Ein „schwarzer Samstag“ in Mailand

Anti­fa­schis­ti­scher Pro­test in Mai­land am 23. März 2019 — „Faschis­ten: Zom­bies ges­tern-Zom­bies heu­te-Zom­bies mor­gen“ (Foto: H. Koch)

Die lom­bar­di­sche Haupt­stadt Mai­land erleb­te am ver­gan­ge­nen Sams­tag einen „saba­to nero“ (dt.: schwar­zer Sams­tag). Im Lau­fe des Tages fan­den meh­re­re faschis­ti­sche Ver­an­stal­tun­gen anlässlich des 100ten Jah­res­tag der Grün­dung der faschis­ti­schen Kampf­bün­de, der „Fasci ita­li­ani di com­bat­ti­men­to“, statt. Die­se para­mi­li­tä­ri­schen Mili­zen wur­den am 23. März 1919 in einem Saal des „Cir­co­lo del­l’al­le­an­za indus­tri­alean der Piaz­za San Sepol­cro in Mai­land von Beni­to Mus­so­lini gegrün­det. Kei­nen Monat spä­ter star­te­ten die in Ita­li­en wegen ihrer schwar­zen Uni­for­mie­rung auch „camicie nere“ (dt.: Schwarz­hem­den) genann­ten Faschis­ten ihre ers­ten Angrif­fe auf die orga­ni­sier­te Arbei­ter­be­we­gung. Wäh­rend eine Grup­pe derFasci di Com­bat­ti­men­to“ am 15. April in Mai­land eine Gewerk­schaftsdemons­tra­ti­on angriff, wobei es Tote gab, atta­ckier­te eine ande­re Grup­pe der Faschis­ten den Sitz der sozia­lis­ti­schen Zei­tung „Avan­ti“ und setz­te ihn in Brand. Dies war der Auftakt des­sen, was Mus­so­li­ni am 23. März pro­kla­mierte: „[Heu­te] grün­den wir eine Gegen­par­tei, die Fasci di Com­bat­ti­men­to, sie wen­det sich gegen zwei Gefah­ren. Ers­tens gegen den Hass der Lin­ken und zwei­tens gegen deren Zer­stö­rungs­wut.“ Alles wei­ter ist jedem guten Geschichts­buch zu entnehmen.

Mai­land am 23. März 2019 — Ver­samm­lung von A.N.P.I., A.N.E.D. u.a. Antifaschist*innen auf dem Cimi­tero Monu­men­ta­le (Foto: H. Koch)

Anläss­lich des Grün­dungs­da­tum der „Fasci ita­lia­ni di com­bat­ti­men­to“ gab es ita­li­en­weit faschis­ti­sche Pla­kat-Aktio­nen, Lesun­gen, Kon­zer­te, Kund­ge­bun­gen und Demons­tra­tio­nen der ver­schie­de­nen rech­ten Frak­tio­nen. So orga­ni­sier­te z.B. Casa­Pound Ita­lia Dis­kus­si­ons­aben­de, die faschis­ti­sche „Edi­zio­ne Rit­ter“ Buch­prä­sen­ta­tio­nen, die „Com­mu­ni­ta mili­tan­te Col­le­ver­de“ eine Kranz­nie­der­le­gung in Nett­u­no, mar­schier­te Rober­to Fio­re mit der For­za Nuo­va unter dem Mot­to „Sal­va­re l‚Italia“ (dt.: Ret­tet Ita­li­en) durch das tos­ka­ni­sche Pra­to und die neo-nazis­ti­sche Grup­pe „Comu­ni­ta mili­tan­te die dodi­ci rag­gi“ (Do.Ra.) „schmück­te“ die Piaz­za Mon­te­grap­pa in Vare­se mit ihrer Welt­an­schau­ung. Die­se Lis­te lie­ße sich um eini­ge Events erweitern.

