Gratulation!
Einen überraschend eindeutigen Erfolg hat der Flüchtlingsrat Brandenburg mit einer Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht erzielt: den Kolleg_innen vom Flüchtlingsrat gebührt großer Dank nicht nur für ihre jahrelange exzellente Arbeit im Sinne und zur Unterstützung von Flüchtlingen, Migrant_innen und Illegalisierten und gegen Rassismus und behördliche Willkür, sondern auch dafür, dass sie diesen Strauß mit dem Rechtsamt ausgefochten, bis in die höchste Instanz getragen haben und dem höchsten deutschen Gericht einen Satz wie diesen entlockten: «Es ist zu berücksichtigen, dass das Recht, Maßnahmen der öffentlichen Gewalt ohne Furcht vor staatlichen Sanktionen auch scharf kritisieren zu können, zum Kernbereich der Meinungsfreiheit gehört und bei der Abwägung besonders zu berücksichtigen ist.»
Wir dokumentuieren hier die gemeinsame Presseerklärung des Flüchtlingsrates Brandenburg und des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV) vom 9. August 2013:
Der Flüchtlingsrat Brandenburg hatte anlässlich des Antirassismustages 2010 einen «Denkzettel für strukturellen und systeminternen Rassismus» an das Rechtsamt der Stadt Brandenburg an der Havel verliehen. Mit dem Denkzettel kritisierte der Flüchtlingsrat, dass eine Sachbearbeiterin der Behörde einem Flüchtling wider besseres Wissen eine Vortäuschung seiner fachärztlich bescheinigten Gehörlosigkeit unterstellte und so seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ablehnte.
Die Sachbearbeiterin des Rechtsamt Brandenburg zeigte daraufhin die Verantwortlichen des Flüchtlingsrats wegen übler Nachrede an. Im März 2012 verurteilte das Amtsgericht Potsdam zwei Mitarbeiter des Flüchtlingsrates wegen übler Nachrede zu einer Geldstrafe. Die gegen das Urteil eingelegte Berufung wurde vom Landgericht Potsdam wegen «offensichtlicher Unbegründetheit» nicht zur Entscheidung angenommen.
Das Bundesverfassungsgericht hob mit seinem heute veröffentlichten Beschluss diese Verurteilung auf. Es stellte fest, dass die gerichtlichen Entscheidungen die Mitarbeiter des Flüchtlingsrats in ihrem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung verletzen. Zur Begründung führte das Verfassungsgericht aus, dass die Gerichte den Schutzgehalt des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung zu Unrecht verkürzt hätten. Gerade das Recht, behördliche Maßnahmen ohne Furcht vor staatlichen Sanktionen auch scharf kritisieren zu können, gehöre zum Kernbereich der Meinungsfreiheit.
Für den Flüchtlingsrat, der sich u.a. als Lobbyorganisation für die Interessen von Flüchtlingen versteht und sich mit diesem Selbstverständnis gegen diskriminierende und menschenunwürdige Zustände und Praktiken gegenüber Flüchtlingen engagiert, sind die Verleihungen des Denkzettels eine wichtige Möglichkeit, öffentlich auf unhaltbare Zustände aufmerksam zu machen.
Vorstandsmitglied des Flüchtlingsrates Regina Götz: «Immer wieder sind insbesondere Flüchtlinge mit staatlichem Rassismus konfrontiert, wie auch das aktuelle Beispiel der Äußerungen von Richterin Petzoldt am Amtsgericht Eisenhüttenstadt zeigt. Dass uns das Bundesverfassungsgericht nun in unserer Arbeit stärkt und der Kriminalisierung unserer Tätigkeit entschieden entgegen tritt, ist für die gesellschaftspolitische Arbeit gegen strukturellen Rassismus von erheblicher Bedeutung.»
Für weitere Informationen: