Herzlich Willkommen auf dem Antifra* Blog! Antifra* steht für Antifaschismus und Antirassismus. Hier bloggen Autor*innen zu den Themen Antifeminismus, Migrantischer Antifaschismus, Prozessbeobachtungen, Sicherheitsbehörden, Neonazismus und Grenzregimen.
Grüne Infamie: In Hamburg kein NSU-Untersuchungsausschuss

Für Süleyman Taşköprü
Im Mai 1999 veröffentlichte die Nazizeitung Hamburger Sturm ein Aufsehen erregendes Interview. Hier erhielten erstmals die sogenannten „National Revolutionären Zellen“ (NRZ) das Wort und sie sprachen sich für die Praxis des bewaffneten Untergrundkampfes aus. Das dazu gehörige Foto zeigt einen Mann mit Sturmhaube und ein Interviewter gibt unmissverständlich kund: „Unser Weg ist der aus dem Untergrund handelnde Aktivist.“ Weiter heißt es: „Man darf nicht vergessen, dass wir im Krieg sind mit diesem System und da gehen nun mal einige Bullen oder sonstige Feinde drauf.“ Ergänzt wurden diese markanten Aussagen durch Hinweise und Tipps für klandestines Verhalten. Diese durch den Hamburger Sturm öffentlich kund getane Konzeption des bewaffneten Kampfes, wurde zeitgenössisch nicht nur von Antifaschist*innen, sondern auch von den Skinheads in Zwickau und Chemnitz aufmerksam registriert. In ihrem Statement legten die NRZ dar: „Wir sind eine Gruppe von mehreren Personen, die in der NPD tätig sind, aber mit dem NPD-Führungsstil unzufrieden geworden sind“, weshalb „wir den neuen Weg als handelnde Aktivisten aus dem Untergrund eingeschlagen haben“. Mitmachen bei dem „Untergrundkampf für die Freiheit der Weißen Völker“ können ausschließlich Männer, die Kampfsport betreiben und mit Waffen umgehen können sowie Computerkenntnisse haben. Weiterlesen „Grüne Infamie: In Hamburg kein NSU-Untersuchungsausschuss“
Mölln, NSU, Halle, Hanau
Rechtsterror, Kontinuität und deutsche (Nicht-) Erinnerung
Rechte Gewalt hat eine lange Geschichte in Deutschland. Nicht zuletzt haben die Anschläge von Hanau und Halle und der Mord an Walter Lübcke die Kontinuität rechter Gewalt erneut schmerzlich sichtbar gemacht. Ebenso besteht jedoch auch eine lange Geschichte der Nicht-Erinnerung rechter Taten, des Nicht-Zuhörens, wenn es um die Geschichten Betroffener geht und der Nicht-Aufklärung von Anschlägen. Eine umfassende Auseinandersetzung mit strukturellem Rassismus und seinen politischen und gesellschaftlichen Implikationen ist weiterhin ausstehend, gleichermaßen die Rolle von Politik und Behörden. Rassismus und rechte Gewalt werden auch heute noch weitgehend aus der allgemeinen deutschen Geschichtsschreibung ausgeklammert, ebenfalls die Auswirkungen dieser Taten auf Betroffene rechter Gewalt. Doch wie kann eine Erinnerungspolitik aussehen, die diese Geschichten erzählt, sie dokumentiert und dadurch sichtbar macht?
Zahlreiche Angehörige und Initiativen leisten seit Jahrzehnten unermüdliche Arbeit, damit die Geschichten Betroffener gehört und Teil des deutschen Erinnerungsnarrativs werden. Sie fordern, wie die Initiative 19. Februar Hanau es immer wieder betont «Erinnerung, Gerechtigkeit, Aufklärung und Konsequenzen.»[2] Der folgende Beitrag setzt sich mit der Kontinuität rechter Gewalt und der Nicht-Erinnerung im offiziellen Narrativ auseinander, weist aber auch auf die Arbeit derjenigen hin, die versuchen diese Geschichtsschreibung zu verändern.
Den vollständigen Artikel findet ihr auf der Website der Rosa-Luxemburg-Stiftung.
Er erscheint außerdem als Teil des Sammelbandes: Erinnerungskämpfe. Neue deutsche Identität(en), neues deutsches Geschichtsbewusstsein, Herausgegeben von Jürgen Zimmerer
Das Buch erscheint am 5. September 2023 im Reclam Verlag.
Bericht eines russischen Genossen: „Wie ich Antifa wurde“

