Auf den ersten Blick scheinen die antifaschistische und die Klimagerechtigkeitsbewegung wenig gemein zu haben. Die Autor*innen dieses Beitrags, Ilana Krause und Florain Teller, fragen nach Möglichkeiten und verweisen auf Notwendigkeiten einer Verzahnung antifaschistischer Kämpfe mit jenen der Klimagerechtigkeitsbewegung. Ein Mobilisierungsbeitrag zum Klimacamp in Pödelwitz im Leipziger Land vom 3. — 12.8.2019, das die Rosa-Luxemburg-Stiftung fördert.
Der »cultural gap«, also die systematischen Unterschiede zwischen einer international vernetzten Klimabewegung, die sich mit einem abstrakten, wenngleich drängendem Problem auseinandersetzt, und oft lokal agierenden Antifa-Gruppen, die den/die politischen Gegner*in konkret vor Augen haben, scheint groß. Beide Entwicklungen, der Kampf um Klimagerechtigkeit als auch das Zurückdrängen nationalistischer und faschistischer Bestrebungen sind zwei zentrale Fragen des 21. Jahrhunderts. Wo finden sich, abseits von Klischees wie »Black Block« oder »Klimahippies«, vielleicht auch verbindende Elemente?
Ökofaschismus der extremen Rechten
Die Klimabewegung erntet mittlerweile die Früchte ihres langjährigen Engagements. Seien es die breiten Mobilisierungen um den Hambacher Forst und die gerichtliche Entscheidung eines vorläufigen Rodungsstopps oder die Reden der schwedischen Klimaaktivistin und Schülerin, Greta Thurnberg, Im Rahmen des Bündnisses „Ende Gelände“ haben sich über 30 klimapolitische Ortsgruppen gegründet und eine thematische Erweiterung hin zu Landwirtschaft (Free The Soil) oder Autoverkehr (Anti-IAA) angestoßen. Große Teile der Bevölkerung und selbst bürgerliche Medien sympathisieren mit der Bewegung und halten ihr Anliegen für notwendig. Auseinandersetzungen führen die Aktivist*innen vor allem mit den Kohlekonzernen oder rückwärtsgewandten Politiker*innen. Das Hauptbetätigungsfeld für Antifaschist*innen, die (extreme) Rechte, stand bis jetzt kaum im Fokus. Diese begegnet dem Thema Klimagerechtigkeit auf zwei Arten: Zum einen versuchen extreme Rechte, vor allem aus der so genannten völkischen Siedlerbewegung das Thema Umweltschutz zu vereinnahmen. Das Neonazimagazin „Umwelt und Aktiv“ publiziert regelmäßig zu umweltpolitischen Themen aus einem völkischen Blickwinkel. Dem gab immerhin schon die Ökofeministin Vandana Shiva ein Interview in Unkenntnis des politischen Hintergrunds. Shiva wiederum steht bei Linken in der Kritik für ihr biologistisches Konzept der „Öko-Apartheid. Ein weiteres Paradebeispiel ist die Solidaritätserklärung der neonazistischen Kleinstpartei »Der Dritte Weg« mit den Aktivist*innen des Hambacher Walds. Die Verbindung von ökologischen Themen mit anti-aufklärerischen Ideen und der Übertragung von Darwins Evolutionslehre auf bevölkerungspolitische Phänomene hat in Deutschland seit Ende des 19. Jahrhunderts Tradition. Sozialdarwinismus und die nationalsozialistische »Blut und Boden«-Ideologie vereinen sich heutzutage mit einem romantisierenden Naturverständnis unter dem Slogan »Umweltschutz ist Heimatschutz« der völkischen Rechten. Akteur*innen aus sogenannten völkischen Siedlungen versuchen gezielt, lokale Initiativen gegen Atomenergie und Gentechnik oder solidarische Landwirtschaftsnetzwerke zu unterwandern.
