Ceterum Censeo gegen die AfD im Gremienalltag

Graffito: Schöner Leben ohne Nazis
Foto: CC BY-NC-ND von Jörg Kantel/flickr

Wie umge­hen mit den Ver­tre­tern und Ver­tre­te­rin­nen der AfD und ihrer Vor­feld­or­ga­ni­sa­tio­nen? Die­se Fra­ge stellt sich auch im All­tags­ge­schäft von Poli­tik und poli­ti­scher Ver­wal­tung, in Gre­mi­en der Kom­mu­na­len Selbst­ver­wal­tung, den par­tei-nahen Stif­tun­gen genau­so wie in par­la­men­ta­ri­schen Aus­schüs­sen aller Ebe­nen, wo die eigent­li­che Arbeit des demo­kra­ti­schen Ver­fah­rens statt­fin­det, und nicht zuletzt dort, wo der Par­tei­en­pro­porz die Zusam­men­set­zung von Arbeits­zu­sam­men­hän­gen bestimmt, wie in vie­len öffent­lich-recht­li­chen Struk­tu­ren, etwa dem Rundfunk.

Ich möch­te hier einen all­tags­taug­li­chen Vor­schlag machen, der einer­seits eine kla­re Gren­ze zu den Ver­tre­te­rin­nen und Ver­tre­tern der AfD und den Ihren zieht und ande­rer­seits eige­ne Hand­lungs­fä­hig­keit anti­fa­schis­ti­scher und demo­kra­ti­scher Akteu­re auf­recht erhält bzw. erwei­tern hel­fen kann. Con­ti­nue rea­ding „Ceter­um Cen­seo gegen die AfD im Gremienalltag“

Rezension „Critical Whiteness“

Sinn und Zweck die­ser Rezen­si­on soll sein, die ak (ana­ly­se & kri­tik) Herbst 2013 Son­der­bei­la­ge zum Cri­ti­cal-Whiten­ess-Ansatz prä­gnant zu durch­leuch­ten. Die Bei­la­ge ist online für 4,50 € unter: https://​www​.akweb​.de/​s​e​r​v​i​c​e​/​b​e​i​e​i​n​z​el/ oder via Email an: vertrieb@​akweb.​de oder per Post an: ak — ana­ly­se & kri­tik, Rom­berg­stra­ße 10, 20255 Ham­burg zu bestel­len. Die­ser Ansatz will die Per­spek­ti­ve von den Opfern von Dis­kri­mi­nie­rung weg auf die („wei­ßen“) Täter rich­ten, damit die­se sich mit ihren Pri­vi­le­gi­en aus­ein­an­der­set­zen und die Opfer nicht mehr zum Objekt ihrer wis­sen­schaft­li­chen Stu­di­en wer­den. Was ist an die­sem Ansatz posi­tiv und was nega­tiv? Kann man ihn in die aka­de­mi­sche und poli­ti­sche Dis­kus­si­on als erwei­tern­de Per­spek­ti­ve auf­neh­men? Oder füh­ren die ihm inhä­ren­ten Spal­tun­gen nur zu einer Ver­här­tung der Positionen?

Edi­to­ri­al die ak-Redak­ti­on

Eine Ver­stän­di­gung zum The­ma und Kon­zept Cri­ti­cal Whiten­ess (CW) scheint wohl eher frag­lich, da sich hin­ter der Aus­le­gung von CW eine essen­tia­li­sie­ren­de Ten­denz ver­birgt. Man darf das Kri­te­ri­um „weiß“ nicht zwin­gend mit pri­vi­le­giert und ras­sis­tisch gleich­set­zen, denn will man Ras­sis­mus etwas ent­ge­gen­set­zen und ver­hin­dern, so setzt dies die Ver­än­der­bar­keit des mensch­li­chen bzw. des sozia­len Ver­hal­tens vor­aus. Das bedeu­tet, dass Ras­sis­mus ein sozia­les Pro­dukt ist, Men­schen also die Wahl haben, was sie sich selbst für Nor­men, Struk­tu­ren und Insti­tu­tio­nen setzen.

