Lukrative Abschiebegeschäfte

Botschaft Nigerias scheitert mit Anzeige gegen Voice-Aktivisten Rex Osa

Einem Akti­vis­ten der Geflüch­te­ten­selbst­or­ga­ni­sa­ti­on „The VOICE Refu­gee Forum“ wur­de Ende März vor dem Amts­ge­richt Tier­gar­ten der Pro­zess gemacht.  Die Staats­an­walt­schaft warf dem Stutt­gar­ter Rex Osa vor, im Okto­ber 2012 mit etwa 14 Aktivist_innen vor und in der nige­ria­ni­schen Bot­schaft gegen  die Flücht­lings­po­li­tik des deut­schen Staa­tes und die Zusam­men­ar­beit deut­scher Abschie­be­be­hör­den mit nige­ria­ni­schen Diplomat_innen demons­triert zu haben. Der Vor­wurf lau­te­te auf Hausfriedensbruch.

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Begeis­ter­te Unter­stüt­zer von Rex Osa, der vor dem Amts­ge­richt Tier­gar­ten nicht wegen sei­nes Pro­tes­tes gegen Zwangs­vor­füh­run­gen in der Nige­ria­ni­schen Bot­schaft belangt wer­den konn­te. Foto: Helfrich

Der in Fra­ge ste­hen­de Pro­test rich­te­te sich ins­be­son­de­re gegen Abschie­be­an­hö­run­gen durch Vertreter_innen des nige­ria­ni­schen Staa­tes. Die Abschie­be­an­hö­run­gen sol­len dazu die­nen, das Her­kunfts­land von papier­lo­sen Flücht­lin­gen zu bestim­men. So  „iden­ti­fi­zie­re“  die nige­ria­ni­sche Bot­schaft regel­mä­ßig Flücht­lin­ge ohne Papie­re – egal wel­cher afri­ka­ni­schen Staats­an­ge­hö­rig­keit – als Nigerianer_innen und stel­le die­sen ein „Emer­gen­cy Tra­vel Cer­ti­fi­ca­te“ aus, was Deutsch­land eine schnel­le Abschie­bung der Men­schen ermög­li­che, so die Pro­tes­tie­ren­den. Sie soll für jede Anhö­rung 250 Euro vom deut­schen Staat erhal­ten und  wei­te­re 250 Euro,  wenn dem Flücht­ling nige­ria­ni­sche Papie­re aus­stellt wer­den und so eine Abschie­bung ermög­licht wird. Laut einer  Klei­nen Anfra­ge der Lin­ken Bun­des­tags­frak­ti­on jedoch, erhält die nige­ria­ni­sche Bot­schaft ledig­lich eine Gebühr von 50 Euro für der­ar­ti­ge Anhö­run­gen. Bot­schaf­ten ande­rer Staa­ten aller­dings erhal­ten durch­aus Gebüh­ren in der behaup­te­ten Höhe.

Ein Blick auf die in der Ant­wort der Bun­des­re­gie­rung ent­hal­te­ne Sta­tis­tik scheint den Ver­dacht zu bestä­ti­gen, dass die nige­ria­ni­sche Bot­schaft gezielt Staats­an­ge­hö­ri­ge ande­rer afri­ka­ni­scher Staa­ten wahr­heits­wid­rig als ihre Staatsbürger_innen „iden­ti­fi­ziert“. Die nige­ria­ni­sche Bot­schaft hat­te 608 Per­so­nen zur Anhö­rung  gela­den, 393 sind  tat­säch­lich ange­hört und  155 Men­schen als mut­maß­li­che Nigerianer_innen „iden­ti­fi­ziert“ wor­den. Zum Ver­gleich: Gha­na steht mit 147 Anhö­run­gen auf dem zwei­ten Platz: ledig­lich 13 Per­so­nen sind dabei als Ghanaer_innen „iden­ti­fi­ziert“ worden.