Kontroverse Klimawandelleugnung in der AfD
In der „Alternative für Deutschland“ (AfD) hingegen vermengt sich am auffälligsten rechtes Gedankengut mit der Vorstellung, es gäbe keinen menschengemachten Klimawandel. Beispielhaft dafür ist das Interview mit dem Parteivorsitzenden Alexander Gauland in der ZEIT, in dem er erklärte, er halte eine Klimapolitik für sinnlos. Gemäß ihrer neoliberalen Ausrichtung positioniert sich die AfD gegen so genannte planwirtschaftliche Eingriffe und gegen „jegliche Subventionen“ im Energiebereich. Benannt wird jedoch ausschließlich das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das die Partei grundsätzlich abschaffen will. In den AfD-Fraktionen in Sachsen und Brandenburg dominiert eine klare Pro-Kohle-Haltung und gerät damit in Konflikt mit anderen Landesverbänden, die sich dem Schutz von Heimat oder dem Kampf gegen Feinstaub durch Kohlekraftwerke verschrieben haben. Zu betonen ist jedoch, dass die Expertise der AfD in Umwelt- oder Klimafragen sehr dünn ist. Neben dem Lieblingsthema Migration werden klimapolitische Fragen wenig aufgegriffen. Somit stecken hinter der Klimawandelleugnung weder fachliche Kenntnisse noch eine stringente Argumentation, sondern vielmehr die Ablehnung von Werten, für die sich die Klimagerechtigkeitsbewegung einsetzt. Nicht nur das Thema Kohle, sondern auch und vor allem, dass sich die Bewegung für Themen wie offene Grenzen oder sexuelle Selbstbestimmung einsetzt, macht sie für die AfD zu einem roten Tuch. Klimawandelleugner*innen lassen sich auch in anderen Kontexten finden, z,B. bei den Industrielobbyisten Dirk Maxeiner und Michael Miersch oder bei EIKE (Europäisches Institut für Klima und Energie). Auch in verschwörungstheoretischen Kreisen tummeln sich viele „Klimaskeptiker“ und das Internetportal „Political incorrect“ (PI-News) kombiniert in Artikeln Rassismus mit Klimawandelleugnung.
Rassismus als roter Faden
Gemein ist der (extremen) Rechten, dass sie die sozial-ökologische Frage rassistisch auflädt. So wird beispielsweise mit dem Konzept des „Ethnopluralismus“ jedem „Volk“ (alternativ: jeder „Kultur“) ein bestimmter Raum zugeordnet. Die Ressourcen im begrenzten Raum der heimischen „Kultur“ (oder des „deutschen Volks“) werden als bedroht angesehen durch Migration oder Überbevölkerung im Globalen Süden. Globale Macht- und Wirtschaftsverhältnisse werden rassistisch und völkisch umgedeutet. Die Rechte propagiert ebenso den unbegrenzten Zugriff auf Ressourcen in anderen Ländern. Sie bieten als scheinbare Lösung für die sozial-ökonomische Krise ein Fortschreiben der Externalisierungsgesellschaft an, also die Auslagerung der Kosten von Ausbeutung von Ressourcen und Umweltzerstörung in andere Teile der Welt und damit ein Leben des Globalen Norden auf Kosten anderer Weltregionen. Auch außerhalb Deutschlands verbindet sich rechtes Gedankengut mit anti-ökologischen Bestrebungen. Brasiliens neuer rechter Präsident gilt als ausgemachter Klimawandelleugner. Seine Politik ist nicht nur gekennzeichnet durch zutiefst faschistische, rassistische und frauenfeindliche Rhetorik und Gesetzesänderungen als Ausdruck seines Hasses gegen alles »Linke«. Ebenso schießt Bolsonaro gegen ökologische Bewegungen, befürwortet Megaprojekte, die katastrophale soziale und ökologische Folgen haben, und kriminalisiert die Landlosenbewegung. In den USA und Italien haben Trump und Salvini nicht nur massiv soziale Errungenschaften zurückgedrängt, sondern auch umweltpolitische Maßnahmen der letzten Dekaden zurückgefahren oder kassiert. In beiden Ländern hat dies andererseits jedoch zu einer notwendigen Repolitisierung der ökologischen Kämpfe geführt.
Klimagerechtigkeit und Antifaschismus gehören zusammen Die großen Mobilisierungen gegen Braunkohle haben in den vergangenen Jahren bundesweit zu erstaunlichen Organisierungsprozessen geführt. Das Thema Klimawandel findet auch in der radikalen Linken zusehends Gehör. Bei Demonstrationsbefragungen während des G20-Gipfels in Hamburg nannten von allen Befragten die meisten Klimawandel als das Thema, das sie politisch bewegt. Folgerichtig gibt es seit über einem Jahr verstärkt Versuche aus der Klimagerechtigkeitsbewegung Brücken zu anderen Kämpfen zu schlagen. Im August 2017 fand parallel zum Klimacamp im Rheinland erstmals ein „connecting-movements“-Camp statt. Bei den Ende-Gelände-Aktionen 2017 gab es Finger mit explizit queer-feministischem und antirassistischem Ausdruck. Beim Parteitag der AfD in Hannover beteiligte sich ein Klima-Finger an den Blockaden. Bei den Protesten gegen die AfD in Berlin Ende Mai 2018 gab es einen großen Blockadefinger aus Ende-Gelände-Strukturen im entsprechenden Style. Der Klimagerechtigkeitsbegriff beinhaltet zwangsläufig eine antirassistische Perspektive. Denn dabei geht es um globale soziale Gerechtigkeit gegenüber allen (neo-)kolonialisierten Regionen in der Peripherie. Diese sind häufig am stärksten von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen, während ihre Ressourcen weiter von Akteur*innen aus den kapitalistischen Zentren ausgebeutet werden. Deshalb ist es kein Wunder, dass Klimagruppen sich auch lokal an antirassistischer Arbeit und an antifaschistischen Mobilisierungen beteiligen. Auch die antifaschistische Bewegung hat sich in den vergangenen Jahren wesentlich breiter aufgestellt. Feministische und antirassistische Perspektiven beispielsweise haben schon lange ihren Platz in ihr. So können die Ergebnisse antifaschistischer Recherche das Bewusstsein der Klimabewegung gegenüber Vereinnahmungsversuchen von Neonazis schärfen.
