Keine Räume für Nazis

Ber­lin-Schön­wei­de ist seit Jah­ren als Nazi­hoch­burg bekannt. Jah­re­lang waren die  Knei­pe «Zum Hen­ker» und der Laden «Hexo­gen» wich­ti­ge regio­na­le Treff­punk­te für Nazis. Das Info­blatt «Die Brau­ne Stra­ße von Ber­lin» hat die  Gefahr von Nazi­struk­tu­ren in Schö­ne­wei­de offen­ge­legt. Den zwei Eck­punk­ten der Ber­li­ner Nazi­sze­ne wur­de vor eini­gen Wochen end­lich der Miet­ver­trag gekün­digt. Aller­dings woh­nen noch immer etli­che Nazis in dem Bezirk.

Die Mobi­le Bera­tung gegen Rechts­extre­mis­mus in Ber­lin hat zusam­men mit Jurist_innen eine Klau­sel für Miet­ver­trä­ge ent­wor­fen. Durch die Ein­fü­gung die­ser Klau­sel soll ver­hin­dert wer­den, dass gewerb­li­che Räu­me für ras­sis­ti­sche, anti­se­mi­ti­sche und rech­te Zwe­cke ange­mie­tet wer­den kön­nen, wie etwa in den genann­ten bei­den Fäl­len. Am 17. 04.2014 haben Vertreter_innen der  zwei gro­ßen Ber­li­ner Woh­nungs­bau­ge­sell­schaf­ten dege­wo und STADT und LAND einen Koope­ra­ti­ons­ver­trag unter­zeich­net, mit dem sie zukünf­tig Abspra­chen gegen rech­te Mieter_innen tref­fen wollen.

Die Pres­se­mit­tei­lung des Zen­trums für Demo­kra­tie Trep­tow-Köpe­nick zum The­ma: Woh­nungs­bau­ge­sell­schaf­ten unter­zeich­nen Koope­ra­ti­ons­ver­ein­ba­rung gegen rech­te Mie­ter.

«Berliner Zustände 2013»

Die Mobi­le Bera­tung gegen Rechts­extre­mis­mus in Ber­lin  (MBR) und das Anti­fa­schis­ti­sche Pres­se­ar­chiv und Bil­dungs­zen­trum Ber­lin e.V. (apa­biz) haben die mehr als hun­dert­sei­ti­ge Bro­schü­re «Ber­li­ner Zustän­de 2013»ver­öf­fent­licht. Der Schwer­punkt des Schat­ten­be­richts liegt die­ses Jahr auf der Situa­ti­on Geflüch­te­ter. Er beschäf­tigt sich bei­spiels­wei­se mit dem ras­sis­ti­schen Dis­kurs im Zusam­men­hang mit der Eröff­nung der Flücht­lings­un­ter­kunft in Ber­lin-Hel­lers­dorf. Im letz­ten Jahr grün­de­te sich die «Bür­ger­initia­ti­ve Mar­zahn-Hel­lers­dorf», die auf Face­book gegen die geplan­te Flücht­lings­un­ter­kunft hetz­te. Bald dar­auf kam es zu einer  Ver­samm­lung von Nazis und Anwohner_innen vor der Unter­kunft. Es herrsch­te nicht nur ein­mal Pogromstimmung.

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Vergessene Opfer rechter Gewalt in Baden-Württemberg

Die drei Spät­aus­sied­ler-Jugend­li­chen Vik­tor Fili­mo­no­vim, Wal­de­mar Ickert und Alek­san­der Schlei­cher wer­den wäh­rend eines Dis­ko­the­ken­be­su­ches in Hei­den­heim an der Brenz im Dezem­ber 2003 von dem Neo­na­zi Leon­hard Schmidt ersto­chen. Leon­hard Schmidt wur­de von der Poli­zei ein­deu­tig der rech­ten Sze­ne zuge­ord­net. Auch die Staats­an­walt­schaft räum­te ein, «ohne den zumin­dest damals bestehen­den ‹aus­län­der­feind­li­chen Hin­ter­grund› sei das gesam­te Tat­ge­sche­hen nicht erklär­bar.» Trotz­dem tut sie sich sehr schwer damit, ein ras­sis­ti­sches Tat­mo­tiv ein­zu­räu­men. Auch der Ober­bür­ger­meis­ter Bern­hard Ilg (CDU) möch­te kein sol­ches Motiv erken­nen: «Die Wahr­heit ist doch, dass ein Deut­scher drei Deut­sche umge­bracht hat.» Als es dann zu einem spon­ta­nen Gedenk­marsch kommt, wer­den die Teil­neh­men­den vom Hei­den­hei­mer Stadt­ober­haupt beschul­digt, den drei­fa­chen Mord für ihre Zwe­cke zu missbrauchen.