Im Jahr 2020 wurde das Wort „Antifa“ zu einem heißen Thema. Im Sommer versprach US-Präsident Donald Trump, die Antifa zu verbieten, die er beschuldigte, Unruhen im Land zu organisieren. Die internationalen Medien beeilten sich, den in Vergessenheit geratenen Begriff zu erklären. Im Herbst erinnerte man sich in Russland an die Antifaschist*innen. Am 1. September verstarb Aleksej „Sokrates“ Sutuga in Moskau nach einem Kampf. Am 16. November jährte sich die Ermordung von Vanja Knochenbrecher zum elften Mal. Ich habe nie über ihn geschrieben, obwohl wir derselben Gang angehörten.
Mit diesem Text möchte ich unseren getöteten Genoss*innen Tribut zollen und ihr Andenken ehren. Es ist an der Zeit, die Gespenster der Vergangenheit wieder auferstehen zu lassen. Es ist an der Zeit, sich an die Antifa zu erinnern. Weiterlesen „Bericht eines russischen Genossen: „Wie ich Antifa wurde““
Studie: Die extreme Rechte im Europäischen Parlament
von Pierre Balas, veröffentlicht durch transform! Europe
In dieser Studie wird die extreme Rechte im EP von 2019 bis heute (September 2022) unter verschiedenen Aspekten untersucht. Dabei werden die Fragen beantwortet, was nach der Wahl von 2019 geschah, wie die europäischen Rechtsextremen im EP organisiert sind und was die rechtsextremen Parteien miteinander verbindet und voneinander trennt.
Weltweit hat der Einfluss der extremen Rechten in allen Bereichen der Gesellschaft zugenommen (Mobilisierungen auf der Straße, politische Diskurse, öffentliche Debatte usw.). Dieser Wandel macht auch vor dem Europäischen Parlament nicht halt. Die Medien und politische Kommentator:innen warnten während der Kampagne für die Europawahl 2019 (9. Legislaturperiode) sogar vor einer rechtsextremen Flutwelle. Auch wenn diese ausblieb, können rechtsextreme politische Kräfte in der Europäischen Union und in extenso auch im EP dennoch Erfolge verzeichnen.
Im Kontext dieser Arbeit bezeichnet der Begriff „extreme Rechte“ jene Fraktionen im EP, die rechts von der Europäischen Volkspartei (EVP) sitzen: Identität und Demokratie (ID), Europäische Konservative und Reformer:innen (EKR) und einige der Fraktionslosen.
In dieser Arbeit wird die extreme Rechte im EP von 2019 bis heute (September 2022) anhand der folgenden Fragestellungen untersucht: Was geschah bei der Wahl von 2019? Wie sind die europäischen Rechtsextremen im EP organisiert? Was verbindet und was trennt die rechtsextremen Parteien? Wie nutzen sie die EU? Haben sie Gegenvorschläge zum europäischen Projekt
Hier findet ihr die Studie auf Englisch zum Download: https://www.transform-network.net/de/publications/detail/die-extreme-rechte-im-europaeischen-parlament/
Pour notre camarade Volkmar
„An unserem Revers trugen wir nicht das Emblem
von Hammer und Sichel, sondern die ‚Antifa‘-Nadel — eine Aufforderung
zu einem gemeinsamen Vorgehen gegen den Faschismus“
Eric Hobsbawm: Gefährliche Zeiten. Ein Leben im 20. Jahrhundert, 2003, S.89

Es ging um die Politik, Theorie und Historizität der äußersten Rechten und einige Reaktionen dazu seitens der antifaschistischen Linken. Ende Januar lud der renommierte „Gesprächskreis rechts“ der Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) in den Willi-Münzenberg-Saal im alten Gebäude des „Neuen Deutschlands“ zu einer Art Jour-Fixe ein. Thema: „Rechte Ränder – Schlaglichter auf Faschismus und Gesellschaft“. Etwa 80 Anwesende folgten der Einladung und nach der Begrüßung durch die zuständige Referentin der Stiftung, Anika Taschke, trugen vor: Die Bundestagsabgeordnete Martina Renner, der Hamburger Historiker Volker Weiß, der Magdeburger Theologe und Gemeinwesenarbeiter David Begrich, die Aktivistin von NSU-Watch Caro Keller und der Politikwissenschaftler Felix Korsch. Ein guter Mix: Eine profilierte Antifa-Politikerin, ein versierter Historiker zur intellektuellen Rechten, ein in der DDR aufgewachsener intellektueller Theologe, eine Antifa-Aktivistin und ein einschlägiger Promovent.
In ihrem Vortrag beleuchtete Renner unter anderem einige Aspekte der aktuellen Politik der Sicherheitsbehörden in Sachen Rechter Terror. Hier werden bei der Generalbundesanwaltschaft (GBA) mit Stand vom 30. September 2022 in 32 Ermittlungen gegen 122 namentlich Beschuldigte Verfahren geführt. Renner fügte hier trocken hinzu, das zu diesen Beschuldigten noch die nach der medial exzellent vorbereiteten Razzia gegen „Reichsbürger“ am 7. Dezember 2022 „da noch 52 weitere Beschuldigte oben drauf“ kommen. Zwischenzeitlich hat sich in diesem Kontext die Zahl auf insgesamt 55 Verdächtigte erhöht. Auch diese enorme Anzahl von Beschuldigten in Terrorismusverfahren mit Bezug rechts verdeutlicht für die Zukunft die Dringlichkeit antifaschistischen Engagements. Weiterlesen „Pour notre camarade Volkmar“