Die lombardische Hauptstadt Mailand erlebte am vergangenen Samstag einen „sabato nero“ (dt.: schwarzer Samstag). Im Laufe des Tages fanden mehrere faschistische Veranstaltungen anlässlich des 100ten Jahrestag der Gründung der faschistischen Kampfbünde, der „Fasci italiani di combattimento“, statt. Diese paramilitärischen Milizen wurden am 23. März 1919 in einem Saal des „Circolo dell’alleanza industriale“ an der Piazza San Sepolcro in Mailand von Benito Mussolini gegründet. Keinen Monat später starteten die in Italien wegen ihrer schwarzen Uniformierung auch „camicie nere“ (dt.: Schwarzhemden) genannten Faschisten ihre ersten Angriffe auf die organisierte Arbeiterbewegung. Während eine Gruppe der „Fasci di Combattimento“ am 15. April in Mailand eine Gewerkschaftsdemonstration angriff, wobei es Tote gab, attackierte eine andere Gruppe der Faschisten den Sitz der sozialistischen Zeitung „Avanti“ und setzte ihn in Brand. Dies war der Auftakt dessen, was Mussolini am 23. März proklamierte: „[Heute] gründen wir eine Gegenpartei, die Fasci di Combattimento, sie wendet sich gegen zwei Gefahren. Erstens gegen den Hass der Linken und zweitens gegen deren Zerstörungswut.“ Alles weiter ist jedem guten Geschichtsbuch zu entnehmen.
Anlässlich des Gründungsdatum der „Fasci italiani di combattimento“ gab es italienweit faschistische Plakat-Aktionen, Lesungen, Konzerte, Kundgebungen und Demonstrationen der verschiedenen rechten Fraktionen. So organisierte z.B. CasaPound Italia Diskussionsabende, die faschistische „Edizione Ritter“ Buchpräsentationen, die „Communita militante Colleverde“ eine Kranzniederlegung in Nettuno, marschierte Roberto Fiore mit der Forza Nuova unter dem Motto „Salvare l‚Italia“ (dt.: Rettet Italien) durch das toskanische Prato und die neo-nazistische Gruppe „Comunita militante die dodici raggi“ (Do.Ra.) „schmückte“ die Piazza Montegrappa in Varese mit ihrer Weltanschauung. Diese Liste ließe sich um einige Events erweitern.
Mailand als Gründungsort der „Fasci italiani di combattimento“ war für die Apologeten der Diktatur von besonderem Interesse. Hier marschierten am frühen Nachmittag ca. 150 Nazi-Skinheads der Hammer-Skinheads von „Lealtà Azione“ und „Memento“, der „Veneto Fronte Skinhead“ und diverse Einzelpersonen, so z.B. Gabriele Adinolfi, einer der Gründer der terroristischen „Terza Posizione“, am Zentralfriedhof auf.
Die Vereinigung der ehemaligen Partisan*innen Italiens A.N.P.I., die Vereinigung der ehemals in deutschen Konzentrationslagern Inhaftierten A.N.E.D. und viele andere demokratischen und linken Organisationen hatten gegen diesen Aufmarsch protestiert, konnten aber ein Verbot seitens des Innenministers Matteo Salvini von der Lega nicht erreichen. Am Morgen des 23. März versammelten sich rund 500 ältere Antifaschist*innen auf dem Friedhof vor dem Denkmal für die unter der deutschen Besetzung Deportierten, um gegen die öffentliche Huldigung der faschistischen Todesschwadronen Mussolinis zu protestieren. Der Versuch einer Blockade des Aufmarsches der Faschist*innen wurde seitens der Antifaschist*innen nicht unternommen. So zogen sie unbehelligt zu der unter Mussolini 1925 errichteten Krypta für 13 gefallene Squadristen.
Am Abend des 23. März fand das lange angekündigte Konzert von CasaPound Italia in der Via Toffetti, in einer ehemaligen Großdisco in der Nähe des Flughafen Linate, statt. Angeblich sollte das 20-jährige Bestehen der Band „ZetaZeroAlfa“ (ZZA) rund um den Frontmann der Band und Präsidenten der CasaPound, Gianluca Ianonne, gefeiert werden. Dies war aber ein mehr als durchsichtiges Manöver. Die römische Band ZZA existiert schon seit 1997 und der Zeitpunkt des Beginns des Konzerts wurde mit 19:19 angegeben. Laut Zeitungsberichten sollen rund 2.000 in- und ausländischen Konzertbesucher*innen erschienen sein und den faschistischen Bands „Ultima Frontiera“, „Fantasmi del Passato“, „SPQR“, „ZetaZeroAlfa“, „Bronson“ und „DDT“ bis in den Morgenstunden gelauscht haben.
Unter den Gästen war auch eine Delegation der Gruppe „The Vortex Londinium“. Diese faschistische Dependance CasaPounds und transnationaler Brückenkopf für national-revolutionäre Politik in London plant für das kommende Wochenende ein Treffen verschiedener europäischer Gruppen in Brüssel. Die Veranstaltung am 30. März 2019 trägt den Titel „Europe needs wind of change – how the upcoming election might or might not change the future of the old continent“ (dt: Europa braucht einen Wind des Wandels — wie die kommende Wahl die Zukunft des alten Kontinents ändern könnte oder nicht). Hier soll Francesco Susinno aus Palermo/London für „The Vortex Londinium“, Andrea Bonazza aus Bozen für „CasaPound Italia“, Valentin Linder aus Strasbourg für „Bastion Social“, Melisa Rodriguez aus Madrid für „Hogar Social“ und Julian Bender aus dem sauerländischen Olpe für den „Der III. Weg“ sprechen. Wo das Treffen in Brüssel stattfinden soll ist noch unklar. Da bei der ersten Ankündigung der Name Konstantinos Bovisken (vermutlich ist Konstantinos Boviatsos, der Assistent des EU-Parlamentariers Georgios Epitideios von der griechischen „Goldenen Morgenröte“ gemeint) fiel, besteht durchaus die Möglichkeit, das die faschistischen Bewegungsparteien Räumlichkeiten des europäischen Parlaments für diesen anti-demokratischen Auftritt einplanen.
Artikel zu Mailand:
Milano, raduno di estrema destra per centenario del fascismo. Manifestazione Anpi: “È anniversario tragico” (Il Fatto Quotidiano, 23.03.2019)
„Sabato nero“ a Milano e Prato, l’estrema destra manifesta per i 100 anni dei Fasci (Tiscali News, 23.03.2019)
Il centenario del fascismo al cimitero monumentale, proteste contro la commemorazione (La Repubblica, 23.03.2019)
Milano, antifascisti in piazza contro il «sabato nero» (Corriere della Sera, 23.03.2019)
Musica, balli e saluti romani: le immagini dal concerto di Milano per i 100 anni del fascismo (Milano Today, 24.03.2019)
Die faschistische Kryptha auf dem Mailänder Zentralfriedhof:
“L’OMAGGIO AL CIMITERO MONUMENTALE DI MILANO AGLI SQUADRISTI DEGLI ANNI VENTI”
Artikel zu Prato:
Forza Nuova a Prato, in 3mila a contro-manifestazione. Insulti a Gad Lerner (Notizie & Giornali, 23.03.2019)
La Repubblica: Prato, contro il presidio di Forza nuova in piazza migliaia di persone. Tensione e cori contro Gad Lerner (La Repubblica, 23.03.2019)
A.N.P.I. — Prato
Artikel zu Varese:
Manifesti shock nelle strade di Varese per il centenario del fascismo (La Repubblica, 24.03.2019)