 

Deco­lo­ri­ze it! A. Ibra­him, J. Kara­ka­ya­li, S. Kara­ka­ya­li, V. Tsianos

Nach einer kur­zen Dar­stel­lung von CW, set­zen Ibra­him et al mit der Kri­tik fort. Als anti­ras­sis­ti­scher Ansatz legt CW, iro­ni­scher Wei­se, „Wei­ße“ auf­grund ihrer Haut­far­be als ras­sis­tisch fest. Sie wer­den also ent­mün­digt. Nicht gera­de emanzipatorisch.

Mit der Fra­ge danach, was Ras­sis­mus ver­ur­sa­che, kom­men die Autor_innen zum Schluss, dass die Ver­hält­nis­se ihn pro­du­zie­ren. Doch wenn die­se ein ras­sis­ti­sches Bewusst­sein und Struk­tu­ren pro­du­zier­ten, könn­te Anti­ras­sis­mus eigent­lich nicht statt­fin­den. Also muss es vor­her eine Idee von „Ras­se“ geben, die die­sen Struk­tur­auf­bau antreibt. So wür­de auch die Impli­ka­ti­on Struk­tu­ren (wenn auch unbe­ab­sich­tigt) als „natur­wüch­sig“ dar­zu­stel­len ver­hin­dert. Als sozia­les Kon­strukt sind sie hin­ge­gen ver­än­der­bar und auf­zu­lö­sen. Des­halb gilt es, nicht nur die mate­ri­el­len Ver­hält­nis­se auf­zu­de­cken und zu ver­än­dern, son­dern auch die Diskurse.

 

Far­ben­blind­heit ist auch kei­ne LösungA. Dugal­ski, M. Hamsa, C. Lara

Hier wer­den Viel­zahl und Viel­falt der Mei­nun­gen ver­wech­selt. Auch dass die Geschich­te des, die For­schung zu und Bewe­gun­gen gegen Ras­sis­mus für die eige­ne Posi­ti­on ver­ein­nahmt wer­den, scheint wie­der essentialisierend.

Wei­ter­hin pro­ble­ma­tisch ist eine Rhe­to­rik des 19. und 20. Jahr­hun­derts, samt ihrer his­to­risch über­kom­me­nen Pos­tu­la­te. Denn sie redu­zie­ren den Begriff des Poli­ti­schen auf „Kampf“ und ent­lee­ren ihn somit. Wei­te­re begriff­li­che Unge­nau­ig­kei­ten bestehen in der Gleich­set­zung von CW und PoC (Peo­p­le of Colour), da so „Wei­ße“ aus­ge­schlos­sen wer­den. Es repro­du­ziert letzt­lich ras­sis­ti­sche Mecha­nis­men. Ihnen steht höchs­tens eine Unter­stüt­zer­rol­le zu. Der impli­zi­te Schluss, Benach­tei­li­gun­gen zumin­dest gleich zu ver­tei­len, anstatt sich die glei­chen Rech­te zu geben (vgl. hier­zu das Ver­hal­ten eini­ger CW-Akti­vis­t_in­nen auf dem No Bor­der Camp in Köln 2013), zeugt von einer Ver­wech­se­lung von Pri­vi­le­gi­en und Rech­ten. Denn auch in einem gericht­li­chen Pro­zess gilt, dass eine blo­ße Beschul­di­gung oder Unter­stel­lung noch lan­ge nicht zu einer Ver­ur­tei­lung füh­ren darf.

Man kommt auch nicht umher, sich an Orwells Ani­mal farm erin­nert zu füh­len, in dem die sie­ben Gebo­te der Tie­re zusam­men­ge­stri­chen wer­den auf: „All ani­mals are equal, but some ani­mals are more equal than others.“

Dass aus dem Ver­such, CW (eigent­lich eine ana­ly­ti­sche Per­spek­ti­ve) zu einem all­ge­mein­gül­ti­gen Lösungs­an­satz zu machen, die Kape­rung von CW und die Ver­bin­dung des Ansat­zes mit Auto­ri­ta­ris­mus her­vor­geht, erken­nen und bekla­gen auch die Autor_innen.

 

Dimen­sio­nen der Dif­fe­renzMode­ra­ti­on: J.O. Arps und R. Khan – Gesprächs­teil­neh­mer: J.K. Aik­ins, J. Kara­ka­ya­li, S. Kara­ka­ya­li, S.D. Otoo, V. Tsianos

Zunächst soll klar­ge­stellt wer­den, dass sich auf dem taz-lab im April 2013 bei­de Sei­ten dane­ben benom­men haben.

Auch in die­ser Gesprächs­run­de kommt man nicht viel wei­ter. Neben viel zu sprung­haf­ten Bei­trä­gen, zu vie­len Bei­spie­len, Umgangs­spra­che und sehr zurück­hal­ten­der Mode­ra­to­ren, sind auch hier die Ver­ein­nah­mung der Geschich­te (der Wis­sens­pro­duk­ti­on durch PoC) und die noto­ri­sche Ver­wech­se­lung von Pri­vi­le­gi­en und Rech­ten ein Problem.

Auch hier schließt der PoC-Begriff „Wei­ße“ aus. Doch die­ses Ver­ständ­nis von Ungleich­be­rech­ti­gung redu­ziert das Pro­blem auf ein Kri­te­ri­um (Her­kunft, Haut­far­be) und erkennt nicht die Idee oder den Mecha­nis­mus dahin­ter und ver­sucht auch nicht die­se auf­zu­lö­sen. Nur Tsia­nos greift dies kurz expli­zit auf. Der Fokus auf das Kri­te­ri­um, nach dem aus­ge­schlos­sen wird, ist nicht eman­zi­pa­to­risch, da die­ses meist nicht zu beein­flus­sen ist. Also spal­tet dies unnötigerweise.

Was eben­falls zu bedau­ern ist, ist die Beto­nung von his­to­ri­scher Kon­ti­nui­tät, gleich­zei­tig aber Ereig­nis­se wie die Sho­ah aus die­ser her­aus­ge­nom­men wer­den, mit dem Hin­weis sie sei­en sin­gu­lär. Dann soll aber aus die­ser Sin­gu­la­ri­tät eine his­to­ri­sche Ver­ant­wor­tung der „Deut­schen“ ent­ste­hen? Es fehlt der rote Faden.

Auch die Nen­nung von „Erkennt­nis­bar­rie­ren“ oder der Schaf­fung „ein[es] ande­ren Raum[es]“ wei­sen auf ähn­li­che Aus­gren­zungs­me­cha­nis­men in den Argu­men­ten, wie beim Ras­sis­mus hin.

 

Dyna­mi­sche Spra­che gegen Herr­schaft und Dis­kri­mi­nie­rung Inter­view­er: I. Stütz­le – Inter­view­te: L. Hornscheidt

Die Auf­fas­sung von Spra­che als einem Kon­strukt betont genau die Ele­men­te die oben schon öfters genannt wur­den: Eman­zi­pa­ti­on- und Ver­än­de­rungs­mög­lich­kei­ten, Beto­nung von Dis­kur­sen und die Kri­tik der Natu­ra­li­sie­rung und Essen­tia­li­sie­rung von Phänomenen.

Der Ver­zicht auf Lösun­gen von „oben“ spricht für einen eman­zi­pa­to­ri­schen Ansatz, der auf gesell­schaft­li­cher Ver­stän­di­gung und weni­ger auf Zwang (es sei denn auf den sich eigens gege­be­nen) baut. Trotz­dem soll hier gesagt sein, dass in die­sem kom­mu­ni­ka­ti­ven Pro­zess, Publi­kum und Sprecher_innen sich gegen­sei­tig dazu ver­pflich­ten, dem ande­ren sei­ne Rech­te ein­zu­ge­ste­hen. Es kann nicht sein, dass nur die einen auf­grund einer frü­he­ren Benach­tei­li­gung, nun über mehr Rech­te ver­fü­gen (Aus­spra­che), aber nicht sel­ber die Pflicht des Zuhö­rens haben, was nun aber für die vor­her nicht benach­tei­lig­ten Per­so­nen gel­ten solle.

