„Linke Militanz. Phänomen, Grundlagen, pädagogische Praxis“, das war der Titel einer zweitägigen Tagung am 13. und 14. November, die im „Welcome“-Kongresshotel in Bamberg stattfand. Ausrichterin war die Bundeszentrale für politische Bildung zusammen mit der „Bundesfachstelle Linke Militanz“ aus Göttingen. Unterstützt wurde das Ganze auch durch das Programm „Demokratie leben!“, das vom Bundesfamilienministerium aufgelegt wird. Das Interesse des Verfassers an dieser Tagung entsprang aus der Neugier einmal staatlich gesponserte anti-linke Veranstaltungsformate und Diskurse gewissermaßen live zu beobachten. Immerhin handelt es sich ja bei der Bundeszentrale für politische Bildung um eine nachgeordnete Behörde des Bundesinnenministeriums, das seit seinem Bestehen diverse Abteilungen und Sicherheitsreferate immer auch mit der Verwaltung des sogenannten Linksextremismus beschäftigt.Eine Veranstaltung ähnlichen Zuschnitts mit einem ähnlichen Personaltableau hatte bereits Ende September 2018 in Göttingen die Bundesfachstelle unter dem Titel: „Präventionsarbeit und Deeskalationsstrategien zu linker Militanz?“ organisiert. Zu dieser Tagung liegt mittlerweile auch eine Dokumentation vor. Schon im Vorfeld hatte ein Bündnis von Göttinger Gruppen, unter anderem die Antifaschistische Linke International (A.L.I.), die Redical [M] und die Ortsgruppe der Roten Hilfe die Tagung harsch kritisiert. Aus ihrer Sicht habe es sich bei der von der Bundesfachstelle angebotenen Tagung „schlicht um Spitzelei unter dem Deckmantel angeblicher Forschung“.
„Zufall, ob jemand Neonazi oder radikaler Linker wird“
Diesem gravierenden Vorwurf versuchte die Bundesfachstelle seinerzeit dadurch zu begegnen, dass sie die gegen ihre Tagung Protestierenden einlud, daran im Publikum teilzunehmen. Wenigstens einer namens „Tom“ kam dieser Einladung nach und verfasste über seine Eindrücke in der Form eines von der A.L.I. verbreiteten Interviews einen Bericht. Ihm war im Verlauf der Tagung aufgefallen, dass eine ganze Reihe von Referent*nnen „Bezug auf die Extremismustheorie nahm. So behauptete bspw. eine Referentin ‘phänomenübergreifend’ Radikalisierungsprävention betreiben [zu] können, da die Grundmechaniken in Radikalisierung immer dieselben seien, und es letztlich Zufall sei, ob jemand Neonazi oder radikaler Linker wird’“. Als „linksaffin“ bezeichnete Jugendliche – so Beobachter Tom — hätten als zu pädagogisierendes Problem im Fokus der Tagung gestanden. Als Beispiel dafür nannte er den Workshop „Mit politischen und kulturellen Bildungsmethoden Zugänge öffnen – Herausforderungen, Chancen und Erfahrungen aus der Projektarbeit mit linksaffinen Jugendlichen“, der anstelle der ursprünglich angekündigten Grit Fenner durch Katharina Weiner vom Berliner Projektträger „Minor“ angeboten wurde. Dieser in der Präventionsarbeit im Bereich Linksextremismus engagierte Projektträger tauschte sich jüngst mit dem verfassungsschutzpolitischen Sprecher der CDU im Berliner Abgeordnetenhaus, Stephan Lenz, über die weiteren gemeinsamen Perspektiven der Arbeit aus. Auch das kann als Beleg für die These des Beobachters „Tom“ gelten, dass seitens der Göttinger Tagungsinitiator*nnen „zwar vermeintlich differenzierte Begrifflichkeiten, also ‚linksaffin’, ‚linksradikal’, ‚linksmilitant’ verwendet“ würden, doch eben genau damit „dieselbe(n) AktivistInnen und Strukturen (gemeint seien), die sonst als ‚linksextrem’ bezeichnet werden.“
Matthias Micus, der Leiter der Bundesfachstelle und Initiator der Tagung, replizierte auf diese Vorwürfe unter anderem, dass die besagte „Äußerung der Referentin bewusst aus dem Zusammenhang gerissen und verfälscht worden“ sei. Und darüber hinaus „könne die Aussage einer einzelnen Teilnehmerin nicht als Position der gesamten Tagung wiedergegeben werden“. Micus beklagte an der Kritik ein „unterkomplexes Schubladendenken“. In einer anderen Nachbetrachtung zu dieser Tagung macht die Göttinger Gruppe „NoG20-Soli“ auf den Zusammenhang aufmerksam, dass einerseits „immerhin ein Viertel der Teilnehmenden (der Tagung) von verschiedenen Landesämtern für Verfassungsschutz, LKA und BKA“ gekommen sei. Und es anderseits zu den Aufgaben der Bundesfachstelle gehöre „mit dem Ziel der Präventionsarbeit Informationen zusammenzutragen, auszuarbeiten und zur Verfügung zu stellen“ Und das alles unter dem Oberbegriff „linke Militanz“, unter dem eben „auch „linksaffine Jugendliche“ verstanden werden, „welche sich zusammen mit Geflüchteten engagieren oder Neonazis in den Weg stellen“. Hier zeige sich, wie weit gefasst dieser Begriff verwendet wird und worauf die entsprechenden Programme Einfluss nehmen sollen.“