Sek­ti­on Dario Colom­bo der Mai­län­der A.N.P.I. am 23. März 2019 auf dem Cimin­te­rio Monu­men­ta­le (Foto: H. Koch)

Mai­land als Grün­dungs­ort der „Fasci ita­lia­ni di com­bat­ti­men­to“ war für die Apo­lo­ge­ten der Dik­ta­tur von beson­de­rem Inter­es­se. Hier mar­schier­ten am frü­hen Nach­mit­tag ca. 150 Nazi-Skin­heads der Ham­mer-Skin­heads von „Leal­tà Azio­ne“ und „Memen­to“, der „Vene­to Fron­te Skin­head“ und diver­se Ein­zel­per­so­nen, so z.B. Gabrie­le Adi­nol­fi, einer der Grün­der der ter­ro­ris­ti­schen „Ter­za Posi­zio­ne“, am Zen­tral­fried­hof auf.

Karikatur über den Innenminister Salvini von Vermi di Rouge: "Wer den Juden hilft, ist ein Feind des Volkes" - "Wer den illegalen Einwanderern hilft iste ein..." "Ja, ja, das haben wir schon einmal gehört"
Kari­ka­tur über den Innen­mi­nis­ter Sal­vi­ni von Ver­mi di Rouge: „Wer den Juden hilft, ist ein Feind des Vol­kes“ — „Wer den ille­ga­len Ein­wan­de­rern hilft ist ein…“ „Ja, ja, das haben wir schon ein­mal gehört“ (screen­shot)

Die Ver­ei­ni­gung der ehe­ma­li­gen Partisan*innen Ita­li­ens A.N.P.I., die Ver­ei­ni­gung der ehe­mals in deut­schen Kon­zen­tra­ti­ons­la­gern Inhaf­tier­ten A.N.E.D. und vie­le ande­re demo­kra­ti­schen und lin­ken Orga­ni­sa­tio­nen hat­ten gegen die­sen Auf­marsch pro­tes­tiert, konn­ten aber ein Ver­bot sei­tens des Innen­mi­nis­ters Matteo Sal­vi­ni von der Lega nicht errei­chen. Am Mor­gen des 23. März ver­sam­mel­ten sich rund 500 älte­re Antifaschist*innen auf dem Fried­hof vor dem Denk­mal für die unter der deut­schen Beset­zung Depor­tier­ten, um gegen die öffent­li­che Hul­di­gung der faschis­ti­schen Todes­schwa­dro­nen Mus­so­li­nis zu pro­tes­tie­ren. Der Ver­such einer Blo­cka­de des Auf­mar­sches der Faschist*innen wur­de sei­tens der Antifaschist*innen nicht unter­nom­men. So zogen sie unbe­hel­ligt zu der unter Mus­so­li­ni 1925 errich­te­ten Kryp­ta für 13 gefal­le­ne Squadristen.

Pla­kat zu dem Kon­zert „20 anni Zeta­Ze­ro­Al­fa“ (screen­shot)

Am Abend des 23. März fand das lan­ge ange­kün­dig­te Kon­zert von Casa­Pound Ita­lia in der Via Tof­fet­ti, in einer ehe­ma­li­gen Groß­dis­co in der Nähe des Flug­ha­fen Lina­te, statt. Angeb­lich soll­te das 20-jäh­ri­ge Bestehen der Band „Zeta­Ze­ro­Al­fa“ (ZZA) rund um den Front­mann der Band und Prä­si­den­ten der Casa­Pound, Gian­lu­ca Ianon­ne, gefei­ert wer­den. Dies war aber ein mehr als durch­sich­ti­ges Manö­ver. Die römi­sche Band ZZA exis­tiert schon seit 1997 und der Zeit­punkt des Beginns des Kon­zerts wur­de mit 19:19 ange­ge­ben. Laut Zei­tungs­be­rich­ten sol­len rund 2.000 in- und aus­län­di­schen Konzertbesucher*innen erschie­nen sein und den faschis­ti­schen Bands „Ulti­ma Fron­tie­ra“, „Fan­tas­mi del Pas­sa­to“, „SPQR“, „Zeta­Ze­ro­Al­fa“, „Bron­son“ und „DDT“ bis in den Mor­gen­stun­den gelauscht haben.

30. März 2019 — Trans­na­tio­na­les Tref­fen euro­päi­scher Natio­nal­re­vo­lu­tio­nä­re in Brüs­sel (screen­shot)
Casa­Pound Ita­lia pos­tet zum 23. März 2019 ein abge­wan­del­tes Mus­so­li­ni-Zitat : „In Mai­land wur­de die kühns­te, ori­gi­nells­te und medi­ter­ra­nes­te und euro­päi­sche Idee gebo­ren.“ (screen­shot)

Unter den Gäs­ten war auch eine Dele­ga­ti­on der Grup­pe „The Vor­tex Lon­di­ni­um“. Die­se faschis­ti­sche Depen­dance Casa­Pounds und trans­na­tio­na­ler Brü­cken­kopf für natio­nal-revo­lu­tio­nä­re Poli­tik in Lon­don plant für das kom­men­de Wochen­en­de ein Tref­fen ver­schie­de­ner euro­päi­scher Grup­pen in Brüs­sel. Die Ver­an­stal­tung am 30. März 2019 trägt den Titel „Euro­pe needs wind of chan­ge – how the upco­ming elec­tion might or might not chan­ge the future of the old con­ti­nent“ (dt: Euro­pa braucht einen Wind des Wan­dels — wie die kom­men­de Wahl die Zukunft des alten Kon­ti­nents ändern könn­te oder nicht). Hier soll Fran­ces­co Sus­in­no aus Palermo/London für „The Vor­tex Lon­di­ni­um“, Andrea Bonaz­za aus Bozen für „Casa­Pound Ita­lia“, Valen­tin Lin­der aus Stras­bourg für „Bas­ti­on Social“, Meli­sa Rodri­guez aus Madrid für „Hogar Social“ und Juli­an Ben­der aus dem sau­er­län­di­schen Olpe für den „Der III. Weg“ spre­chen. Wo das Tref­fen in Brüs­sel statt­fin­den soll ist noch unklar. Da bei der ers­ten Ankün­di­gung der Name Kon­stan­ti­nos Bovis­ken (ver­mut­lich ist Kon­stan­ti­nos Bovi­a­t­sos, der Assis­tent des EU-Par­la­men­ta­ri­ers Geor­gi­os Epit­i­de­i­os von der grie­chi­schen „Gol­de­nen Mor­gen­rö­te“ gemeint) fiel, besteht durch­aus die Mög­lich­keit, das die faschis­ti­schen Bewe­gungs­par­tei­en Räum­lich­kei­ten des euro­päi­schen Par­la­ments für die­sen anti-demo­kra­ti­schen Auf­tritt einplanen.

Arti­kel zu Mailand:

Mila­no, radu­no di estre­ma des­tra per cen­ten­ario del fascis­mo. Mani­fes­ta­zio­ne Anpi: “È anni­ver­sa­rio tra­gi­co” (Il Fat­to Quo­ti­dia­no, 23.03.2019)

Saba­to nero“ a Mila­no e Pra­to, l’estre­ma des­tra mani­fes­ta per i 100 anni dei Fasci (Tis­ca­li News, 23.03.2019)

Il cen­ten­ario del fascis­mo al cimi­tero monu­men­ta­le, pro­tes­te con­tro la com­me­mo­ra­zio­ne (La Repubbli­ca, 23.03.2019)

Mila­no, anti­fa­scis­ti in piaz­za con­tro il «saba­to nero» (Cor­rie­re del­la Sera, 23.03.2019)
Musi­ca, bal­li e salu­ti roma­ni: le imma­gi­ni dal con­cer­to di Mila­no per i 100 anni del fascis­mo (Mila­no Today, 24.03.2019)

Die faschis­ti­sche Kryp­tha auf dem Mai­län­der Zentralfriedhof:
“L’OMAGGIO AL CIMITERO MONUMENTALE DI MILANO AGLI SQUADRISTI DEGLI ANNI VENTI

Arti­kel zu Pra­to:
For­za Nuo­va a Pra­to, in 3mila a con­tro-mani­fes­ta­zio­ne. Insul­ti a Gad Ler­ner (Noti­zie & Giorn­a­li, 23.03.2019)

La Repubbli­ca: Pra­to, con­tro il pre­si­dio di For­za nuo­va in piaz­za migli­a­ia di per­so­ne. Ten­sio­ne e cori con­tro Gad Ler­ner (La Repubbli­ca, 23.03.2019)

A.N.P.I. — Prato

Arti­kel zu Varese:

Mani­fes­ti shock nel­le stra­de di Vare­se per il cen­ten­ario del fascis­mo (La Repubbli­ca, 24.03.2019)