NSU-Terror: Verfassungsschutzmitarbeiter angeklagt!

Geschredderte Akten vor dem Verfassungsschutzgebäude in Köln
Geschredderte NSU-Akten vor dem Verfassungsschutzgebäude in Köln
Geschred­der­te NSU-Akten vor dem Ver­fas­sungs­schutz­ge­bäu­de in Köln
PRESSEMITTEILUNG
Anklage gegen „Aktenschredderer von Köln“

• Aktivist_innen besu­chen „Lothar Lin­gen“ an sei­ner jet­zi­gen Arbeitsstätte
• „Lin­gen“ ver­ant­wort­lich für mas­sen­haf­te Ver­nich­tung von NSU-Akten im Jahr 2011 beim Bun­des­amt für Verfassungsschutz
• Über­ga­be einer zivil­ge­sell­schaft­li­chen Ankla­ge gegen Lingen

Köln, 22.11.2017 – Par­al­lel zum Abschluss­plä­doy­er der Neben­kla­ge­ver­tre­tung im Mün­che­ner NSU-Pro­zess steigt der zivil­ge­sell­schaft­li­che Druck auf Ver­ant­wort­li­che im NSU-Kom­plex. Aktivist_innen des bun­des­wei­ten Akti­ons­bünd­nis­ses ‚NSU-Kom­plex auf­lö­sen’ über­reich­ten heu­te den unter dem Deck­na­men „Lothar Lin­gen“ bekann­ten Akten­schred­de­rer eine zivil­ge­sell­schaft­li­che Ankla­ge­schrift, in der er der Ver­tu­schung der NSU-Ver­bre­chen ange­klagt wird.

Tim Klodz­ko, Spre­cher des bun­des­wei­ten Akti­ons­bünd­nis­ses ‚NSU-Kom­plex auf­lö­sen’ kri­ti­siert: „Lin­gen hat die Ver­nich­tung von Akten­be­stän­den ange­ord­net. Wir kla­gen ihn des­halb der ver­such­ten Ver­tu­schung an. Zudem war er als Refe­rats­lei­ter Rechts­extre­mis­mus für das V‑Leute-Sys­tem ver­ant­wort­lich, das eine zen­tra­le, unheil­vol­le Rol­le im NSU-Kom­plex gespielt hat. Durch die staat­li­chen Zah­lun­gen an die Informant_innen aus der rechts­extre­men Sze­ne wur­den neo­na­zis­ti­sche Struk­tu­ren maß­geb­lich gestärkt. Trotz ‑oder gera­de wegen- der 40 mitt­ler­wei­le bekann­ten V‑Leute aus dem NSU-Umfeld wur­den die zehn Mor­de und 3 Bom­ben­an­schlä­ge des NSU nicht ver­hin­dert. Das V‑Leu­te-Sys­tem muss abge­schafft wer­den, der Inlands­ge­heim­dienst muss auf­ge­löst wer­den, da er sich als nicht refor­mier­bar erwie­sen hat.“

Das Bünd­nis unter­stützt damit auch die For­de­rung der Opfer­fa­mi­lie Kubaşık aus Dort­mund nach Auf­klä­rung. Die Wit­we und die Toch­ter des durch den NSU ermor­de­ten Kiosk­be­sit­zers Meh­met Kubaşık hat­ten im ver­gan­gen Jahr Anzei­ge gegen Lin­gen wegen Straf­ver­ei­te­lung gestellt. Gegen­über der taz erklär­te die Wit­we Elif Kubaşık damals: „Ich möch­te wis­sen, ob der Ver­fas­sungs­schutz Infor­ma­tio­nen hat­te, mit denen der Mord an mei­nem Mann hät­te ver­hin­dert wer­den kön­nen. Uns ist Auf­klä­rung ver­spro­chen wor­den, aber das Gegen­teil ist der Fall.“

Vernichtung von Akten angeordnet

Lothar Lin­gen“ ist ein Deck­na­me für den Lei­ter des Refe­rats Beschaf­fung in der Abtei­lung für Rechts­extre­mis­mus im Bun­des­amt für Ver­fas­sungs­schutz (BfV), wo er von 1991 bis 2011 arbei­te­te. Mitt­ler­wei­le ist er unter sei­nem bür­ger­li­chen Namen Axel Min­rath (geb. 1968) im Bun­des­ver­wal­tungs­amt in Köln im Refe­rat für Ehrun­gen und Aus­zeich­nun­gen tätig.

