Einführungsrede zur Vernissage der Ausstellung >wo liegt die Erinnerung< von Rasso Rottenfußer, in den Studios Lichtenberg, am 22.3.2019
I. Rasso
Ich kenne Rasso Rottenfußer schon aus den 1980er Jahren, wir kommen aus dem demselben Landkreis, dem oberbayerischen Landkreis Ebersberg im Münchener Osten und kennen uns aus einer Jugendtreffpunktsinitiative alldort. Ich verfolge, begleite und beschreibe seine künstlerische Entwicklung und seine Projekte seither und bin ein großer Freund seines destruktiven Konstruktivismus, seiner Kunst Dinge, Räume, Gebäude und Sachen zu zerlegen und zu neuer Kenntlichkeit wieder zusammenzufügen und umzudeuten. Darin ist er groß. Und auch oft stur.
Schon die großen scheinbar monochromen, aber in vielfacher Schichtung der Acrylfarben fein strukturierten Tafelbilder seiner Frühphase mit „echten“ Applikationen aus natürlichen Werkstoffen wie Leder, Rinde oder Flechten waren Neukombinationen sich scheinbar widersprechender Elemente. Es muss in den 1990er Jahren gewesen sein, im Umfeld des Rosenheimer Kunstvereins, dass Rasso Rottenfußer mit dem Auseinandernehmen von Räumen, Flächen und Körpern begann. Bei der großen Kunstschau „Keine Erinnerung“ im Rosenheimer Finanzamt spiegelte er die Flächen einer typischen Beamt*innenstube der Behörde so an sich selbst und der Umgebung bis der Raum quer zum architektonischen Ensemble lag und wie durch zwei dieser schmalen Amtsstuben geschoben, gebrochen, gehievt, gepresst schien. Ähnlich verfuhr er mit einem Ausstellungsraum in der Oberföhringer Straße und mit seiner Stammkneipe, dem Valentinsstüberl, in München.
II: Rohe, Ludwig Mies van der
Es gab eine Phase in Rasso Rottenfußers Schaffen, in der er Markierungen setzte. Kleine Teppichstücke, die er im öffentlichen Raum, meist im Kunstkontext, an Wänden befestigte. Was heute jeder zweite Streetart-Künstler macht, war damals, in den 1990er Jahren, ein unerhörter Akt der Aneignung und auch Kritik am großen Kunstbetrieb, ein „tag“, den der rebellische Künstler, die rebellische Künstlerin an den glänzenden Oberflächen der Hochkultur hinterlässt, um die Oberfläche anzukratzen, in Frage zu stellen und eben auch sich selbst als Anwesenden bemerkbar zu machen. Ich war zugegen als Rottenfußer eine solche Teppichfliese an einem Pavilion — ich glaube, es war der österreichische — auf der Biennale in Venedig anheftete. An das genaue Jahr kann ich mich nicht erinnern. Nicht dabei war ich, als er ein kleines Rechteck an jenem Pavillion applizierte, den Ludwig Mies van der Rohe 1929 für die Weltausstellung in Barcelona errichtete. (Und der danach verschwand, in den 1980er Jahren jedoch rekonstruiert wurde, also heute dort wieder zu sehen ist). Über die Teppichfliese hat Rasso damals im Grunde so etwas wie den Kontakt zu einem der bedeutendsten Vertreter der Architekturmoderne, dem einstigen Bauhaus-Direktor Mies van der Rohe hergestellt, sich seinem rekonstruierten Baudenkmal aufgedrängt, angeklebt, angeheftet.
III. Revolution
Ludwig Mies van der Rohe war kein Revolutionär. Der bürgerliche Baumeister pflegte in der Zeit der Weimarer Republik jene Koketterie mit einer sozialistischen Revolution, die auf den Schwingen der Oktoberrevolution zum Flug in die Zukunft abzuheben schien, die für gebildete liberale Kreative damals zum guten Ton gehörte. Sein Wirken vom Herkömmlichen zum Modernen lässt sich gerade in Berlin wunderbar nachvollziehen vom eher betulichen Haus Riehl, seinem Erstling, das er in den Jahren 1907⁄08 baute, über seine Wohnbauten in der Afrikanischen Straße Mitte der 1920er Jahre bis zur Vollendung im Haus Lemke am „Faulen See“ im Norden Berlins, in dem sich heute das „Mies van der Rohe“-Haus befindet. Es ist vermutlich kein Zufall, dass er in der Zeit, in der er die Siedlungsbauten in der Afrikanischen Straße für normale, möglicherweise eher proletarische Mieter*innen baute, auch den Auftrag für das Revolutionsdenkmal annahm, welches Gegenstand unserer heutigen Ausstellung und natürlich auch im Kontext der zahlreichen Revolutions- und Bauhaus-Jubiläen immer wieder betrachtet und erörtert wird.