Gewaltpornographischen Note
Soviel der Vorgeschichte, nun zu meinem eigenen Bericht von der jüngsten Tagung Mitte November: An der Eröffnungsveranstaltung der Tagung in Bamberg nahmen etwa 220 Personen teil, darunter auch hier eine Vielzahl von Mitarbeiter*innen der der Sicherheitsbehörden. In ihrer kurzen Begrüßung machte die in der Bundeszentrale als Leiterin des Fachbereichs Extremismus amtierende Hanne Wurzel auf einen Anschlag mutmaßlicher autonomer Aktivist*innen aus dem Leipziger Stadtteil Connewitz aufmerksam, die einer Immobilienmaklerin möglicherweise – so war es in einem auf de.indymedia geposteten Bekennerschreiben zu lesen — „ins Gesicht“ geschlagen haben sollen. Dieses Bekennerschreiben steht mit der besagten Formulierung „ … und haben wir der Immobilienmaklerin dort hingeschlagen, wo es weh tut: Ins Gesicht“ außerhalb der Begründungskultur von Anschlägen linksradikaler Provenienz. Es wurde zwischenzeitlich auch nach vielfältiger Kritik aus der linksradikalen Szene von der Redaktion de.indymedia gelöscht. Gleichwohl nutzte Frau Wurzel diesen Einstieg – „ins Gesicht schlagen“ – der aus der Sicht des Verfassers nicht ganz frei von einer gewaltpornographischen Note ist, um damit die anhaltende Bedeutung und wohl auch Gefährlichkeit des Linksextremismus zu unterstreichen und so auch auf die Dringlichkeit seiner weiteren Bearbeitung hinzuweisen. Bei einer solchermaßen hergestellten Argumentation handelt es sich um eine klassische Form der politischen Rhetorik, die das Phänomen, für das Aufmerksamkeit erreicht werden soll, auf die Erzählung eines ebenso anschaulichen wie schlimmen Beispiel reduziert: Und zwar so, dass möglichst der Krater, den der Sprung zur Verallgemeinerung des Phänomens überwinden muss, nicht in den Blick gerät. Genauso könnte man verfahren, um die anhaltende Gefährlichkeit von Polizeigewalt im öffentlichen Raum zu „beweisen“: Einfach eine wahre Geschichte erzählen, wie diese hier: Im Dezember 2017 verdrehten Polizeibeamte während einer Demonstration gegen den AfD-Parteitag in Hannover einem Gegendemonstranten in einer Wiese das Bein, das er notoperiert werden musste. Wenn diese Form des Extrapolierens im Hinblick auf alle Gewaltphänomene logisch oder redlich wäre, wäre es nur konsequent, dass die Bundeszentrale demnächst auch einmal eine Fachtagung mit dem Titel „Polizeigewalt. Phänomen, Grundlagen, pädagogische Praxis“ ausrichten würde.
Nach Wurzels Begrüßung verwies der ehemalige Direktor des Anne-Frank-Bildungszentrum in Frankfurt, der heute Referatsleiter Demokratieförderung im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) ist, Thomas Heppener in seiner Eröffnungsansprache auf eine, für die Ausrichter und das Publikum der Veranstaltung offenbar wichtige Problematik, nämlich, dass die vielfältig bereit gestellten Mittel zur Bewirtschaftung „Linker Militanz“ nur unzureichend abgerufen worden seien. In der letzten Projektphase hätten sich auf die acht ausgeschriebenen Projekte lediglich acht Antragsteller beworben, die auch alle den Zuschlag erhalten hätten. Heppner appellierte hier an die Anwesenden: „Meine Damen und Herren, ich bin auch hier, um weitere Ideen für diesbezügliche Projekte anzuregen. Bitte sprechen sie mich nachher in der Pause an, wenn ihnen etwas dazu einfällt“. Den nächsten Eröffnungsvortrag hielt der Leiter der Bundesfachstelle Thomas Micus. Er ergriff die Gelegenheit, um zu grundsätzlichen Definitionsfragen und Problemen der „Linken Militanz“ Stellung zu nehmen. Bereits in der Ankündigung hatte er die Frage aufgeworfen, ob man nicht „bei der Gleichsetzung radikaler bzw. militanter Linker mit eskalierender Gewalt (…) entscheidende Differenzen, Ambivalenzen, Widersprüche“ übersehe. Hier sei zu fragen, „ob die wissenschaftliche und öffentliche Diskussion über das Phänomen über angemessene Begrifflichkeiten“ verfüge. In diesem Zusammenhang stützte sich Micus mehrmals explizit auf die jüngst publizierte Dissertation des Promotionsstipendiaten der Hans-Böckler-Stiftung, Maximilian Fuhrmann, „Antiextremismus und Demokratie“, um zu fordern, sich von der Extremismusdoktrin Backes-Jessescher Provenienz bei der Reflexion des Gegenstandes zu verabschieden.
Micus analytischer und informierter Vortrag, der auch auf ältere Publikationen wie die von Hans Manfred Bock zum Linksradikalismus rekurrierte, erschien bemerkenswert, da er immer wieder die (anwesende und abwesende) Polizei direkt adressierte. Klar sei, dass diese bei schweren Straftaten einschreiten müsse. Diese Bemerkungen waren eigentlich überflüssig. Einerseits wegen ihrer Selbstverständlichkeit, andererseits aber auch, weil die Strafverfolgung ja nicht Sache sozialwissenschaftlicher Erörterungen ist. Angesichts der ganzen Staffel von Polizeibeamt*innen im Saal wirkten sie jedoch durchaus passend. Und in der Tat, die Polizist*innen im Publikum haben sich angesichts der von Micus vorgetragenen Kontextualisierung linker Militanz sicherlich immer mal wieder gefragt, was ihnen diese Analyse bei der Ergreifung von Straftäter*innen nützen soll, und fühlten sich hier bestimmt „ein Stück weit mitgenommen“. Micus’ Überlegungen gingen in dieselbe Richtung wie der Beitrag von Peter Imbusch im Rahmen des Panels „Rechtfertigungen politischer Gewalt“. Auch Imbusch stellte – gegen die bekannten Positionen von Backes und Jesse — klar, dass politisch Links mit seiner Orientierung an den Idealen Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit der französischen Revolution und mit seinen komplexen Diskussionen zur Gegengewalt nun mal einfach nicht mit politisch Rechts gleichzusetzen sei, wo bekanntlich ohne Diskussion zugeschlagen werde. Aus der Sicht von Imbusch drohe der Demokratie aktuell durch die Gewalt von rechts Schaden, und nicht von links.
Anekdoten aus der Zeitgeschichte der Bundesrepublik
Nach Matthias Micus erhielt der seit den 1970er Jahren sehr umtriebige Wolfgang Kraushaar das Wort. Damals als Aktivist der Gruppe SHI (Sozialistische Hilfe) in Frankfurt in den Jahren 1974⁄75 Vorsitzender des Asta, heute gründlich gewendeter – laut Wikipedia — „Protest-Chronist der Achtundsechziger“ hielt er hier einen Vortrag mit dem Titel „Zur Ästhetik linker Militanz“. Kraushaar eröffnete seinen Vortrag mit einer, alles andere als wertfreien Beschreibung der Randalenacht vom 7. auf den 8. Juli 2017 im Schanzenviertel während des G20-Gipfels. Dem Einsatzleiter der Polizei, Hartmut Dudde, bescheinigte er, zunächst ein Konzept der „Deeskalation“ praktiziert zu haben, dass er dann aber wegen der „Übergriffe“ von Autonomen habe aufgeben müssen. Dudde habe sich gezwungen gesehen, die außer Kontrolle geratene Situation mit dem Einsatz von Spezialkräften zu klären, die dann mit Maschinengewehren im Anschlag die Straßen im Schanzenviertel geräumt hätten. Dies war nur die erste einer Vielzahl von Anekdoten aus der Zeitgeschichte der Bundesrepublik, die Kraushaar im Folgenden zum Besten gab: die von Bundeskanzler Helmut Kohl während seiner Verhandlungen zur deutschen Einheit mit Michail Gorbatschow getragene Stickjacke kam ebenso vor wie eine Lederjacke der sogenannten „Lederjackenfraktion“ aus der Frankfurter Universität. Beide Kleidungsstücke, so informierte Kraushaar das Publikum, würden mittlerweile im Bonner Museum für die Deutsche Geschichte aufbewahrt. Der Referent setzte das Publikum auch darüber in Kenntnis, dass militante SDS-Student*innen der Frankfurter Universität Ende der 1960er Jahre immer mal wieder im Kino Italo-Western gesehen haben sollen. Kraushaar zeigte sich in seinem Vortrag davon überzeugt, dass, obwohl 1968 in der Bundesrepublik keine revolutionäre Situation bestanden habe, sich dennoch danach eine Reihe von „Experten der Gewalt“, wie z.B. Andreas Baader und Michael „Bommi“ Baumann, auf den Weg gemacht hätten, um ein, wie Kraushaar formulierte, „insgeheimes Magnetfeld der Gewalt“ zu erkunden.
Auch in diesem Zusammenhang habe kein geringerer als der vormalige Aktivist der PL/PI (Proletarischen Linken / Parteinitiative) und des „Revolutionären Kampfes“, Tom Koenigs, bei einem Training der „Putzgruppe“ von einem Genossen das Nasenbein gebrochen bekommen. Und so ging es weiter. Kraushaars Vortrag enthielt im Grunde keine These und kein Argument, insinuierte jedoch mit den Anekdoten, die er aneinander reihte, eine zwischen komödiantischem Unsinn und Dämonie irrlichternde Geschichte linker Militanz in der BRD, ohne im Geringsten auf die gesellschaftspolitischen Kontexte der von ihm erzählten Geschichten einzugehen. Fragen nach möglicher Legitimität linker Militanz oder andere Abwägungen hatten in diesem reaktionär codierten Skript keinen Platz. Ganz im Geist der Extremismusdoktrin wurde hier bedenkenlos abgespalten und exorziert. Wie – vorsichtig ausgedrückt – schwierig es offenbar ist, mit einem solchen Blick noch die Realität zu erkennen, zeigt die oben zitierte Einstiegserzählung, in der Kraushaar der Einsatzleitung der Hamburger Polizei ein Konzept der „Deeskalation“ bescheinigt hatte. Dieses Konzept hatte es beim G20 Gipfel in Hamburg nämlich nicht gegeben, wie schon zeitgenössisch eine Stellungnahme des Ausbilders des oben genannten Einsatzleiters Dudde von der Deutschen Hochschule der Polizei aus Hiltrup in einem Leserbrief an die Süddeutsche Zeitung kritisiert.
Ein gebrochenes Nasenbein in 50 Jahren Protestbewegung
Darauf hingewiesen ruderte Kraushaar zurück und räumte ein, dass von Einsatzleiter Dudde bereits im Vorfeld von G20 ein harter Einsatz angekündigt worden sei. Auch ein im Publikum sitzender Polizeibeamter wusste nichts von „Deeskalation“, sondern bestätigte: „Bei den Vermummten auf der autonomen ‚Welcome to hell‘-Demonstration hat es sich um Straftäter gehandelt, gegen die eingegriffen werden musste!“ Gerhard Hanloser (Berlin) bedauerte in der darauf folgenden Diskussion den Mangel an analytischem Niveau in Kraushaars Darlegungen: „Sie haben in ihrem Vortrag das analytische Niveau ihres Vorredners [Micus, Anm. Verf.] weit unterboten!“ Er kritisierte auch die Einseitigkeit seiner Gewaltschilderungen. Hanloser warf am Beispiel des von Kraushaar als exemplarisch eingeführten gebrochenen Nasenbeines von Tom Koenings die Frage auf, ob eben dieses womöglich das einzige gebrochene Nasenbein in der Geschichte von 50 Jahren Protestbewegungen und linker Militanz gewesen sei? Ob denn eigentlich eine Geschichte der linken Militanz und der Protestbewegungen in der Geschichte der Bundesrepublik in den letzten 50 Jahren erzählt und geschrieben werden könne, die ohne die Wechselwirkung mit der Staatsgewalt auskomme, fragte der Diskutant hier weiter. Hanloser erinnerte dabei in leichter Abwandlung an das Diktum von Max Horkheimer, dass vielleicht derjenige von der Geschichte eben dieser Protestbewegungen schweigen müsse, der von ihrer Wechselwirkung mit der Staatsmacht und ihrer Repression bewusst nicht sprechen wolle.
Im Verlauf der Tagung konnte der Verfasser noch Eindrücke aus ein paar Workshops gewinnen. Bemerkenswert erschien dabei das Statement eines Beamten der Berliner Polizei am Ende der Veranstaltung der beiden Mitarbeiter der Bundesfachstelle Michael Lühmann und Julian Schenke unter dem Titel: „Rote Flora bleibt! Eine Milieustudie zu autonomen Szenen in Hamburg“. Als dieser gefragt wurde, was er von dem Projekt der Bundesfachstelle halte, gab er in einem dem Verfasser außerordentlich gut vertrauten gutturalen Berliner Sound kurz und trocken zu Protokoll: „Es existieren Szenekontakte zwischen Berlin und der Roten Flora und da ist es für uns gut, mehr darüber zu erfahren, wie das genau aussieht.“ Was auch immer an der Theorie wie Praxis der Berliner Polizei berechtigterweise auszusetzen sein mag: Es wäre völlig haltlos ihr den Vorwurf zu machen, sie hätte sich bei ihrer schweren Arbeit der kontinuierlichen Observierung und Strafverfolgung von Linksextremist*innen jemals mit dem Dreschen von immer umständlich zu handhabenden sozialwissenschaftlichen Phrasen aufgehalten.
