Warum der Mord an Süleyman Taşköprü so lange als Teil der NSU-Serie verschleiert wurde

Zur Erin­ne­rung an den 23. Todes­tag von Süley­man Taşköprü

Süley­man Taş­köprü bat am Mitt­woch, 27. Juni 2001, gegen 10.45 Uhr sei­nen Vater Ali, sich um den Ein­kauf von Waren zu küm­mern. Danach muss er in sei­nem Gemü­se­la­den in der Schüt­zen­stra­ße 39 in Alto­na von sei­nen Mör­dern über­rascht wor­den sein. Sie erschos­sen ihn mit drei Kugeln, abge­ge­ben aus zwei Pis­to­len, einer Čes­ká 83 und einer Bruni. Als sein Vater um unge­fähr 11.15 Uhr wie­der zurück­kehr­te, fand er sei­nen Sohn auf dem Fuß­bo­den des Ver­kaufs­rau­mes lie­gend mit einer blu­ten­den Kopf­ver­let­zung vor. Wenig spä­ter konn­te der Not­arzt nur noch den Tod fest­stel­len. Kurz dar­auf traf die Poli­zei ein und nahm die Ermitt­lun­gen in dem Tötungs­de­likt auf. Die loka­le Pres­se in der Stadt (BILD-Zei­tung, Ham­bur­ger Mor­gen­post, Ham­bur­ger Abend­blatt) berich­te­ten dazu in den fol­gen­den Tagen. Im Ham­bur­ger Abend­blatt (HAB) war über einen „mys­te­riö­sen Mord am hell­lich­ten Tag“ sowie einer „Hin­rich­tung im Gemü­se­la­den“ zu lesen. Aus der Sicht der poli­zei­li­chen Ermittler*innen lag das Motiv „noch völ­lig im Dun­keln“. Dem Abend­blatt war es aber hier wich­tig, dahin­ge­hend über das Motiv zu spe­ku­lie­ren, dass für die Tat „Schutz­geld­erpres­sung“ in Fra­ge kom­me, wo „in vie­len Fäl­len (…) die ver­bo­te­ne kur­di­sche PKK dahin­ter“ ste­cke. (HAB v. 28.6.2001)

Vater Taşköprü: Deutsche Täter

Noch am Tag des Mor­des ver­nahm die Poli­zei Taş­köprüs Vater das ers­te Mal. Er habe bei sei­ner Rück­kehr vor dem Geschäft zwei Män­ner gese­hen, gab er zu Pro­to­koll. Bei­de hät­ten gleich aus­ge­se­hen und sei­en 25 bis 30 Jah­re alt gewe­sen. Auf die Fra­ge: „Deut­sche oder Tür­ken?“, ant­wor­te­te er: Deut­sche. Ein Streit, in den sein Sohn habe ver­wi­ckelt sein kön­nen, sei ihm nicht bekannt gewe­sen. Zwei Tage spä­ter gab es eine zwei­te Ver­neh­mung. Er bekräf­tig­te erneut, bei sei­ner Rück­kehr zum Laden zwei männ­li­che Per­so­nen im Bereich vor dem Laden gese­hen zu haben, die sich in süd­li­che Rich­tung ent­fernt hät­ten. Er beschrieb sie als etwa 1,78 Meter groß und jung, höchs­tens 25 Jah­re alt. Ob „deutsch“ oder „aus­län­disch“, wuss­te er nicht genau zu sagen, aber er schloss aus, dass sie „süd­län­disch“ gewe­sen sei­en. Ihre Haar­far­be sei hell gewe­sen. Es gab jedoch im Zusam­men­hang mit der Tat­zeit noch wei­te­re Zeu­gin­nen. Eine gab dabei an, sie habe in den ver­gan­ge­nen etwa 14 Tagen mehr­fach einen BMW beob­ach­tet, des­sen Fah­rer mit Süley­man Taş­köprü gespro­chen habe, weder freund­lich noch aggres­siv. Eine genaue­re Beschrei­bung konn­te sie nicht geben, es habe sich jedoch um einen „Süd­län­der“ gehan­delt, gab die­se Zeu­gin zu Pro­to­koll. Eine wei­te­re Zeu­gin sag­te aus, sie habe in ihrer Woh­nung über dem Geschäft einen lau­ten Streit zwi­schen zwei Män­nern wahr­ge­nom­men. Auf die Fra­ge, ob auf Deutsch oder „aus­län­disch“ gebrüllt wor­den sei, woll­te sie nicht aus­schlie­ßen, dass auch „tür­ki­sche Wor­te“ gefal­len sei­en. Eine drit­te Zeu­gin berich­te­te von einem weni­ge Tage zurück­lie­gen­den Streit, den sie mit­be­kom­men habe: Drei „süd­län­disch“ aus­se­hen­de Män­ner hät­ten sich im Laden auf­ge­hal­ten, einer von ihnen hät­te dem spä­te­ren Opfer „auf­ge­regt und wütend“ damit gedroht, wiederzukommen.

Zunächst konn­te die Poli­zei natür­lich noch nicht wis­sen, dass es sich um den drit­ten Mord als Teil einer Serie han­del­te. Am 9. Sep­tem­ber 2000 war der tür­ki­sche Blu­men­händ­ler Enver Şimşek in sei­nem Trans­port­wa­gen an einer Aus­fall­stra­ße bei Nürn­berg eben­falls mit zwei Tat­waf­fen erschos­sen wor­den. Elf Mona­te spä­ter, am 13. Juni 2001, also gera­de ein­mal zwei Wochen vor der Ermor­dung Taş­köprüs war — eben­falls in Nürn­berg — der tür­ki­sche Staats­an­ge­hö­ri­ge Abdur­ra­him Özüd­oğru in sei­ner Ände­rungs­schnei­de­rei mit einer Pis­to­le Mar­ke Čes­ká 83 ermor­det wor­den. Das ergab die unmit­tel­bar nach den bei­den Taten vor­ge­nom­me­nen kri­mi­nal­tech­ni­sche Unter­su­chung des Bun­des­kri­mi­nal­am­tes (BKA). Mit der Čes­ká 83 war die­sel­be Waf­fe als Tat­waf­fe ver­wen­det wor­den. Vom Poli­zei­prä­si­di­um Mit­tel­fran­ken (Nürn­berg) war das schon fünf Tage nach der Tat in einer Pres­se­mit­tei­lung kom­mu­ni­ziert wor­den.[1]

Über Ham­burg hinaus

Der Wis­sens­stand der Ham­bur­ger Ermittler*innen zu der Mord­sa­che Taş­köprü soll­te sich aber schnell und gra­vie­rend ändern. Als sie noch am Tat­tag zu dem Mord an Taş­köprü ein Fern­schrei­ben an bun­des­wei­te Dienst­stel­len absetz­ten, mel­de­ten sich schon kurz dar­auf die Nürn­ber­ger Kolleg*innen, die in der Mord­sa­che Özüd­oğru ermit­tel­ten. Offen­bar kam ihnen der Modus Ope­ran­di der Mord­tat bekannt vor. Jah­re spä­ter, Ende Juni 2005 nach dem sieb­ten Mord in der Serie, rap­por­tier­te das Ham­bur­ger Abend­blatt die Aus­sa­ge eines unge­nann­ten Ham­bur­ger Ermitt­lers aus der Mord­kom­mis­si­on: Sie sei­en noch am spä­ten Abend des 27. Juni 2001 von Nürn­ber­ger Kolleg*innen ange­ru­fen wor­den. Dadurch sei ihnen klar gewor­den, „dass der Fall über Ham­burg hin­aus­geht“. (HAB v. 23.6.2005) Einen Tag spä­ter infor­mier­ten die Nürn­ber­ger Polizist*innen ihre Ham­bur­ger Kolleg*innen per Fax dar­über, dass „die glei­che Tat­waf­fe“ bei der Tötung von zwei tür­ki­schen Staats­bür­gern ver­wen­det wor­den sei. Das war eine außer­or­dent­lich wich­ti­ge Infor­ma­ti­on. Die Ermittler*innen sowohl in Ham­burg wie auch in Nürn­berg hät­ten also allen Grund dazu gehabt – umgangs­sprach­lich for­mu­liert – Alarm zu schla­gen: Es war doch defi­ni­tiv klar, dass man mit einer Mord­se­rie in zwei gro­ßen Städ­ten in der Bun­des­re­pu­blik kon­fron­tiert war. Und was pas­sier­te nun? Rich­tig: Zwecks genau­er Prü­fung der Tat­waf­fe wand­ten sich die Ham­bur­ger Ermittler*innen an das BKA und war­te­ten. Wie lan­ge?  Es soll­te lan­ge zwei Mona­te, sprich bis zum 31. August 2001, dau­ern, bis das BKA die Iden­ti­tät der Tat­waf­fen im Ham­bur­ger und den bei­den Mor­den an Şimşek  und Özüd­oğru fest­stell­te. Gleich dazu die nächs­te Fra­ge: War­um hat das BKA die eigent­lich seit Ende Juni 2001 anste­hen­de kri­mi­nal­tech­ni­sche Unter­su­chung erst Ende August abge­schlos­sen?  In Mün­chen hat­te sich, kei­ne 72 Stun­den zuvor, der nächs­te Mord, der vier­te in der Serie, ereig­net: Am 29. August 2001 zwi­schen 10.35 und 10.50 Uhr erschos­sen die Mör­der im „Frisch­markt“ in der Bad-Schach­e­ner-Stra­ße 14 in Mün­chen den hin­ter dem Kas­sen­t­re­sen ste­hen­den 38-jäh­ri­gen tür­ki­schen Gemü­se­händ­ler Habil Kılıç. Das BKA ermit­tel­te  hier bin­nen kür­zes­ter Frist, schon am 4. Sep­tem­ber, dass es sich um die­sel­be Čes­ká 83-Tat­waf­fe wie bei den drei vor­an­ge­gan­gen Mor­den gehan­delt hat­te. Denk­bar wäre auch, dass sich nach dem Mord an Kilic sowohl das BKA wie auch die Ham­bur­ger Ermittler*innen mit einem Mal an die noch offe­ne Anfra­ge bezüg­lich der Tat­waf­fe von Ham­burg von Ende Juni 2001 erin­nert hatten.

Deut­lich zu lan­ge Frist

Ende August 2013 wur­de der Abschluss­be­richt des ers­ten Par­la­men­ta­ri­schen Unter­su­chungs­aus­schus­ses des  Bun­des­ta­ges zum NSU-Kom­plex ver­öf­fent­licht. In ihren gemein­sa­men Bewer­tun­gen erklär­ten sich alle Frak­tio­nen mit den in Bezug auf die Mord­sa­che Taş­köprü unge­wöhn­lich schlep­pend durch­ge­führ­ten Ermitt­lun­gen nicht zufrie­den. Eine „deut­lich zu lan­ge Frist“ ist da ver­merkt. Ja, so darf man es wohl for­mu­lie­ren, um dann noch  nach­zu­schie­ben, dass lei­der „nicht geklärt wer­den konn­te, wer für die Ver­zö­ge­rung die Ver­ant­wor­tung trug“, zumal „nach dem nächs­ten Mord in Mün­chen (…) die Fest­stel­lung der Seri­en­zu­ge­hö­rig­keit weni­ger als eine Woche“ gedau­ert habe.[2]

