Möllner Rede im HAU: Unbeugsam im Exil

Die Familien Arslan, Yilmaz, Bektaş, Taşköprü, Bejarano und Freunde von Oury Jalloh gemeinsam auf der Bühne des HAU.
Die Fami­li­en Ars­lan, Yil­maz, Bek­taş, Taş­köprü, Beja­ra­no und Freun­de von Oury Jal­loh gemein­sam auf der Büh­ne des HAU. Foto: Perinelli

 

Die Soli­da­ri­tät, Anteil­nah­me und der Wunsch nach wür­di­gem und poli­ti­schem Geden­ken hat­te die Rei­hen des „Heb­bel am Ufer“ bis hin­auf in die schwin­del­erre­gen­den Rän­ge unterm Dach gefüllt. Die „Möll­ner Rede im Exil“ ist seit 2013 im gan­zen Land unter­wegs, nach­dem sie als von den Betrof­fe­nen selbst­be­stimm­ter, kri­ti­scher Teil des offi­zi­el­len Geden­kens von der Stadt Mölln von der Agen­da gestri­chen wor­den war. Jedes Jahr hal­ten bekann­te Per­sön­lich­kei­ten die Rede zum Geden­ken an die bei einem Brand­an­schlag auf das Haus einer tür­ki­schen Fami­lie in Mölln getö­te­ten drei Men­schen: Am 23. Novem­ber 1992 — vor 25 Jah­ren — star­ben die 51jährige Bahi­de und die 10jährige Yeliz Ars­lan sowie die 14jährige Ayşe Yil­maz, nach­dem zwei bekann­te Neo­na­zis das Wohn­haus der Fami­lie Ars­lan in Brand gesetzt hat­ten. Wei­te­re Fami­li­en­mit­glie­der wur­den teil­wei­se sehr schwer verletzt.

„Möll­ner Rede im Exil“ im HAU: Mölln-Über­le­ben­der Ibra­him Ars­lan bei sei­ner Rede zum Geden­ken an sei­ne 1992 bei einem neo­na­zis­ti­schen Brand­an­schlag ermor­de­ten Ver­wand­ten Foto: Burschel

 

Zum Geden­ken spra­chen 2015 in Bre­men Agy­ris Sfon­tou­ris, Über­le­ben­der eines Wehr­machts­mas­sa­kers 1944 in Dis­to­mo im besetz­ten Grie­chen­land, und ver­gan­ge­nes Jahr in Köln der tür­ki­sche Dis­si­dent und deut­sche Schrift­stel­ler Doğan Akh­an­lı, der vor Kur­zem in die Schlag­zei­len geriet, weil er auf­grund eines tür­ki­schen Haft­be­fehls in Spa­ni­en ver­haf­tet und fest­ge­hal­ten wur­de. Unter­des­sen wie­der auf frei­em Fuß und zurück in Deutsch­land war er ges­tern zum Fest­akt anwe­send. In die­sem Jahr soll­te nun die hoch betag­te und uner­müd­lich künst­le­risch und poli­tisch täti­ge Ausch­witz-Über­le­ben­de Esther Bejer­ano die Rede hal­ten. Lei­der war die 92Jährige kurz­fris­tig erkrankt und muss­te sich mit ihrer Rede von ihrem Sohn Yoram Bejer­ano ver­tre­ten las­sen. Er ver­las die bewe­gen­de Rede einer Über­le­ben­den, die die Kon­ti­nui­tät des Nazis­mus nach dem Krieg eben­so erleb­te wie das Wie­der­erstar­ken neo­na­zis­ti­scher und rechts­ter­ro­ris­ti­scher Bewe­gun­gen in Deutsch­land und die mit ihrer musi­ka­li­schen Arbeit unter ande­rem mit der Köl­ner „Micro­pho­ne Mafia“ (die im Rah­men der Gedenk­ver­an­stal­tung auch ohne sie spiel­te) und ihrer Tätig­keit als Zeit­zeu­gin in Schu­len, wie sie sagt, Rache an denen übe, die Men­schen wie sie und die ande­ren Opfer ras­sis­ti­scher und nazis­ti­scher Gewalt ver­nich­ten woll­ten. Dass sie lebe und auf die Soli­da­ri­tät so vie­ler u.a. im HAU rech­nen kön­ne, sei ihre per­sön­li­che Genug­tu­ung gegen­über den alten und neu­en Nazis, ließ sie durch ihren Sohn ausrichten.

Ein fes­ter Bestand­teil des Gedenk­ak­tes ist auch die Anspra­che des Anschlags­über­le­ben­den Ibra­him Ars­lan, der eben­falls die Wich­tig­keit des Geden­kens und die Soli­da­ri­tät der Vie­len gegen Ras­sis­mus und Nazi­ter­ror beschwor. Auch wei­te­re Betrof­fe­ne und Über­le­ben­de des Möll­ner Anschla­ges ergrif­fen in sehr per­sön­li­cher und berüh­ren­der Wei­se das Wort.

In die­sem Jahr mach­te die Möll­ner Rede im Exil auf Ein­la­dung der Initia­ti­ve für die Auf­klä­rung des Mor­des an Burak Bek­taş in Ber­lin Sta­ti­on, es wur­de aber auch an Oury Jal­loh, der im Janu­ar 2005 im Des­sau­er Poli­zei­ge­wahr­sam ermor­det wur­de, und an die Opfer und Betrof­fe­nen des NSU-Ter­rors erinnert.

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