„Schwierige Lebenssituation“ durch „Linke Militanz“
In dem von Laura Adrian vom Verein „Kieler Antigewalt- und Sozial-Training“ (KAST e. V.) aus Neumünster gestalteten Workshop zum Projekt „Linke Militanz in Schleswig-Holstein“ bemühte sich diese, einen, wie es in der Ankündigung hieß, „Praxiseinblick“ zu geben. Eben dieser bestand darin, dass der Verein irgendwann einmal von den Sicherheitsbehörden angefragt worden war, ob man nicht auch mal etwas zum Thema „Linke Militanz“ machen wolle. Entsprechende Fördermittel dazu stünden bereit. Darüber hatte der Verein vorher gar nicht nachgedacht, denn diesbezüglich war auch niemals ein Bedarf von wem auch immer an ihn herangetragen worden. „Nein“ mochte er aber zu dem in Aussicht gestellten staatlichen Geldsack auch nicht sagen, griff auf die Fördermittel zu und bemüht sich seitdem darum, diesbezügliche Fortbildungen „für den Vollzug, die Bewährungshilfe und andere in diesen Arbeitsfeldern tätige Personen“ zu organisieren. Auch eine Ausstiegsberatung würde, so führte Frau Adrian weiter aus, für „Menschen“ angeboten, „die durch eigene Aktivitäten im Kontext linker Militanz in schwierige Lebenssituationen geraten sind“. Auf Nachfrage erklärte sie, dass sich hier aber bislang noch niemand gemeldet habe. Gleichwohl stehe man auch weiterhin mit der konkreten Ausstiegsberatung von Linksmilitanten Gewehr bei Fuß, gelte doch hier allemal, so das von der Referentin froh gelaunt verkündete Motto: „Aussteigen heißt Karriere!“ Die darauf gestellte Frage des Verfassers, der durch die von der rot-grünen Schröder-Fischer-Regierung umgesetzte Arbeitsmarkreformen – wie Millionen andere auch – finanziell wahrlich in eine „schwierige Lebenssituation“ geraten ist, ob er denn von dem Verein gutes Geld dafür bekommen könne, wenn er sich endlich einmal dazu entscheiden würde, aus dem Linksextremismus auszusteigen, wurde von Frau Adrian aber freundlich-lächelnd verneint. Frau Adrian hat sich unterdessen schon mal nach Ablaufen des Bewilligungszeitraums ihres Projektes beim Jobcenter arbeitslos gemeldet, hofft aber auf eine Weiterbewilligung der Fördermittel im Bereich „Linke Militanz“, um auch so ihre Arbeit fortsetzen zu können. Das ist ihr unbedingt zu gönnen. Denn nichts wird in diesem Land besser, wenn nun auch Frau Adrian durch die Arbeitslosigkeit davon bedroht ist, selbst in eine „schwierige Lebenssituation“ zu geraten. Auch das zeigt, dass man in Deutschland zwar auch durch die Sicherheitsbehörden unterstützt aus der „Linken Militanz“ aussteigen kann, aber nun mal nicht aus dem Kapitalismus.
Die Referenten Alexander Deycke von der Bundesfachstelle Linke Militanz und Richard Rohrmoser von der Universität Mannheim machten sich in ihrem Workshop zur „Antifa“ auf eine, wie sie ankündigten, „Spurensuche.“ Dabei nahmen sie für ihre Überlegungen zunächst einmal das Generalverdikt der Sicherheitsbehörden und der Extremismusforschung auf, dem zufolge die Antifa als potentiell „kriminell“ gilt, insofern sie für die Eskalationen „bei Protesten und gewalttätige Übergriffe auf ihre politischen Gegner“ verantwortlich sei. Für andere wiederum stelle die Antifa immerhin einen „legitimen und wichtigen Akteur gegen Rechtsextremismus und Neonazismus“ dar. Von beiden Referenten wurde die Generalfrage, um was es sich eigentlich bei der Antifa genau handele, im Grunde genommen in einer Weise beantwortet, die integrativ linksliberal genannt werden kann. In der Antifa tummelten sich zwar bedauerlicherweise diese und jene Straftäter*innen, sie sei aber letztlich doch durch viele junge sympathische Menschen getragen, deren friedliches Engagement gegen Nationalsozialist*innen letztlich in eine Stärkung der Zivilgesellschaft umgemünzt werden könne. Im Grunde ein in der Staatsarchitektur der Bundesrepublik auf die allseits begehrte politische Mitte hin zentrierter Zugriff. Und dennoch erschien das von beiden Referenten vertretene Forschungsdesign ihres Projektes auf die Thematik verkürzt zu sein. Ist es denn nicht so, dass seit Jahren gerade die Theorie und Praxis der Sicherheitsbehörden und der Extremismusforschung darin besteht, der heutigen Politik der Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) zentrale Stichworte für die im Brüll-Modus exekutierte Kampagne „Antifa ist Terrorismus!“ zu liefern?
Reicht das Wissen?