Der Arbeits­kreis «Unver­ges­sen, Opfer rech­ter Gewalt in Baden Würt­tem­berg» hat sich zum Ziel gesetzt, Mord­fäl­le durch rech­te Gewalt  in der Regi­on zu doku­men­tie­ren. Bei der Doku­men­ta­ti­on soll das Opfer im Mit­tel­punkt ste­hen,  indem jeweils die Bio­gra­phie der ermor­de­ten Indi­vi­du­en auf der Inter­net­sei­te ver­öf­fent­licht wird. Erst danach wer­den die Tat sowie der anschlie­ßen­de Ermitt­lungs- und Pro­zess­ver­lauf beschrie­ben. Wei­ter­le­sen „Ver­ges­se­ne Opfer rech­ter Gewalt in Baden-Württemberg“

«Ich musste zurück zur Arbeit, das Fleisch abdecken.» Ilona Mundlos beim NSU-Prozess

«Rei­hen Sie sich bit­te in die rich­ti­ge Rei­he ein. Hal­ten Sie bit­te ihren Aus­weis bereit.»

«Flüs­sig­kei­ten sind ver­bo­ten. Haben Sie einen Lap­top dabei? – Dann legen Sie die­sen bit­te geson­dert auf das Kontrollband.»

Eingang zum Gerichtssaal A 101, in dem der NSU-Prozess stattfindet. Der linke Eingang ist für Besucher_innen, der rechte für akkreditierte Journalist_innen.
Ein­gang zum Gerichts­saal A 101, in dem der NSU-Pro­zess statt­fin­det. Der lin­ke Ein­gang ist für Besucher_innen, der rech­te für akkre­di­tier­te Journalist_innen.

 

Die War­te­schlan­gen erin­nern stark an die Tren­nung von «Eco­no­my Class» und «Busi­ness Class» im Flug­zeug. Auch das Piep­sen der Metall­de­tek­to­ren klingt nach Sicher­heits­kon­trol­len am Flug­ha­fen. Beim NSU-Pro­zess müs­sen alle war­ten, doch sie Schlan­gen tren­nen «nor­ma­le» Besucher_innen von akkre­di­tier­ten Journalist_innen. Anschlie­ßend müs­sen die Zuschau­en­den eine Kon­trol­le, ähn­lich denen am Flug­ha­fen, über sich erge­hen las­sen. Nach­dem die Taschen gründ­lich durch­leuch­tet und alle poten­zi­ell gefähr­li­chen Gegen­stän­de an die Poli­zei über­ge­ben wur­den, geht es die Trep­pe hoch zur Zuschauer_innentribüne. Obwohl der Andrang in den letz­ten Mona­ten stark nach­ge­las­sen hat, kom­men vie­le bereits um acht Uhr oder noch frü­her, um einen guten Platz zu ergat­tern. Dann trin­ken sie meist einen Kaf­fee im Hin­ter­zim­mer der Tri­bü­ne – eine Art Gehe­ge auf einem Trep­pen­ab­satz – und war­ten auf den Prozessbeginn.