Doch es kommt noch bes­ser: Das Poli­zei­prä­si­di­um Mit­tel­fran­ken ver­öf­fent­lich­te aus direk­tem Anlass der Ermor­dung von Kılıç am 5. Sep­tem­ber 2001 eine Pres­se­mel­dung. In Bezug auf den „Mord an tür­ki­schen Staats­an­ge­hö­ri­gen in Nürn­berg“ wird nun in der Über­schrift auf einen „Zusam­men­hang mit Mord­fall in Mün­chen“ hin­ge­wie­sen: „Auf Grund des Schuss­waf­fen­ver­gleichs“ bei den Mor­den an Şimşek (9.9.200) und Özüd­oğru (13.6.2001) sei „eine Iden­ti­tät der Tat­waf­fen fest­ge­stellt“ wor­den. Nun sei auch „der tür­ki­sche Staats­an­ge­hö­ri­ge Habil K. in sei­nem Obst- und Gemü­se­la­den erschos­sen auf­ge­fun­den“ wor­den. In der Pres­se­mit­tei­lung wird von der Poli­zei nicht von einer Mord­se­rie gespro­chen, aber wei­ter wird aus­ge­führt: „Wie jetzt fest­steht, ist auch im Mün­che­ner Fall die Tat­waf­fe iden­tisch. Alle Fäl­le sind bis­her noch nicht geklärt.“[3] Alle Fäl­le? Der Mord an Süley­man Taş­köprü wird doch expli­zit nicht erwähnt. War­um wird er von der Poli­zei auch zu die­sem Zeit­punkt offen­bar nicht zu „allen Fäl­len“ gezählt? Und das obwohl ein paar Tage zuvor vom BKA die Iden­ti­tät der Tat­waf­fe bestä­tigt wor­den war.

Türkische Mentalität“

Nächs­te Fra­ge: Wie lan­ge dau­er­te es denn nun bis die Ermittler*innen dazu bereit waren, die Öffent­lich­keit von dem Mord an Taş­köprü als Teil der­sel­ben Mord­se­rie zu unter­rich­ten? Kur­ze Ant­wort: Zwei wei­te­re Mona­te. Erst am 9. Novem­ber 2001 setz­te das Poli­zei­prä­si­di­um Mit­tel­fran­ken die Öffent­lich­keit via Pres­se­mit­tei­lung nun auch über einen, wie sie for­mu­lier­te, „Zusam­men­hang jetzt auch mit Mord­fall in Ham­burg“ in Kennt­nis. Vier Mona­te waren nun ver­gan­gen nach­dem die Nürn­ber­ger Ermittler*innen die Ham­bur­ger Polizeikolleg*innen im Mord­fall Taş­köprü auf den unmit­tel­ba­ren Zusam­men­hang mit einer Mord­se­rie auf­merk­sam gemacht hat­ten. Immer­hin fin­det sich in die­ser Pres­se­mit­tei­lung erst­mals der Begriff „Mord­se­rie“. Hier hielt es die Poli­zei für ange­zeigt, dar­auf hin­zu­wei­sen, dass sich „nach Zeu­gen­an­ga­ben (…) zwei Tage vor dem Ver­bre­chen (an Taş­köprü) drei Tür­ken in dem Laden auf­ge­hal­ten haben und sich mit dem spä­te­ren Mord­op­fer in sehr aggres­si­ver Wei­se gestrit­ten haben.“[4]

Die Poli­zei fer­tig­te nach die­sen Anga­ben ein Phan­tom­bild an. Die zu der Pres­se­mit­tei­lung hin­zu­ge­füg­te Bild­ver­öf­fent­li­chung zeig­te zwei „süd­län­disch“ aus­se­hen­de Ver­däch­ti­ge. Den Betrachter*innen wird so nahe­ge­legt, es habe sich  um einen Streit „unter den Tür­ken“ gehan­delt.. Igno­riert wur­den die gegen­läu­fi­gen Anga­ben in den Tat­be­ob­ach­tun­gen des Vaters von Süley­man Taş­köprü, der ja aus­ge­schlos­sen hat­te, dass die bei­den Täter „süd­län­disch“ aus­ge­se­hen hät­ten, auch weil von ihm deren Haar­far­be als hell beschrie­ben wor­den war. Denk­bar hier, dass die Polizeibeamt*innen die­ser Aus­sa­ge aus einem bestimm­ten Grund kei­ne beson­de­re Auf­merk­sam­keit schen­ken woll­ten: So for­mu­lier­te die­se Pres­se­mit­tei­lung eine in der Sache zwar fal­sche, gleich­wohl für die wei­te­ren poli­zei­li­chen Ermitt­lun­gen in den nächs­ten Jah­ren wirk­sa­me ras­sis­ti­sche Erzäh­lung: „Die Ermitt­lun­gen gestal­te­ten sich auf­grund der tür­ki­schen Men­ta­li­tät und der damit ver­bun­de­nen Zurück­hal­tung sowie der Sprach­bar­rie­re von Anfang an sehr schwierig.“

Kei­ne Soko für Hamburg

Auch heu­te noch tür­men sich die wei­ter offe­nen Fra­gen zu den Ermitt­lun­gen der Ham­bur­ger Poli­zei im Mord­fall Taş­köprü auf. Wie mag denn gera­de in den ers­ten Mona­ten nach dem 27. Juni 2001 die Zusam­men­ar­beit zwi­schen den Ham­bur­ger und den Nürn­ber­ger Straf­ver­fol­gungs­be­hör­den aus­ge­se­hen haben, die der Öffent­lich­keit in der Pres­se­mit­tei­lung vom 9.11.2001 als „eng“ vor­ge­stellt wor­den war?  Wie eng konn­te sie gewe­sen sein, wenn schon im Nürn­ber­ger Fern­schrei­ben vom 28. Juni 2001 dar­auf hin­ge­wie­sen wur­de, dass zwei Tötungs­de­lik­te an tür­ki­schen Staats­bür­gern in Nürn­berg mit der glei­chen Tat­waf­fe ver­übt wor­den sei­en? Und war­um wur­de in Ham­burg nicht wie in Nürn­berg Mit­te Sep­tem­ber 2001 eine Soko gebil­det, als all­mäh­lich klar wur­de, dass es sich um eine Mord­se­rie han­del­te? Fra­gen über Fragen.

Die Ham­bur­ger Sicher­heits­be­hör­den haben den par­la­men­ta­ri­schen Unter­su­chungs­haus­schüs­sen zum NSU bis­lang allein Kri­mi­nal­ober­rat Felix Schwarz als Zeu­gen zur Ver­fü­gung gestellt. Und der trat sei­nen Dienst in der dies­be­züg­li­chen Mord­kom­mis­si­on erst ab dem 1. Febru­ar des Jah­res 2006 an. Inso­fern konn­te er bei sei­nen Befra­gun­gen im Ber­li­ner und Meck­len­bur­ger Unter­su­chungs­aus­schuss für die Zeit der poli­zei­li­chen Ermitt­lun­gen in Ham­burg in der Mord­sa­che Taş­köprü in den Jah­ren 2001 ‑2003 vie­les allen­falls vom Hören­sa­gen kolportieren.

Grüne Schritte

Mit­te April 2023 wur­de der Antrag der Par­tei Die Lin­ke in der Ham­bur­ger Bür­ger­schaft auf die Ein­set­zung einen NSU-Unter­su­chungs­aus­schus­ses abge­lehnt. Bei Annah­me hät­te die­ses Gre­mi­um in weni­ger als sechs Mona­ten sei­ne Arbeit auf­neh­men kön­nen. Von der Frak­ti­on der Grü­nen war der Antrag der Lin­ken trotz eines gegen­läu­fi­gen Par­tei­tags­be­schlus­ses nicht unter­stützt wor­den. Gemein­sam mit der SPD nahm sie in der Bür­ger­schaft den Antrag an, nun­mehr die „Auf­ar­bei­tung des NSU-Kom­ple­xes im Rah­men einer wis­sen­schaft­li­chen Stu­die“ durch­zu­füh­ren.[5] Das sei doch „ein gro­ßer Schritt in Rich­tung umfas­sen­de­rer Auf­klä­rung“, gaben sich die Grü­nen in einer Pres­se­mit­tei­lung damals über­zeugt.  Mehr noch: Die Grü­nen bezeich­ne­ten es als ganz „ent­schei­dend (…), dass die Auf­klä­rungs­ar­beit nun end­lich und inten­siv vor­an­ge­trie­ben wird.“ Eben dies „soll­te der Fokus der Debat­te sein und blei­ben.“[6] Wie wur­de nun die Auf­klä­rungs­ar­beit „inten­siv vor­an­ge­trie­ben?“ Die Fort­schrit­te sind schlep­pend: Nach jüngs­ter Aus­kunft der Pres­se­stel­le der Ham­bur­ger Bür­ger­schaft gibt es inzwi­schen  bei der Prä­si­den­tin der Ham­bur­gi­schen Bür­ger­schaft einen Bei­rat, der zunächst nur damit beauf­tragt ist, ein Ver­ga­be­ver­fah­ren bis zum Ende das Jah­res 2024 abzu­schlie­ßen, „so dass mit der wis­sen­schaft­li­chen Auf­ar­bei­tung zum Jah­res­be­ginn 2025 begon­nen wer­den kann. Ein Büro für den Bei­rat ist nicht ein­ge­rich­tet, er tagt in den Sit­zungs­räu­men der Bür­ger­schaft.“ (Mail an den Ver­fas­ser vom 18.6.2024)

Somit darf zunächst ein­mal tro­cken fest­ge­stellt wer­den: Der von den Grü­nen Mit­te April 2023 vor mehr als einem Jahr ver­spro­che­ne  „gro­ße Schritt“ in Sachen „umfas­sen­der“ NSU-Auf­klä­rung in Ham­burg ist bis­lang unter­blie­ben. Für die seit April 2023 als Alter­na­ti­ve zu einem Unter­su­chungs­aus­schuss ange­streb­te „wis­sen­schaft­li­che Stu­die“ exis­tiert auch am 23. Todes­tag von Süley­man Taş­köprü noch nicht ein­mal eine Ausschreibung.

 

Fuß­no­ten:

[1] Poli­zei­prä­si­di­um Mit­tel­fran­ken POL-MFR: (1123) Mord­fall Özüd­oğru — hier: Zusam­men­hang mit Mord­fall Şimşek, PM vom 18.6.2001, URL: https://​www​.pres​se​por​tal​.de/​b​l​a​u​l​i​c​h​t​/​p​m​/​6​0​1​3​/​2​5​7​963

[2] BT-Drs. 1714600 v. 22.8.2013, S. 835

[3] Poli­zei­prä­si­di­um Mit­tel­fran­ken (Nürn­berg) POL-MFR: (1705) Mord an tür­ki­schen Staats­an­ge­hö­ri­gen in Nürn­berg — hier: Zusam­men­hang mit Mord­fall in Mün­chen, PM vom 5.9.2001, URL: https://​www​.pres​se​por​tal​.de/​b​l​a​u​l​i​c​h​t​/​p​m​/​6​0​1​3​/​2​7​9​915

[4] Poli­zei­prä­si­di­um Mit­tel­fran­ken POL-MFR: 2073. Mor­de an tür­ki­schen Staats­an­ge­hö­ri­gen in Nürn­berg und Mün­chen hier: Aktu­el­ler Ermitt­lungs­stand: 9.11.2001 mit Bild­ver­öf­fent­li­chun­gen Zusam­men­hang jetzt auch mit Mord­fall in Ham­burg, URL: https://​www​.pres​se​por​tal​.de/​b​l​a​u​l​i​c​h​t​/​p​m​/​6​0​1​3​/​2​9​8​764

[5] FHHH Drs. 2211561 v. 12.4.2023

[6] Grü­ne Ham­burg, NSU-Auf­klä­rung: Umfas­sen­de Stu­die als wich­ti­ger Schritt Rich­tung umfas­sen­de­rer Auf­klä­rung, PM vom 13.4.2023, URL: https://​www​.grue​ne​-ham​burg​.de/​n​su/

Zum Wei­ter­le­sen

Frak­ti­on DIE LINKE in der Ham­bur­gi­schen Bür­ger­schaft, Der NSU-Kom­plex in Ham­burg / Das Recht auf Auf­klä­rung ver­jährt nicht, Ham­burg 2023