
Wie umgehen mit den Vertretern und Vertreterinnen der AfD und ihrer Vorfeldorganisationen? Diese Frage stellt sich auch im Alltagsgeschäft von Politik und politischer Verwaltung, in Gremien der Kommunalen Selbstverwaltung, den partei-nahen Stiftungen genauso wie in parlamentarischen Ausschüssen aller Ebenen, wo die eigentliche Arbeit des demokratischen Verfahrens stattfindet, und nicht zuletzt dort, wo der Parteienproporz die Zusammensetzung von Arbeitszusammenhängen bestimmt, wie in vielen öffentlich-rechtlichen Strukturen, etwa dem Rundfunk.
Ich möchte hier einen alltagstauglichen Vorschlag machen, der einerseits eine klare Grenze zu den Vertreterinnen und Vertretern der AfD und den Ihren zieht und andererseits eigene Handlungsfähigkeit antifaschistischer und demokratischer Akteure aufrecht erhält bzw. erweitern helfen kann.
Ein ganz klassisches „ceterum censeo“ könnte Teil unserer Umgangsformen werden. Als Abschluss jeder schriftlichen und mündlichen Äußerung in diesen Gremien so etwas wie: „Und nun mein ceterum censeo: Im übrigen meine ich, Faschisten und solche, die sich mit Faschisten gegen die Demokratie organisieren, gehören nicht in dieses Gremium.“
Der Vorteil dieses Umgangselements besteht nicht nur in seiner moralischen Wirkung nach Innen und Außen oder darin, dass eine solche Äußerung unter dem Schutz der Meinungsfreiheit steht. Mir geht es in erster Linie um die institutionelle Wirkung der immer wieder wiederholten Formel: Sie hält den Konflikt auf dem Tisch, aber die Gremien bleiben arbeitsfähig, ohne den AfD-nahen (auf die Dauer) Gelegenheit zur Normalisierung dort zu bieten.
Die Verfahrensformen und Institutionen der demokratischen Selbstverwaltung, in denen die AfD-nahen jetzt mit dabei sind, sind ja durch deren Anwesenheit nicht schlechter als vorher. Im Gegenteil: Wichtiges Element der faschistischen Strategie ist die Untergrabung und Zersetzung demokratischer Verfahren und Institutionen. Eine Verweigerung der Zusammenarbeit in solchen Gremien wäre also nicht nur kontraproduktiv, sondern sogar genau im Sinne ihrer Zersetzung (statt ihrer permanenten Demokratisierung). Das stürzt uns in das Dilemma, damit ja aber auch nicht stillschweigend zum Tagesgeschäft übergehen zu wollen.
Gerade wenn da plötzlich Faschisten bzw. deren Kameraden und Kameradinnen mit in solchen Institutionen sitzen, müssen „wir“ dazu beitragen, dass die Verfahren und Institutionen weiter funktionieren. Dieses Wir ist ein ganz großes Wir: Es umfasst alle außer den Faschisten — von Vertreter*innen öko-sozialistischen zivilen Ungehorsams über die klassische Bürgerrechtlerin bis hin zum konservativen Verfassungspatrioten. „Demokratie durch Verfahren“ nennt die politische Theorie den gemeinsamen Boden, auf dem dieses Wir steht.
Damit der Normalisierung der Faschistenpräsenz im Tagesgeschäft nicht Vorschub geleistet wird, eignet sich das ceterum censeo. Es bestärkt uns selbst und vielleicht auch den einen oder die andere um uns herum, die neue Normalität nicht als solche hinzunehmen. Es zieht immer wieder, mit jedem Mal, wenn wir es hören, schreiben, lesen oder aussprechen, die Grenze zwischen dem Verfahren, der Institution, die wir gutheißen und denen, die zwar vielleicht formal Teil dieser Institution und am Verfahren beteiligt sind, aber letztlich auf deren Zerstörung hinarbeiten. Vielleicht leistet es sogar noch mehr: Es lässt die Vertreter der AfD und die ihnen Nahen nicht in ihrem Schafspelz zur Ruhe kommen. Immer wieder entblößt das ceterum censeo deren Wolfsfratze. Immer wieder müssen sie von vorne anfangen mit ihren Bemühungen, sich als zivil und dazugehörig darzustellen, um ihr Zersetzungsprojekt fortführen zu können.
Man mag zum älteren Cato, dem Urheber des ceterum censeo, und zu dem von ihm repräsentierten Römischen Reich stehen wie man will. Die einen werden den imperialen Charakter des sklav*innenarbeitsbasierten Unternehmens ablehnend hervorheben. Die anderen den zivilisatorischen, gesellschaftsstiftenden Impuls, der in Rechts- und Verfassungsordnungen bis heute fortwirkt, begrüßen. Ich denke, beides ist anzuerkennen. Und ich denke, das ceterum censeo steht mittlerweile jenseits davon für so etwas wie eine kühle Beharrlichkeit in entschlossener Gegnerschaft oder sogar Feindschaft. Und das bewirkt die Formel auch im Alltag: Sie erinnert daran, worum es eigentlich geht — auch wenn vermeintlich nur Finanzverteilungsfragen geklärt, Termine gemacht, Vertreter_innen gewählt und Tagesordnungen beschlossen werden müssen.