In die­sem Pro­zess kommt es dar­auf an, die Argu­men­ta­ti­on (also den Kon­text) zu beach­ten und nicht nur auf die Asso­zia­tio­nen in Ver­bin­dung mit gewis­sen Schlag­wör­tern. Denn nur im Zusam­men­hang erge­ben Wor­te Sinn und las­sen Asso­zia­tio­nen ent­ste­hen. Um sich einen gewis­sen Frei­raum zu geben, dür­fen Wor­te nicht auf eine Bedeu­tung redu­ziert wer­den, sonst ent­steht ein Gefan­ge­nen­di­lem­ma und Alter­na­ti­ven kön­nen nur noch schwer arti­ku­liert wer­den. Geschieht die­se Aus­ein­an­der­set­zung mit Argu­men­ta­tio­nen nicht, zeugt es von einem pro­fun­den Miss­ver­ständ­nis von Diskurstheorie.

 

Nur für Ein­ge­weih­teH. Wet­tig

Wet­tig greift die eben genann­te Kri­tik auf, indem das Bei­spiel der Schwu­len­be­we­gung und der Umdeu­tung des Wor­tes „que­er“ zum Posi­ti­ven und im Sin­ne der Bewe­gung genannt wird. Es stimmt auch, dass sich genau­so wie die Spra­che auch die Ver­hält­nis­se ändern müs­sen. Dies soll­te jedoch so ver­stan­den wer­den, dass Spra­che, die kei­nen Ein­fluss auf die Ver­hält­nis­se hat, als die Ver­hält­nis­se ledig­lich repro­du­zie­rend  ver­wor­fen wer­den soll­te. Dar­aus zu schlie­ßen, Spra­che wäre das zweit­ran­gi­ge Ziel, ist jedoch falsch. Viel­mehr geht es dar­um die Dia­lek­tik bei­der zu ver­ste­hen und den Impuls auf die Ver­än­de­rung der Ver­hält­nis­se durch Spra­che auszulösen.

Aller­dings kann Wet­tigs Posi­ti­on bekräf­tigt wer­den, dass dog­ma­ti­sche und unre­flek­tier­te Wort­neu­schöp­fun­gen eben­so eli­tär und von „oben“ kom­men, wenn sie nicht in einer gemein­sa­men Aus­ein­an­der­set­zung über Spra­che ent­ste­hen, son­dern nur der Betrof­fe­nen­grup­pe zuste­hen, die die­se mit­un­ter auch mit­tels der Auto­ri­tät der Wis­sen­schaft oder des Man­tras der Expert_innen durch­set­zen wol­len und sich nicht der Kri­tik des Publi­kums stellen.

 

Wer hat die Defi­ni­ti­ons­macht?S.D. Otoo

Auch in Otoos Bei­trag fin­den sich eini­ge kri­ti­sche Ele­men­te. Sie ach­tet bei Spra­che auf den Ton­fall (also den Kon­text), stellt danach aber die The­se auf, dass das Wort „End­lö­sung“ auf­grund der Asso­zia­tio­nen, die es her­vor­ruft (Kon­text: Natio­nal­so­zia­lis­mus), inner­halb eines kom­plett ande­ren Kon­tex­tes (z.B.: Mathe­ma­tik) nie mehr ver­wen­det wer­den könn­te. Eigent­lich wider­spricht sie sich selbst, da es ihr anschei­nend doch nicht auf den Kon­text, mit dem auch Inten­tio­nen ver­bun­den sind, ankommt. Sie redu­ziert Wor­te auf eine ein­zi­ge Bedeu­tung, was auto­ri­tär wirkt.

Die Unter­stel­lung, Wet­tig sei sich ihrer Pri­vi­le­gi­en nicht bewusst, kommt einem bereits bekannt vor. Das Argu­ment der „Betrof­fen­heit“, ver­mengt mit einer anschul­di­gen­den direk­ten Anspra­che der Leser_innen, kommt als Tot­schlag­ar­gu­ment rüber und beinhal­tet ein hyper­in­di­vi­dua­li­sier­tes Ver­ständ­nis von Gesell­schaft, in dem Ver­mitt­lung sehr schwie­rig wird. Sie ver­gisst, dass ihr Recht auf Selbst­be­zeich­nung auch eine Pflicht der Gegen­kri­tik mit sich bringt, sonst bevor­mun­det man sein Gegen­über, ist unkri­tisch und macht sozia­le Kom­mu­ni­ka­ti­on unmöglich.

