Verwaltungsgericht Dresden erkennt in Racial Profiling keine Grundrechtsverletzung
Für das Verwaltungsgericht Dresden stellt eine öffentliche Stigmatisierung durch die Polizei keine »tiefgreifende spezifische Grundrechtsverletzung« für die betroffenen Menschen dar. Racial Profiling wurde nicht als rassistische Struktur in der Polizeiarbeit erkannt.
Der Begriff Racial Profiling beschreibt die Methode, mit der die Polizei aufgrund von Hautfarbe oder Gesichtszügen Personen kontrolliert oder überwacht. Ein Beispiel ist die Ausweiskontrolle an Bahnhöfen und in Verkehrsmitteln, wenn reisende Weiße entspannt an den Beamt_innen vorbeilaufen können, während Schwarze Menschen nach ihrem Ausweis gefragt werden.
Ein ähnlicher Fall von Racial Profiling wurde in Dresden vor Gericht verhandelt. Biplab Basu verklagte die Polizei Pirna, weil er und seine Tochter im Zug zwischen Prag und Dresden als einzige Reisende nach ihren Ausweisen gefragt wurden. Für Basu ist der Grund für die Kontrolle die dunkle Hautfarbe von ihm und seiner Tochter. Deswegen wirft er der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Bundespolizeidirektion Pirna, rassistische Diskriminierung vor. Seine Klage wurde abgewiesen.
Das Gericht entschied mit dem Urteil zum einen über den individuellen Fall von Rassismus gegenüber Basu und seiner Tochter, aber zum anderen auch über eine strukturelle, im Polizeigesetz verschriftlichte Form des Rassismus. Bezüglich beider Dimensionen wurde das Urteil von Kläger und Prozessbeobachter_innen kritisiert.
Die konkrete Polizeikontrolle von Basu und seiner Tochter bewertet das Verwaltungsgericht in Dresden wie erwähnt nicht als eine „tiefgreifende spezifische Grundrechtsverletzung“, so die Begründung. Es würden in diesem Fall weder Wiederholungsgefahr noch Anspruch auf Rehabilitierung bestehen. Aus Sicht des Gerichts handle es sich nur um eine „geringe Beeinträchtigung des Rechts auf informelle Selbstbestimmung“.
Basus Anwältin Maren Burkhardt bewertet anders als die Richterin die Ausweiskontrolle als einen schwerwiegenden Eingriff in die informelle Selbstbestimmung ihres Mandanten. Denn Basu und seine Tochter wurden durch eine solche Kontrolle öffentlich diskriminiert, weil die Polizei nur diese beiden für die Ausweiskontrolle ausgewählt hatte. Durch dieses Racial Profiling verstößt die Polizei gegen das Diskriminierungsverbot aus Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes, in dessen Wortlaut noch die Rede von menschlichen Rassen ist – bezeichnend für den tief sitzenden Rassismus in Deutschland: »Niemand darf […] wegen seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft […] benachteiligt oder bevorzugt werden« (Art. 3 Abs. 3 GG). Auf der Ebene des individuellen Falls leugnet das Urteil des Gerichts, dass Racial Profiling gegen das Diskriminierungsverbot verstößt.
Abgesehen davon ging es dem Kläger Basu um die gesetzliche und strukturelle Ebene des Racial Profiling in der Rechtsgrundlage der Polizeiarbeit. Basu sagt, er wollte mit diesem Schritt nicht die einzelnen Polizeibeamten als Rassisten diffamieren, sondern die gerichtliche Bestätigung, dass die Funktionslogik der Ausweiskontrollen rassistisch ist und damit ein Urteil über die Rechtswidrigkeit dieser diskriminierenden Polizeipraxis. Die Vorsitzende Richterin verwehrte ihm das, obwohl sie gleichzeitig erhebliche Zweifel äußerte, ob die gesetzliche Basis für die Kontrollen mit dem Europarecht konform sei.
Die Polizei sieht ihr Verhalten im § 23 Absatz 1 Nummer 3 des Bundespolizeigesetzes (BpolG) legitimiert. Darin ist einer der Gründe für eine Identitätsfeststellung geregelt: Die Bundespolizei kann demnach die Identität einer Person im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von 30 Kilometern feststellen „zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet“ (§ 23 Abs. 1 Nr. 3 BpolG). Die Richterin verwies für ihre Zweifel an dieser Rechtsgrundlage auf Urteile des Europäischen Gerichtshofs. Im Juni 2010 entschied dieser beispielsweise, dass die nationale französische Rechtsgrundlage für Kontrollen im Binnenland durch die Polizei nicht europarechtskonform sei. Der EuGH bekräftigte damit das Verbot des Schengener Abkommens, verdachtslose Personenkontrollen durch die Polizei zum Zweck der Migrationskontrolle einzusetzen. Genau das sieht der erwähnte Absatz im deutschen BpolG aber vor – was sogar mit einer Kompensation der entfallenden Grenzkontrollen im Zuge des Schengen Abkommens begründet wird. Laut EuGH ist diese deutsche Rechtsgrundlage für die Polizeipraxis europarechtswidrig.
Aber diese Einschätzung des EuGH, die die Richterin des Verwaltungsgerichts Dresden zu teilen schien, war keine Entscheidungsgrundlage des Urteils im Falle Basus. Somit entschied das Verwaltungsgericht Dresden auf dieser strukturellen Ebene des Rassismus gegen ein Urteil, was Racial Profiling als eine rechtswidrige Polizeipraxis anerkennen würde. Basu ist wütend, weil das Gericht im Bezug zu Racial Profiling seiner Ansicht nach nicht berücksichtigte, dass »Schwarze Menschen und ‘People of Colour‘ in Deutschland damit strukturell diskriminiert werden«. Eine Aktivistin der Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP) bekräftigt, dass der Generalverdacht gegenüber Menschen mit dunkler Hautfarbe eine Diskriminierung sowie eine erhebliche Grundrechtsverletzung darstellt. Daher muss Racial Profiling gerichtlich verboten werden. Biplab Basu will gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden gerichtlich vorgehen.