Blumen für die Holocaustleugnerin: Ursula Haverbeck ist in der „politischen Erwachsenenbildung“ tätig. Vor Gericht vertritt sie der notorische Wolfram Nahrath. Foto: Kim Winkler
92 Jahre und kein bisschen weise: Vor dem Amtsgericht Tiergarten begann Mitte November der Prozess gegen die notorische Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck. Angeklagt ist die Hochbetagte wegen Volksverhetzung. Sie muss sich nicht das erste Mal wegen eines solchen Vorwurfs verantworten. Erst Anfang November wurde sie aus einer zweijährigen Haft entlassen, die sie wegen mehrmaliger Leugnung des Holocaust antreten musste.
Tagen im Provisorium: In der Biblioithek des Landgerichts Magdeburg wird das Attentat von Halle verhandelt Foto: Burschel
„Ich fühle mich in meiner Ehre als Antisemit verletzt, dass man mir das unterstellt!“ und „Ich glaube nicht an Verschwörungstheorien, die jüdische Weltverschwörung gibt es wirklich!“ So und ähnlich reagiert der Attentäter von Halle wütend auf die Vorstellung des psychiatrischen Gutachtens, dass am 18. Verhandlungstag des Halle-Prozesses der wichtigste Punkt auf der Tagesordnung ist.
Ein Gedenkort für Walter Benjamin: Eine Treppe der Erinnerung an den jüdischen Philosophen im katalanischen Port Bou, wo er sich das Leben auf der Flucht vor den Nazis nahm.
In der Nacht vom 26. auf den 27. September 1940 starb Walter Benjamin. Der Fotografin Henny Gurland, die wie Benjamin Teil der Flüchtenden-Gruppe auf ihrem Fußweg über die Pyrenäen bis zur spanisch-französischen Grenze war, soll er Stunden vor seinem Tod einen Abschiedsbrief übergeben haben. Sein Freund und Kollege Theodor W. Adorno hätte ihn erhalten sollen, erklärend, dass die „ausweglose Situation“ seiner misslingenden Flucht aus Vichy-Frankreich Benjamin keine andere Möglichkeit gelassen habe, als den Freitod zu wählen.
Antisemitische Ideen und Äußerungen sind gerade wieder erschreckend aktuell (hier Teilnehmer*innen einer „Hygienedemos“). Die Frage des pädagogischen Umgangs damit natürlich auch. Foto: Privat
Das Feld von Antisemitismuskritik und ‑bekämpfung ist emotional und politisch hoch aufgeladen. Im politischen Diskurs sind manche Vereindeutigungen und normative Aussagen nachvollziehbar und in einzelnen Fällen sogar notwendig. Antisemitismus kann durch Bildungsmaßnahmen nicht abgeschafft werden. Was aber im Rahmen der Möglichkeiten liegt, ist Antisemitismus „zu erkennen, Empathie mit den Opfern her(zu)stellen sowie Gegenstrategien (zu) erproben.“ (S.9) Ein solches Bewusstsein über die Grenzen dessen, was Bildungsarbeit leisten kann, liegt quer zu öffentlichen und politischen Erwartungen an die Pädagogik, wenn im Anschluss an als antisemitisch wahrgenommene Vorfälle nach der pädagogischen Feuerwehr gerufen wird.
713 Fälle rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Thüringen zählt die Beratungsstelle ezra aus Erfurt seit 2015. Das erklärten die Sprecher*innen Theresa Lauß und Franz Zobel bei einer Pressekonferenz Mitte März. Sie sprachen von einer zunehmenden Eskalation rassistischer Gewalt und von einem damit einhergehenden „Klima der Angst“.
Im letzten Jahr registrierte ezra 108 Vorfälle rechter Gewalt mit mindestens 155 Betroffenen. Diese Zahlen von 2019 beschreiben zwar einen leichten Rückgang im Vergleich zu 166 Taten im Vorjahr, sind aber — mit einer dokumentierten Gewalttat mit rassistischer Motivation fast jeden dritten Tag — dennoch erschreckend hoch. Dies sei mit dem generellen politischen Klima der letzten Jahre zu erklären — dem Wachstum von Bewegungen wie Pegida und einer Partei wie der AfD. So habe es seit 2015 rund 140 Angriffe jedes Jahr in Thüringen gegeben.