Am Ende wurde mit Ulrich Ballhausen der Vorsitzende des Arbeitskreises Deutscher Bildungsstätten um einen Kommentar zum Verlauf der Tagung gebeten. Im Jahr 2010 hat Ballhausen, damals Leiter der Europäischen Jugendbildungs- und Jugendbegegnungsstätte Weimar (EJBW), trotz öffentlicher Kritik 800.000 Euro Projektmittel aus dem ersten, von der Familienministerin Kristina Schröder im Jahr 2010 aufgelegten Programm gegen Linksextremismus angenommen. Diese Entscheidung hatte er damals so verteidigt: Linksextremismus, so Ballhausen, sei „ein schillernder, offener, unklarer Begriff“, der gerade „im Vergleich mit dem vermeintlichen Parallelbegriff Rechtsextremismus (…) eher Missverständnisse“ erzeuge. Um den „Linksextremismus“ herrsche ein „riesengroßer Nebel“. Er verwahre sich entschieden dagegen, als „Kronzeuge“ für den Kampf gegen den Linksextremismus in Anspruch genommen zu werden: „Ich bleibe bei meiner Meinung, dass wir in Thüringen zwar ein Programm gegen Rechtsextremismus, aber nicht gegen Linksextremismus brauchen.“ Doch nun sei er durch eben dieses neu aufgelegte Bundesprogramm in einen, wie er formulierte „neuen Kommunikationszusammenhang“ gebracht worden, und kündigte schon damals „eine wissenschaftliche Begleitung und eine intensive Auswertung“ der in diesem Zusammenhang durchgeführten Veranstaltungen an. Vielleicht werde auch dadurch, so Ballhausen „deutlich, wo Bedarfe und Problemlagen sind und wo keine und welches die richtigen Reaktionen darauf sind.“
Fast zehn Jahre später machte Ballhausen in seinem Abschlusskommentar zur hier verhandelten Tagung zunächst darauf aufmerksam, dass „je näher die Forschung dem Kernthema der Tagung zur Linken Militanz kam“, desto häufiger seien Begriffe „wie ’Suchbewegungen’, ‘Vermutungen’, ‘schwer ranzukommen“ aufgetaucht. Die „zentrale Grundfrage“ sei hier: „Reicht das Wissen über das, worüber wir zu reden glauben – ein fluides Phänomen -, tatsächlich für sozialwissenschaftlich fundierte Bildungsprozesse in der politischen Bildung aus?“ Hier monierte Ballhausen die Unschärfe, wenn wahlweise von Linksradikalismus und Gewalt oder eben von einer Linken Militanz gesprochen werde, die „eher etwas losgelöst vom Gewaltbegriff“ verstanden werde. Wenn man eben das mit einer Bildungspraxis verbinden wolle „und dies noch im Rahmen eines Bundesprogramms“, dann sei hier allemal noch einiges an Verständigung und Klärung zu leisten. Das gelte in besonderer Weise auch deshalb, weil es bei dieser Thematik weder eine „Herausforderungsperspektive für die Demokratie“ noch „einfach“ interessierte Zielgruppen gebe. In seinen weiteren Ausführungen legte Ballhausen ein klares Bekenntnis zur Autonomie der politischen Bildung gegenüber den Forderungen der Prävention ab. Gerade weil hinter der Präventionslogik immer auch „eine Logik des Verdachts und eine Stigmatisierungsproblematik“ stehe, dürfe sie keineswegs auf den Bereich der politischen Bildung und dem Bereich der außerschulischen politischen Jugend- und Erwachsenenbildung übertragen werden. Ballhausen stellte die Frage, was von den im Lauf der Tagung verhandelten Phänomenen „Linker Militanz“ eigentlich in welchen „Zuständigkeitsbereich“ gehöre: Um was gehe es denn? Um „den Bereich der Strafverfolgung oder der sozialen Arbeit (soziale Trainingsprogramme) oder gar der Sozialpolitik?“ Ballhausen mahnte hier, so seine Formulierung, eine „deutliche Zurückweisung an politische Entscheidungsträger“ an. Er explizierte diese Aussage am Beispiel seiner Praxiserfahrung mit dem oben genannten Linksextremismusprogamm, das er im Jahr 2010 eingeworben hatte. Es sei zwar sehr leicht zu akquirieren gewesen, es habe sich jedoch gezeigt, dass es für dieses Programm schlicht keine Zielgruppe gab. Deswegen werde man auch diese Arbeit nicht mehr fortsetzen und keine weiteren Anträge stellen.
Ballhausen hob nicht nur hervor, dass die Demokratie in Deutschland durch die linke Militanz nicht gefährdet sei, sondern führte auch weiter aus: „Der offen ausgetragene Konflikt – auch in seiner Militanz und Gewaltbereitschaft – ist ein Lernfeld für die Demokratie; gut, dass diese Konflikte über Grenzen des Wachstums, Kapitalismuskritik, Wohnraum auch gesellschaftlich sichtbar sind!“ Darüber hinaus machte er unter Hinweis auf die diesbezügliche Diskussion aus dem Eröffnungspanel deutlich, dass es aus der Perspektive der Politischen Bildung unmöglich sei über linke Gewalt bzw. Militanz zu diskutieren, ohne über staatliche und strukturelle Gewalt zu reden. Politische Bildung müsse unbedingt „sensibel dafür sein, dass keine grundsätzliche Diskreditierung gesellschaftlicher Protestbewegungen stattfindet.“ Am Ende seiner Ausführungen warf Ballhausen noch die Frage auf, ob die Politische Bildung anstatt eines finanziell üppig ausgestatteten Schwerpunktthemas „Linke Militanz“ angesichts der aktuellen Herausforderungen nicht sehr viel mehr „Menschenrechtsbildung, mehr ökologische Bildung, mehr Demokratiebildung, mehr global citizenship education und ein Mehr an kritischer Medienbildung“ brauche. Diese von Ballhausen freundlich vorgetragene Bilanz zeigte: „Linksextremismus“, „linke Gewalt“ und linke Militanz sind auch nach 10 Jahren staatlichen Förderengagements kein großes gesellschaftliches Problem.
Geist und Intention dieses bilanzierenden Kommentars wichen weit ab von dem vom Bundesministerium für Familie gemeinsam mit dem BMI im Sommer 2016 vorgelegten „Berichts zur Extremismusprävention und Demokratieförderung“. Nachdem er geendet hatte, breitete sich im Saal Stille aus. Manche Verantwortungsträger*nnen aus der Bundeszentrale wirkten ratlos. Die Frage stand im Raum: „Wie soll es denn nun bloß mit den zum Abruf bereiten Fördergeldern in Sachen Kampf gegen den Linksextremismus weitergehen?“
Aspekte der Reliabilität und Validität bundesdeutscher Staatsraison der Innerer Sicherheit
Durch die Vorträge einer Reihe von Referenten war zu beobachten, mit welcher Verve aber auch argumentativen Dignität die Extremismusdoktrin, umgangssprachlich formuliert – „in die Tonne getreten“ – wurde und das in den heiligen Hallen der Bundeszentrale, die bekanntlich eine nachgeordnete Behörde im Geschäftsbereich des Bundesinnenministeriums ist! Der Verfasser, der selbst einmal im Jahre 2010 gegen diesen die gesellschaftliche Freiheit wie Pluralität bedrohenden Unsinn ein Buch herausgegeben hat, hat hier zunächst einmal das Recht, dass mit einer gewissen späten Genugtuung zu vermerken. Auf der anderen Seite funktioniert eben diese gesellschaftstheoretisch schon lange erkennbar untertourige Doktrin wie eine Art Gummibaum, der immer wieder umgetreten werden kann — und auch um getreten werden darf! – und der sich dann doch eigentümlicher Weise immer wieder aufrichtet. Warum ist das so? Hier erbrachte der praktische Verlauf der Tagung für den Verfasser neue Hinweise, vor allem durch die spürbar hohe Anwesenheit von Polizeibeamt*innen und anderen Mitarbeiter*innen von Sicherheitsbehörden auf dieser Tagung. Während noch ein jede*r Sozialwissenschaftler*in, der oder die etwas auf sich hält, immer weiter in Bezug auf die Fortexistenz von Gesellschaft reflektieren und damit auch kontextualisieren muss, sind alle Agent*innen der Staatssicherheit sogar gesetzlich verpflichtet stets drohende Gefährdungen zu wittern, um dann bei dem Verdacht auf Straftaten umgehend zuzugreifen.
Schlägt also hier durch die Herausforderung von Militanz aus sozialwissenschaftlicher Sicht gewissermaßen und erst recht die Stunde der Demokratie (Ballhausen), so ist es aus der Perspektive der Sicherheitsbehörden völlig plausibel, dass im Falle eines mutmaßlichen Verbrechens immer erstmal die Stunde der Inneren Sicherheit schlägt. Zugespitzt formuliert: Bei der Strafverfolgung hat die Demokratie erstmal Pause zu machen, und überhaupt erschwert noch jede Form irgendeines womöglich auch noch politischen Verständnisses für das von den Sicherheitsbehörden als strafverfolgungswürdig erachtete Verbrechens, das Ziel, die ergriffenen Delinquenten einer gerichtsfesten Verurteilung zuzuführen. Jedenfalls bietet die Extremismusdoktrin für die Sicherheitsbehörden auch in Zukunft eine gut zu handhabende 0/1‑Codierung an, mit der sich zwar definitiv nicht auf die Totalität von Gesellschaft reflektieren, gleichwohl sich ein polizeilicher Zugriff auf entsprechend markierte Delinquenten immanent plausibel legitimieren lässt.
