Rezension: Klaus Theweleit: Das Lachen der Täter: Breivik u.a. Psychogramm der Tötungslust. Wien: Residenz Verlag, 2015.

«Das Lachen der Täter» und nicht der Täterinnen. Das generische Maskulinum verwendet Theweleit nicht wie so viele um der leichteren Lesbarkeit willen. Es ist das Lachen der Täter: der Männer und nicht der Frauen. Denn es gibt keine Täterinnen. Die Kernthese des Buchs steckt damit bereits im Titel.
Die Tat, bei der die Männer lachen, ist Töten in Form von Mord und Totschlag, das Quälen, Foltern und Vergewaltigen. Die Frage, die sich Theweleit stellt: Warum lachen Täter dabei? Warum empfinden sie Lust währenddessen oder wenn sie hinterher von ihren Taten berichten?Das berühmteste Beispiel ist Anders Breivik. 2011 platzierte Breivik als Polizist verkleidet im Olsoer Regierungsviertel eine Bombe, die acht Menschen tötete und Dutzende verletzte, bevor er auf die Insel Utøya fuhr und dort in einem Jugendzeltlager der norwegischen Arbeiter_innenpartei mit einem Maschinengewehr und einer Pistole 68 Teilnehmende erschoss. Breivik war nicht vorbestraft. Er war aktiv auf Neonazi- und anti-islamischen Internetseiten. Zeug_innen berichten, dass er gelacht habe, während er den Jugendlichen auf der Insel Utøya aus einem halben Meter Entfernung in den Kopf schoss. Aus dem Gerichtssaal, wo ihm später der Prozess gemacht wird, gibt es zahlreiche Fotos mit einem Lächeln auf den Lippen des norwegischen Massenmörders.

Nach Theweleit liegt der Grund für eine solche Tötungslust im männlichen Körper. Wie schon in seinen berühmten «Männerphantasien» (1977÷78) behauptet er, der männliche Körper neige deswegen zu Gewalt, weil er bei der Geburt fragmentiert geblieben und in der frühen Entwicklung „nicht zu Ende geboren“ sei. Dadurch seien die Männer zerstört und versuchten, diese Zerstörung durch einen Spannungsausgleich zu überwinden. Obwohl ein Eckpfeiler von Theweleits Buch die These ist, dass Täter wie Breivik ganz normale Männer seien, nicht psychisch krank oder ideologisch verbrämt (S.24f), wiesen sie aber eine Besonderheit im Umgang mit ihrer Fragmentierung auf: Denn die unvollständigen oder zerstörten Männerkörper sehnten sich zwar alle nach einem Spannungsausgleich (S.85), aber nicht alle müssten dafür töten. Während Nicht-Täter-Männer durch Sex oder Musik einen Spannungsausgleich empfänden, gelinge dies den lachenden Tätern durch das Umbringen anderer Menschen (S.92). Laut Theweleit körperlich-energetisch vergleichbare Vorgänge. Bei den Tätern ziele das Töten als «Tätigkeit auf die – möglichst vollkommene – Zerstörung anderer Körper […]», um sich selbst ganz und heil zu fühlen. Die dabei empfundene Lust äußere sich in Lachen und sei vergleichbar mit dem Auftreten eines Orgasmus (S. 92). Es sei die Abgrenzung gegenüber dem Getöteten, dem menschlichen Opfer – das bei extremer Brutalität nur noch «blutiger Brei» sei (S.227) –, die den Täter sich ganz fühlen lasse. Das dabei entstehende Hochgefühl drücke sich in Lachen aus, für Theweleit «die Begleiteruption zur eigenen Selbstgeburt» (S.137).
Welche der normalen, aber «fragmentiert» geborenen Männer werden nun zu Tätern? Mal schreibt Theweleit, die ganz normalen Männer erfüllten durch ihr Töten das «Grundgesetz ihrer jeweiligen Gesellschaftsgebilde oder ‚Kulturen’», mal, das Töten sei das zentrale Mittel dieser Körper, um den Spannungsausgleich zu erreichen (S.91/92). Damit wären aber ja alle Männer gemeint. Er echauffiert sich geradezu, wenn andere Autor_innen dies als «besorgniserregende Erkenntnis» einordnen, weil es seiner Meinung nach «schlicht anzuerkennen gilt, dass die Mordvollzüge immer von ganz normalen Männern in ganz normalen Organisationen aus- und durchgeführt werden» (S.224). Doch schließlich töten nicht alle Männer dieser Erde, um sich zu entspannen. Und an anderer Stelle scheint auch bei Theweleit der Weg zum Spannungsausgleich – über Sex oder brutale Gewalt – nicht vom Mannsein allein abhängig, sondern von der Entwicklung einer gesunden Sexualität. Zu Vergewaltigungen von Frauen behauptet der Autor: «An Körpern, die lustvolle Sexualität wünschen, versagt das Glied in solchen Fällen seinen Dienst. Es geht dann nichts mehr. Jedenfalls bei sexuellen Körpern» (S.112). Theweleit belegt diese These in einem Interview mit der Zeitschrift «konkret» (9÷2015) empirisch, wenn auch mit kleiner Stichprobenanzahl: «Männer mit einer Sexualität, die sich in lustvollen Beziehungen entwickelt hat, wären dazu nicht in der Lage. Ich kenne jedenfalls nur Leute, denen der Schwanz nicht hochginge bei solcher Aussicht [auf Vergewaltigung der Nachbarstochter, deren Vater daneben steht, Anm. N.Z.].» Sind es somit asexuelle Männer, die beim Morden Lust empfinden? Stellenweise klingt das lustvolle Tötungsverhalten bei Theweleit trotz seiner These von der «Normalität» dieser Männer sogar verdächtig pathologisch begründet. Zumindest findet er es scheinbar nicht normal, was immer er damit meint.
Soviel zur These des Buchs. Theweleit reißt hierfür neurologische Erklärungen an. Mit Zitaten des Hirnforschers Antonio Demasio aus Harvard erklärt er die dynamische Verbindung zwischen Körper und Neuronen. Demnach gäbe es eine «Repräsentation der Außenwelt im Gehirn», einer Art Mapping aller relevanten körperlichen Prägungen in den Neuronen (S.84). Daran knüpft er mit seiner These des männlichen, fragmentierten Körpers an. Die körperlichen Erfahrungen des Tötens würden in den Zellen gespeichert und führten in den Neuronen zum Spannungsausgleich (S.88 f.). Doch was das für die moralische, aber auch pragmatische Frage nach Eigenverantwortung oder Determiniertheit eines Täters bedeutet, bleibt leider unbehandelt.
Stattdessen fährt Theweleit mit über 20 Beispielen auf. Taten und Täter, die, wie er behauptet, «sich so sehr ähneln und in so übereinstimmenden Emotionsausbrüchen wie dem Lachen beim Morden äußern» (S.85): In Wirklichkeit sind es auch im Bezug auf das Täterverhalten stark unterschiedliche Gräueltaten aus der jüngeren und jüngsten Menschheitsgeschichte. Darunter finden sich weltbekannte – wie die Erschießungskommandos der deutschen Wehrmacht, die Genozide in Ruanda und Srebrenica, Breivik oder die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) – als auch lokalere Beispiele wie Frauengangs aus Los Angeles (S.102). Moment. Frauenbanden? Lachen Frauen als Täterinnen also doch? Ja. Aber das ist für Theweleit kein Gegenargument zu seiner Theorie, eher eine Ausnahme, die aber als solche nicht benannt wird. Ohnehin wird im von ihm zitierten taz-Artikel behauptet, die Frauen der Gangs in L.A. seien «hart geworden, oder geben vor, hart zu sein». Das klingt, als könnten nur Männer wirklich authentisch hart sein und passt derart interpretiert auch wieder zur Kernthese des Buchs.
Theweleit schreibt locker, frei heraus. Oft bestehen Sätze nur aus einem einzigen Wort. Es liest sich so, als würde er live diskutieren. Großzügig zitiert er aus Zeitungen, vor allem der taz und der Süddeutschen Zeitung, wenn er die jeweiligen Fallbeispiele von Täterverhalten abhandelt. Die von ihm zusammengestellte Sammlung offenbart die Vielzahl von Tötungsexzessen und deren Brutalität. Es hinterlässt Fassungslosigkeit, dass solche Taten möglich sind. Theweleit packt eine_n genau bei dieser Fassungslosigkeit und bei der Versuchung, die Taten mit dem Etikett der Unmenschlichkeit ins Dämonische, weit entfernt vom eigenen Ich, zu schieben. Stattdessen fordert er auf, zu erkennen, dass es menschliche Körper sind, die töten, und dass es Menschen sind, die dabei Lust empfinden können. Einige seiner Beispiele teilen tatsächlich die Gemeinsamkeit von Tätern, die sich ihrer Taten erfreuen, sei es im Akt des Vollziehens selbst oder hinterher, wenn sie gegenüber Richter_innen oder Journalist_innen über ihr Töten berichten oder am Stammtisch damit prahlen. Doch zu viele Beispiele überzeugen nicht, scheinen eher um der Quantität willen herbeigezogen, während ein «Lachen der Täter» dort jedoch nicht belegt ist, sondern vom Autor vielmehr vermutet wird. Theweleits Quellen sind oft ungenau. Wenn er zum Beispiel bei Ruanda über den berüchtigten „Hate Radio“-Sender RTLM schreibt – «Die Gesichter an den Radioapparaten: lächelnd“ (S.71) –, lässt er völlig offen, woher er diese Vermutung nimmt. Ähnlich sein Kommentar zu Hitler, welcher gleichzeitig Theweleits polemische Sprache illustriert: „Man kann ziemlich sicher sein, dass dieses auserwählte Stück Sonderscheiße sich verabschiedete mit einem Lächeln, als er Eva Braun erschoss und dann, hohnlachend, sich selbst“ (S.118).
Die vielen Unstimmigkeiten im Buch zeigen: Theweleit scheut keine Widersprüche.
Stattdessen zelebriert er geradezu einen provokanten Schreibstil und die steile These. Man stolpert schon mal über eingestreute Behauptungen wie: «Wer eine Stunde lang redet, um eigene Standpunkte zu untermauern und seine Handlungen zu rechtfertigen, ist strukturell ein Faschist; unabhängig davon, was er ‚inhaltlich’ sagt» (S.140). Indem er in den Tonfall der lachenden Täter verfällt und zynisch beschreibt «wie witzig» ihre Taten gewesen seien oder zu Breivik fragt: «Er ist ein Held, nicht wahr?», zwingt Theweleit seine Leserinnen und Leser dazu, sich mit dem Buch und seinem Autor auseinanderzusetzen.
Im Gegensatz zum gängigen wissenschaftlichen Jargon der Relativierung mit vagen, verschachtelten Sätzen erleichtert dieser Stil, eine Position zu beziehen. Jedoch wäre es für den_die Leser_in leichter, er täte dies nicht auch durch zahlreiche Fußnoten, die oftmals lediglich aus flapsigen Kommentaren bestehen. Die wirken, als hätte er sie sich schlicht und ergreifend nicht verkneifen können – tragen jedoch rein gar nichts zum Verständnis und nur selten zur Unterhaltung bei. Leider geht gegen Ende des Buchs der Zynismus mit Theweleit durch die Decke, sobald er auf die Analyse der Wehrmachtsverbrechen durch das Autorenduo Harald Welzer und Sönke Neitzel mit ihrer Studie über «Soldaten» (2011) eingeht. Seine Kritik an ihrer Einschätzung der mörderischen Gräueltaten als innerhalb eines «Referenzrahmens Krieg» nicht allzu bedeutend erfolgt unsachlich (S.123). Theweleit scheint hier seinen gekränkten Stolz darüber, dass Welzer und Neitzel in ihrem Buch die von ihm übernommenen Thesen aus den «Männerphantasien» nicht kenntlich machen, zur Schau zu tragen. Er stilisiert sich selbst zum Opfer, und zwar von Auslöschung: Das Vorgehen der beiden Autoren zeige, so Theweleit allen Ernstes, den Willen, seine Bücher «auslöschen» zu wollen (S.237). Dabei schreibt der Autor selbst beim antimuslimischen Rassismus auch vom Neid Breiviks auf den muslimischen Mann, ohne dabei auf Edward Saids «Orientalismus» (1978) zu verweisen. Bei den Passagen mit persönlichen Angriffen – Welzer und Neitzel behandelten einen Forschungsgegenstand, «dem sie nicht gewachsen sind» – oder bei der Unterstellung, dass sie am Abend in Kneipen «über Angenehmeres» «gelöst ablachen» würden (S.124), fragt sich der_die Leser_in, ob „der große“ Theweleit das wirklich nötig hat.
Schlimmer sind aber Sätze wie diese: «Muslime weltweit empören sich über den Tod von Frauen und Kindern, lehnen eine von US-Panzern aufgezwungene Demokratie ab. (Die meisten von ihnen lehnen die ‚Demokratie’ sowieso ab.)» (S. 208). Der Satz in Klammern steht im Abschnitt zum Irakkrieg. Diese falsche, gruppenbezogen diffamierende Aussage wird auch durch die Anführungsstriche beim Wort Demokratie nicht weniger antimuslimisch verstanden, auch wenn damit die zuvor erwähnte ‚Zwangsdemokratie’ durch US-Panzer gemeint sein mag. Das ist fahrlässiger Stammtischstil. Denn der Autor schreibt unvorsichtig und diskriminierend in gesellschaftlichen Zusammenhängen der Taten rund um Mord und Terror: hier im Kontext von antiislamischer Hetze und antimuslimischen Vorurteilen. Wer wie der Autor zwölf lange Seiten aus Breiviks anti-islamischer, rassistischer Propagandarede wiedergibt und damit schriftlich vervielfältigt – trotz des Hinweises, dass Breivik mehrfach betont habe, seine Tat nur begangenen zu haben, um Aufmerksamkeit für sein «Manifest» zu erzwingen (S.156) –, der sollte nicht derart über Muslim_innen schreiben.