Es kommt echt nicht häufig vor, dass ich eine Zeitschrift von der ersten bis zur letzten Seite durchlese: Die aktuelle ARCH+ Nr. 235 zu „Rechten Räumen“ habe ich atemlos durchgelesen, entsetzt vom faschistischen Panorama eines Europas auf dem Weg in die Barbarei, das das Heft abschreitet. Und diese Ausgabe einer renommierten Architektur-Zeitschrift ist durchaus nicht nur für Baumeister*innen und Architekturkritiker*innen (Sind wir das nicht alle?) interessant und schafft es „Rechte Räume“ zu definieren, die dahinter liegende Städtebaupolitik, die bauliche geschichtsrevisionistische Erinnerungskultur und den rechten Rekonstruktionswahn freizulegen und den Zusammenhang herzustellen zur aktuellen völkisch-nationalistischen Renaissance und zum offenen Faschismus in Europa.
Eine hetzerische Verteidigungsrede des nationalsozialistischen Rechtsanwalts Alfred Holl aus dem Jahr 1924, auf die sich Wolf ohne Abstriche beruft. Für die Schulbehörde offenbar kein Problem.
Nach den Auseinandersetzungen an zwei Hamburger Schulen zum antifaschistischen Engagement einiger ihrer Schüler war es am Helene-Lange-Gymnasium mit Billigung der Schulbehörde zu einer Vortragsveranstaltung des AfD-Politikers und Mitglieds der Bürgerschaft, Alexander Wolf, gekommen. Dass Wolf ein lupenreiner Nazi mit enthusiastischen Bezügen zum Nationalsozialismus ist, war dabei kein Hinderungsgrund. Ein erschütterndes Beispiel für verschobene und verschrobene Sagbarkeitsgrenzen, aus der Feder eines Schülervaters, des Politologen Dr. Markus Mohr.
„Die Wahrheit kommt immer ans Licht. Selbst Gott kann die Wahrheit nicht ändern. Das können nur Historiker.“ Der das sagt, ist Professor Nicholas Kittri, der hoch betagte Neffe des Widerstandskämpfers Leon Feldhendler, dem an diesem Tag postum ein hoher Orden des polnischen Militärs verliehen wird. Anlass ist der 75. Jahrestag des Häftlingsaufstands im deutschen Massenmordlager Sobibór in Ostpolen, nahe der ukrainischen und der weißrussischen Grenze. Am 14. Oktober 1943 erhoben sich die jüdischen Häftlinge, die den Nazis als Instrumente der Vernichtung in den Gaskammern von Sobibór dienten, gegen ihre Peiniger. Feldhendler und der Leutnant der Roten Armee, Alexander Petscherski, führten den Aufstand an. Die Gefangenen töteten 12 SS-Männer und traten eine verzweifelte Flucht durch Stacheldrahtverhau und das Minenfeld an. Von den etwa 365 Fliehenden erreichten nur rund 200 den nahen, rettenden Wald und flohen weiter. Bis zur Befreiung durch die Rote Armee Mitte 1944 wurden weitere etwa 150 Geflohene durch die Deutschen, durch polnische Kollaborateure und antisemitische Partisanengruppen ermordet. 47 der ehemaligen Sobibór-Häftlinge überlebten die deutsche Besatzung.
Die faschistische Bewegungspartei „CasaPound Italia“ findet europaweit Nachahmer. Zur Zeit ist es die national-revolutionäre Sammelbewegung „Bastion Social“, die in Frankreich von sich Reden macht.
für Carlo und Nello Rosselli
In den letzten Wochen hat eine neue extrem rechte Bewegung mit den Namen „Bastion Social“ in Strasbourg, Lyon und Chambéry drei Sitze eröffnet. Die Eröffnung eines weiteren Stützpunkts wurde für den 10. Februar in Aix-en-Provence angekündigt. Treibende Kraft der Bewegung ist die extrem rechte Studentenorganisation „Groupe Union Défense“ (GUD). Mit der „Bastion Social“, die das erste Mal im Mai 2017 mit einer Hausbesetzung in Lyon von sich reden machte, ist eine Sammlungsbewegung entstanden, die sich bemüht in dem außerparlamentarischen Bereich der extremen Rechten unterschiedliche Gruppen zusammenzuführen, zu vereinheitlichen und eine national-revolutionäre Bewegung nach dem Vorbild der „CasaPound Italia“ in Frankreich zu kreieren.