War die Russische zumindest zeitweise geglückt, ertrank die Deutsche Revolution 1918⁄19 — vor 100 Jahren — im Blut der Revolutionär*innen. Der Verrat der Sozialdemokratie an der aufbegehrenden Arbeiterklasse ist ihrer Geschichte eingeschrieben wie ein Kainsmal des Opportunismus der Macht und des unbedingten Machterhalts. Die Sozen hatten sich dazu mit den brutalen Kräften der Reaktion verbündet, bis ihnen ein gutes Jahrzehnt später die Nationalsozialist*innen ihrerseits den Garaus machten.
IV. Rosa Luxemburg
„Schlagt ihre Führer tot! Tötet Karl Liebknecht!“ wurde damals in Berlin plakatiert, am 15. Januar 1919 töteten Soldaten des toxischen Männerbundes der „Schwarzen Reichswehr“ im Auftrage des solzialdemokratischen „Bluthunds“ Gustav Noske auch die Arbeiterführerin Rosa Luxemburg und den Revolutionär Karl Liebknecht. Für die beiden Ermordeten und viele Hundert andere Getötete der Novemberrevolution ff sollte nun also ein Denkmal errichtet werden, beschlossen schon 1924, realisiert und eröffnet dann 1926. In einem Aufsatz in einem Themenheft zum Revolutionsdenkmal schreibt der Kunstwissenschaftler Martin Schönfeld: „Die Errichtung des Revolutionsdenkmals von Ludwig Mies van der Rohe 1926 ließ das dortige Gräberfeld zu einer Bühne und Memorialfestung der Kommunistischen Partei Deutschlands werden. Nicht nur Beisetzungen, auch Gedenktage fanden an diesem Denkmal ihre politische Präsentation“. Zwar war Mies van der Rohe im Jahr des Denkmalbaus sogar in Eduard Fuchs’ „Gesellschaft der Freunde des Neuen Russlands“ eingetreten, aber — so schreibt es die Direktorin des „Mies van der Rohe“-Hauses, Wita Noack — die “ ungewöhnliche Formensprache der konstruktivistischen Denkmalstruktur — ein Backsteinbau aus längs gerichteten und asymetrisch zusammengefügten Kuben — entsprach nicht dem Kunstgeschmack der meisten Vertreter der kommunistischen Bewegung. Der kühne, „revolutionäre“ Wurf des bürgerlichen Architekten gefiel nun ausgerechnet den Revolutionären nicht, unter denen, so Noack, „in ästhetischer Hinsicht (…) eher die bürgerliche Form“ goutiert wurde. Verkehrte Welt. Verdammte Spießer.
Aber ja, es hat auch mich, wenn Sie die persönliche Bemerkung gestatten, Jahre gekostet, die Schönheit im Brutalismus der 1970er Jahre zu erkennen. Heute kann ich mich daran kaum sattsehen. Auch das Mies’sche Denkmal in Friedrichsfelde kommt auf jeden Fall erst einmal recht grob und wuchtig, ungeschlacht und gewaltig daher. Es war, soweit man es auf den Fotografien der Gedenkveranstaltungen und Aufmärsche sehen kann, imposant und ungewöhnlich und in seiner Wucht vielleicht der Wucht der blutigen Konterrevolution angemessen und ein Monument der Trauer und des Widerstands. Damals.
V. Rekonstruktion
Ich halte eine viel diskutierte Rekonstruktion des Denkmals in seiner ursprüngliche Gestalt übrigens für eine Schnapsidee. Nur in der Form, wie Rasso Rottenfußer es etwa vorhatte und hier modellhaft zeigt, wäre es eine denkbare Annäherung, Aneignung, eine Dekonstruktion des Mythos, der dem verschwundenen Denkmal eingeschrieben war und ist, eine Verfremdung auch der buchstäblich erschöpften Symbole von Hammer und Sichel und roter Fahne.
Vielleicht haben Sie neben dem Ostbahnhof den Neubau meiner Arbeitgeberin, der Rosa-Luxemburg-Stiftung, gesehen, an dem optisch die X‑Konstruktionen im ersten Stockwerk als Reminiszenzen an das X in Rosa Luxemburgs Namen sehr auffällig sind. Man kann sich über die architektonische Gestaltung des Baus streiten und auch darüber, ob der Standort des Gebäudes an der Stelle dort akzeptabel ist. Im Grunde, so könnte man sagen, ist das neue RLS-Gebäude im Ensemble ein Wurmfortsatz der Mercedes- und bizarren Konsumwelt, die gegenwärtig rund um die einstige O2-Arena, die heutige Mercedes-Benz-Arena, aus dem Boden schießt. Was würde unsere, vor 100 Jahren ermordete Namenspatronin dazu sagen, wenn sie sich inmitten von Vergnügungsmeilen, Einkaufsmalls, Konzerthallen und unter dem sich drehenden Stern eines der größten Autokonzerne Deutschlands wiederfände. (Auch wenn dieser Stern im Sinken begriffen zu sein scheint.) Kolleg*innen aus der Stiftung haben nun kürzlich vorgeschlagen, man sollte auf dem Dach unseres neuen Hauses doch dem Mercedes-Stern einen rotierenden Roten Stern oder das, übrigens im Original 1932 von Max Gebhardt im Dessauer Bauhaus geschaffene Symbol der Antifaschistischen Aktion entgegensetzen, um „kenntlich zu machen, nicht Teil dieser Entwicklung zu sein“, aber gleichzeitig auch — und in ziemlichen Gegensatz dazu — um mit dem Daimler-Stern „in einen politischen Dialog zu treten“ oder — nochmal ein gewagtes Manöver — eben auch „in Erinnerung an das Denkmal für Rosa und all die anderen 1919 umgekommenen von Mies van der Rohe“.
Diese Ideen sind abwegig und geschichtslos, sie reanimieren bedeutsame, aber auch in vieler Hinsicht gebrochene und fragwürdige politische Symbole für Zwecke, die im Zusammenhang des adornitischen Falschen in einer globalisierten Welt des Kapitalismus stehen. Auch die Rosa-Luxemburg-Stiftung ist Teil des Establishments in einem der reichsten und destruktivsten Länder der Welt, einem Global Player des alles verschlingenden Neoliberalismus. Wer, wie ich, bei der Stiftung arbeiten kann, ist privilegiert. Insofern hat es durchaus eine gewisse stimmige Ironie, dass unser Haus in dieser Umgebung zu stehen kommt. Eine Orientierung an den historischen Formationen der Arbeiterklasse müssen unter den heutigen Bedingung in die Irre führen und können allenfalls als Bezugpunkte einer revolutionären Erinnerung in Betracht gezogen werden.
Und allmählich kehre ich zurück zu der heutigen Ausstellungseröffnung und dem Künstler Rasso Rottenfußer, der solcher gefühligen Romantik gänzlich abhold ist.
VI. Ruinen
Schatten und Trümmer, das ist es, was vom Mies’schen Revolutionsdenkmal übrig geblieben ist. „Verlorene Bau- und Kunstdenkmale, deren Nachwirken — über Generationen, ja womöglich über Jahrhunderte hinweg — unsere Wahrnehmung von Geschichte im Raum prägt, charakterisieren Denkmalpfleger gelegentlich als Schattenarchitektur“, schrieb der Berliner Landeskonservator Jörg Haspel in dem erwähnten Sonderheft zum Revolutionsdenkmal. Die Schatten der Vergangenheit, das im Schattendenkmal für die verratenen Revolutionär*innen sichtlich abwesend ist ist 1935 von den Nazis abgerissen und geschleift worden, nachdem schon allerlei niederträchtige Späßchen mit dem vorher abgeschlagenen Stern mit Hammer und Sichel getrieben worden war. Es gibt ein Bild, das einen Haufen fein gesäuberter und aufgeschichteter Ziegel zeigt, die einst das Denkmal waren. Das Bild scheint eine sinnfällige Vorwegnahme der späteren Trümmer zu sein, in die die Nazis die Welt haben sinken lassen.
Ich habe in München den Prozess gegen die Neonazi-Mörderbande NSU über fünf Jahre lang beobachtet und im Laufe dieses Mammutverfahren viele neue Worte gelernt, meist aus dem Munde von Sachverständigen, Brandgutachtern, Gerichtsmedizinern und Waffenexperten. Eines dieser Worte war „Trümmerschatten“. Der Versuch der NSU-Terroristin Beate Zschäpe, den letzten Unterschlupf des NSU-Kerntrios in der Zwickauer Frühlingsstraße anzuzünden, endete in einer Explosion, bei der Teile der Außenwände des Gebäudes nach außen geschleudert wurden. Die Trümmer dieser Außenwände und ihre Verteilung in der Umgebung werden als Trümmerschatten bezeichnet.
In gewissem Sinne kann man Rottenfußers Reinstallation der Kuben des Revoltutionsdenkmals entlang einer gewissen Strecke als den Trümmerschatten von Revolution, Verrat und Mord betrachten, deren Wucht uns die Teile bis heute vor die Füße wirft.
VII. Refugee
„Er hat das Antlitz der Vergangenheit zugewendet. Wo eine Kette von Begebenheiten vor uns erscheint, da sieht er eine einzige Katastrophe, die unablässig Trümmer auf Trümmer häuft und sie ihm vor die Füße schleudert.“ So beschreibt Walter Benjamin den „Angelus Novus“ auf Paul Klees Gemälde, den Benjamin als „Engel der Geschichte“ bezeichnet. Der Engel steht der Vergangenheit zugewandt und ihm weht der Sturm aus der Vergangenheit ins Gesicht: „Aber ein Sturm weht vom Paradiese her, der sich in seinen Flügeln verfangen hat und so stark ist, dass der Engel sie nicht mehr schließen kann. Dieser Sturm treibt ihn unaufhaltsam in die Zukunft, der er den Rücken kehrt, während der Trümmerhaufen vor ihm zum Himmel wächst. Das, was wir den Fortschritt nennen, ist dieser Sturm.“ Vor seinen Füßen liegen auch die Trümmer des Revolutionsdenkmals und die Frage ist, was unser Fortschritt sein könnte oder ob es nicht wieder dunkle Ereignisse und Entwicklungen sind, die ihre Schatten vorauswerfen und unseren Blick zurück trüben und umnachten. Walter Benjamin haben diese Schatten Angst und Panik bereitet. So sehr, dass er sich nach einer mühsamen Flucht über die Pyrenäen im katalanischen Port Bou 1940 das Leben nahm. Der Refugee Benjamin steht in persona und als Denker für die Ahnung dessen, was auf uns auch gegenwärtig zurast, er steht für die Angst der Menschlichkeit vor der Barbarei.
VII. Rechtsruck
Denn auch heute zeigt der Faschismus wieder sein höhnisches Gesicht und lässt viele in Mutlosigkeit und Furcht verfallen, dystopische Endzeitstimmung macht sich breit und Leute wie wir faseln von Flucht und Exil. Der große Peter Weiss lässt eine Figur in seinem Jahrhundertroman „Die Ästhetik des Widerstands“ diesen wohlfeilen Wankelmut saturierter und überspannter Humanist*innen sehr treffend beschreiben, ich zitiere: „Wir sind Humanisten, (…) doch unsre Humanität ist mit Schande bedeckt. Allzuviele, die ständig den Humanismus, den Pazifismus im Mund führen, die das Unrecht wohl sehn, für eine Verändrung aber nicht kämpfen wollen, sind, in ihrer Diskretion, nichts andres als Apologeten der herrschenden Klassen.“
Denn die Not, Flucht und Migration, Verzweiflung und Elend finden seit vielen Jahrhunderten woanders, im so genannten globalen Süden statt als gnadenlose Kampfzone des sich globalisierenden Kapitalismus’, dieser gnadenlose Knochenmühle der Akkumulation und der gewinnbringenden Zerstörung und des „irren Selbstzwecks“ (Tomasz Konicz) eines Gewinns um seiner selbst Willen. Einer kritischen fragenden Person stellt sich auch die grundsätzliche Frage, ob die Widersprüche und Unvereinbarkeiten dessen, was wir so leichthin als „Demokratie“ und „demokratisch“ bezeichnen, nicht schon historisch unseren vermeintlich freien Gesellschaften eingeschrieben waren und sich in einer finalen Krise der „imperialen Lebensweisen“ des Kapitalismus und der kapitalistischen „Externalisierungsgesellschaft“ gerade zur großen autoritären Regression zusammenballen: Vielerorts lassen die globalen Ausbeutungsverhältnisse und ihre Folgen rassistische Modi der Besitzstandswahrung aktiv werden. Das Erstarken rechter und neofaschistischer Parteien rund um die Welt korrespondiert so mit dem militarisierten Abwehrkampf gegen Geflüchtete und negiert deren Menschenrechte. Im Inneren der Festung Europa sind Rechtsruck, massive Einschränkungen der Bürger*innen- und Menschen‑, der Grund- und Freiheitsrechte sowie der Abbau sozialer und über Jahrzehnte erkämpfter menschenrechtlicher Standards zu beobachten.