Als sie von ver­se­hent­li­cher Dis­kri­mi­nie­rung spricht, erkennt sie nicht, dass ein Ver­se­hen einem ande­ren Kon­text ent­springt, als dem des ver­meint­lich Dis­kri­mi­nier­ten. Es zeugt von miss­ver­stan­de­ner Diskurstheorie.

 

Die Schwie­rig­kei­ten der Reprä­sen­ta­ti­on M.Z. Yufanyi

Bei­trä­ge wie der Yufany­is ver­die­nen Lob und Kri­tik. Dass sie Othe­ring anspricht, wird hier begrüßt, da es einen dis­kur­si­ven Mecha­nis­mus her­vor­hebt, anstel­le von rein mate­ri­el­len Verhältnissen.

Dass dies auch in der Wis­sen­schaft, spe­zi­ell in der Geo­gra­phie, statt­fand stimmt. Sich aber nur auf ein (his­to­risch über­hol­tes) Para­dig­ma zu bezie­hen und die jüngs­ten Ent­wick­lun­gen in der Human­geo­gra­phie nicht zu nen­nen, ist schlecht­hin ahis­to­risch, selek­tiv und essen­tia­li­sie­rend. Es scheint so, als wür­de Selbst­be­zeich­nung dazu ver­küm­mern, ledig­lich die Kon­struk­tio­nen des Selbst, die durch ande­re geschaf­fen wur­den, zu kri­ti­sie­ren. Wirk­lich auto­no­me Selbst­be­zeich­nung fin­det sich kaum.

Auch hier wird Viel­zahl der Mei­nun­gen mit Viel­falt ver­wech­selt. Es soll­te Alter­na­ti­ven zu Othe­ring geben, nicht wel­che inner­halb Otherings.

Damit wir im Anti­ras­sis­mus vor­an­kom­men, brau­chen wir eine selbst­kri­ti­sche Kri­tik von Opfern und Tätern. D.h., dass wir his­to­ri­sche Varia­bi­li­tät, also auch die per­so­nel­le Ver­än­de­rung aner­ken­nen müs­sen. Sonst wer­den Reha­bi­li­ta­ti­on, Schuld­be­glei­chung und Ver­ge­bung unmög­lich. Opfer sowie Täter wür­den stets in ihren Rol­len ver­blei­ben. Des­halb ist neben Bestra­fung auch eine Mög­lich­keit zum Aus­stieg aus rech­ten Krei­sen zu schaf­fen. Täter müs­sen sich von ihrem Täter­sein eman­zi­pie­ren kön­nen, damit die (poten­ti­el­len) Opfer bei deren Frei­las­sung nicht (wie­der) zu Opfern werden.

Es ist kei­ne Lösung, wenn jeder nur für sich und sei­ne sub­jek­ti­ven Erfah­run­gen spre­chen kann. Denn es geht nicht dar­um, kon­stant Gren­zen zwi­schen Per­so­nen zu zie­hen und aus ihren sepa­ra­ten Erfah­run­gen das arith­me­ti­sche Mit­tel zu neh­men, son­dern es geht viel­mehr um die Ver­mitt­lung zwi­schen Posi­tio­nen. Man kann also nicht ein­sei­tig und kon­text­los defi­nie­ren, was dis­kri­mi­nie­rend ist (z.B. die Fra­ge „Woher kommst du?“ ist nicht immer ras­sis­tisch), da man nicht in die glei­chen selek­ti­ven Argu­men­ta­ti­ons­struk­tu­ren ver­fal­len darf wie der Rassismus.

Auch Yufanyi ver­wech­selt Pri­vi­le­gi­en und Rech­te, was dahin füh­ren könn­te, dass wir vom „sepa­ra­te and une­qual“ zum „sepa­ra­te but equal“ kom­men, nicht aber zum simp­len „equal“.

Die Defi­ni­ti­on von „Weiß­sein“ ist eben­falls pro­ble­ma­tisch, da nicht nur der Begriff, son­dern auch die Argu­men­ta­ti­on essen­tia­li­sie­rend, gar ras­sis­tisch anmu­tet. Die Haut­far­be hat in die­sem Ver­ständ­nis einen Ein­fluss, wenn auch nicht bio­lo­gi­schen son­dern struk­tu­rel­len, auf die per­sön­li­che Ein­stel­lung. Was dar­an noch eman­zi­pie­rend sein soll, kann man sich durch­aus fra­gen. Es wäre bes­ser, die Eigen­schaf­ten zu benen­nen, sie nicht zu rei­fi­zie­ren (ver­ding­li­chen) und ein auto­no­mes Selbst zu entwerfen.