Bestätigungsfeld für radikale Linke
Was kommt? Die dieses Jahr zu erwartenden Stimmenzuwächse der AfD bei drei ostdeutschen Landtagswahlen sind Ergebnis einer allgemeinen autoritären Zuspitzung. Rassistische, antisemitische und völkische Erklärungen für globale und gesellschaftliche Machtverhältnisse und die ökologische Krise sind auf dem Vormarsch. Engagement gegen eine Partei der Klimawandelleugner*innen und gegen die Aufladung der sozial-ökologischen Frage durch rassistische Erklärungsmuster ist auch von der Klimagerechtigkeitsbewegung gefragt. Antifaschist*innen haben die AfD und den gesellschaftlichen Rechtsruck hierzulande schon lange auf dem Schirm. Wir können davon ausgehen, dass vor den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg die Zukunft von Industrie und Arbeitsplätzen im mitteldeutschen und Lausitzer Braunkohlerevier eine große Rolle spielen wird. Die Landesregierungen, die Braunkohlekonzerne und ihre Lobbyverbände haben die Intention, die Forderungen der Klimagerechtigkeitsbewegung und die Interessen der Menschen in den Kohlerevieren gegeneinander auszuspielen. Doch auch viele Menschen in Bergbauregionen wollen Klimaschutz. Sie haben bloß berechtigte Sorgen um ihren Lebensunterhalt. Unsere Aufgabe besteht also darin, diesen Konflikt von rechts nach links zu verschieben, um deutlich zu machen, worum es eigentlich geht:Den Versuch des fossilen Kapitals, die Kämpfe der ihren sozialen Abstieg fürchtenden Beschäftigten zur Durchsetzung seiner Interessen zu instrumentalisieren. Rechte Akteur*innen versuchen in diesem Konflikt rassistische und/oder verschwörungstheoretische Akzente zu setzen und ihr menschenverachtendes Weltbild als legitim erscheinen zu lassen. Eine Zusammenarbeit zwischen Antifaschist*innen und Klimagerechtigkeitsaktivist*innen scheint mehr als notwendig. Dafür wären ein thematisch erweitertes Klimacamp oder eine Antifa-Konferenz mit Klimathema schon einmal ein Anfang. Angesichts der anhaltenden Zustände und aktueller Zuspitzung sind die Gefahr des Klimawandels und das Erstarken faschistischer und rassistischer Akteur*innen ein dringendes Betätigungsfeld für die radikale Linke.
Die Klimagerechtigkeitsbewegung fordert schon lange einen „system change – not climate change“ und sieht das kapitalistische Wirtschaftssystem als Ursache für den Klimawandel. Auch für die antifaschistische Bewegung gilt der Satz von Max Horkheimer, dass wer von Kapitalismus nicht reden will, auch vom Faschismus schweigen sollte. In den Krisen des Kapitalismus erstarken rechte Bewegungen und Ideologien, die den Kapitalismus mit autoritären, ja despotischen Mitteln aufrechterhalten wollen. Wie eine antikapitalistische Perspektive beiden Bewegungen zusammenführen kann, sollte diskutiert werden.
Florain Teller und Ilana Krause sind aktiv in der IL / Prisma Leipzig. Dieser Text wird auch in der im Sommer erscheinenden Broschüre »Kämpfe zusammen_führen« von Zucker im Tank (ZimT) zu lesen sein. Eine gekürzte Version gibt‘s außerdem in der Brave New Climate, der aktuellen Ausgabe der arranca!, mit dem Themenschwerpunkt Klimagerechtigkeit.