Ein Interview mit Nina und Songül
Nina und Songül, ihr habt 2012 die Ausstellung «Lux like Comic – (Un)Mögliche Bildungswege» erstellt. Wie seid ihr auf die Idee gekommen?
Unser Bildungsauftrag im Rahmen der Stiftung war ein Konzept zu entwickeln, dass die Bildungssituation von Menschen, die keinen akademischen Hintergrund haben, thematisiert und in die Öffentlichkeit bringt. In einem kleinen Rahmen konnten wir Studienstipendien für diese Zielgruppe vergeben und somit Einzelpersonen über eine Finanzierung und Begleitung den Zugang zu Hochschulen ermöglichen. Unsere Projektzielgruppe waren Menschen ohne akademischen Bildungshintergrund, das bedeutet Menschen, deren Elter_n nicht studiert haben und die sich im Übergang von Schule/Praktikum ins Berufsleben/Studium befinden.
Die finanziellen Rahmenbedingungen waren in diesem Projekt ziemlich gut. Da konnten wir unsere Ideen und Kreativität gut entfalten. Was uns etwas Druck bereitet hat, war, dass wir nur eine sehr begrenzte Zeit hatten, dieses Projekt umzusetzen. Und wir wollten das Projekt ja über einen linken Kreis von Interessierten hinaus in die Öffentlichkeit bringen – und zwar mit Berücksichtigung von strukturellen Machtverhältnissen, die bei Diskursen rund um PISA meistens aus dem Blick geraten. Daher wollten wir das Thema so angehen, dass es alle angeht und alle interessiert. Dazu bedurfte es auch, dass wir das Thema aus den akademischen Kontexten rausholen und barrierefreier gestalten.
Seit nunmehr drei Jahren beschäftigen wir uns im Rahmen des Projekts Lux like Studium mit der Förderung einer Gruppe von Menschen, die von uns als diejenigen «ohne akademischen Bildungshintergrund» bezeichnet werden – eine Gruppe, für die es im aktuellen gesellschaftlichen Diskurs eine relativ breite und teilweise diffus verwendete Palette von Bezeichnungen gibt: Sie reicht von bildungsfern über Arbeiterkinder bis hin zu first generation Studierenden – und selbst mit dem Vorschalten eines «so genannten» lässt sich bei allen diesen Begriffen eine defizitäre Konnotation nicht vermeiden, die zu suggerieren scheint, dass es diesen Menschen an etwas fehle.
Was dabei in der Tat fehlt, ist die Reflexion des normativen Bildungsverständnisses und der gesellschaftlichen Machtverhältnisse: Es bedarf einer Auseinandersetzung, in der hinterfragt wird, was als Kompetenz oder Qualifikation angesehen und anerkannt wird, wer und was als «gebildet» gilt und inwiefern dies in der Schule anhand von Noten in vermeintlich objektiven Leistungsbeurteilungen erfasst und in Form von Bildungsabschlüssen honoriert wird. Es gerät allzu schnell in den Hintergrund, welche tragende Rolle Bildung und Bildungsinstitutionen bei der Aufrechterhaltung der Verhältnisse, in denen wir leben, spielen.