Aus für CasaPound-Partei

Simo­ne di Ste­fa­no: „Rin inne Kart­üb­beln, rut ut de Kart­üb­beln“ (Screen­shot)

Gut einen Monat war es still um die faschis­ti­sche Bewe­gungs­par­tei Casa­Pound Ita­lia gewe­sen. Seit ihrem kata­stro­pha­len Wahl­er­geb­nis von 0,33 Pro­zent der abge­ge­be­nen Stim­men bei der Wahl zum EU-Par­la­ment Ende Mai 2019 gab es zwar eini­ge Ver­an­stal­tun­gen der Faschist*innen und auch das Casa­Pound Fes­ti­val „Tana del­le tigri 11“ fand am 22. Juni in Rom mit gro­ßer Betei­li­gung statt. Aber die übli­chen Medi­en­ka­nä­le der „fascis­ti del ter­zo mil­len­nio“ (dt.: Faschis­ten des 21. Jahr­hun­derts) erschie­nen merk­wür­dig ver­waist, ihre ansons­ten groß­spu­ri­gen Ankün­di­gun­gen unter­blie­ben und die Auf­trit­te ihrer Exponent*innen wirk­ten gera­de­zu zag­haft. Seit dem 27. Juni 2019 ist nun die Kat­ze aus dem Sack: Casa­Pound gibt ihre Par­tei­ar­beit auf.

Der Prä­si­dent von Casa­Pound Ita­lia, Gian­lu­ca Ianon­ne, ver­kün­de­te: „In segui­to all’esperienza del­le ulti­me ele­zio­ni euro­pee e al ter­mi­ne di una lun­ga rifles­sio­ne sul per­cor­so del movi­men­to dal­la sua fon­da­zio­ne a oggi, Casa­Pound Ita­lia ha deciso di met­te­re fine alla pro­pria espe­ri­en­za elet­to­ra­le e par­ti­ti­ca” (dt.: „Nach den Erfah­run­gen der letz­ten Euro­pa­wah­len und dem Ende einer lan­gen Refle­xi­on über den Weg der Bewe­gung von ihrer Grün­dung bis heu­te, hat Casa­Pound Ita­lia beschlos­sen, ihre Wahl- und Par­tei­er­fah­rung zu beenden.“

Die Partei ist tot, es lebe die Bewegung

Im glei­chen Atem­zug ver­kün­de­te Ianon­ne: “La decis­io­ne di oggi non segna affat­to un pas­so indie­tro, da par­te del movi­men­to, ma anzi è un momen­to di rilan­cio dell’attività cul­tu­ra­le, socia­le, artis­ti­ca, spor­ti­va di Cpi, nel sol­co di quella che è sta­ta da semp­re la nos­t­ra iden­ti­tà spe­ci­fi­ca e ori­gi­na­le.“ (dt.: „Die heu­ti­ge Ent­schei­dung signa­li­siert in kei­ner Wei­se einen Rück­schritt der Bewe­gung, son­dern einen Moment der Wie­der­be­le­bung der kul­tu­rel­len, sozia­len, künst­le­ri­schen und sport­li­chen Akti­vi­tä­ten der Casa­Pound Ita­lia, resul­tie­rend aus dem, was immer unse­re spe­zi­fi­sche und ori­gi­nel­le Iden­ti­tät war.“ Und er droh­te: „Sarà anche un’occasione per tornare a inves­ti­re tem­po ed ener­gie nella for­ma­zio­ne mili­tan­te, par­ti­co­lar­men­te essen­zia­le, dati i nuo­vi pru­ri­ti liber­ti­ci­di del­la sinis­tra” (dt.: „Auch wird es ange­sichts des neu­en frei­heits­ge­fähr­den­den Juck­rei­ze der Lin­ken eine [gute] Gele­gen­heit sein, wie­der Zeit und Ener­gie in eine mili­tan­te Ent­wick­lung zu investieren.“).

