Turiner Buchmesse: Des Innenministers „schwarzes Herz“

Inter­view­buch „Io sono Matteo Sal­vi­ni“ aus dem faschis­ti­schen Ver­lag „Altaf­or­te Edi­zio­ni“ (screen­shot)

In Ita­li­en wächst zusam­men, was zusam­men­ge­hört. In den letz­ten Tagen wur­de bekannt, dass auf der anste­hen­den Turi­ner Buch­mes­se ein Inter­view-Band mit dem ita­lie­ni­schen Innen­mi­nis­ter Matteo Sal­vi­ni prä­sen­tiert wer­den soll. Der Titel des Buches lau­tet „Io sono Matteo Sal­vi­ni“ (dt.: Ich bin Matteo Sal­vi­ni) und soll „100 doman­de all’uo­mo più dis­cus­so di Euro­pa“ (dt.: 100 Fra­gen an den meist dis­ku­tier­ten Mann Euro­pas) ent­hal­ten. Die Inter­views führ­te die Jour­na­lis­tin Chia­ra Gian­ni­ni und es ist ihr zwei­tes Buch, das im Ver­lag „Altaf­or­te Edi­zio­ni“ erscheint. Der seit einem Jahr exis­tie­ren­de Ver­lag gehört zur expan­die­ren­den Geschäfts- und Medi­en­welt der Casa­Pound Ita­lia. Er ver­legt nicht nur diver­se faschis­ti­sche Bücher, son­dern auch seit Okto­ber 2017 die „Il Pri­ma­to Nazio­na­le“, die Monats­zei­tung von Casa­Pound Ita­lia. Ver­lags­chef ist das ehe­ma­li­ge Füh­rungs­ka­der des römi­schen Bloc­co Stu­den­tes­co, Fran­ces­co Pol­ac­chi. Pol­ac­chi, Haupt­an­teils­neh­mer der faschis­ti­schen Casa­Pound-Mode­mar­ke Pivert, ist als gewalt­tä­ti­ger Faschist der Casa­Pound Ita­lia seit lan­gem bekannt und wur­de zuletzt im Juni 2017 zu einer Haft­stra­fe von einem Jahr und vier Mona­ten verurteilt.

Chia­ra Gia­nin­ni stell­te am 14.12.2018 ihr jüngs­tes Buch in der Casa­Pound-Sek­ti­on Roma Nord vor. Mit dabei der Casa­Pound-Vize Andrea Anto­ni­ni und Alber­to Pal­la­di­no, (screenhot)
Der Innen­mi­nis­ter Matteo Sal­vi­ni bewirbt 2018 ein Buch der Autorin Chia­ra Gian­ni­ni aus dem faschis­ti­schen Ver­lag „Altaf­or­te Edi­zio­ni“ (screen­shot)

Der sich als „sou­ve­rä­nis­tisch“ bezeich­nen­de Ver­lag „Altaf­or­te Edi­zio­ni“ wird in den kom­men­den Tagen mit sei­nem Ver­lags­an­ge­bot und einem Stand auf der Turi­ner Buch­mes­se ver­tre­ten sein. Und so schla­gen die kul­tur­po­li­ti­schen Wel­len nicht nur in Turin hoch. Nach­dem Auf­for­de­run­gen zum Ver­bot eines Auf­tritts des faschis­ti­schen Ver­lags sei­tens des Manage­ments der Buch­mes­se nicht nach­ge­kom­men wur­de, kün­dig­ten ver­schie­de­ne Schrift­stel­ler, der His­to­ri­ker Car­lo Ginz­burg, das Autoren-Kol­lek­tiv Wu Ming aus Bolo­gna und die Orga­ni­sa­ti­on der ehe­ma­li­gen Partisan*innen — ANPI ihr Fern­blei­ben von der Bücher­mes­se an. Das Autoren­kol­lek­tiv Wu Ming erklär­te, dass in Turin ein wei­te­rer Schritt unter­nom­men wor­den sei, die neu­en Schwarz­hem­den in der kul­tur-poli­ti­schen Sze­ne Ita­li­ens zu akzep­tie­ren. Statt die poli­ti­sche und mora­li­sche Ver­ant­wor­tung zu über­neh­men, hät­ten sich die Organisator*innen der Buch­mes­se hin­ter dem lega­len Sta­tus der Par­tei Casa­Pound Ita­lia ver­steckt. Die Autor*innen wei­ter: „Wir glau­ben, dass die Faschis­ten gestoppt und Meter für Meter zurück­ge­drängt wer­den müs­sen. Wir hal­ten es für not­wen­dig, immer kla­re­re und stär­ke­re Signa­le zu sen­den, wie dies am ver­gan­ge­nen Frei­tag auf der Piaz­za For­lì der Fall war. Wir haben kein Inter­es­se einen Raum oder Rah­men mit Faschis­ten zu tei­len. Nie­mals neben den Faschis­ten. Des­halb gehen wir nicht zur Buch­mes­se.“ Und auch der bekann­te lin­ke Comic­zeich­ner Zero­Cal­ca­re aus Rom begrün­de­te sein Fern­blei­ben so: „Es ist mir wirk­lich unmög­lich vor­zu­stel­len, drei Tage eini­ge Meter neben den­je­ni­gen zu sit­zen, die mei­ne Brü­der ersto­chen haben.“

Ex-lin­ker Marx-Exper­te Die­go Fus­aro, der rus­si­sche Eura­si­en-Phi­lo­soph Alex­an­der Dugin, Mau­ri­zio Murel­li, Adria­no Scia­na und Fran­ces­co Pol­ac­chi auf einem Tref­fen am 20. Juni 2018 in Mai­land: (screen­shot)

Casa­Pound Ita­lia hin­ge­gen tri­um­phiert und Pol­ac­chi spricht von einer „Hexen­jagd“ auf ihn und den Ver­lag. Als Ver­tre­ter einer Par­tei, die in Bozen Migrant*innen per Erlass das Fahr­rad­fah­ren ver­bie­ten will, wirft er „der Lin­ken“ eine Bereit­schaft zur Zen­sur und anti­de­mo­kra­ti­sches Ver­hal­ten vor. Laut der Nach­rich­ten­agen­tur ANSA soll er den Anti­fa­schis­mus als „è il vero male del Pae­se“ (dt. das wah­re Böse in die­sem Land) bezeich­net haben.

Das Buch „Io sono Matteo Sal­vi­ni“ ran­giert mitt­ler­wei­le bei dem ita­lie­ni­schen Ama­zon-Able­ger auf Platz vier der Best­sel­ler­lis­te. Noch bevor es irgend­je­mand hat lesen kön­nen. Das Buch ist ein finan­zi­el­ler wie publi­zis­ti­scher Erfolg Casa­Pounds. Und sei­ne Exis­tenz ein Beweis, das der Innen­mi­nis­ter über ein „cuo­re nero“ (dt. schwarzes/faschistisches Herz) verfügt.


Fran­ces­co Pol­ac­chis Selbst­in­sze­nie­rung (screen­shot)

Die­se Zei­len sind drei Tage alt. Mitt­ler­wei­le ist auf viel­fäl­ti­gen Pro­test, vor allem von der 89-jäh­ri­ge Dich­te­rin und Ausch­witz-Über­le­ben­de Hali­na Biren­baum, sowie dem Muse­um Ausch­witz-Bir­ken­au, der faschis­ti­sche Ver­lag „Altaf­or­te Edi­zio­ni“ von der Turi­ner Buch­mes­se aus­ge­schlos­sen wor­den. Für Sams­tag, den 11. Mai, kün­dig­te „Altaf­or­te Edi­zio­ni“ die Prä­sen­ta­ti­on des Buches „Io sono Matteo Sal­vi­ni“ an einen noch nicht genann­ten Ort in Turin an.

(11.05.2019)