tei­füh­re­rin ange­spro­chen, lässt Kes­sel sei­nen schrä­gen Vor­stel­lun­gen von Geschlechts­um­wand­lung frei­en Lauf und meint, die gesetz­li­che Mög­lich­keit, „jedes Jahr ein­mal sein Geschlecht zu wech­seln“, das gehe ein­fach zu weit.

Tolles Bühnenprogramm am PIKO-Platz

Natür­lich ticken die Uhren in einem win­zi­gen Pro­vinz­nest im ehe­ma­li­gen Zonen­rand anders. Im Rat­haus haben sich – in ihrer Not, möch­te man sagen – SPD, Lin­ke und eben BSW zusam­men­ge­tan, um Frak­ti­ons­stär­ke gegen die über­mäch­ti­ge AfD zu erlan­gen. Da nimmt man es dann mit der „rot-roten“ Abgren­zung viel­leicht nicht mehr so genau. Es bleibt dann der Grü­nen-Land­tags­ab­ge­ord­ne­ten Made­lei­ne Henf­ling über­las­sen, auf der Büh­ne der Abschluss­kund­ge­bung noch ein­mal das gan­ze ent­lar­ven­de Wagen­knecht-Zitat von den „skur­ri­len Min­der­hei­ten“ zu zitie­ren und ihr Unver­ständ­nis dar­über aus­zu­drü­cken, dass die Organisator*innen von #CSDin­Son­ne­berg sich nicht klar abgrenz­ten, son­dern auch noch dem stell­ver­tre­ten­den BSW-Kreis­vor­sit­zen­den Stef­fen Schütz die Büh­ne für einen Rede­bei­trag über­las­sen. Ihre Kri­tik wird von laut­star­ken, zustim­men­den Buh-Rufen der auf dem PIKO-Platz (benannt nach der welt­be­rühm­ten DDR-Modell­ei­sen­bahn-Fabrik) ver­sam­mel­ten Men­ge begleitet.

Die Organisator*innen blei­ben dabei: Fre­de­ric For­kel (PdH Coburg) sagt, man wol­le dem BSW dies­mal die Chan­ce geben „sich zu bewäh­ren“. Tue es das nicht, sei es das nächs­te mal raus.

Lei­der ver­blas­sen hin­ter der Irri­ta­ti­on über die BSW-Betei­li­gung die gute Stim­mung, die enga­gier­ten anti­fa­schis­ti­schen Rede­bei­trä­ge und die star­ke klas­sen­kämp­fe­ri­sche Soli­da­ri­täts­er­klä­rung des DGB-Jugend­se­kre­tärs Gre­gor Gall­ner mit dem Anlie­gen des CSD und den Teil­neh­men­den. Und das mit­rei­ßen­de Büh­nen­pro­gramm mit dem pro­gram­ma­ti­schen Song „Dürüm und Ayran in der Thü­rin­ger Klein­stadt“ von Mau­rice Con­rad und Bru­neau, mit dem von Fans umla­ger­ten You­tube-Star „Yu“ und der beein­dru­cken­den Rap­pe­rin „Lati­fa Igu­ma“ aus dem ost­thü­rin­gi­schen Gera.

Die­ser Bei­trag erschien zuerst in bear­bei­te­ter Ver­si­on im ND.

Reichsbürger-Prozess in München: Messianische Verzückung

Das bru­ta­lis­ti­sche Straf­jus­tiz­zen­trum in der Nym­phen­bur­ger Stra­ße in Mün­chen ist der­zeit Schau­platz meh­re­rer zum Teil bizar­rer „Reichsbürger“-Verfahren

Der Faschis­mus funk­tio­niert nur, wenn vie­le Men­schen mit­ma­chen“, sagt Johan­nes M. ein­dring­lich zu einem der Polizeibeamt*innen, die ihn hier im Mün­che­ner Gerichts­saal bewa­chen und die er als Büt­tel einer faschis­ti­schen Fir­ma betrach­tet. „Sans ma ned bös, Herr M., aber des inter­es­siert mich nicht“, erwi­dert der sicht­lich generv­te Beam­te. Sei­ne Genervt­heit ist gut nach­voll­zieh­bar, das Ver­fah­ren gegen den selbst­er­nann­ten Pro­phe­ten des Unter­gangs ist an Absur­di­tät kaum zu überbieten.