Früh­jahr 2013: Casa­Pound Pla­kat im römi­schen Stadt­teil EUR. Ers­ter Antritt als Wahl­par­tei. (Foto: Hei­ko Koch)

Der Par­tei­se­kre­tär der Casa­Pound Ita­lia, Simo­ne di Ste­fa­no, erklär­te zu der Ent­schei­dung der Par­tei­en­land­schaft den Rücken zu keh­ren: „Con­fon­de­re la poli­ti­ca con le ele­zio­ni è un gran­de errore. Ci saran­no anco­ra cor­tei di Casa­Pound, mani­fes­ti di Casa­Pound, pro­pos­te poli­ti­che di Casa­Pound, azio­ni di soli­da­rie­tà per gli ita­lia­ni, azio­ni media­ti­che di con­trasto al glo­ba­lis­mo, con­tro­in­for­ma­zio­ne, ini­zia­ti­ve cul­tu­ra­li, grup­pi spor­ti­vi, medi­ci­na socia­le, volon­ta­ria­to, pro­te­zio­ne civi­le, l’esaltazione del ricordo degli ita­lia­ni che si sono sacri­fi­ca­ti per donar­ci una nazio­ne, l’amore infi­ni­to per la nos­t­ra ITALIA.“ (dt.: „Poli­tik mit Wah­len zu ver­wech­seln, ist ein gro­ßer Feh­ler. Es wird wei­ter­hin Casa­Pound-Mär­sche, Casa­Pound-Pla­ka­te, poli­ti­sche Casa­Pound-Vor­schlä­ge, Soli­da­ri­täts­ak­tio­nen für Ita­lie­ner, Medi­en­ak­tio­nen zur Bekämp­fung des Glo­ba­lis­mus, Gegen­in­for­ma­ti­on, Kul­tur­in­itia­ti­ven, Sport­grup­pen, Sozi­al­me­di­zin, Frei­wil­li­gen­ar­beit, Kata­stro­phen­schutz und die Inten­si­vie­rung der Erin­ne­rung an die Ita­lie­ner geben, die sich geop­fert haben, um uns eine Nati­on zu schen­ken, die unend­li­che Lie­be für unser ITALIEN“). Di Ste­fa­no ließ ver­lau­ten: „Casa­Pound farà anco­ra più poli­ti­ca, e vuo­le tornare ad esse­re quell’avanguardia che ha dett­a­to i temi e le paro­le d’ordine del sov­ra­nis­mo ita­lia­no.“ (dt.: „Casa­Pound wird noch mehr Poli­tik betrei­ben und will wie­der die Avant­gar­de sein, die dem ita­lie­ni­schen Sou­ve­rä­nis­mus die The­men und Paro­len diktiert.“)

Kommentar:

Die­se unor­tho­do­xe Ent­schei­dung Casa­Pound Ita­li­as über­rascht auf den ers­ten Blick. Es ist aber eine in sich logi­sche und kon­se­quen­te Umset­zung des Wil­lens der „fascis­ti del ter­zo mil­len­nio“, auch in Zukunft eine Rol­le in der ita­lie­ni­schen Rech­ten wie in der ita­lie­ni­schen Gesell­schaft zu spie­len. Mit Sicher­heit haben sich im Anschluss an das lächer­lich schlech­te Wahl­er­geb­nis zur Euro­pa­wahl im Mai 2019 Ernüch­te­rung, Frus­tra­ti­on und Ermü­dung bei Casa­Pound ein­ge­stellt. Die­se Befind­lich­kei­ten wer­den aber nicht die aus­schlag­ge­ben­den Argu­men­te zur Ein­stel­lung ihrer Par­tei­ar­beit gewe­sen sein. Denn am glei­chen Tag erhielt Casa­Pound bei den Kom­mu­nal­wah­len in unter­schied­li­chen Regio­nen Ita­li­ens 63 neue Man­da­te und konn­te so die Anzahl ihrer Gemeinderät*innen auf fast 100 Per­so­nen erhö­hen. Und auch die gene­rel­le Bilanz Casa­Pounds aus den letz­ten Jah­ren ist beacht­lich. Star­te­te Casa­Pound Ita­lia bei den römi­schen Wah­len 2013 noch mit 0,14 Pro­zent der abge­ge­be­nen Stim­men, so erhielt sie im März 2018 lan­des­weit 0,95 Pro­zent der abge­ge­be­nen Stim­men (312.398 Wähler*innen). Die Stim­men­an­zahl für den Bloc­co Stu­den­tes­co an den Schu­len hat sich zwi­schen 2015 und 2017 auf 56.000 ver­dop­pelt. Seit 2013 hat sich die Zahl der Par­tei­stütz­punk­te auf über 140 ver­drei­facht und die von ihr ange­ge­be­ne Mit­glie­der­zahl auf angeb­lich 20.000 Per­so­nen ver­vier­facht. Casa­Pound ver­fügt mit der „Il pri­ma­to nazio­na­le“ seit zwei Jah­ren über eine Monats­zei­tung und mit der „Altaf­or­te Edi­zio­ni“ seit dem letz­ten Jahr auch noch über einen eige­nen Ver­lag. Ihre 2015 gestar­te­te Mode­mar­ke „Pivert“ ver­fügt mitt­ler­wei­le über 14 Läden in ganz Ita­li­en und es gibt kein euro­päi­sches Land, wo der Kampf­sport und hier vor allem der Mixed Mar­ti­al Arts (MMA) so mit faschis­ti­schen Orga­ni­sa­tio­nen durch­drun­gen ist wie Ita­li­en. Bei einer der­ar­ti­gen Erfolgs­bi­lanz hät­te Casa­Pound Ita­lia ihr schlech­tes Wahl­er­geb­nis bei den EU-Wah­len als tem­po­rä­ren Rück­schlag durch­aus ver­kraf­ten kön­nen. Denn was Durch­hal­te­ver­mö­gen und Biss angeht, so hat es den Faschist*innen an die­sen Eigen­schaf­ten bis­her nicht gemangelt.

Der besetz­te Haupt­sitz der Faschis­ten. Das „Casa Pound“ in der Via Napo­leo­ne III Nr.8 (Foto: Hei­ko Koch)

Es ist davon aus­zu­ge­hen – und davon zeu­gen die Ver­laut­ba­run­gen der Casa­Pound – dass die Moti­ve des Aus­sche­rens aus der Par­tei­po­li­tik bei den Wur­zeln der Casa­Pound als Bewe­gung lie­gen. Eine Bewe­gung, die eine faschis­ti­sche Gesell­schafts­än­de­rung über das Errei­chen einer kul­tu­rel­len, wie sozia­len Hege­mo­nie anstrebt(e), musss nicht zwangs­läu­fig den Weg über die Par­la­men­te neh­men. Hier wer­den sich die ver­schie­de­nen Frak­tio­nen inner­halb der Casa­Pound als Bewe­gungs­par­tei Aus­ein­an­der­set­zun­gen gelie­fert haben. Wie­viel Nut­zen und wie­viel Scha­den bedeu­tet das Enga­ge­ment in und für Par­la­men­te für ihre faschis­ti­schen Zie­le. Einen ähn­li­chen Dis­kurs wird es mit Sicher­heit schon 2012 gege­ben haben, als sich Casa­Pound zur Grün­dung einer Par­tei ent­schloss. Dies­mal lau­tet die Ent­schei­dung: Zurück auf die Straße!

Einer der Grün­de für die Auf­ga­be der Par­tei­ar­beit dürf­te dabei im der­zei­ti­gen Pro­porz der ita­lie­ni­schen Rechts­par­tei­en lie­gen. Vor gut 5 Jah­ren war es Casa­Pound Ita­lia, die als frisch gegrün­de­te Par­tei der Lega Nord als Netz­werk, Ver­mitt­ler und Brü­cken­kopf zur Aus­brei­tung in den bis dato von den Legis­ten so ver­ach­te­ten Süden Ita­li­ens dien­te. Es ent­stand eine Win-Win-Situa­ti­on für Casa­Pound und Lega. Aber ihr Par­tei­en­bünd­nis „Sov­ra­ni­tà – pri­ma gli ita­lia­ni“ im Jahr 2014/2015 währ­te nicht lan­ge. Mit ihrem neu­en, gesamt­ita­lie­ni­schen Pro­gramm und dem Kurs à la Front National/Rassemblement Natio­nal ver­stand es die Lega unter ihrem neu­en Par­tei­se­kre­tär Matteo Sal­vi­ni den Ras­sis­mus und Chau­vi­nis­mus unter­schied­li­cher Schich­ten und Milieus zu mobi­li­sie­ren und erfolg­reich auf sich zu ver­ei­nen. Im März 2018 ver­vier­fach­te sie ihr lan­des­wei­tes Wahl­er­geb­nis von 2013 auf über 17 Pro­zent der abge­ge­be­nen Stim­men und ihr Ergeb­nis von 34,3 Pro­zent bei den Euro­pa­wah­len im Mai die­sen Jah­res war sogar eine Ver­fünf­fa­chung ihres Wahl­er­geb­nis aus dem Jahr 2014. In der glei­chen Zeit schaff­te es die Ende 2012 aus einer Abspal­tung der rech­ten Samm­lungs­par­tei „Popo­lo del­la Liber­tà“ (PdL) her­vor­ge­gan­ge­ne faschis­ti­sche „Fratel­li d’Italia“ unter Gior­gia Melo­ni im März 2018 mit 4,37 Pro­zent in die ita­lie­ni­sche Abge­ord­ne­ten­kam­mer und im Mai 2019 mit 6,5 Pro­zent in das Euro­pa­par­la­ment ein­zu­zie­hen. Und auch die For­za Ita­lia, deren Prä­si­dent und Ex-Mit­glied der extrem rech­ten Geheim­lo­ge „Pro­pa­gan­da Due“, Sil­vio Ber­lus­co­ni, die der­zei­ti­gen poli­ti­schen Ent­wick­lun­gen über die Ent­ta­bui­sie­rung des Faschis­mus in den letz­ten 25 Jah­ren ein­ge­lei­tet hat, erziel­te trotz mas­si­ver Ver­lus­te noch 13,98 Pro­zent bei der EU-Wahl. Im Jahr 2013 waren es noch 21,56 Pro­zent für die For­za Ita­lia gewesen.
Die ita­lie­ni­sche Rech­te bestimmt der­zeit das Kli­ma, die Rich­tung und das Tem­po der ita­lie­ni­schen Poli­tik. Die libe­ra­lis­tisch-popu­lis­ti­sche Movi­men­to 5 Stel­le ist inner­halb der Regie­rungs­ko­ali­ti­on geschwächt und die sozi­al­de­mo­kra­ti­sche Par­ti­to Demo­cra­ti­co, die im März 2018 in den ita­li­en­wei­ten Wah­len 18,74 Pro­zent und im Mai 2019 bei den EU-Wah­len 22,69 Pro­zent erhielt, ist mit ihrem Nie­der­gang mehr beschäf­tigt als mit kon­struk­ti­ven Gesell­schafts­ent­wür­fen und deren poli­ti­scher Umsetzung.

Inner­halb der par­la­men­ta­ri­schen Rech­ten stellt Casa­Pound Ita­lia den unbe­deu­tends­ten Teil dar. Mit Aus­nah­me von Bozen, spiel­te sie in den über 30 Kom­mu­nal­par­la­men­ten in denen Vertreter*innen von ihr saßen, kei­ne Rol­le. Sie war weder in der Posi­ti­on erfolg­reich For­de­run­gen zu stel­len, noch mit­zu­be­stim­men. Mit einer Zukunft als Wahl­par­tei wür­de Casa­Pound Ita­lia am Kat­zen­tisch der Rech­ten sit­zen, in Kom­mu­nal­par­la­men­ten admi­nis­tra­ti­ver Arbeit nach­ge­hen, um mini­ma­le Macht und ein wenig Ein­fluss, Geld und Pöst­chen rin­gen. Dabei wäre sie stets bemüht, sich noch faschis­ti­scher zu geben als ihre gro­ßen Brü­der, die Lega und Fratel­li d‚Italia. Casa­Pound Ita­lia wür­de Kraft, Ener­gie und Res­sour­cen in die par­la­men­ta­ri­sche Arbeit ein­brin­gen, in abseh­ba­ren farb- und erfolg­lo­sen Debat­ten an Cha­ris­ma ver­lie­ren und even­tu­ell fau­len Kom­pro­mis­sen zustim­men. Bes­ten­falls wäre sie ein Wurm­fort­satz grö­ße­rer rech­ter Akteu­re. Bei gleich­zei­ti­ger Bedeu­tungs­lo­sig­keit wür­de das Image der Casa­Pound bei ihren Mit­glie­dern und Sympathisant*innen stark beschä­digt, die Basis sähe sich ver­ra­ten, der Bewe­gungs­an­teil wür­de abwan­dern und die Par­tei nach­hal­tig geschwächt. Alles in allem wür­de aus der Bewe­gungs­par­tei Casa­Pound Ita­lia eine eben­so erfolg­lo­se wie her­kömm­li­che Par­tei. Eine Par­tei, die Macht­zu­wachs an der Zahl von Par­tei­sit­zen abliest und vor­wie­gend ent­lang ego­is­ti­scher Inter­es­sen entschiede.
Zudem stün­de Casa­Pound Ita­lia bei einem wei­te­ren par­la­men­ta­ri­schen Weg even­tu­ell auch als kom­pro­mit­tier­te, staats­tra­gen­de Kraft da, der in kom­men­den kapi­ta­lis­ti­schen Kri­sen­pha­sen ihr natio­nal-revo­lu­tio­nä­rer Duk­tus und ihre angeb­li­che Fun­da­men­tal­op­po­si­ti­on nicht geglaubt würde.

Dar­über hin­aus wäre Casa­Pound Ita­lia für poli­ti­sche Atta­cken der Demokrat*innen und Lin­ken ein leich­tes Ziel. Ihre ille­ga­len Beset­zun­gen dis­kre­di­tie­ren sie als Par­tei und machen sie angreif­bar. Ein Ver­such, gera­de in die­se Ker­be zu schla­gen, wird zur Zeit sei­tens einer Initia­ti­ve zur Räu­mung des besetz­ten Haupt­sit­zes in der Via Napo­leo­ne III unter­nom­men. Über 50.000 Stim­men hat die Initia­ti­ve „Insie­me in Rete“ schon auf Chan​ge​.org gesam­melt, damit die faschis­ti­sche Beset­zung in der Via Napo­leo­ne III in Rom been­det wird.
Ein adäqua­ter Wider­stand gegen sol­che anti­fa­schis­ti­schen Initia­ti­ven sind aus der Posi­ti­on einer Wahl­par­tei schwie­rig zu gestal­ten. Betref­fend ihres Haupt­quar­tiers in Rom ist Casa­Pound ohne­hin auf die Gna­de des Innen­mi­nis­ters Matteo Sal­vi­ni ange­wie­sen und somit durch die Lega erpress­bar. Denn ange­sichts des Räu­mungs­be­schlus­ses der Kom­mu­ne von Rom ist es allein der Innen­mi­nis­ter, der sei­ne schüt­zen­de Hand über die besetz­te Immo­bi­lie in der Via Napo­leo­ne III hält und eine Räu­mung bis­her ver­hin­dert hat.
So gese­hen, ist der wei­te­re Ver­bleib auf der Par­tei­ene­be­ne eine ohne­hin schlech­te Opti­on. Die abseh­ba­ren mini­ma­len Zugän­ge zur Macht und Pfrün­den wie­gen die nega­ti­ve Gesamt­per­spek­ti­ve nicht auf.

Bedeu­tung und Ein­fluss kann Casa­Pound Ita­lia nur noch auf dem Feld außer­par­la­men­ta­ri­scher Akti­vi­tä­ten, als Bewe­gung, erhal­ten und aus­bau­en. Hier ver­fügt sie über Erfah­run­gen, Zugän­ge, Res­sour­cen und Per­so­nal. Hier kann sie sich als glaub­haf­te Fun­da­men­tal­op­po­si­ti­on posi­tio­nie­ren, sich als Stich­wort­ge­be­rin und Motor extrem rech­ter Posi­tio­nie­run­gen eta­blie­ren, den ande­ren Rech­ten in den Par­la­men­ten Zuge­ständ­nis­se abrin­gen und für die Anhän­ger­schaft eine kohä­ren­te und inte­gre Alter­na­ti­ve sein. Jen­seits par­la­men­ta­ri­scher Limi­tie­rung und Ein­engung sind für Casa­Pound Ita­lia weit mehr grenz­über­schrei­ten­de, ille­ga­le und gewalt­tä­ti­ge Akti­ons­for­men mög­lich, die bei der kaum zu erwar­ten­den Repres­si­on sei­tens der rech­ten Regie­rung auch bes­ser umsetz­bar sind. Dass „for­ma­zio­ne mili­tan­te“ (dt.: mili­tan­te For­mie­rung) gegen stö­ren­de Demokrat*innen und Lin­ke zu erwar­ten ist, hat Gian­lu­ca Ian­no­ne ja auch schon ange­droht. Statt Zeit und Ener­gie in den Auf- und Aus­bau, sowie den All­tag einer Par­tei zu inves­tie­ren, wür­den die eige­nen Basis­or­ga­ni­sa­tio­nen aus­ge­baut und reak­ti­viert. Und so könn­te sich Casa­Pound bei der nächs­ten anste­hen­den Wirt­schafts­kri­se als unbe­las­te­te „anti-kapi­ta­lis­ti­sche“, alter­na­ti­ve Rech­te anbie­ten, aus­ge­stat­tet mit einem gut funk­tio­nie­ren­den Sys­tem sozia­ler und kari­ta­ti­ver Orga­ni­sa­tio­nen. So betrach­tet ist die Rück­kehr zur Stra­ßen­po­li­tik fast schon zwin­gend und über­le­bens­wich­tig für das Modell Casa­Pound Italia.

Das vie­le Mit­glie­der mit die­ser Ent­schei­dung nicht ein­ver­stan­den waren, zeigt sich an der Ver­laut­ba­rung Andrea Bonaz­z­as, dem regio­na­len Koor­di­na­tor Casa­Pound Ita­li­as in Süd­ti­rol. In Bozen sit­zen gleich drei Casa­Pound-Abge­ord­ne­te im Stadt­par­la­ment. Mit 6,7 Pro­zent der abge­ge­be­nen Stim­men zogen Andrea Bonaz­za, Mau­ri­zio Pug­li­si Ghiz­zi und San­dro Tri­go­lo 2016 in die kom­mu­na­le Insti­tu­ti­on ein. Laut der Zei­tung „Alto Adi­ge“ ver­fügt Casa­Pound hier über 250 ein­ge­schrie­be­ne Mit­glie­der und 90 Akti­ve, mit zwei loka­len Par­tei­bü­ros. Im kom­men­den Jahr woll­te Casa­Pound Ita­lia erneut bei den Wah­len antre­ten. Eine Opti­on, auf die sich vie­le ört­li­che Anhänger*innen der Casa­Pound Ita­lia schon ein­ge­rich­tet hat­ten. So äußer­te Andrea Bonaz­za: „Mi dis­pia­ce mol­to se qual­che nos­tro sim­pa­tiz­zan­te non com­pren­derà la nos­t­ra scel­ta – con­clude il coor­di­na­to­re di Casa­Pound – ma per noi che in ques­ta comu­ni­tà mili­tan­te spu­ti­amo quo­ti­dia­na­men­te san­gue e sudo­re per una bat­ta­glia mag­gio­re, di desti­no e tesa alla Vitto­ria, è la decis­io­ne più gius­ta che si pote­va pren­de­re. E adesso, anco­ra più di pri­ma… Avan­ti tut­ti!“ (dt.: „Es tut mir sehr leid, wenn eini­ge unse­rer Sym­pa­thi­san­ten unse­re Ent­schei­dung nicht nach­voll­zie­hen kön­nen … aber für uns, die wir in die­ser mili­tan­ten Gemein­schaft täg­lich Blut und Schweiß für einen höhe­ren Kampf, für den Sieg ver­gie­ßen, ist dies die richtigste/beste Ent­schei­dung, die gefällt wer­den konn­te. Und jetzt erst recht… mit vol­ler Kraft voraus!“).

 

Man wird sehen, was aus den gut 100 kom­mu­na­len Casa­Pound-Man­da­ten wird und wie vie­le Ver­eins­lo­ka­le Casa­Pound wird hal­ten kön­nen. Eben­so, wie Casa­Pound die anste­hen­de Trans­for­ma­ti­on hin­be­kommt. Fest­zu­hal­ten bleibt: Casa­Pound hat erneut sei­ne Kom­pe­tenz zum poli­ti­schen und stra­te­gi­schen Han­deln unter Beweis gestellt hat und eine aus ihrer Sicht kon­se­quen­te Ent­schei­dung getrof­fen, die dar­auf hin­weist, dass sie als poli­ti­sche Kraft nicht zu unter­schät­zen ist.

Arti­kel: La Repubbli­ca — Casa­pound, Ian­no­ne: „Fini­ta espe­ri­en­za di par­ti­to, tor­nia­mo movi­men­to“ (27.06.2019)

Buch­ver­weis: Aram Matteo­li: Viva Mus­so­li­ni — Die Auf­wer­tung des Faschis­mus im Ita­li­en Berlusconis

 

 

 

 

Eine Über­set­zung in ita­lie­ni­scher Spra­che unter dem Titel „Casa­Pound, la mor­te del par­ti­to“ erschien auf:

Bren­ner Basisdemokratie

Osser­va­to­rio Repressione

Mila­no in Movimento

Einen herz­li­chen Dank an den süd­ti­ro­ler Übersetzer.