Die vom Bundesam für Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“ eingestufte Jugendorganisation der AfD steht vor einem grundlegenden Wandel. Verfassungsschutz-Chef Jörg Müller bezeichnete sie in einer Pressemitteilung als „Straßentruppe der AfD“ und als eine Gefahr für die Demokratie. Sie gilt als noch radikalisierter als die Mutterpartei selbst – eine Einschätzung, die zunehmend auch innerhalb der AfD für Spannungen sorgt.[1] Als Lösungsansatz steht eine Umstrukturierung nach dem Vorbild der sozialdemokratischen Jungsozialist*innen (Jusos) zur Debatte. Diese Jugendorganisation der SPD ist eng in die Parteistruktur eingebunden, was eine einfachere Kontrolle und Überprüfung einzelner Mitglieder ermöglicht. Durch diese Änderungen würden alle AfD-Mitglieder unter 36 Jahren automatisch Mitglieder der JA werden. Die JA, eine Jugendorganisation, die sich durch dezidiert nationalistische und rassistische Rhetorik auszeichnet, hat wiederholt Aufmerksamkeit durch ihre Radikalität erregt. Kritiker*innen wie die Linken-Abgeordnete Martina Renner argumentieren, dass die geplante Eingliederung nicht primär auf organisatorische Effizienz abzielt, sondern vielmehr den Zweck verfolgt, die JA-Mitglieder vor staatlichen Maßnahmen und einem potenziellen Verbot zu schützen.
Ideologische Verankerung der Jungen Alternative
Die Junge Alternative für Deutschland (JA) zählt rund 2.500 Mitglieder und wurde 2013 als völkische Jugendorganisation gegründet, die von Anfang an rechtspopulistisch in Erscheinung trat und als Scharnier zur neonazistischen Rechten agierte. Wie viele Bewegungen der Neuen Rechten übernimmt auch die JA die Inhalte der AfD und spitzt diese häufig zu. Trotz einem auf dem Bundeskongress 2016 gefassten Beschluss, sich von rechtsextremistischen Gruppierungen zu distanzieren, bestehen weiterhin enge Verbindungen etwa zur „Identitären Bewegung“ (IB). Trotz der sogenannten „Unvereinbarkeitsliste“, nach der die AfD keine Rechtsextremen aufnehmen dürfte, wurde Jannis George aufgrund einer Aktion der IB, deretwegen er sich vor Gericht verantworten musste, in den Landesvorstand der JA gewählt.[2]
Auch mit der mutmaßlichen terroristischen Vereinigung der „Sächsischen Separatisten“, welche eine rassistische, antisemitische und apokalyptische Ideologie propagieren, gab es seitens der JA bereits Überschneidungen. Die „Sächsischen Separatisten“ haben die Vorstellung eines „freien Sachsens“, das sich von der Bundesrepublik abspalten soll. Anfang November 2024 wurden ein AfD-Stadtrat und weitere AfD-Mitglieder unter dem Verdacht, Mitglieder der „Sächsischen Separatisten“ zu sein und sich an deren gewaltbereiten Aktionen zu beteiligen, festgenommen. Die Mitglieder wurden mittlerweile aus der Partei ausgeschlossen.
Die Programmatik der JA lässt sich durch eine starke Orientierung an ethno-nationalistischen und anti-pluralistischen Idealen charakterisieren. Auf ihrer Website werden Aussagen wie „Deutsche Jugend ist rechts und geht aufrecht“ und „Unser Volk zuerst“ prominent platziert. Dies offenbart eine völkisch geprägte Weltanschauung, die mit der Idee einer offenen Gesellschaft nichts zu tun hat. Solche Äußerungen und die enge ideologische Nähe zu anderen faschistischen Strömungen zeigen, dass die JA ein Sammelbecken für radikale Positionen geworden ist. Die Verweigerung, sich dem „woken, linken Zeitgeist“ zu beugen, wird von der JA hochgehalten und ist im Grundsatzpapier der JA verankert.
Die Verstrickung prominenter Mitglieder wie etwa des Bundesvorsitzenden der JA und AfD-Bundestagsabgeordneten Hannes Gnauck, der bereits vom Militärischen Abschirmdienst (MAD) als „Verdachtsfall Rechtsextremismus“ eingestuft wurde, unterstreicht die ideologische Grundausrichtung der Organisation.
Kontrolle und Schutz
Die AfD argumentiert, die Eingliederung der JA diene der besseren Kontrolle und Integration ihrer Jugendorganisation. Doch diese Argumentation wirft einige Widersprüche auf: Ist es tatsächlich Kontrolle, wenn eine Partei ihre Struktur so erweitert, dass radikale Elemente institutionellen Schutz genießen? Oder handelt es sich hierbei um eine bewusste Entscheidung, die den Zweck verfolgt, ein Verbot der JA unmöglich zu machen?
Der Schritt der Eingliederung, der auf dem bevorstehenden Parteitag im Januar 2025 in Riesa beschlossen werden soll, zeigt, dass die AfD ihre Verantwortung nicht in der Distanzierung von extremistischen Tendenzen sieht, sondern vielmehr im institutionellen Schutz ihrer Jugendorganisation. Durch diese Entscheidung liegt nun der Verdacht eher noch näher, dass die AfD die Strukturen demokratischer Rechtsstaatlichkeit nicht als normativen Rahmen anerkennt, sondern als lästiges Hindernis, das es strategisch zu überwinden gilt.
Die geplante Integration der Jungen Alternative in die AfD ist also mehr als ein bloß organisatorischer Vorgang. Sie ist auch ein Signal: Die AfD stellt den Schutz ihrer radikalen Substruktur über die Verantwortung für die inakzeptablen Inhalte, die durch diese propagiert werden. Damit entsteht ein geschlossenes System, das sowohl gegen Kritik von außen als auch Selbstreflexion von innen abschirmt.
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[1] SWR Kultur. (Jahr, Monat Tag). Junge Alternative: Ein Treiber für die Radikalisierung der AfD [Audio]. Abgerufen von https://www.swr.de/swrkultur/leben-und-gesellschaft/junge-alternative-ein-treiber-fuer-die-radikalisierung-der-afd-100.html
[2] „Vom Gerichtssaal in den Vorstand: AfD-Nachwuchs wählt rechtsextremen Aktivisten.“ Zugriff am [Datum], https://www.zvw.de/stuttgart-region/vom-gerichtssaal-in-den-vorstand-afd-nachwuchs‑w%C3%A4hlt-rechtsextremen-aktivisten_arid-883946.