Christliche Versatzstücke

M. ist ange­klagt, Rädels­füh­rer einer kri­mi­nel­len Ver­ei­ni­gung zu sein, die sich des Tele­fon­ter­rors bei Behör­den und der Bedro­hung von Praxismitarbeiter*innen schul­dig gemacht haben soll. Ver­han­delt wird seit Ende Juni vor dem Staats­schutz­se­nat des Land­ge­richts Mün­chen, die Sicher­heits­vor­keh­run­gen sind enorm, stren­ger als im par­al­lel statt­fin­den­den so genann­ten Reuß-Pro­zess gegen 8 Ange­klag­te. M. wie­der­holt in End­los­schlei­fen sei­ne wahn­wit­zi­ge Welt­sicht zwi­schen Reichs­bür­ger­den­ken, Ver­schwö­rungs­my­thos QAnon und christ­li­chen Ver­satz­stü­cken. Er sagt, dass es sich bei den deut­schen Behör­den um 47.000 pri­va­te Fir­men han­de­le und dass er hier gegen sei­nen Wil­len bei einer Fir­men­be­spre­chung sei.

M. wie­der­holt unbe­irrt und mit lau­ter Stim­me die immer glei­chen Text­bau­stei­ne sei­ner Ver­schwö­rungs­idee. Am 18. Juli, so pro­phe­zeit er, wer­de das US-Mili­tär unter Com­man­der in Chief Donald J. Trump eh über­neh­men und dann wer­de mit den Nazis hier, die seit 109 Jah­ren Krieg gegen das deut­sche Volk führ­ten, auf­ge­räumt: nach gött­li­chem Wil­len und nach der Offen­ba­rung des – ja, wes­sen? – Johan­nes wür­den zwei Drit­tel der Leu­te hier wegen Kriegs- und Men­schen­rechts­ver­bre­chen, vor allem gegen Kin­der, vor’s Kriegs­ge­richt gestellt und gerich­tet. Wenn die Rich­ter oder die bei­den Ver­tre­te­rin­nen des Gene­ral­staats­an­walts oder gar die psych­ia­tri­schen Sach­ver­stän­di­gen es wagen ihn zu unter­bre­chen, belegt er sie mit unflä­ti­gen Schimpf­ti­ra­den, Flü­chen und Dro­hun­gen: er sei mit dem Mili­tär in stän­di­gem Kon­takt und es wer­de hier alles aufgenommen.

Hörige Fangemeinde

Dabei bleibt er ste­hen und dreht dem Senat den Rücken zu und bespielt eine wach­sen­de Zahl von Jünger*innen, die ihn aus dem Publi­kums­be­reich anhim­meln. Der mani­pu­la­ti­ve Pre­di­ger in eige­ner Sache ver­steht es sogar, sei­ne Stim­me bre­chen zu las­sen und Trä­nen vor­zu­spie­len, weil er zunächst im „Nazi-KZ Haar“ – er meint das Bezirks­kli­ni­kum, wo er ein hal­bes Jahr im Maß­re­gel­voll­zug ver­brach­te – oder in der U‑Haft fest­ge­hal­ten wer­de. Dabei hält er oft Hei­li­gen­bild­chen in der Hand und betet gemein­sam mit sei­nen Anhänger*innen. Fast noch mehr als M. selbst, scho­ckiert die Hörig­keit sei­ner Gemein­de, die offen­bar Geld und Zeit genug hat, um regel­mä­ßig zum Pro­zess aus ganz Deutsch­land anzu­rei­sen – da ist von Ber­lin, Win­ter­berg, Soest die Rede. Gefragt, ob sie M.s Aus­sa­gen für bare Mün­ze näh­men, ant­wor­ten sie fest und über­zeugt: Ja! Dass sei­ne dys­to­pi­schen Vor­her­sa­gen stets nicht ein­tref­fen, stört sie offen­bar gar nicht in ihrer mes­sia­ni­schen Verzückung.

Über wei­te Stre­cken mutet das Gesche­hen im Gerichts­saal wie eine absur­de, komi­sche Oper an: Wäh­rend der Senat ver­sucht, Zeug*innen und Sach­ver­stän­di­ge zu befra­gen, fährt M. unge­rührt mit dröh­nen­der Stim­me mit sei­ner Sua­da fort. Sei­ne „Fan­ge­mei­ne“, wie der Vor­sit­zen­de die Besucher*innen mah­nend anspricht und mit Sank­tio­nen droht, wird im Lau­fe der psych­ia­tri­schen Begut­ach­tung immer unru­hi­ger, die hin­ge­zisch­ten Wor­te „Fol­ter“ und „Unrecht“ wer­den lau­ter. Der Rich­ter wirkt recht hilf­los, wenn er die Ver­hand­lung alle Vier­tel­stun­de unter­bricht, um danach ein Ord­nungs­geld gegen M. zu ver­hän­gen, weil er stets in der Begrün­dung die zum Teil sexis­ti­schen Beschimp­fun­gen wie­der­ho­len muss. Bis­wei­len ver­han­deln bzw. brül­len das Gericht und M. im Chor, zu ver­ste­hen ist wenig, die Meu­te hin­ten wird noch unru­hi­ger und bestärkt M. in sei­nem Wüten.

Zusammenrottung rechter Fanatiker*innen

Das Ver­fah­ren gegen M. ist nur eines der Ver­fah­ren, in denen – auch nicht nur in Mün­chen – wohl die Coro­na-Fol­gen abge­ar­bei­tet wer­den. Mit der Pan­de­mie und fol­gen­den Kri­sen sind sehr vie­le Men­schen im Lan­de dem poli­ti­schen Sys­tem der Bun­des­re­pu­blik von der Fah­ne gegan­gen oder haben sich sogar den irr­wit­zigs­ten Ver­schwö­rungs­ideo­lo­gien und ter­ro­ris­ti­schen und Prep­per­grup­pen ange­schlos­sen. Eben­so wie im Reuß-Pro­zess, wo Ange­klag­te unbe­irrt an der QAnon-Sto­ry fest­hal­ten, oder im Ver­fah­ren gegen wei­te­re Reichs­bür­ger im benach­bar­ten Gerichts­saal, wo es um die Aus­ga­be ille­ga­ler Urkun­den eines „Bun­des­staa­tes Bay­ern“ geht, wer­den The­sen ver­tre­ten, von denen man nicht fas­sen kann, dass irgend­je­mand sich dem ernst­lich ver­schrei­ben könn­te. Man möch­te sie als völ­lig durch­ge­dreh­ten Unfug vom Tisch wischen. Aber das Droh­sze­na­rio, das Täter*innen wie M. und sei­ne zeit­wei­se bis zu 50.000 Fol­lower auf sei­nem Tele­gram-Kanal ent­fal­ten, oder die Tat­sa­che, dass es im Reuß-Ver­fah­ren um Beamt*innen selbst, poli­ti­sche Mandatsträger*innen und eben auch (Elite-)Soldat*innen und Polizist*innen geht, die Waf­fen hor­te­ten, zei­gen, dass es sich nicht um harm­lo­se Spinner*innen, son­dern um gefähr­li­che Zusam­men­rot­tun­gen rech­ter Fanatiker*innen han­delt, die kei­nes­wegs zu unter­schät­zen sind.

Die­ser Bei­trag erschien am 18. Juli 2024 in gekürz­ter Fas­sung im nd.

Gefährliche Filme: Fahrlässige Doku über Südthüringen bei Dok.fest München

Demo­cra­zy“ heißt ein Schwer­punkt auf dem dies­jäh­ri­gen Mün­che­ner Doku­men­tar­film­fes­ti­val Dok.fest und wid­met sich den „aus­ein­an­der­stre­ben­den Kräf­ten inner­halb euro­päi­scher Demo­kra­tien“, wie es im Pro­gramm­heft heißt. Mit „cra­zy“ ist noch mild umschrie­ben, mit wel­chem poli­tisch und ästhe­tisch aus der Zeit gefal­le­nen Strei­fen Deutsch­land in die­ser Rei­he ver­tre­ten ist. Mit „Frag­men­te aus der Pro­vinz“ vom Doku­men­tar­fil­mer Mar­tin Wein­hart lief auf dem Dok.fest ein Film, der die bevor­ste­hen­den Damm­brü­che der Faschi­sie­rung in Ost­deutsch­land in fahr­läs­si­ger Wei­se ver­harm­lost und ohne Kennt­nis der wah­ren Situa­ti­on vor Ort zur Nor­ma­li­sie­rung beiträgt.

Tommy Frenck im Fokus

Um was geht es: der Film spielt in Süd­thü­rin­gen, wo seit Jahr­zehn­ten der Neo­na­zi Tom­my Frenck der weit­ge­hend hilf­lo­sen (Zivil-)Gesellschaft auf der Nase her­um­tanzt. Und Frenck ist das The­ma, das der Film gera­de­zu mikro­sko­pisch in den Fokus nimmt. Zur Erin­ne­rung: der aus Schleu­sin­gen stam­men­de Mitt­drei­ßi­ger ist weit über die Gren­zen Thü­rin­gens hin­aus für sein Agie­ren als Faschist bekannt und mischt spä­tes­tens als Wirt der Gast­stät­te „Gol­de­ner Löwe“ in Klos­ter Veß­ra den struk­tur­schwa­chen Land­strich auf. Er betreibt die­se Gast­stät­te, wo das Füh­rer­schnit­zel am 20. April immer 8.88 Euro kos­tet, die Ver­sand­han­del druck18 bzw. 88 für Nazi-Out­fit, Nazi­li­te­ra­tur und Nazi­de­vo­tio­na­li­en, orga­ni­siert in der Nach­bar­schaft die größ­ten Rechts­rock-Kon­zer­te im gan­zen Land mit über 6000 teil­neh­men­den Hard­core-Nazis – auf dem Pri­vat­grund des AfD-Poli­ti­kers Bodo Dressel — und lotet die wachs­wei­chen Gen­zen der hei­mi­schen Demo­kra­tie auf kom­mu­na­ler und Lan­des­ebe­ne aus – ent­we­der in sei­ner Jugend für die NPD, dann deren Nach­fol­ge-Par­tei „Die Hei­mat“ und die Wäh­ler­ge­mein­schaft Bünd­nis Zukunft Hild­burg­hau­sen. Als Land­rats­kan­di­dat erhielt er 2018 17 Pro­zent der Stim­men, 2022 30 Pro­zent als Bür­ger­meis­ter­kan­di­dat in Klos­ter Veßra.

