Dieses Interview zum Thema „Linke Gewalt“ mit dem Mitarbeiter der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Friedrich Burschel, wurde auf dem Portal „Jugend und Politik“ (https://jup.berlin/linkeGewalt) der Jugend- und Familienstiftung Berlin (jfsb) am 25.5.2018 veröffentlicht. Wir fragen uns noch heute, warum es nach 5 Tagen wieder aus dem Netz genommen wurde. jfsb-seitig hieß es offiziell, man sei mit dem Ergebnis der Diskussion so zufrieden gewesen, dass man noch am Tag einer abschließenden Podiumsdiskussion (die im Netz dokumentiert ist) bestimmte Debattenbeiträge des Dossiers zu „Linker Gewalt“ aus dem Netz entfernte — #merksteselberwa
Wir dokumentieren das Interview hier unverändert:
In der Themenreihe „Auf Augenhöhe“ beschäftigt sich jup! mit unterschiedlichen Formen von Gewalt. Doch was meint „Gewalt“ genau? Auch wenn ein Adjektiv vorangestellt wird, bringt das nicht mehr Klarheit in die Sache — ganz im Gegenteil. Der Begriff „Linke Gewalt“ wurde und wird häufig von Rechten benutzt, um Ressentiments, also Vorurteile, gegen die Linken zu schüren und sie in ein schlechtes Licht zu rücken. Es gilt also, genau hinzusehen, WER die Begriffe nutzt und IN WELCHEM KONTEXT sie verwendet werden. jup! setzt sich mit dem Begriff auseinander und hinterfragt ihn kritisch. Wir haben mit Friedrich Burschel von der Rosa-Luxemburg-Stiftung genau darüber gesprochen. Außerdem erklärt er im Interview, für was die politische Linke steht, was ihre Ziele und Ideen sind und wo man sich gegen Rechts engagieren kann.
jup!: Herr Burschel, Sie sind bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung Referent zum Thema Neonazismus und Strukturen/Ideologien der Ungleichwertigkeit. Was bedeutet das genau? Welche Aufgaben beinhaltet Ihre Arbeit?
Friedrich Burschel: In meiner Arbeit geht es darum, Entwicklungen im Bereich des organisierten Neonazismus zu beobachten und zu analysieren, sie in einen gesellschaftlichen Zusammenhang zu stellen — auch nicht nur bezogen auf Deutschland, sondern u.U. auch auf EU-Europa, Europa als Ganzes oder auch internationale Phänomen. Derzeit erleben wir ja weltweit, dass autoritär-populistische, nationalistische, zum Teil gar faschistische Bewegungen derartigen Zulauf erleben. Sie werden nicht nur zu einer ernsten Gefahr für verletzliche Gruppen und Minderheiten, sie sind sogar an Regierungen beteiligt, siehe Österreich, Ungarn, Polen und letztlich auch in den USA, in Russland oder auf den Philippinen. Der Schwerpunkt meiner Arbeit liegt aber auf Deutschland.
Ich versuche ein funktionierendes Netzwerk aufzubauen und zu pflegen, das aus Wissenschaftler_innen, Journalist_innen, Leuten aus der Politischen Bildung, Aktivist_innen aus der Menschenrechts- oder Antifa-Arbeit und so genannten Multiplikator_innen besteht, also Leuten, die an verschiedenen Stellen und in verschiedenen Funktionen zu diesem Themenbereich arbeiten und die Ergebnisse dieser Arbeit verbreiten können. Wir erarbeiten gemeinsam Bildungsbausteine, Handreichungen, Unterrichtsmaterialien und leicht verständliche Themenhefte, die sich mit all den nicht schönen Phänomenen in diesem Feld beschäftigen. Es geht aber nicht nur um den organisierten Neonazismus und rechten Terror wie den des „NSU“, wo ich z.B. seit fünf Jahren den Prozess gegen Beate Zschäpe und vier weitere Angeklagte vor dem Oberlandesgericht in München beobachte. Es geht auch um alle Formen von menschenfeindlichen Ideologien, die so genannte „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“, institutionellen Rassismus im staatlichen Apparat, um den allgegenwärtigen Alltagsrassismus, es geht um Erscheinungen wie Pegida, um den Aufstieg der selbsternannten „Alternative für Deutschland“ (AfD), der mit dem Erstarken neuer und alter faschistischer Strömungen und Gruppen wie den „Identitären“, der so genannten Neuen Rechten einhergeht, es geht um die so genannten Reichsbürger, um Antisemitismus, also Hass gegen Jüdinnen und Juden, um Hass auf Sinti und Roma, antimuslimischen Rassismus und alle Formen zum Teil gewalttätigen rassistischen Hasses.