Anhaltendes Skandalon erster Güte
Trotz allem sind natürlich die im Korsett der inneren Sicherheit geführten Diskussionen in Bamberg, eine Transformation von der Begrifflichkeit „Linksextremismus“ hin zu dem der „Linken Militanz“ zu bewerkstelligen, auch für die Sicherheitsbehörden keineswegs ohne Handlungsrelevanz. Aktuell wird in Hamburg die juristische Aufarbeitung der Geschehnisse im Zusammenhang mit der polizeilichen Zerschlagung der Demonstration vom Rondenbarg während des G20-Gipfels weitergeführt. Nachdem ein erstes Verfahren gegen den italienischen Demonstranten Fabio V., dem in der Anklage lediglich vorgeworfen worden war, sich an dieser Demonstration beteiligt zu haben, abgebrochen werden musste, wurden nun von der Staatsanwaltschaft Hamburg 30 weitere Anklagen erhoben. Aus Anwaltskreisen war zu erfahren, dass die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass noch gegen weitere 50 (!) Demonstrationsteilnehmer*nnen Anklagen in dieser Angelegenheit erhoben werden sollen. Natürlich erscheint es auf den ersten Blick zunächst einmal durchaus plausibel, den Rondenbarg-Demonstrant*innen in einem politischen Sinne ein gewisses Maß an linker Militanz zuzuschreiben. Ist aber von den Sicherheitsbehörden – auch durch die willfährige Kooperation mit Sozialwissenschaftler*innen im Dienst der Inneren Sicherheit — erstmal der Begriff der „Linken Militanz“ anstelle von dem des Linksextremismus als Sprachregelung für inkriminiertes politisches Protestverhalten durchgesetzt worden, so unterminiert eben das nicht nur die juristische Unschuldsvermutung. Es wird auch den Strafverfolgungsanspruch der Sicherheitsbehörden auf – und hier handelt es sich um eine Begriffsinnovation – sogenannte Raumstraftaten, sprich: Wem nachgewiesen werden kann, dass er durch das Videobild einer zuvor von den Sicherheitsbehörden politisch als kriminell erklärten Demonstration gehuscht ist, hat sich bereits strafbar gemacht — enorm ausweiten, siehe die Causa Rondenbarg. Niemand soll sich hier etwas vormachen: So wenig der bundesdeutsche Staat „Linksextremist*innen“ in der Vergangenheit eine politische Legitimität zugebilligt hat, so wenig wird er in der Zukunft dazu bereit sein, eben diese der „linken Militanz“ zuzugestehen.
Im Verlauf der Tagung zeigte sich ein zum Teil beunruhigendes Panoptikum, in dem alle Anwesenden irgendwie noch mal „Alte BRD“ gespielt haben. Die AfD war im Raum fast völlig abwesend, obwohl die Sicherheitsbehörden via Extremismusdoktrin ganz wesentliche Stichwortgeber für sie sind. Der Streit mit Kraushaar und seinen vielen vor allem aus den 1970er Jahren erzählten Anekdoten hatte im Grunde keine andere Folie. Es ist auch irgendwie – sagen wir – komisch, wenn diesbezügliche staatliche Förderprogramme Polizeibeamt*innen, Sozialarbeiter*innen und Sozialwissenschaftler*innen in einem Raum aufeinander hetzen. Dabei sollen die Sozialwissenschaftler*innen „linksaffine“, links zu Militanz geneigte Jugendliche irgendwie auch mit Hilfe von Pädagogik-Tools auf linksliberal und Mitte trimmen und tun das im Grunde von ihren Intentionen her auch, denn sie wollen natürlich ihren Job behalten. Die Diskussion oder vielleicht auch der Streit geht hier darum, wieviel Manipulation, wie viel Repression in Sachen Pädagogik und halbwegs formal freier Wissenschaft letztlich zulässig sind.
Ein Wort noch zu dem Antifa-Workshop auf dieser Tagung einer nachgeordneten Behörde im Geschäftsbereich des Bundesinnenministeriums: Bei einer solchen Themenstellung hat man das Recht dazu, einmal von den steten Nöten der aktuellen Strafverfolgung abzusehen, und darf auch mal einen auch durch die deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts geschärften historischen Tiefenblick anlegen. Und da wird dem Verfasser dieser Zeilen doch ein wenig blümerant bei der Vorstellung, damit konfrontiert zu sein, dass sowohl aus der Sicht der Reichsregierung in der Zeit vom 30. Januar 1933 bis zum 8. Mai 1945 wie auch für die aktuelle Bundesregierung ein bedeutendes Problem der Inneren Sicherheit durch die Existenz einer Antifa konstituiert wird. Das lässt sich auch drastischer formulieren: Dass ausgerechnet in dem Land, in dem sich zehntausende von NS-Mördern nicht nur haben in Sicherheit bringen können, sondern auch den Aufbau dieses Gemeinwesens in vielfältiger Art und Weise haben konstruktiv mitgestalten können, die Antifa staatlicherseits stets und massiv kriminalisiert wird, ist und bleibt – frei von jedem interessierenden Nebel – ein anhaltendes Skandalon erster Güte.