 

Die Gren­zen des Anti­ras­sis­mus A. Reed Jr.

Was nicht mit Reed Jr. geteilt wird ist die Kri­tik, der Begriff des Anti­ras­sis­mus wer­de zu stark betont, denn es erst wenn das Pro­blem be-grif­fen wur­de, kann ein Ziel for­mu­liert werden.

Posi­tiv ist, dass auch er die Ver­ein­nah­mung his­to­ri­scher Bewe­gun­gen durch aktu­el­le kri­ti­siert. Letz­te­ren wirft er eine Ein­zel­fall­mo­bi­li­sie­rung vor.

Sein dia­lek­ti­sches Ver­ständ­nis von Dis­kurs und Prak­tik ist gut. Aller­dings ver­tritt er die Mei­nung, dass die Wis­sens­pro­duk­ti­on zu ein­zel­nen sozia­len Teil­be­rei­chen unpro­duk­tiv sei, da sie nur neo­li­be­ra­le Refor­men umset­ze. Er sucht den kom­plet­ten Sys­tem­wan­del. Dem wird hier wider­spro­chen, da Refor­men nicht per se neo­li­be­ral sind, da sie dort anset­zen, wo Bedarf ist und nicht alles, v.a. nicht sozi­al gerech­te Ver­hält­nis­se (dort wo es sie gibt), über Bord wer­fen. Mit dem Sys­tem­wech­sel kommt auch die Fra­ge nach einer gewalt­frei­en Revo­lu­ti­on. Die­se lässt er außer Acht.

Auch dass Erkennt­nis nur wenig an den Prak­ti­ken ver­än­de­re, kann so nicht bejaht wer­den, da nach der Dia­lek­tik von Dis­kurs und Prak­tik, ein ver­än­der­ter Dis­kurs eine ver­än­der­te Prak­tik mit­bringt. Nur die Prak­tik zu ändern, ohne Argu­ment, löst den ideel­len Ras­sis­mus nicht auf.

Es ist auch an den kon­kre­ten Umstän­den zu arbei­ten, da sie Teil des Dis­kur­ses sind und ihn repro­du­zie­ren und legi­ti­mie­ren bzw. ihn auch wider­sprüch­lich erschei­nen lassen.

Doch die Aus­ein­an­der­set­zung mit dem „Danach“, muss vor­her statt­fin­den, sonst kann die Bewe­gung ver­ein­nahmt und usur­piert wer­den. Es müs­sen Ant­wor­ten dar­auf gege­ben wer­den, was nach der Umver­tei­lung gesche­hen soll? Redu­ziert die Umver­tei­lung nicht die Debat­te auf Ein­kom­mens- und Ver­mö­gens­aspek­te? Nimmt es nicht auch die Gesell­schaft aus der Ver­ant­wor­tung, nach dem Mot­to: „Jetzt wo umver­teilt wur­de, ist es an euch, euch zu erwei­sen“? Nach wel­chen Markt­re­geln wol­len wir dann han­deln? Was ist, wenn wie­der auf­grund eines Merk­mals Grup­pen dis­kri­mi­niert wer­den? Liegt das dann im Sys­tem oder nur in einem Teil davon? Sind in einer Gesell­schaft nicht auch ande­re Fak­to­ren rele­vant (z.B.: Zuge­hö­rig­keits­vor­stel­lun­gen), die zuerst de- und dann rekon­stru­iert wer­den müss­ten? Ent­springt nicht gera­de dar­aus eine Grup­pe der „Uner­reich­ba­ren“, wenn der drit­te vor dem zwei­ten Schritt getan wird, als Teil eines hys­te­ri­schen Aktio­nis­mus, bevor über­haupt ein Kon­sens erreicht wur­de? Dies ist die eigent­lich schwie­ri­ge Aufgabe.

 

Kri­tik der ak-Son­der­bei­la­ge Herbst 2013