Nazis beim Sex: der Film „Kriegerin“

Nö, ne, muss nicht sein: Nazis beim Sex (Screen­shot aus dem Film)

Eine Stim­me, die beglei­tet von sanf­tem Wel­len­rau­schen über die Bedeu­tung von Demo­kra­tie phi­lo­so­phiert, blu­ti­ge Gewalt von Nazis und roher Sex. Der Film „Krie­ge­rin“ lie­fert schon in den ers­ten fünf Minu­ten alles, was einen Hol­ly­wood­strei­fen so rich­tig erfolg­reich macht. Der rasan­te Ein­stieg ist der Auf­takt für 100 Minu­ten Schock­ein­blick in die ost­deut­sche Neo­na­zi­sze­ne. Es sind Bil­der die Gän­se­haut ver­ur­sa­chen, aber ob der holp­ri­gen Sto­ry­line auch ein wenig pla­ka­tiv wir­ken. Und am Ende bleibt vor allem die Fra­ge: Was soll ich dar­aus mitnehmen? 

 Schwa­che Geschich­te vor gru­se­li­gen Bildern 

Im Zen­trum des von David Wnendt pro­du­zier­ten Films ste­hen zwei Frau­en: Mari­sa ist 20 Jah­re jung, hat ein Haken­kreuz auf die Brust tät­to­wiert und ist stets gewalt­be­reit. Die Super­markt­kas­sie­re­rin mit dem lee­rem Blick ändert ihre neo­na­zis­ti­schen Ein­stel­lun­gen jedoch im Lau­fe des Fil­mes und will aus­stei­gen aus der Sze­ne. Als ihr Pen­dant steht die fünf Jah­re jün­ge­re Sven­ja, die aus ihrem lieb­lo­sen, spieß­bür­ger­li­chen Zieh-Eltern­haus aus­bricht und bei Mari­sas Nazicli­que nach und nach Zuge­hö­rig­keit fin­det. Wir fol­gen dem Leben der zwei Frau­en, das von Hass und feh­len­der Wert­schät­zung geprägt ist. Bis zur Eska­la­ti­on in der Schluss­sze­ne, in der Mari­sa ihrem Nach­wuchs-Ich die Selbst­er­kennt­nis lie­fert, dass die Rebel­li­on und das Stre­ben nach „Ver­än­de­rung“ am Ende nur der Ver­such sei, die eige­ne inne­re Lee­re zu füllen.

Die Hand­lung des Films bleibt auf­grund der vie­len Kli­schees, die er bedient, und der wahn­sin­nig schnel­len Ent­wick­lung der Figur Mari­sas nur mäßig glaub­wür­dig. Dass die jun­ge Frau in einem Wut­an­fall zunächst zwei jun­ge afgha­ni­sche Geflüch­te­te mit ihrem Auto über­fährt und im nächs­ten Moment kuschelnd mit dem einen der bei­den in einem ver­las­se­nen Lager­haus sitzt, wirkt ein wenig kon­stru­iert. Auch die eine Erklär-Sze­ne für ihren Sin­nes­wan­del ist eher schwach: Mari­sas Nazi-Opa sagt ihr auf dem Ster­be­bett, dass man sei­ne Feh­ler wie­der­gut­ma­chen muss.

In Erin­ne­rung bleibt der wider­sprüch­li­che Cha­rak­ter der „Krie­ge­rin“ aber den­noch, genau­so wie die gru­se­li­gen Nazi-Par­tys, unter­malt von eigens für den Film kom­po­nier­tem Rechts­rock. Der Film will scho­ckie­ren und tut dies. Aber muss ich Nazis wirk­lich beim Sex zugucken?

Frau­en im Widerspruch 

Das Ziel von David Wnendts Debüt-Film war, ein authen­ti­sches Bild von Frau­en in der rech­ten Sze­ne zu zei­gen. Dafür recher­chier­te der Regis­seur unter Nazis und inter­view­te sechs Frau­en zum The­ma. Das Pro­jekt ent­stand vor 2011, also vor der Selbst­ent­tar­nung des NSU, wo  rech­ter Ter­ror in ganz neu­em Maße öffent­li­ches Auf­se­hen erreg­te und mit Bea­te Zsch­ä­pe zum ers­ten Mal eine neo­na­zis­ti­sche Frau in den gesell­schaft­li­chen Fokus rück­te. Die Dar­stel­lung der kon­trast­rei­chen Posi­tio­nie­rung von Frau­en in extrem rech­ten Krei­sen war und ist mit Sicher­heit eine span­nen­des The­ma für die fil­mi­sche Umset­zung. Und die Wider­sprüch­lich­keit der Rol­len, die Mari­sa und Sven­ja in ihrer Grup­pe ein­neh­men, klingt an.

Nicht the­ma­ti­siert wer­den hin­ge­gen wirk­li­che Hin­ter­grün­de und Erklä­run­gen für ihr Ver­hal­ten, sowie der gesamt­ge­sell­schaft­li­che Kon­text. Am Ende ste­hen also die gru­se­li­gen Bil­der, die auch zehn Jah­re nach Erschei­nen des Fil­mes nicht an Aktua­li­tät ver­lie­ren. Aber ob der höl­zer­nen Hand­lung und der feh­len­den Ein­ord­nung in die gesell­schaft­li­chen Struk­tu­ren, in denen sich die Hand­lung abspielt, bleibt auch ein bit­te­rer Beigeschmack.

Der Film wird im Rah­men der Rei­he „Film ab gegen Rechts­extre­mis­mus“ im Febru­ar im ZDF gezeigt und ist dann in der Media­thek abruf­bar. Im Lau­fe des Febru­ar zeigt die Nach­wuchs­re­dak­ti­on Das klei­ne Fern­seh­spiel vier Spielf­i­me wie­der, „die sich auf unter­schied­li­che Art mit Rechts­extre­mis­mus und Ras­sis­mus aus­ein­an­der set­zen“, heißt es in der Pres­se­info. Und: „Damit wol­len wir auf die­se sehr wich­ti­gen The­men auf­merk­sam machen, die in die­sen Zei­ten nicht ver­ges­sen wer­den dürfen“.

Seit 7. Febru­ar 2021 kön­nen fol­gen­de Fil­me in der ZDF-Media­thek ange­schaut werden:
Wir sind jung. Wir sind stark., Spiel­film, Deutsch­land 2014
Leroy, Spiel­film, Deutsch­land 2007
Die Ari­er, Doku­men­tar­film, Deutschland/USA/Iran 2013
Krie­ge­rin, Spiel­film, Deutsch­land 2011