Ich muss wohl hier nicht die zweifache Aufkündigung des fundamentalen Menschenrechts auf Leben und Unversehrtheit im Mittelmeer und auf anderen globalen Fluchtrouten erwähnen. Den Menschen wird die Rettung aus Seenot verweigert und sie werden, zynisch gesagt: wenn sich die Rettung nicht vermeiden lässt oder sie von freiwilligen Seenotretter*innen besorgt wird, einem skrupellosen Refoulment in extralegale Lager, Gefängnisse und Folterstätten etwa in Libyen ausgesetzt. Die Party‑, Weihnachtsmarkt- und Sportweltmeisterschaftszivilisation zuckt nicht mit den Wimpern. Standards werden verfügbar gemacht, ökonomischen Faktoren angepasst, sie sind auswechselbar und stehen zur Disposition. Im unablässigen, durch die virtuellen Welten der so genannten sozialen Medien ins Unendliche vervielfachten Diskurs gehen sie in den Hasskommentarspalten und enthumanisierten Echokammern des Cyberspace sang- und klanglos unter…
VIII. Regression
Aber egal, ob die AfD in Deutschland davon träumt stolz sein zu dürfen „auf die Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen“, im polnischen Zamość die Gedenktafel am Geburtshaus von Rosa Luxemburg abgeschlagen wird, weil sie Kommunistin war, oder der faschistische italienische Innenminister Salvini im Zusammenhang mit geretteten Geflüchteten von einer „Fracht Menschenfleisch“ spricht: Die Umdeutung der Worte und Werte, der Brutalisierung von Statements, Forderungen und Gesetzesvorhaben ist längst im Gange. In den fiebrigen Echokammern des Internets, in zahllosen eigenen Publikationsmedien und demonstrationskulturellen Sphären der neuen rechten und rohen Bürger*innenbewegung entsteht ein paralleles Universum, in dem rückwärtsgewandte Geschlechterbilder und repressive Gewaltphantasien gegen Frauen und LGBTQI ebenso fröhliche Urstände feiern wie religiöser Fanatismus aus vergangenen Jahrhunderten. Trump und Bolsonaro wurden von einer Welle evangelikaler Verzückung an die Macht gespült, in Europa formieren sich christliche Abtreibungsgegner*innen, katholische Fundamentalist*innen und orthodoxe Fanatiker*innen um Reproduktionsthemen, Homophobie und restriktive Sexualmoral.
Der neue Faschismus steigt aus den Trümmern der Vergangenheit auf und wirft seine bedrohlichen Schatten voraus.
Wir müssen uns mit diesen Schatten und den Trümmerschatten linker Vergangenheiten beschäftigen und können dies beim Reflektieren an Rasso Rottenfußers vielschichtigem Werk, seiner dekonstruktivistischen Re-Installation von Ludwig Mies van der Rohes Revolutionsdenkmal tun.
Die Ausstellung >wo liegt die Erinnerung< ist noch bis zum 30. April 2019 in Lichtenberg Studios im Café (Zugang über Lichtenberg Museum) in der Türrschmidtstrasse 24, 10317 Berlin zu sehen.