Nazi-Versteher-Filme

Die Fra­ge ist nun, war­um Mar­tin Wein­hart es für rich­tig hält, mit sei­ner Kame­ra die­sem Men­schen wirk­lich auf die Pel­le zu rücken und Löcher in den Bauch zu fra­gen – und ihn so hof­fä­hig zu machen, zu nor­ma­li­sie­ren und zu ver­harm­lo­sen. So, wie Wein­hart sich auch beim Publi­kums­ge­spräch im Anschluss an die Film­vor­füh­rung in der Hoch­schu­le für Film und Fern­se­hen (HFF) in Mün­chen gab, scheint er zu glau­ben, einen ganz gro­ßen Coup gelan­det zu haben und der Welt wirk­lich mal unge­schminkt einen Neo­na­zi vor­zu­füh­ren. Dass sein Agie­ren sträf­lich geschichts­los ist, offen­bart ein Blick in die 1990-er Jah­re, wo die Nazi-Ver­ste­her-Fil­me „Stau – jetzt geht‘s los“ (1992), „Beruf Neo­na­zi“ (1993) (übri­gens über den Mün­che­ner Neo­na­zi Ewald Alt­hans), „Füh­rer Ex“ und vie­le wei­te­re mit ihren distanz­los inti­men Nah­auf­nah­men von Nazis hef­tig hin­ter­fragt und in lan­gen Dis­kus­sio­nen letzt­lich doch ver­wor­fen wur­den. Wenn der Mün­che­ner Fil­me­ma­cher Wein­hart dann auch noch resü­miert, mit Frenck kön­ne man gut reden und der wol­le doch auch nur irgend­wie dazu gehö­ren, dröhnt einem der Ärz­te-Song vom „stum­men Schrei nach Lie­be“ in den Ohren. Wein­reich bie­tet Frenck in gefühlt einem Fünf­tel des Films aus­führ­lich und kaum hin­ter­fragt Gele­gen­heit, sei­ne satt­sam bekann­te, unver­hoh­len men­schen­ver­ach­ten­de, ras­sis­ti­sche und in Tra­di­ti­on des his­to­ri­schen Natio­nal­so­zia­lis­mus ste­hen­de Ideo­lo­gie aus­zu­brei­ten. Es wird auch wahr­lich unan­ge­nehm kör­per­lich, wenn Frenck sei­ne Nazi-Tat­toos erläu­tern, Bank drü­cken und alle nur erdenk­li­chen Nazi-T-Shirts wie auf einer Moden­schau prä­sen­tie­ren darf. Die Kame­ra fährt durch die Küche von Frencks Gast­haus, beob­ach­tet die Zube­rei­tung von Essen in der voll­ge­stell­ten, ekli­gen Küche und führt Post­an­ge­stell­te beim Abtrans­port von mas­sen­wei­se Ver­sand­stü­cken vor. Fas­sungs­los fragt man sich, wer das im Jah­re 2024 noch braucht, um den Schuss zu hören. Zumal Frenck rou­ti­niert die Insze­nie­rung sei­ner Per­son durch den allen­falls harm­los nach­fra­gen­den Fil­me­ma­cher nutzt, um unge­fil­tert und freund­lich lächelnd sei­ne haar­sträu­ben­de Ideo­lo­gie – natür­lich inklu­si­ve N‑Wort – in die Kame­ra zu spre­chen. Sicher kann sich Wein­hart auch nicht an Michel Fried­manns Inter­view mit dem fana­ti­schen Holo­caust-Leug­ner Horst Mahler 2010 erin­nert, wo Fried­mann dach­te, weiß Gott wie er den ver­bohr­ten Nazi da vor­ge­führt habe: Tat­sa­che bleibt, dass Mahler damals ent­spannt die Gele­gen­heit nutz­te, sei­ne Leug­nung der Sho­ah ein­mal mehr zu wiederholen.

Mit Maaßen on the road

Aber nicht genug damit: der Film hat einen wei­te­ren Prot­ago­nis­ten, näm­lich Hans-Georg Maa­ßen, den eins­ti­gen Chef des Bun­des­am­tes für Ver­fas­sungs­schutz, den eine rechts­of­fe­ne CDU im Wahl­kreis Wahl­kreis Suhl/­Sch­mal­kal­den-Mei­nin­gen/Hild­burg­hau­sen/­Son­ne­berg (Son­ne­berg? Ja: Son­ne­berg!) 2021 als Bun­des­tags­kan­di­da­ten auf­stell­te. Als sol­cher tin­gelt er im Film durch Süd­thü­rin­gen und nimmt an aller­lei gna­den­los stumpf wir­ken­den Volks­bes­lus­ti­gun­gen teil und gibt sich mit sei­nem Null-Cha­ris­ma bür­ger­nah. Höhe­punkt die­ser Seg­men­te des Films ist eine Wan­de­rung, wel­che die eins­ti­ge Thü­rin­ger CDU-Minis­ter­prä­si­den­tin Chris­ti­ne Lie­ber­knecht orga­ni­siert hat und zu der sich selbst Lan­des­va­ter Bodo Rame­low von der Links­par­tei zu kom­men genö­tigt fühl­te. Gemein­sam stap­fen die Wan­ders­leut‘ durch die Land­schaft, lup­fen immer wie­der ein Schnäps­chen und stel­len in Wein­harts Vor­stel­lung wohl die Ver­kör­pe­rung der bun­des­re­pu­bli­ka­ni­schen Demo­kra­tie dar: Maa­ßen, Rame­low, Lie­ber­knecht und dazu noch der eins­ti­ge CDU-Innen­mi­nis­ter, Shrek Trautvetter.