In der Themenreihe „Auf Augenhöhe“ geht es um verschiedene Formen von Gewalt. Dabei ist Gewalt ein sehr weiter Begriff. Was ist Ihre Definition davon?
Gewalt ist zunächst ein unbestimmter, wenn auch und zurecht mit negativen Assoziationen behafteter Begriff, der die Anwendung physischer Mittel und psychischen Zwangs zur Erreichung eines Ziels oder um ihrer selbst Willen bezeichnet. Das kann unmittelbarer Zwang sein, wie er zum Beispiel von der Polizei bei einer Festnahme angewendet wird, das kann ein kriegerischer Akt sein, der meist von einem Staat ausgeht oder sich im Bürgerkrieg gegen Gruppen innerhalb eines Landes richtet, das kann Gewalt zwischen Personen oder Gruppen bis hin zu Mord und Totschlag sein, das kann organisierte, auch staatliche Gewalt gegen Menschen und Gruppen sein bis hin zum Pogrom und zum Massenmord und Genozid, wie ihn die Deutschen historisch im Nationalsozialismus mit der Shoah, also mit der industriellen Vernichtung der Europäischen Jüdinnen und Juden, auf die Spitze getrieben haben.
Aber es geht auch um subtilere Formen von Gewalt, die sich etwa in Benachteiligung und strukturellen Gegebenheiten äußern, die nicht gleich als Gewalt oder gewaltförmig wahrgenommen werden. Die jahrhundertelange Unterdrückung von Frauen, die Ausbeutung durch Arbeit, die oft rassistische Diskriminierung von Minderheiten, die Ausgrenzung von als „anders“ stigmatisierten Menschen, von Homosexuellen zum Beispiel, oder — aktuell — von Geflüchteten gehören dazu. Das sind oft Formen, in denen physischer Zwang oder physische Gewalt nicht explizit zum Einsatz kommen, für die Betroffenen aber extreme Gewalterfahrungen bedeuten. Auch Sprache kann Gewalt sein, etwa wenn in Sozialen Medien Menschen angegriffen, diffamiert, beschimpft und bedroht werden. Nazis zum Beispiel, die bekanntlich auch vor jeder anderen Form physischer Gewalt nicht zurückschrecken, nennen diese verbale Gewalt den „Infokrieg“ und setzen diese Form von Gewalt gezielt gegen politische Gegner_innen ein.
Gibt es Formen von Gewalt, die tolerabel sind oder aus verschiedenen Gründen toleriert werden? Welche und warum?
Selbstverständlich würde sich jeder vernünftige Mensch eine ideale Welt ohne jede Gewalt wünschen. In der Realität gibt es aber Situationen, in denen Gewalt legitim und sogar notwendig sein kann: Das wohl schlagendste Beispiel dafür ist die Niederringung des nationalsozialistischen Mordregimes, wo „die ganze Welt“, insbesondere aber die Westalliierten und die sowjetische Rote Armee die Deutschen in ihrem Wahn gestoppt und damit einen Krieg beendet und weitere extreme rassistische Gewalt verhindert haben, die bereits mehr als 50 Millionen Menschen das Leben gekostet hatte. Auch Akte des Widerstands, Sabotageakte und Angriffe von Widerstandskämpfer_innen, Partisan_innen und KZ-Häftlingen gegen die Nazis waren legitim, jedes Mittel war gerechtfertigt, das gegen dieses mörderische und zutiefst unmenschliche Regime gerichtet war.
Aber auch die antikolonialen Kämpfe zur Befreiung von den imperialistischen Mächten können als legitim betrachtet werden und waren im historischen Kontext in ihrer Gewaltförmigkeit — wie man heute so schön sagt — meist alternativlos. Das gilt übrigens bis heute, wenn ich zum Beispiel an die Kämpfe von indigenen Mapuche in Argentinien und Chile nach Jahrhunderten der Unterdrückung denke, an Schwarzen Widerstand und die Kämpfe von Native Americans in Nordamerika, an den kurdischen Befreiungskampf und viele andere auch soziale Kämpfe und gegen Rassismus und Unterdrückung gerichtete Aktionen und Widerstände. Also ja, es gibt Formen legitimer Gewaltanwendung.
Es kommt aber darauf an, genau hinzusehen, wie es zu dieser Art von Gewalt kommt und wer sie wie begründet.
Was denken Sie, wenn Sie den Begriff „Linke Gewalt“ hören, um den es auf dem nächsten Podium von „Auf Augenhöhe“ gehen soll?
Die Benennung „linker Gewalt“ ist meist ein Konstrukt, um andere Formen von Gewalt zu decken, um linke Kämpfe mit Nazi-Terror und rassistischer Gewalt gleichzusetzen und damit zu delegitimieren. Natürlich gibt es auch doofe Formen von Gewalt, die von Linken ausgeht, die ich aber definitiv nicht meine. Ich meine vor allem Formen von Notwehr und Nothilfe, wie sie ausgeübt wurden von jungen Antifaschist_innen und alternativen Jugendlichen oder als „Ausländer“ ausgegrenzten Menschen, die sich in ihren Kommunen mit extremer Nazi-Gewalt meist schutzlos konfrontiert sahen oder sehen und von ihren Mitbürger_innen und der Polizei im Stich gelassen oder — im Gegenteil — noch als die Auslöser der Gewalt diffamiert werden. Betroffen sind aktuell nicht nur Linke und Antifas im ganzen Land, sondern vor allem Geflüchtete und ihre zivilgesellschaftlichen Unterstützer_innen: Die Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linken im Bundestag zu rassistischen Übergriffen, Angriffen und Anschlägen umfasst 145 Seiten. Allein für das Jahr 2016 sind über 2500 solcher Gewalttaten im ganzen Land aufgelistet. Es kommt vor, dass sich die Betroffenen von einer feindseligen Bevölkerung umgeben sehen und die Staatsgewalt nicht gegen die Gewalttäter_innen vorgeht. Während die paar Aufrechten, die den Geflüchteten zur Seite stehen, diffamiert, isoliert und noch von derselben Polizei drangsaliert werden, gehen viele der Täter_innen, darunter häufig organisierte Nazis, straflos aus. Das ist eine Situation, in der gezielte und angemessene Formen von Gegengewalt aus Notwehr durchaus akzeptabel sein können, das ist meine persönliche Meinung!
Warum ist das Thema so sensibel?
Das Problem ist doch, wie wir gesehen haben, wer definiert, was Gewalt ist und ob sie legitim ist. Der deutsche Staat, der das Gewaltmonopol für sich beansprucht, erklärt alle Formen von Gewalt, außer seiner eigenen, für illegitim. So ein Anspruch muss nicht falsch sein und hat staatstheoretisch eine lange Geschichte. Dieser Anspruch, dass nur der Staat oder ein staatsförmiges Gebilde als Ordnungsgarant ein Recht haben soll, Gewalt anzuwenden, ist durchaus nicht von der Hand zu weisen, vor allem wenn man den Menschen grundsätzlich nicht nur redliche und friedliche Ziele unterstellt. Nur, der Staat ist vielfach eben auch Partei und parteiisch, richtet seine Gewalt gegen die einen — hier vor allem gegen Linke, auch solche, die sich gezwungen sehen, legitime Formen von Gegengewalt z.B. gegen Naziterror anzuwenden -, lässt aber andere mit ihrer Gewalt gewähren. Wir haben das im Nachwendedeutschland erlebt, dafür stehen die Pogrome von Rostock-Lichtenhagen, Hoyerswerda und Mannheim schlagwortartig, und wir erleben das aktuell in vielen Städten wie Wurzen, Cottbus oder Bautzen wieder und wieder. Leider beansprucht der Staat nicht nur das Gewaltmonopol, sondern auch die Definition dessen, was als Gewalt zu betrachten ist. Wenn wir uns zum Beispiel die Proteste von Geflüchteten gegen ihre Abschiebung anschauen, wo mit extremer Polizeigewalt gegen Menschen in hoffnungsloser Lage vorgegangen wird, wie zuletzt in Donauwörth, Witzenhausen oder Ellwangen, und hinterher über die „Gewalttäter“ berichtet wird und ein Bundesinnenminister vom „Mißbrauch des Gastrechts“ schwadronieren kann, da geht mir der Hut hoch! Und die meisten Medien begleiten das nicht etwa kritisch, sondern werden Verlautbarungsorgane einer Staatsgewalt, die mit völlig unverhältnismäßiger Gewalt gegen Unbewaffnete und Menschen in einer verzweifelten Lage vorgehen. In nicht einem einzigen Bericht kommen die Betroffenen zu Wort. Aber wenn irgendwo der Pegida-Mob tobt und krakeelt, man dürfe seine Meinung nicht mehr sagen, sieht er sich einem Wald von Mikrofonen gegenüber.
Beim G20-Gipfel in Hamburg wurden die Proteste in ein schlechtes Licht gerückt. Woran lag das? Wie schätzen Sie die Wahrnehmung der Linken in der deutschen Bevölkerung ein? Wie wird diese Wahrnehmung gesteuert/beeinflusst und durch was? Was ist die Rolle des Staates dabei?
Also, jetzt wird die Sache noch ein bisschen komplizierter: Deutschland gehört zu den führenden Industriestaaten dieser Welt und ist mit seiner Bevölkerung Nutznießer einer gigantischen und bereits Jahrhunderte währenden Ausbeutung auf Kosten von Menschen im so genannten „globalen Süden“, wo Menschen versklavt, ausgebeutet, verschleppt, vertrieben und misshandelt werden, deren Rohstoffe und Bodenschätze rücksichtslos für das „schöne Leben“ im „globalen Norden“ geraubt und abtransportiert werden. Diesem äußersten Gewaltverhältnis sind Hunderte von Millionen Menschen in den zurückliegenden 500 Jahren zum Opfer gefallen und ihrer fundamentalen Rechte beraubt worden. Dieses Gewaltverhältnis heißt Kapitalismus und ist die Grundlage des geradezu absurden Überflusses und Wohlstandes, in dem Menschen hier leben. Diese Gewalt lässt sich aber in keiner Weise mit den gerne zitierten hehren Werten von Demokratie in Einklang bringen. Die westlichen Demokratien, die sich auch gerne als Hüter der Menschenrechte darstellen, beruhen auf mörderischer Ausbeutung und rücksichtslosem Raub auf Kosten des weit größeren Teils der Menschheit. Wenn wir also von diesem globalen Gewaltverhältnis ausgehen, bekommen die Proteste gegen den G20 als eine Versammlung der Führer_innen der Staaten, die von diesem kapitalistischen System profitieren, nochmal einen ganz anderen Sinn und können sich durchaus auf legitime Formen von Gegenwehr gegen die gewaltförmige Weltwirtschaftsordnung berufen. Dabei sage ich gar nicht, dass es nicht streckenweise zu Gewaltexzessen gekommen ist von Idioten, die die Gunst der Stunde für ihren Spaß an der Gewalt genutzt haben. Damit habe ich nichts am Hut. Aber Formen von Massenprotest, Blockaden, zivilem Ungehorsam und kollektivem Regelverstoß sind allemal gerechtfertigt gegen diese brutalen „Herr_innen der Welt“.
Und es hat, das ist dann ja auch später dokumentiert worden, Gewaltexzesse seitens der Polizei gegeben, die dem Gewaltmonopol des Staates hohnsprechen. Die Definitionsmacht über das Geschehen hatten indes die Polizei und der damalige Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz, die so taten, als sei der Staat in einem Notstand und dürfe mit allen Mittel „die Ordnung wieder herstellen“. Der großartige Protest von Zehntausenden wurde ausgeblendet und mit der Propaganda gegen „linke Gewalttäter“ die Beurteilung des Geschehens dominiert. Dabei sind auch einige Medienvertreter_innen von der Polizei massiv an ihrer Arbeit gehindert oder sogar mißhandelt worden. Die meisten bürgerlichen Medien sind dabei jedoch ihrer Kontrollfunktion und ihren umfassenden und unvoreingenommenen Berichterstatter_innenpflichten in keiner Weise nachgekommen. Ich kenne viele junge, auch sehr junge Leute, die in Hamburg mitprotestiert haben. Viele von ihnen haben die völlig inakzeptable Polizeigewalt beim G20-Gipfel als geradezu traumatisierende Entgrenzung und Missachtung ihrer staatsbürgerlichen Grund- und Freiheitsrechte empfunden. Sie sind für mich der Maßstab für die Beurteilung dessen, wer dort Gewalt mit welcher Begründung anwendet hat.
Welche Positionen vertreten die linken Initiativen und welche Ziele verfolgen sie?
Eine linke Position stellt immer den Menschen in den Mittelpunkt und versucht auch bei der Frage nach Gewaltanwendung die humane Orientierung nicht zu verlieren. Es geht für Linke — auch nach bitteren historischen Irrwegen und Fehlern — stets um Gerechtigkeit, Gleichberechtigung, Emanzipation. Es geht um eine bessere Welt und eine gerechtere Welt(wirtschafts)ordnung, um eine Alternative zum alles verschlingenden und zermalmenden Kapitalismus. Auch um Menschenrechte und Menschenwürde, damit es nicht einfach nur leere Begriffe sind, die man bei Bedarf auch zur Rechtfertigung illegitimer Gewalt gebrauchen kann, etwa bei völkerrechtswidrigen Angriffskriegen wie im Kosovo 1999 und in Syrien vor ein paar Wochen.
Wie kann man Nazis die Stirn bieten? Wo kann man sich gegen Rechts engagieren?
Organisiert Euch in der Antifa, geht zu Bürger_innenbündnissen gegen rechts, tretet den Gewerkschaften bei oder engagiert Euch meinetwegen auch parteipolitisch in den verschiedenen Initiativen gegen Rechts. Da gibt es zum Beispiel das tolle Projekt „Aufstehen gegen Rassismus“, das von den Jugendorganisationen der Linken (solid!), der Grünen (Grüne Jugend) und der SPD (Jusos) getragen wird. Mein Herz schlägt aber für eine antifaschistische Organisierung mit allen Facetten dessen, was Antifas so tun. Dazu gehört auch politische Bildung, Recherche- und Archivarbeit, politische Intervention, Straßenprotest, Ziviler Ungehorsam und auch der beherzte und verantwortungsvolle Einsatz an der Seite von Schutzlosen und Verletzlichen, von Minderheiten und menschenrechtlich Engagierten, von Betroffenen rechter Gewalt und rechten Terrors. Antifaschist_innen kämpfen gegen Rassismus und Sexismus, sind in ihrer Grundausrichtung antikapitalistisch, weil sie den Zusammenhang zwischen der herrschenden Ordnung und illegitimer Gewalt sehen. Antifa steht für kämpferische Solidarität, auch internationale Solidarität. Und Antifa arbeitet mit allen Mitteln gegen die staatliche Repression gegen linke Akteur_innen unter dem Siegel der „Extremismusdoktrin“, also der Gleichsetzung von rassistischem und rechtem Terror mit linken Kämpfen für eine sozialere und menschlichere Welt.
Hat sich der Konflikt zwischen Rechts und Links in den letzten Jahren verändert?
Ich hoffe, es ist bis hierher rüber gekommen, dass ich diese Frage nach der Auseinandersetzung zwischen „Linken“ und „Rechten“ für eine Propaganda-Konstellation halte, mit der Kämpfe gegen Faschismus und menschenfeindliche Ideologien an den Rand geschoben und mit dem Gegenstand dieser Kämpfe gleichgesetzt werden. Antifaschismus geht es ums Ganze, nicht nur um die organisierten Nazis im Lande und den applaudierenden Mob, denen wir entgegentreten, sondern um die Gewalt, die von den „friedlichen“ Demokratien auf dem Globus ausgeht und die sie zu Mittäter_innen, Nutznießer_innen und Dulder_innen dieser, eben auch rassistischen und faschistischen Gewalt weltweit werden lässt. Oder was für Interessen der deutschen Komfort-Demokratie stecken hinter der Duldung des faschistischen Angriffskrieges der Türkei gegen die Kurd_innen in Nordsyrien, außer wirtschaftliche und der Wunsch, die Türkei möge „uns“ auch weiter fliehende Menschen vom Hals halten?
Das Interview führte Eva-Maria Schneider für jup!