Zwei Stun­den nach­dem sich Bea­te Zsch­ä­pe am 8. Novem­ber 2011 den Ermitt­lungs­be­hör­den gestellt hat­te, ließ Min­rath die Akten zum NSU-Kern­trio durch­su­chen und ver­nich­te­te gegen den Wider­spruch der Haus­ar­chi­va­rin eine Viel­zahl von Akten aus dem direk­ten Umfeld
des NSU. Min­rath sorg­te dafür, dass die­se Akten­ver­nich­tun­gen bis in den Juni 2012 fort­ge­setzt wur­den und ver­such­te es aus­se­hen zu las­sen, die Akten sei­en bereits im Früh­jahr 2011 ver­nich­tet wor­den. Über die Grün­de und Moti­ve sei­ner Hand­lun­gen belog Min­rath ali­as „Lin­gen“ den Unter­su­chungs­aus­schuss des Bun­des­ta­ges zum NSU. Er gab an, ledig­lich abge­lau­fe­ne Akten­be­stän­de aus Grün­den des Daten­schut­zes gelöscht zu haben. Er habe kein direk­tes Ver­tu­schungs­mo­tiv gehabt, weil er dienst­lich nichts mit dem NSU oder des­sen Umfeld zu tun gehabt und dort kei­ne V‑Leute geführt habe. Für V‑Leute in Thü­rin­gen sei er nicht zustän­dig gewe­sen. Dies hat sich nach­träg­lich als falsch her­aus­ge­stellt; Min­rath ali­as Lin­gen war mit min­des­tens einem Thü­rin­ger V‑Mann beschäftigt.

Die Aktivist_innen fordern, dass Minrath Verantwortung für seine Taten übernehme.

Tim Klodz­ko adres­siert auch die Arbeitskolleg_innen des ehe­ma­li­gen Geheim­dienst­agen­ten: „Nie­mand kann sich hin­ter anony­men Struk­tu­ren ver­ste­cken. Ein Axel Min­rath hat auch eine per­sön­li­che Ver­ant­wor­tung – der Impuls der Akten­ver­nich­tung ging von ihm aus und nicht auf Befehl von oben. Wol­len sie mit jeman­den arbei­ten, der nicht bereit ist, per­sön­li­che Ver­ant­wor­tung zu über­neh­men und den Ange­hö­ri­gen der NSU-Opfer Auf­klä­rung verweigert?“

Die Ankla­ge­schrift des Tri­bu­nal ‘NSU-Kom­plex auf­lö­sen’ kön­nen Sie hier lesen: https://issuu.com/nsu‑t…/…/nsu-tribunal_anklageschrift_de_v3

Down­load: http://www.nsu-tribunal.de/…/NSU-Tribunal_Anklageschrift_DE… Das Kapi­tel zu „Lothar Lin­gen“ fin­den Sie ab Sei­te 57.

Pres­se­fo­tos der heu­ti­gen Akti­on kön­nen Sie hono­rar­frei für die Bericht­erstat­tung verwenden:
http://www.nsu-tribunal.de/…/NSU-Tribunal_BVA_Lingen_Transp…
http://www.nsu-tribunal.de/…/NSU-Tribunal_BVA_Lingen_Atrium…
http://www.nsu-tribunal.de/…/NSU-Tribunal_BVA_Lingen_Akteno…

 

Tri­bu­nal ‘NSU-Kom­plex auf­lö­sen‘ / Tri­bu­nal ‚Unra­ve­ling NSU-Complex‘
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