Es kommt echt nicht häufig vor, dass ich eine Zeitschrift von der ersten bis zur letzten Seite durchlese: Die aktuelle ARCH+ Nr. 235 zu „Rechten Räumen“ habe ich atemlos durchgelesen, entsetzt vom faschistischen Panorama eines Europas auf dem Weg in die Barbarei, das das Heft abschreitet. Und diese Ausgabe einer renommierten Architektur-Zeitschrift ist durchaus nicht nur für Baumeister*innen und Architekturkritiker*innen (Sind wir das nicht alle?) interessant und schafft es „Rechte Räume“ zu definieren, die dahinter liegende Städtebaupolitik, die bauliche geschichtsrevisionistische Erinnerungskultur und den rechten Rekonstruktionswahn freizulegen und den Zusammenhang herzustellen zur aktuellen völkisch-nationalistischen Renaissance und zum offenen Faschismus in Europa.
Interviewbuch „Io sono Matteo Salvini“ aus dem faschistischen Verlag „Altaforte Edizioni“ (screenshot)
In Italien wächst zusammen, was zusammengehört. In den letzten Tagen wurde bekannt, dass auf der anstehenden Turiner Buchmesse ein Interview-Band mit dem italienischen Innenminister Matteo Salvini präsentiert werden soll. Der Titel des Buches lautet „Io sono Matteo Salvini“ (dt.: Ich bin Matteo Salvini) und soll „100 domande all’uomo più discusso di Europa“ (dt.: 100 Fragen an den meist diskutierten Mann Europas) enthalten.
„Der III.Weg“ auf Besuch bei CasaPound Italia im Januar 2019. Gruppenfoto auf der Via Napoleone III, Nr. 8 (screenshot)
Auch in diesem Jahr fand im römischen Stadtteil Tuscolano der jährliche Gedenkmarsch für die drei faschistischen Jugendlichen Franco Bigonzetti, Francesco Ciavatta und Stefano Recchioni in der Via Acca Larentia statt. Sie waren dort im Januar 1978 erschossen worden. Und wie im vergangenen Jahr waren auch in diesem Jahr viele italienische Faschist*innen aus unterschiedlichen Gruppen erschienen, um den drei Toten den römischen Gruß und ein „Presente!“ zu entbieten. Die Bedeutung des jährlichen Totenkults hat unter der Hegemonie von „CasaPound Italia“ in den letzten 10 Jahren stetig zugenommen und ist für die extreme Rechte Italiens immer weiter ins Zentrum gerückt. Unter den zahlreichen Delegationen waren auch Mitglieder ausländischer Gruppierungen aus Kanada, Griechenland, Polen, Schweden, der Ukraine usw. angereist. Auch eine illustre Mischung teutonischer Rechter hatte sich eingefunden, um am historischen Sitz der faschistischen Partei Nachkriegs-Italiens, des „Movimento Sociale Italiano“ (MSI) den längst Verstorbenen einen letzten Gruß nachzubrüllen. Die Runde der Deutschen spannte sich dabei von der neonazistischen Kleinstpartei Der III. Weg, dem Leiter des völkisch-nationalistischen Projekts „Ein Prozent für unser Land“ und Chef des „Jungeuropa Verlags“, Philip Stein, einigen Anhängern der Identitären Bewegung (IB) bis hin zu einem Autor, der für das Online-Portal „Philosophia Perennis“ des AfD-nahen Theologen David Berger über (neu-rechte) Ereignisse in Italien schreibt.
Die Größe und die Stärke der Bewegung der „Gilets Jaunes“ (Gelbwesten), die trotz ihrer Komplexität und Vielfältigkeit ein gemeinsames Ziel — das Streben nach sozialer Gerechtigkeit — aufweist und seit gut einem Monat Frankreich in Atem hält, hat bei den unterschiedlichen Gruppen, Organisationen und Parteien — links wie rechts — Begehrlichkeiten ausgelöst.
So nahmen neben Mitgliedern der rechtsradikalen „Rassemblement National“ (bis Juni 2018 „Front National“) auch (Splitter-)Gruppen der französischen Rechten wie „Bastion Social“, „Action Française“, „Civitas“, „Dissedence Française“, „Parti Nationaliste Français“, „Division Nationaliste Révolutionnaire“ und „Les Identitaires“ an den unterschiedlichen Demonstrationen der „Gilets Jaunes“ teil. Ihre Präsenz bei den Protesten stieß wiederum auf den Widerstand von Teilen der „Gilets Jaunes“ und anwesender antifaschistischer Linker. Einige Konfrontationen endeten mitunter in handfesten Auseinandersetzungen.
Proteste gegen den sog. FrauenMarsch der AfD am 17.2.2018 in Kreuzberg — eine Blockade verhinderte schließlich den rechten Aufmarsch Foto: Burschel
Über die „Alternative für Deutschland“ (AfD) wurde in den vergangenen Jahren viel publiziert und analysiert. Entlarvt wurden ihre antifeministischen Ressentiments, ihr völkischer Habitus und ihr antimuslimischer Rassismus. Analysiert wurden die Wählerstruktur und ihr kapitalistisch-neoliberales Grundverständnis. Aufgedeckt ihre Rolle als parlamentarischer Arm der Neuen Rechten mit Verbindungen zu Burschenschaften und den so genannten Identitären. Warum erscheint es notwendig, ein weiteres Puzzleteil hinzuzufügen und ein weiteres begrenztes Feld wie das Afrikabild näher zu betrachten? Reichen die vorliegenden Untersuchungen nicht? Und spielt Afrika im Gegensatz zum Beispiel zu Islam oder Türkei bisher nicht eine vergleichsweise untergeordnete Rolle in den politischen Äußerungen der AfD? Anhand des Afrikabildes werden jedoch nicht nur die völkisch-nationalistischen Argumentationslinien sichtbar, sondern ebenso die kapitalistisch-neoliberalen. Gleichzeitig verdeutlicht ein näherer Blick auf diesen Aspekt eine – besorgniserregende – relative Nähe der AfD-Position zu problematischen Politikansätzen auch anderer „etablierter“ Parteien.
Die faschistische Bewegungspartei „CasaPound Italia“ findet europaweit Nachahmer. Zur Zeit ist es die national-revolutionäre Sammelbewegung „Bastion Social“, die in Frankreich von sich Reden macht.
für Carlo und Nello Rosselli
In den letzten Wochen hat eine neue extrem rechte Bewegung mit den Namen „Bastion Social“ in Strasbourg, Lyon und Chambéry drei Sitze eröffnet. Die Eröffnung eines weiteren Stützpunkts wurde für den 10. Februar in Aix-en-Provence angekündigt. Treibende Kraft der Bewegung ist die extrem rechte Studentenorganisation „Groupe Union Défense“ (GUD). Mit der „Bastion Social“, die das erste Mal im Mai 2017 mit einer Hausbesetzung in Lyon von sich reden machte, ist eine Sammlungsbewegung entstanden, die sich bemüht in dem außerparlamentarischen Bereich der extremen Rechten unterschiedliche Gruppen zusammenzuführen, zu vereinheitlichen und eine national-revolutionäre Bewegung nach dem Vorbild der „CasaPound Italia“ in Frankreich zu kreieren.
in erinnerung an henning eichberg
Manchmal sind es Kleinigkeiten, die bei einem Buch, das man gerade verschlungen hat, nachträglich zu einem Grummeln führen, das allmählich immer stärker wird. So wie bei einem leckeren Gericht dessen reichliche und interessante Würzung dazu geführt hat, dass zunächst nicht zu bemerken war, dass das Hauptprodukt wohl nicht mehr ganz frisch war. Beim jüngsten Buch von Thomas Wagner, „Die Angstmacher. 1968 und die Neue Rechte“, einem sowohl sehr lesenswerten als auch sehr diskussionsbedürftigen Band, war der Auslöser dieses zunehmenden Unwohlseins der Teil eines Gesprächs des Autors mit Henning Eichberg, einem langjährig führenden Ideologen der nationalrevolutionären Strömung der Neuen Rechten[1], das in dem Kapitel „Der Sound der Linken“ wörtlich wiedergegeben wird.