Ebenso wenn er von Alfons Rosenbruch aus Hamburg erzählt, der 2014 im Alter von 19 Jahren in Syrien stirbt. Mit Zitaten aus einem taz-Artikel schildert Theweleit dessen familiäres und freundschaftliches Umfeld. Rosenbruchs Eltern hätten getrennt gelebt und zum Vater habe Alfons die ersten sechseinhalb Jahre seines Lebens keinen Kontakt gehabt (S.194). Theweleit geht auf den von der taz interviewten Freund Rosenbruchs ein: «Aziz (Name geändert)». Der habe über Rosenbruch gesagt, ein schlechter familiärer Hintergrund treffe für seinen Freund nicht zu (S.193). Aber eine Seite später belehrt Theweleit uns eines besseren: Die im Zeitungsartikel berichteten Konflikte mit dem Vater belegten: «Damit ist der Punkt ‚gute Familie’, den Freund Aziz vorgebracht hat, wohl hinfällig.» Theweleit wird hier wie so oft zynisch. Den endgültigen Bruch mit dem Vater im Alter von 16 Jahren kommentiert er, wenn auch in Anführungsstrichen, mit «‚Gute Familie‘». Vor allem der anschließende Satz von Theweleit ist problematisch: «Aus Aziz’ Sicht, der vermutlich Schlimmeres kennt, vielleicht schon» (S.194). Wieder eine Aussage ohne jegliche Herleitung. Aziz’ Familie wird im taz-Artikel nicht beschrieben und von Theweleit ebenso wenig. Ohne Angabe einer einzigen Information über Aziz’ Leben wirkt es stattdessen so, als mache Theweleit seine Vermutung an dessen (vom taz-Autor geänderten) Namen fest. Vermutungen sind per se erlaubt und könnten auch ohne Begründung überzeugen. Doch diese schlägt zu sehr in ein rassistisches Vorurteil: nicht-deutsch oder gar muslimisch klingende Namen, ergo zerrüttete Familienverhältnisse. Das wäre antimuslimischer Rassismus par excellence. Doch wer Breiviks anti-muslimischen Rassismus ein paar Seiten zuvor abdruckt, muss sich klar von diesem distanzieren und sollte sich zu keinen aus der Luft gegriffenen Vermutungen über Menschen, deren Namen für die weiße Mehrheitsgesellschaft nach nicht-deutscher, muslimischer Herkunft klingen, hinreißen lassen.
Außerdem ist zu kritisieren, dass Theweleit in einem Buch, das sich zentral zu einer Geschlechterfrage äußert, derart nachlässig damit umgeht, seine Sprache zu gendern. In den 246 Seiten von «Das Lachen der Täter» verwendet er durchgehend das generische Maskulinum, nicht nur inhaltlich-logisch bei den Tätern, sondern auch bei Journalisten, Experten, Zuhörern…. Unter den zitierten Journalist_innen sind dabei über 20 Frauen. Diese sind von Theweleit in der männlichen Schreibweise vielleicht mitgedacht und mitgemeint. Die Ausnahme bildet die Berufsgruppe der «Lehrerinnen» (S. 187, 191): Die findet sich in gegenderter Binnen-I-Schreibweise. Als lohne es sich nur im Care-Bereich neue Ausdrucksformen zu wagen, weil hier so viele Frauen beschäftigt sind. Diese inkonsequente Schreibweise suggeriert im Umkehrschluss, es gäbe in den übrigen Berufsgruppen keine ernstzunehmende Anzahl von Frauen, als das er sie kenntlich machen müsste.Von anderen Formen von Geschlechtlichkeit ganz zu schweigen. Auch dass er für Sexarbeiterinnen oder Prostituierte die Berufsbezeichnung «Nutte» in einer Fußnote wählt um das altmodische «Frauenzimmer» (S.125) zu erklären, zeugt nicht von einer feministischen Haltung.
Laut Theweleit bewegt sich eine Beschäftigung mit lachenden Mördern auf «keineswegs ungesichertem Terrain» (S.85). Sein Buch kann das Terrain aber nicht weiter festigen. So macht «Das Lachen der Täter» im besten Fall neugierig auf weitere Versuche einer Erklärung für die «monströsen» Taten von «ganz normalen Männern». Theweleits Buch regt an, das Ziel einer Gesellschaft ohne physische Gewalt und dessen Verwirklichung zu hinterfragen und über Schuld sowie die Existenz eines freien Willens nachzudenken. Es ist ein Verdienst des Buchs, mit dem Fokus auf die fragmentarische Zurichtung des (Männer-)Körpers und seine zentrale Rolle beim Töten, dessen Bedeutung für die Erklärung individueller wie gesellschaftlicher Phänomene zu stärken.