Die Berichte aus und über Unterkünften für Geflüchtete aus verschiedenen Teilen Deutschlands zeichnen alle ein ähnliches Bild: In vielen Sammellagern ist die Situation für die Menschen vor Ort nach wie vor katastrophal. Wir berichteten bereits Mitte April darüber: Mindestabstände können aufgrund der Enge, mangelhafter Gemeinschaftstoilletten und geteilter Wohnräume nicht eingehalten werden und führen zu rasanten Ausbreitungsketten mit dem SARS-CoV-2-Virus. Fehlende und vorenthaltene Informationen bzw. deren Übersetzung bedeuten außerdem eine enorme psychische Belastung für viele Bewohner*innen. Ihnen wird dabei regelmäßig jegliche Handlungsmöglichkeit und Entscheidungsfreiheit entzogen.
Wo ist die Menschlichkeit: Demonstration gegen die eskalierenden Umstände an der türkisch-griechischen Grenze am Dienstag in Berlin. Foto: Nila Kadi
„Open the borders!“ Die Message ist klar und einfach an diesem Abend, dem vergangenen Dienstagabend, an dem sich mehrere tausend Menschen vor dem Kanzleramt in Berlin versammeln, um gemeinsam zu demonstrieren. Demonstrieren gegen die EU-Abschottungspolitik und für Bewegungsfreiheit, für die Aufnahme von Menschen, die in Not sind, dafür, zu versuchen, Solidarität mit allen fliehenden Menschen zu zeigen.
Bei Reyhan Şahin aka „Lady Bitch Ray“ handelt es sich um eine vielseitige Frau, die sich ihres Könnens und ihres Wissens bewusst ist. Man nennt sie auch Dr. Bitch Ray, ein Name der sowohl ihren 2012 erworbenen Doktortitel, als auch ihren Künstlerinnennamen als Rapperin enthält. Reyhan ist eine Rapperin, wie man sie sonst in Deutschland nicht kennt: Akademisch versiert, politisch aktiv und zugleich sexpositiv rappend. Der Karriere als „Lady Bitch Ray“ hat sie mittlerweile jedoch den Rücken zugewandt. Sie hatte genug von den Sexismen und Rassismen in der Hip-Hop-Community, genug davon sich selbst erklären und rechtfertigen zu müssen, genug davon „mit einer Wand zu reden.“ Immerhin hat sie vor anderthalb Jahren noch einmal zwei Rap-Songs eingespielt. Nun verbreitet sie ihre Gedanken auf neuem Wege, wie zum Beispiel über ihr drittes und neustes Buch: Yalla Feminismus!
Wandtapete nähe Görlitzer Park [Foto: KOP Berlin]
Im Süden: Hinterland
Unter dem Motto „100 Jahre Abschiebehaft“ hat die gesellschaftskritische Quartalsschrift des bayrischen Flüchtlingsrates Hinterland mit seiner ersten Ausgabe dieses Jahres nicht nur einen brisanten Schwerpunkt gesetzt, sondern auch eine Kampagne lanciert. Die Kampagne soll mehr Öffentlichkeit für die Geschichte und Aktualität von Abschiebung, Abschiebehaft und Abschottungspolitik schaffen. Die Absurdität des Konzeptes Abschiebehaft wird in den zahlreichen Beiträgen sehr deutlich: die Inhaftierten haben sich keinerlei Straftat schuldig gemacht und werden dennoch ihrer Freiheit beraubt; und oft scheint im deutschen Kontext die viel gelobte Rechtsstaatlichkeit bei dieser Haft wenig Bedeutung zu haben.
Vierteljahresheft des Bayerischen Flüchtlingsrats „Hinterland“, Nr. 41: „100 Jahre Abschiebehaft“
Ein neues Gesetz, gepaart mit Abschreckungsmaßnahmen, soll Geflüchtete bundesweit zu völlig rechtlosen Menschen machen, über die der Staat willkürlich verfügen kann. Ein Kommentar.
Seit der „Flüchtlingskrise“ 2015, die in Wahrheit eine Krise der Behörden im Umgang mit Geflüchteten war, erleben wir einen Abbau des Flüchtlingsrechts in erschreckendem Ausmaß. Unablässig spuckt das Bundesinnenministerium Papiere, Entwürfe, Gesetzesvorhaben aus, einzeln oder zu Paketen geschnürt. Oft sind die Gemeinheiten versteckt: Wohlfahrtsverbände bekommen höchstens 48 Stunden für eine Stellungnahme, überforderte Parlamentarier*innen winken die Gesetze durch.
Viel wurde über uns geredet, jetzt reden wir!
Auch Cottbus scheint für eine demokratische Gesellschaft und rechtsstaatliche Mindeststandards verloren zu sein: Die Organisation „Women in Exile“ — ein Zusammenschluss von vor Gewalt, Verfolgung, Krieg und Zerstörung geflüchteter Frauen aus aller Welt — hatte am vergangenen Samstag zu einer Demonstration aufgerufen, weil es in den zurückliegenden Wochen zu zahlreichen rassistischen Angriffen und rechtem Terror gekommen war, die völkisch-nationalistische „Bürgerbewegung“ „Zukunft Heimat“ sich formiert hat und — laut der jüngsten Wahl-Blitzumfrage — die rechtspopulistische AfD auf fast 30 Prozent der Stimmen kommen würde. In der Höhle der Rechten waren die Protestierenden mit Anfeindungen, einem rassistischen Angriff, einem Anschlag auf den Demonstrationsbus und einer tatenlosen Polizei konfrontiert. Wir dokumentieren wütend und solidarisch die Pressemitteilung von „Women in Exile and Friends“ und „Cottbus Nazifrei“ vom 12.03.2018: