Das Bauhaus in Dessau, hochprätentiöses UNESCO-Kulturerbe, hat sich dieses Vermächtnisses als unwürdig gezeigt: Die Direktorin der geschichtsträchtigen Einrichtung verwies nach etwa 100 Konzerten in Kooperation mit dem ZDF den öffentlich-rechtlichen Sender des Hauses, als die Rostocker Punkband „Feine Sahne Fischfilet“ auf dem Programm stand. Die Begründung war unpolitisch, dumm und geschichtslos, der im Grunde antifaschistischen Geschichte des Bauhauses in keiner Weise angemessen. Man hatte allen Ernstes argumentiert, die Design- und Architekturschule als Unesco-Weltkulturerbestätte solle nicht zum Austragungsort politischer Agitation und Aggression werden.
„Die Wahrheit kommt immer ans Licht. Selbst Gott kann die Wahrheit nicht ändern. Das können nur Historiker.“ Der das sagt, ist Professor Nicholas Kittri, der hoch betagte Neffe des Widerstandskämpfers Leon Feldhendler, dem an diesem Tag postum ein hoher Orden des polnischen Militärs verliehen wird. Anlass ist der 75. Jahrestag des Häftlingsaufstands im deutschen Massenmordlager Sobibór in Ostpolen, nahe der ukrainischen und der weißrussischen Grenze. Am 14. Oktober 1943 erhoben sich die jüdischen Häftlinge, die den Nazis als Instrumente der Vernichtung in den Gaskammern von Sobibór dienten, gegen ihre Peiniger. Feldhendler und der Leutnant der Roten Armee, Alexander Petscherski, führten den Aufstand an. Die Gefangenen töteten 12 SS-Männer und traten eine verzweifelte Flucht durch Stacheldrahtverhau und das Minenfeld an. Von den etwa 365 Fliehenden erreichten nur rund 200 den nahen, rettenden Wald und flohen weiter. Bis zur Befreiung durch die Rote Armee Mitte 1944 wurden weitere etwa 150 Geflohene durch die Deutschen, durch polnische Kollaborateure und antisemitische Partisanengruppen ermordet. 47 der ehemaligen Sobibór-Häftlinge überlebten die deutsche Besatzung.
Das Drama von Faschismus und Flucht: Das Mahnmal für Walter Benjamin in Portbou, wo er sich, nachdem er unter Führung von Lisa Fittko schon die Pyrenäen zu fuß überwunden hatte, aus Angst vor Auslieferung an die Gestapo am 26. September 1940 das Leben nahm.
73 Jahre nach der Befreiung vom Faschismus beobachten wir mit großer Sorge Rechtstendenzen nicht nur in Deutschland und Europa, sondern weltweit. Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus, Nationalismus beziehungsweise Chauvinismus, Autoritarismus, dazu Homophobie und Ausgrenzung von Minderheiten aller Art, zum Beispiel von Behinderten – das, was die Wissenschaft „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ nennt, nimmt allerorten zu und kennzeichnet die gegenwärtige Entwicklung. „Rechtspopulistische“ oder offen faschistische Parteien sind in einer immer größer werdenden Zahl von Ländern an der Regierung beteiligt, auch und gerade in Europa.
Der Rechtsruck in Deutschland, welcher 2015 bald nach dem Sommer der Migration einsetzte, verlangt nach Antworten. Bei der Suche danach hilft ein Blick in die Geschichte des Kampfes gegen Rechts. Alexander Hummel sprach mit Friedrich ‚Fritz‘ Burschel über die Geschichte der Antifa- und Antira-Bewegung, ihre Unterschiede und Gemeinsamkeiten und die Perspektiven einer ‚Antifra‘-Bewegung, welche die falschen Gegensätze aufhebt.
Commune: Bevor wir auf die Verschränkung von Antifaschismus und Antirassismus zu sprechen kommen, müssen wir zunächst die beiden Konzepte klar auseinander halten können. Wie würdest du Antifaschismus einerseits und Antirassismus andererseits definieren?
Fritz Burschel: Antifaschismus zu definieren, ist nicht so leicht; der historische Bezugspunkt ist die Antifaschistische Aktion der 1920er und 1930er Jahre, wo es ein klares Feindbild gab und eine recht eindeutige Ausrichtung als militante Gegenwehr und Selbstschutzorganisation – natürlich im Rahmen einer revolutionären, zumindest sozialistischen Arbeiter_innenbewegung.
Dieses Interview zum Thema „Linke Gewalt“ mit dem Mitarbeiter der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Friedrich Burschel, wurde auf dem Portal „Jugend und Politik“ (https://jup.berlin/linkeGewalt) der Jugend- und Familienstiftung Berlin (jfsb) am 25.5.2018 veröffentlicht. Wir fragen uns noch heute, warum es nach 5 Tagen wieder aus dem Netz genommen wurde. jfsb-seitig hieß es offiziell, man sei mit dem Ergebnis der Diskussion so zufrieden gewesen, dass man noch am Tag einer abschließenden Podiumsdiskussion (die im Netz dokumentiert ist) bestimmte Debattenbeiträge des Dossiers zu „Linker Gewalt“ aus dem Netz entfernte — #merksteselberwa
Friedrich Burschel, Referent zum Schwerpunkt Neonazismus und Strukturen/Ideologien der Ungleichwertigkeit bei der Akademie für Politische Bildung der Rosa-Luxemburg-Stiftung Foto: Privat
Wir dokumentieren das Interview hier unverändert:
In der Themenreihe „Auf Augenhöhe“ beschäftigt sich jup! mit unterschiedlichen Formen von Gewalt. Doch was meint „Gewalt“ genau? Auch wenn ein Adjektiv vorangestellt wird, bringt das nicht mehr Klarheit in die Sache — ganz im Gegenteil. Der Begriff „Linke Gewalt“ wurde und wird häufig von Rechten benutzt, um Ressentiments, also Vorurteile, gegen die Linken zu schüren und sie in ein schlechtes Licht zu rücken. Es gilt also, genau hinzusehen, WER die Begriffe nutzt und IN WELCHEM KONTEXT sie verwendet werden. jup! setzt sich mit dem Begriff auseinander und hinterfragt ihn kritisch. Wir haben mit Friedrich Burschel von der Rosa-Luxemburg-Stiftung genau darüber gesprochen. Außerdem erklärt er im Interview, für was die politische Linke steht, was ihre Ziele und Ideen sind und wo man sich gegen Rechts engagieren kann.
REINHOLD HANNING wird in Detmold wegen Beihilfe zum 170.000fachen Mord zu 5 Jahren Gefängnis verurteilt. Links neben ihm einer seiner Anwälte, Andreas Scharmer Bild: Jarach
Fünf Jahre Haft, die er höchstwahrscheinlich nie antreten wird. Auf den ersten Blick mag das Urteil, das das Landesgericht Detmold (Nordrhein-Westfalen) am Freitag, 17. Juni 2016, gegen Reinhold Hanning wegen der Beihilfe zum Mord in 170.000 Fällen zwischen Januar 1943 und Juni 1944 ausgesprochen hat, sinnlos erscheinen. Aber der Sinn liegt gerade darin, dass ein Urteil auch über 70 Jahre nach der nationalsozialistischen „Endlösung der Judenfrage“, dem Holocaust, und auch über einen 94 Jahre alten Täter von einem deutschen Gericht überhaupt gesprochen worden ist. Das ist was William E. Glied, der als einer von 58 Nebenklägerinnen und ‑klägern aufgetreten ist, sich gewünscht hatte: denen, die die Shoa leugnen, entgegenhalten zu können: „Guckt euch noch mal an, was gerade ein deutsches Gericht ausgesprochen hat“.
Und da hat er auch Recht, denn es ist das erste Mal, dass ein deutsches Gericht den organisierten Massenmord in Auschwitz wirklich verurteilt hat. Nicht nur die Tode in den Gaskammern, sondern auch die Ermordung der Häftlinge im Konzentrationslager selbst durch Verhungern lassen und tödliche Lebensbedingungen, durch Erschießung, willkürliche Selektionen und andere Arten der Ermordung. Die in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen haben all dies vielfach und erschütternd detailliert geschildert und so eine „Geschichtsstunde“ gegeben, die die Kammer gewürdigt hat. Die Vorsitzende Richterin Anke Grudda hat sich während der einstündigen Urteilsverkündung mehrmals direkt an den Angeklagten im Rollstuhl gewandt, der zwar aufmerksam, aber ohne Regung zuhörte.
Gedenktafel für die deutschen und österreichischen Flüchtlinge in Sanary-sur-Mer, unter ihnen Emil Julius Gumbel // Bild: Anima (Own work) [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons
EDEWA: Berlins erster widerständiger Supermarkt
Interessiert beugt sich eine „Kundin“ über eine Packung „Superblödmanns“, ein an die „Schokoküsse“ angelehntes Produkt im ersten antirassistischen und widerständigen Supermarkt Berlins, kurz EDEWA. Nach dem Öffnen erwarten die Besucher_innen keine süßen Leckereien, sondern weiße und schwarze Schokoküsse aus Pappmasche, auf deren Unterseite Gedichte der schwarzen Feministin May Ayim geklebt sind. Diese und weitere antirassistische und antisexistische Produkt-Adaptionen lassen sich in der EDEWA-Filiale in Neukölln bestaunen. EDEWA steht für „Einkaufsgenossenschaft antirassistischen Widerstandes“, eine interaktive Wanderausstellung, die ihre Besucher_innen auf Rassismen und Sexismen, sowie anderen Unterdrückungsformen innerhalb der Mehrheitsgesellschaft aufmerksam machen will.
Dabei haben die Initiator_innen eine Kulisse gewählt, die jede_r von uns kennt. In Form eines Supermarktes zeigen sie die Diskriminierung anhand einer breiten Palette von Produkten, die uns im täglichen Leben so oder so ähnlich begegnen. Am 15.11.2015 fand die Eröffnung inklusive Führung durch die „Filiale“ statt. Dazu kamen etwa 60 Personen in die kleine, namenlose Galerie in die Weserstraße 176 in Berlin-Neukölln.