Maximilian Fuhrmann / Sarah Schulz: Strammstehen vor der Demokratie. Extremismuskonzept und Staatsschutz in der Bundesrepublik. Stuttgart 2021.
»Im Unterschied zum Rechtsextremismus teilen sozialistische und kommunistische Bewegungen die liberalen Ideen von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – interpretieren sie aber auf ihre Weise um.« Dieser Satz war zehn Jahre lang in einem Dossier der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) über sogenannten Linksextremismus zu lesen und stand in diesem Zeitraum unbeachtet im Web. Ein Tweet im Januar 2021 löste einen Shitstorm von Konservativen und extrem Rechten aus. Die Ideen des Liberalismus könnten nicht in einen Bezug zu „linksextremen“ Bewegungen gesetzt werden, so der Tenor. Daraufhin intervenierte das Bundesministerium des Innern, dem die bpb untergeordnet ist, und verlangte eine Änderung des Textes zugunsten einer Formulierung des Verfassungsschutzes.
„Linke Militanz. Phänomen, Grundlagen, pädagogische Praxis“, das war der Titel einer zweitägigen Tagung am 13. und 14. November, die im „Welcome“-Kongresshotel in Bamberg stattfand. Ausrichterin war die Bundeszentrale für politische Bildung zusammen mit der „Bundesfachstelle Linke Militanz“ aus Göttingen. Unterstützt wurde das Ganze auch durch das Programm „Demokratie leben!“, das vom Bundesfamilienministerium aufgelegt wird. Das Interesse des Verfassers an dieser Tagung entsprang aus der Neugier einmal staatlich gesponserte anti-linke Veranstaltungsformate und Diskurse gewissermaßen live zu beobachten. Immerhin handelt es sich ja bei der Bundeszentrale für politische Bildung um eine nachgeordnete Behörde des Bundesinnenministeriums, das seit seinem Bestehen diverse Abteilungen und Sicherheitsreferate immer auch mit der Verwaltung des sogenannten Linksextremismus beschäftigt.
Max Fuhrmann: Antiextremismus und wehrhafte Demokratie. Kritik am politischen Selbstverständnis der Bundesrepublik Deutschland, Nomos, Baden-Baden 2019. 353 S., broschiert, ISBN 978−3−8487−5744−2
Wehrhafte Demokratie und Antiextremismus, es sind zwei schillernde Begriffe, die den Kern des Selbstverständnisses der Bundesrepublik Deutschland ausmachen. Beide gehen davon aus, dass sämtliche Formen von vermeintlichem politischen Extremismus mit seinen angenommenen Unterformen ‚Linksextremismus‘, Rechtsextremismus und dem später hinzugekommenen Islamismus, gleichermaßen demokratiegefährdend wären. Das erstgenannte Konzept fußt auf den Konsequenzen, die vermeintlich auf dem Scheitern der Weimarer Republik beruhen, während das zweite vor allem durch eine normative Extremismusforschung, die Bundeszentrale für politische Bildung sowie durch den Inlandsgeheimdienst ‚Verfassungsschutz‘ vertreten und popularisiert wird.
Dieses Interview zum Thema „Linke Gewalt“ mit dem Mitarbeiter der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Friedrich Burschel, wurde auf dem Portal „Jugend und Politik“ (https://jup.berlin/linkeGewalt) der Jugend- und Familienstiftung Berlin (jfsb) am 25.5.2018 veröffentlicht. Wir fragen uns noch heute, warum es nach 5 Tagen wieder aus dem Netz genommen wurde. jfsb-seitig hieß es offiziell, man sei mit dem Ergebnis der Diskussion so zufrieden gewesen, dass man noch am Tag einer abschließenden Podiumsdiskussion (die im Netz dokumentiert ist) bestimmte Debattenbeiträge des Dossiers zu „Linker Gewalt“ aus dem Netz entfernte — #merksteselberwa
Friedrich Burschel, Referent zum Schwerpunkt Neonazismus und Strukturen/Ideologien der Ungleichwertigkeit bei der Akademie für Politische Bildung der Rosa-Luxemburg-Stiftung Foto: Privat
Wir dokumentieren das Interview hier unverändert:
In der Themenreihe „Auf Augenhöhe“ beschäftigt sich jup! mit unterschiedlichen Formen von Gewalt. Doch was meint „Gewalt“ genau? Auch wenn ein Adjektiv vorangestellt wird, bringt das nicht mehr Klarheit in die Sache — ganz im Gegenteil. Der Begriff „Linke Gewalt“ wurde und wird häufig von Rechten benutzt, um Ressentiments, also Vorurteile, gegen die Linken zu schüren und sie in ein schlechtes Licht zu rücken. Es gilt also, genau hinzusehen, WER die Begriffe nutzt und IN WELCHEM KONTEXT sie verwendet werden. jup! setzt sich mit dem Begriff auseinander und hinterfragt ihn kritisch. Wir haben mit Friedrich Burschel von der Rosa-Luxemburg-Stiftung genau darüber gesprochen. Außerdem erklärt er im Interview, für was die politische Linke steht, was ihre Ziele und Ideen sind und wo man sich gegen Rechts engagieren kann.
„Der Verfassungsschutz des Landes Sachsen-Anhalt richtet keine Bildungsveranstaltungen aus und betreibt auch keine Bildungsarbeit“, so die Antwort der Landesregierung auf eine gemeinsame Kleine Anfrage (Drs. 6/2996) der Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE im Landtag von Sachsen-Anhalt, Monika Hohmann und Henriette Quade. ‚Es kann nicht sein, was nicht sein darf‘, wäre eine gute Zusammenfassung dieser Antwort. Konkret ging es den beiden Abgeordneten darum, zu erfahren, inwiefern öffentliche Veranstaltungen des Verfassungsschutzes als Teil einer politischen Bildungsarbeit begriffen werden können. Diese Frage scheint bei 83 durchgeführten Veranstaltungen seit Juli 2010 durchaus berechtigt.
Rezension: Der Sommer ist vorbei… Vom «Aufstand der Anständigen» zur «Extremismusklausel»
Das Buch „Der Sommer ist vorbei… Vom «Aufstand der Anständigen» zur «Extremismusklausel»“, herausgegeben von Friedrich Burschel, Uwe Schubert Und Gerd Wiegel setzt sich das Ziel, eine Bilanz aus 13 Jahren Bundeprogramm gegen Rechts zu ziehen. Das Buch beinhaltet in neun Beiträgen verschiedene Blickwinkel auf das 2001 unter Rot-Grün gestarteten Programm. Diese treten zunächst sehr losgelöst voneinander auf. Jedoch malen sie im Gesamtbild ein ausführliches und perspektivenreiches Bild der schrittweisen Verwerfung jeglicher, anfangs eventuell vorhandener, Ambitionen des Bundes, eine Antirassistische und Antifaschistische Kultur zu befördern.