Kundgebung vor dem Gerichtsgebäude in Frankfurt am Main, wo, das Oberlandesgericht den Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke verhandelt
Ahmed I. ist Nebenkläger im Prozess zum Mord an Walter Lübcke, der am 2. Juli 2019 im vergangenen Jahr von den beiden Angeklagten erschossen worden sein soll. Abends am 6. Januar 2016 stach mutmaßlich der Neo-Nazi Stephan E. dem aus dem Irak geflüchteten jungen Mann mit einem Messer in den Rücken. Ahmed I., zur Zeit des Anschlags auf sein Leben gerade einmal 20 Tage in Deutschland, vermutete damals schon einen rassistischen Tathintergrund. Die Polizei konnte jedoch damals keinen Täter ausfindig machen.
Die Berichte aus und über Unterkünften für Geflüchtete aus verschiedenen Teilen Deutschlands zeichnen alle ein ähnliches Bild: In vielen Sammellagern ist die Situation für die Menschen vor Ort nach wie vor katastrophal. Wir berichteten bereits Mitte April darüber: Mindestabstände können aufgrund der Enge, mangelhafter Gemeinschaftstoilletten und geteilter Wohnräume nicht eingehalten werden und führen zu rasanten Ausbreitungsketten mit dem SARS-CoV-2-Virus. Fehlende und vorenthaltene Informationen bzw. deren Übersetzung bedeuten außerdem eine enorme psychische Belastung für viele Bewohner*innen. Ihnen wird dabei regelmäßig jegliche Handlungsmöglichkeit und Entscheidungsfreiheit entzogen.
713 Fälle rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Thüringen zählt die Beratungsstelle ezra aus Erfurt seit 2015. Das erklärten die Sprecher*innen Theresa Lauß und Franz Zobel bei einer Pressekonferenz Mitte März. Sie sprachen von einer zunehmenden Eskalation rassistischer Gewalt und von einem damit einhergehenden „Klima der Angst“.
Im letzten Jahr registrierte ezra 108 Vorfälle rechter Gewalt mit mindestens 155 Betroffenen. Diese Zahlen von 2019 beschreiben zwar einen leichten Rückgang im Vergleich zu 166 Taten im Vorjahr, sind aber — mit einer dokumentierten Gewalttat mit rassistischer Motivation fast jeden dritten Tag — dennoch erschreckend hoch. Dies sei mit dem generellen politischen Klima der letzten Jahre zu erklären — dem Wachstum von Bewegungen wie Pegida und einer Partei wie der AfD. So habe es seit 2015 rund 140 Angriffe jedes Jahr in Thüringen gegeben.
Auf Reisen: Berliner Kampf gegen Rassismus, Straflosigkeit und polizeiliche Untätigkeit, die Burak-Initiative in Dessau am 7.1.2018
Das Thema rechte, antisemitische und rassistische Gewalt war vergangene Woche Thema einer Pressekonferenz im Haus der Demokratie und Menschenrechte: Die Dokumentations- und Beratungsstellen ReachOut, die Berliner Registerstellen und Each One (EOTO e.V.) stellten ihre Ergebnisse und Analysen zu entsprechenden Vorfällen im vergangenen Jahr vor und berichteten dabei von größtenteils steigenden Zahlen.
Bei Reyhan Şahin aka „Lady Bitch Ray“ handelt es sich um eine vielseitige Frau, die sich ihres Könnens und ihres Wissens bewusst ist. Man nennt sie auch Dr. Bitch Ray, ein Name der sowohl ihren 2012 erworbenen Doktortitel, als auch ihren Künstlerinnennamen als Rapperin enthält. Reyhan ist eine Rapperin, wie man sie sonst in Deutschland nicht kennt: Akademisch versiert, politisch aktiv und zugleich sexpositiv rappend. Der Karriere als „Lady Bitch Ray“ hat sie mittlerweile jedoch den Rücken zugewandt. Sie hatte genug von den Sexismen und Rassismen in der Hip-Hop-Community, genug davon sich selbst erklären und rechtfertigen zu müssen, genug davon „mit einer Wand zu reden.“ Immerhin hat sie vor anderthalb Jahren noch einmal zwei Rap-Songs eingespielt. Nun verbreitet sie ihre Gedanken auf neuem Wege, wie zum Beispiel über ihr drittes und neustes Buch: Yalla Feminismus!
Wandtapete nähe Görlitzer Park [Foto: KOP Berlin]
Massimiliano Panero und Simone di Stefano präsentieren das gemeinsame Wahllogo am 07.04.2019 (screenshot)
Ihre Wahlbeteiligung bei der neunten Direktwahl zum Europäischen Parlament im Mai 2019 kündigte am vergangenen Wochenende die faschistische Partei CasaPound Italia an. Parteisekretär Simone di Stefano präsentierte im Innenministerium das Symbol, unter dem die „Faschisten des 3. Jahrtausend“ antreten werden, und verkündete: „Wir werden die [notwendigen] Unterschriften [zur Wahlzulassung] nicht sammeln müssen, auch wenn wir uns auf diese Eventualität bereits vorbereitet haben, weil sich auf dem von uns präsentierten [Partei]Symbol der Verweis auf die „Allianz der Europäischen nationalen Bewegungen“ (AENM) befindet, die vom ungarischen Europaparlamentsmitglied Béla Kovács angeführt wird.“
Auch Cottbus scheint für eine demokratische Gesellschaft und rechtsstaatliche Mindeststandards verloren zu sein: Die Organisation „Women in Exile“ — ein Zusammenschluss von vor Gewalt, Verfolgung, Krieg und Zerstörung geflüchteter Frauen aus aller Welt — hatte am vergangenen Samstag zu einer Demonstration aufgerufen, weil es in den zurückliegenden Wochen zu zahlreichen rassistischen Angriffen und rechtem Terror gekommen war, die völkisch-nationalistische „Bürgerbewegung“ „Zukunft Heimat“ sich formiert hat und — laut der jüngsten Wahl-Blitzumfrage — die rechtspopulistische AfD auf fast 30 Prozent der Stimmen kommen würde. In der Höhle der Rechten waren die Protestierenden mit Anfeindungen, einem rassistischen Angriff, einem Anschlag auf den Demonstrationsbus und einer tatenlosen Polizei konfrontiert. Wir dokumentieren wütend und solidarisch die Pressemitteilung von „Women in Exile and Friends“ und „Cottbus Nazifrei“ vom 12.03.2018:
Der senegalesische Straßenverkäufer Idrissa Diène, der am 5. März in Florenz ermordet wurde. Bild: screenshot
Rassistischer Mord auf offener Straße mitten in Florenz: Am 5. März 2018, einen Tag nach den italienischen Parlamentswahlen Wahlen, hat in der Innenstadt von Florenz der 65-jährige Roberto Pirrone den 54-jährigen Senegalesen Idrissa Diène mit mehreren Schüssen auf der Brücke Ponte Amerigo Vespucci erschossen. Nach der Tat wurde Roberto Pirrone verhaftet. Dabei soll er angegeben haben, dass er sich mit seiner Berretta eigentlich selbst das Leben habe nehmen zu wollen. Doch dann habe er nicht den Mut gehabt und sich entschieden, den Rest seines Lebens im Gefängnis zu verbringen. Mit diesem Vorsatz will er auf der Ponte Vespucci den Regenschirmverkäufer Idrissa Diene erschossen haben.