Vor Gericht schil­der­te Rex Osa den Ablauf der Kund­ge­bung fol­gen­der­ma­ßen:  Ein Sicher­heits­mit­ar­bei­ter der Bot­schaft habe den Aktivist_innen nach deren Klin­geln zunächst den Ein­lass gewährt. Als die Pro­tes­tie­ren­den dann den Grund ihres Besu­ches signa­li­siert und gefor­dert hät­ten, mit den Ver­ant­wort­li­chen über die Zusam­men­ar­beit mit deut­schen (Abschiebe-)Behörden zu reden, habe der Sicher­heits­mit­ar­bei­ter sie sofort des Gebäu­des ver­wie­sen. Die Demons­trie­ren­den hät­ten jedoch dar­auf  beharrt, mit den Zustän­di­gen reden zu dür­fen. Dar­auf­hin habe  der Secu­ri­ty-Mit­ar­bei­ter mit sei­nem Schlag­stock zuge­schla­gen und, laut Osa, ent­geg­net: „Ihr wisst doch gar nicht, was ihr hier tut, ihr wer­det abge­scho­ben und getö­tet und kei­ner wird danach fragen.“

Die­se schwe­ren Vor­wür­fe schie­nen die Rich­te­rin aller­dings wenig zu beein­dru­cken. Im wei­te­ren Ver­lauf frag­te sie, ob die Aktivist_innen denn nicht auch laut gewe­sen sei­en. Gera­de so, als wür­de dies die Aggres­si­on des Secu­ri­ty-Man­nes rechtfertigen. 

Rex Osa sag­te vor Gericht wei­ter aus, dass wäh­rend des Pro­tes­tes nicht mit den Aktivist_innen gere­det wor­den sei. Die Bot­schaft habe die Poli­zei ver­stän­digt, um die Kund­ge­bung räu­men zu las­sen. Das Ein­tref­fen der Poli­zei sei von den Aktivist_innen als aggres­si­ver Akt wahr­ge­nom­men wor­den, denn, so Osa: „Wir sind in unse­re eige­ne Bot­schaft gekom­men, um gegen kor­rup­te Prak­ti­ken zu demons­trie­ren. Es war legi­tim unse­re For­de­run­gen vor­zu­tra­gen, dass es falsch ist, dass die nige­ria­ni­sche Bot­schaft Zwangs­an­hö­run­gen mitorganisiert.“

Ein wei­te­rer Zeu­ge war der Bereit­schafts­po­li­zist  Tho­mas K., der im Okto­ber 2012 mit meh­re­ren Kolleg_innen in die Bot­schaft gekom­men war. Als er in die Ein­gangs­hal­le gekom­men sei,  habe er „ein Brül­len auf Eng­lisch und in der ent­spre­chen­den Lan­des­spra­che“ gehört, sag­te er aus. Er habe die Botschaftsmitarbeiter_innen und die Pro­tes­tie­ren­den nur „gefühlt“ aus­ein­an­der­hal­ten kön­nen. Der Beam­te habe dann einen Straf­an­trag der Bot­schaft auf­ge­nom­men, um das Gebäu­de räu­men zu kön­nen. K. räum­te jedoch ein, dass er nicht sicher gewe­sen sei, ob die Diplomat_innen sein „Schul­eng­lisch“ und somit den Inhalt des Straf­an­tra­ges auch rich­tig ver­stan­den hät­ten. Der Straf­an­trag konn­te nach die­sem Ein­ge­ständ­nis nicht auf­recht­ge­hal­ten wer­den, das Ver­fah­ren infol­ge­des­sen eingestellt.

Zwar wur­de das Ver­fah­ren ein­ge­stellt, auf sei­nen  Anwalts­kos­ten bleibt Rex Osa nun jedoch sit­zen. Zumal das Gericht Not­wen­dig­keit und Legi­ti­ma­ti­on des Pro­tes­tes auch nicht aner­kannt hat. Rex Osa und sei­ne Mitstreiter_innen, von denen eini­ge zur Unter­stüt­zung im Gerichts­saal erschie­nen waren, hal­ten an der Berech­ti­gung und Rich­tig­keit ihres Pro­tes­tes fest. Für sie ste­he die nige­ria­ni­sche Bot­schaft nach wie vor für ille­gi­ti­me Abschie­bun­gen von Flüchtlingen.