In Italien wächst zusammen, was zusammengehört. In den letzten Tagen wurde bekannt, dass auf der anstehenden Turiner Buchmesse ein Interview-Band mit dem italienischen Innenminister Matteo Salvini präsentiert werden soll. Der Titel des Buches lautet „Io sono Matteo Salvini“ (dt.: Ich bin Matteo Salvini) und soll „100 domande all’uomo più discusso di Europa“ (dt.: 100 Fragen an den meist diskutierten Mann Europas) enthalten. Die Interviews führte die Journalistin Chiara Giannini und es ist ihr zweites Buch, das im Verlag „Altaforte Edizioni“ erscheint. Der seit einem Jahr existierende Verlag gehört zur expandierenden Geschäfts- und Medienwelt der CasaPound Italia. Er verlegt nicht nur diverse faschistische Bücher, sondern auch seit Oktober 2017 die „Il Primato Nazionale“, die Monatszeitung von CasaPound Italia. Verlagschef ist das ehemalige Führungskader des römischen Blocco Studentesco, Francesco Polacchi. Polacchi, Hauptanteilsnehmer der faschistischen CasaPound-Modemarke Pivert, ist als gewalttätiger Faschist der CasaPound Italia seit langem bekannt und wurde zuletzt im Juni 2017 zu einer Haftstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt.
Der sich als „souveränistisch“ bezeichnende Verlag „Altaforte Edizioni“ wird in den kommenden Tagen mit seinem Verlagsangebot und einem Stand auf der Turiner Buchmesse vertreten sein. Und so schlagen die kulturpolitischen Wellen nicht nur in Turin hoch. Nachdem Aufforderungen zum Verbot eines Auftritts des faschistischen Verlags seitens des Managements der Buchmesse nicht nachgekommen wurde, kündigten verschiedene Schriftsteller, der Historiker Carlo Ginzburg, das Autoren-Kollektiv Wu Ming aus Bologna und die Organisation der ehemaligen Partisan*innen — ANPI ihr Fernbleiben von der Büchermesse an. Das Autorenkollektiv Wu Ming erklärte, dass in Turin ein weiterer Schritt unternommen worden sei, die neuen Schwarzhemden in der kultur-politischen Szene Italiens zu akzeptieren. Statt die politische und moralische Verantwortung zu übernehmen, hätten sich die Organisator*innen der Buchmesse hinter dem legalen Status der Partei CasaPound Italia versteckt. Die Autor*innen weiter: „Wir glauben, dass die Faschisten gestoppt und Meter für Meter zurückgedrängt werden müssen. Wir halten es für notwendig, immer klarere und stärkere Signale zu senden, wie dies am vergangenen Freitag auf der Piazza Forlì der Fall war. Wir haben kein Interesse einen Raum oder Rahmen mit Faschisten zu teilen. Niemals neben den Faschisten. Deshalb gehen wir nicht zur Buchmesse.“ Und auch der bekannte linke Comiczeichner ZeroCalcare aus Rom begründete sein Fernbleiben so: „Es ist mir wirklich unmöglich vorzustellen, drei Tage einige Meter neben denjenigen zu sitzen, die meine Brüder erstochen haben.“
CasaPound Italia hingegen triumphiert und Polacchi spricht von einer „Hexenjagd“ auf ihn und den Verlag. Als Vertreter einer Partei, die in Bozen Migrant*innen per Erlass das Fahrradfahren verbieten will, wirft er „der Linken“ eine Bereitschaft zur Zensur und antidemokratisches Verhalten vor. Laut der Nachrichtenagentur ANSA soll er den Antifaschismus als „è il vero male del Paese“ (dt. das wahre Böse in diesem Land) bezeichnet haben.
Das Buch „Io sono Matteo Salvini“ rangiert mittlerweile bei dem italienischen Amazon-Ableger auf Platz vier der Bestsellerliste. Noch bevor es irgendjemand hat lesen können. Das Buch ist ein finanzieller wie publizistischer Erfolg CasaPounds. Und seine Existenz ein Beweis, das der Innenminister über ein „cuore nero“ (dt. schwarzes/faschistisches Herz) verfügt.
Diese Zeilen sind drei Tage alt. Mittlerweile ist auf vielfältigen Protest, vor allem von der 89-jährige Dichterin und Auschwitz-Überlebende Halina Birenbaum, sowie dem Museum Auschwitz-Birkenau, der faschistische Verlag „Altaforte Edizioni“ von der Turiner Buchmesse ausgeschlossen worden. Für Samstag, den 11. Mai, kündigte „Altaforte Edizioni“ die Präsentation des Buches „Io sono Matteo Salvini“ an einen noch nicht genannten Ort in Turin an.
(11.05.2019)