Unverzeihlich

Dass Maa­ßen unter­des­sen mit sei­ner Wer­te­uni­on selbst aus dem Rah­men der CDU rechts aus dem Bild gekippt ist, küm­mert Wein­hart eben­so­we­nig wie die Gesamt­si­tua­ti­on in Thü­rin­gen, wo mit einem Wahl­sieg der AfD bei etwa 30 Pro­zent der Wäh­ler­stim­men und einem poli­ti­schen Desas­ter zu rech­nen ist. Thü­rin­gen – kennt Wein­hart die zahl­lo­sen Stich­wor­te, die Thü­rin­gen in Zei­ten der Faschi­sie­rung umrei­ßen, nicht: NSU, Ball­städt, Höcke, Hei­se, Fret­ter­ode usw. Wein­hart muss so besof­fen von sei­nem Mate­ri­al gewe­sen sein, dass er wohl dach­te, er wür­de nun mit die­sen Bil­dern unsterb­lich. Das mag man ihm viel­leicht noch ver­zei­hen, nicht aber sei­ne sträf­li­che Bana­li­sie­rung eines uner­träg­li­chen brau­nen Ist-Zustan­des. Und der offen­sicht­lich in die­ser Fra­ge schwer über­for­der­ten Jury des Dok.festes – des­sen Lei­ter Dani­el Spon­sel das unsäg­li­che Gespräch nach der Film­vor­füh­rung höchst­selbst mode­rier­te – auch nicht.

120 días después de Hanau: Salas para la solidaridad

Nue­ve per­so­nas con ante­ce­den­tes (fami­lia­res) de migra­ción suf­rie­ron una muer­te vio­len­ta en Hanau el 19 de febre­ro. El racis­ta Tobi­as Rath­jen, de 43 años, les dis­paró e hirió a much­as otras per­so­nas, algu­nas de ellas de gra­ve­dad. La serie de ase­si­na­tos noc­tur­nos fue el ataque ter­ro­ris­ta de derecha con el segun­do mayor núme­ro de víc­ti­mas en la his­to­ria de la Repú­b­li­ca Fede­ral de Ale­ma­nia. Sólo el aten­ta­do en la Okto­ber­fest de Munich con una bom­ba en 1980, con 13 muer­tos y mas de 200 her­i­dos, fue un úni­co con mas víc­ti­mas, acto de ter­ro­ris­mo de la derecha y con­tó con más per­so­nas direc­ta­men­te afec­ta­das que el ataque en Hanau en febre­ro de 2020. Wei­ter­le­sen „120 días des­pués de Hanau: Salas para la solidaridad“

Kein Problem mit rechtem Terror

#Say­TheirNa­mes: Erin­ne­rungs­zei­chen für die Ermor­de­ten in Berlin-Neukölln

Am Ran­de einer der ers­ten Kund­ge­bun­gen nach dem Mas­sa­ker von Hanau, dem acht Besu­cher und eine Ange­stell­te in zwei Shi­sha-Bars sowie die Mut­ter des Atten­tä­ters zum Opfer gefal­len waren, stell­te sich der hes­si­sche Minis­ter­prä­si­dent Vol­ker Bouf­fier, nach den übli­chen Betrof­fen­heits­übun­gen auf der Büh­ne, live den Fra­gen des Repor­ters Mar­kus Gür­ne für den ARD-Brenn­punkt am 20. Febru­ar. Gür­ne stell­te die durch­aus nahe­lie­gen­de Fra­ge: „War­um hat Hes­sen eigent­lich so ein beson­de­res Pro­blem?“ Dass Bouf­fier sagen wür­de: „Ich glau­be nicht, dass wir ein beson­ders Pro­blem haben“, war klar. Wei­ter­le­sen „Kein Pro­blem mit rech­tem Terror“