Als Bea­te Zsch­ä­pe um halb zehn Uhr den dies­mal gut gefüll­ten Gerichts­saal A 101 des Münch­ner Ober­lan­des­ge­richts betritt, zieht sie sofort alle Bli­cke auf sich. Es las­sen sich schon die Berich­te gewis­ser Zei­tun­gen erah­nen: «Zsch­ä­pe heu­te in grau­en Bal­le­ri­nas und figur­be­ton­ter Röh­ren­jeans.» Sie lächelt. Sie gibt sich betont unbe­tei­ligt und unbe­schwert. Auf der Ankla­ge­bank sit­zen auch noch Ralf Wohl­le­ben und André Emin­ger, die bei­de wie Zsch­ä­pe zu den Vor­wür­fen schwei­gen, sowie Hol­ger Ger­lach, der zumin­dest eine Erklä­rung zum Pro­zess abge­ge­ben hat, und der voll­um­fäng­lich aus­sa­gen­de Cars­ten Schult­ze. Doch es fällt schwer, den Blick von Zsch­ä­pe abzu­wen­den. Bis Ilo­na Mund­los, Mut­ter des am 4.11.2011 umge­kom­me­nen mut­maß­li­chen NSU-Mör­ders Uwe Mund­los, in den Zeu­gen­stand geru­fen wird. Als die 63–Jährige den Saal betritt, ist eine immense Anspan­nung unter den Zuschauer_innen zu spü­ren. Es wäre wohl mucks­mäus­chen­still im Saal, wäre da nicht das Tas­ta­tur­ge­häm­mer der Journalist_innen, die ver­su­chen, jeden Blick, jede Ges­te der Zeu­gin auf ihrem Lap­top fest­zu­hal­ten. Die Journalist_innen sit­zen mit den Zuschau­en­den auf der­sel­ben Tri­bü­ne und sehen des­we­gen nur die Richter_innen, rechts die Ange­klag­ten und links die Bun­des­an­walt­schaft. Eine Glas­bal­lus­tra­de trennt die Tri­bü­ne vom Gerichts­saal. Die Nebenkläger_innen der Opfer sit­zen genau unter der Zuschau­er­tri­bü­ne und sind des­we­gen nur auf den seit­lich ange­ord­ne­ten Lein­wän­den zu erken­nen, wenn sie sich zu Wort mel­den. Ilo­na Mund­los wird die die gan­ze Gerichts­ver­hand­lung über mit dem Rücken zu den Zuschau­en­den sit­zen, wes­we­gen ihre Mimik für die Medienvertreter_innen kaum sicht­bar ist.

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Was passierte in Zelle fünf? Der Polizei-Mord an Oury Jalloh und die Kriminalisierung von Protest und Gedenken

«Die­ser Pro­zess ist ein poli­ti­scher Pro­zess! Die Beschul­di­gun­gen, die hier von Poli­zei­zeu­gen vor­ge­bracht wer­den, sol­len ledig­lich der Ein­schüch­te­rung der Ange­klag­ten sowie der Kri­mi­na­li­sie­rung der Aktivist_innen in Geden­ken an Oury Jal­loh die­nen», erklärt der Ange­klag­te  Mbo­lo Yufanyi vor dem Amts­ge­richts Des­sau am 29. April 2014. Dem Akti­vis­ten der Geflüch­te­ten­selbst­or­ga­ni­sa­ti­on «The VOICE Refu­gee Forum» wird vor­ge­wor­fen, anläss­lich der Gedenk­de­mons­tra­ti­on zum 7ten Todes­ta­ges von Oury Jal­loh am 7. Janu­ar 2012 in Des­sau Polizist_innen ver­letzt zu haben.

Oury Jal­loh war am 7. Janu­ar 2005 in der Zel­le Num­mer fünf des Des­sau­er Poli­zei­re­viers ver­brannt. Gegen den dama­li­gen Dienst­grup­pen­lei­ter der Des­sau­er Poli­zei lief im Jahr 2007 ein Gerichts­ver­fah­ren. Die Ankla­ge lau­te­te auf Kör­per­ver­let­zung mit Todes­fol­ge. Denn fest steht: Der Dienst­grup­pen­lei­ter hat­te, als es in der Zel­le fünf brann­te, den Feu­er­alarm mehr­mals aus­ge­schal­tet und die Hil­fe­schreie des Inhaf­tier­ten bewusst igno­riert. Zunächst wur­den der Dienst­lei­ter und sein mit­an­ge­klag­ter Kol­le­ge frei­ge­spro­chen. Doch sowohl die Neben­kla­ge als auch die Staats­an­walt­schaft leg­ten Revi­si­on ein, sodass das Ver­fah­ren im Jahr 2011 erneut auf­ge­nom­men wur­de. Dar­auf­hin wur­de der Dienst­grup­pen­lei­ter wegen fahr­läs­si­ger Tötung zu einer Geld­stra­fe von 10.800 € verurteilt.

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