Es ist zu einer Art gruseliger Tradition geworden, dass sich an Oury Jallohs Todestag vor dem Dessauer Polizeirevier ausgerechnet diejenigen Behördenvertreter_innen zu einer Gedenkveranstaltung versammeln, die seit über zehn Jahren die Aufklärung der Todesumstände von Oury Jalloh verhindern. «Man muss ein Stück zurückblicken», erklärt Marco Steckel, Leiter der Beratungsstelle für Opfer rechter Straf- und Gewalttaten im Dezember 2014 vor dem Dessauer Amtsgericht. «Ab 2008 hat die Stadt immer an der Friedensglocke an den Feuertod von Oury Jalloh gedacht. Danach sind einige Leute noch zum Revier gegangen.» Weil das viele schlecht durchgeführt fanden, organsierte Steckel zusammen mit dem Multikulturellen Zentrum und dem Netzwerk Gelebte Demokratie am 7. Januar 2011 erstmals eine Gedenkveranstaltung direkt am Polizeirevier in der Wolfgangstraße. Dort, wo Oury Jalloh am 7. Januar 2005 von Polizeibeamten rechtswidrig in eine Zelle gesperrt, an Händen und Füßen angekettet und angezündet worden ist. «Es ging dabei um die menschliche Geste, und darum, Trauer zum Ausdruck zu bringen an einem authentischen Ort», erklärt Steckel das Ansinnen. Unter dem Motto «Ein Licht für Oury Jalloh» versammelten sich in den darauf folgenden Jahren neben wenigen Bürger_innen der Stadt vor allem auch Polizei und Justiz am Ort des Geschehens. Steckel sei es allerdings nur um die Bürger_innen gegangen: «Die anderen wären einfach dazugekommen», fügt er hinzu. Weiterlesen „Ermorden – Vertuschen – «Stilles Gedenken» zum Todestag von Oury Jalloh in Dessau“
Schlagwort: Splittergarten
In der Kriminaltechnik wird zur Ermittlung von Wucht und Wirkung einer unkonventionellen Explosivvorrichtung ein Versuchsareal abgesteckt, das als «Splittergarten» bezeichnet wird.
Unsere regelmäßige Kolumne zu aktuellen Ereignissen und Entwicklungen in unseren Themenfeldern wird unter dem poetischen Titel auf Gedankensplitter und Blüten der Kritik verwiesen, die wir in diesem Garten sprießen lassen wollen. Und zwar aus der Feder namhafter Autor_innen und befreundeter Kolleg_innen. Das ganze kann bierernst, ironisch, literarisch, persönlich, polemisch, abwegig, sachlich und/oder zugespitzt sein.
Frauen, Männer und Pegida
Wenn wir uns mit der rassistischen und in Teilen rechtsextremen Pegida aus einer Geschlechterperspektive auseinandersetzen, uns fragen, was könnte das mit «Frauen» oder «Männern» zu tun haben, treten folgende vier Aspekte zu Tage:
Zum einen spielt in der Berichterstattung, bis auf wenige Ausnahmen, die Kategorie Geschlecht wie so häufig keine Rolle. (Anders ausgedrückt, fragen sich ganz wenige, was die Tatsache, dass sich in den unterschiedlichen «Gidas» so viele Männer sehr gern tummeln, über deren Männlichkeit bzw. Männlichkeitsvorstellungen aussagt.) Weiterlesen „Frauen, Männer und Pegida“
Lügen und Enthüllungen: Der NSU-Ausschuss in Hessen hat seine Arbeit aufgenommen
Er hat schon wieder gelogen. Volker Bouffier, hessischer Ministerpräsident, stand am letzten Dienstag mit hochrotem Kopf vor den Kameras, um neue Enthüllungen in der „Welt“ zu seiner Rolle im NSU-Skandal zu kommentieren. Dort war der Ablauf der Ereignisse um den Mord in Kassel an Halit Yozgat rekonstruiert worden, wobei Abhörprotokolle, die erst jetzt ausgewertet werden konnten, eine wichtige Rolle spielen. Demnach gibt es nun den dringenden Verdacht, dass der Verfassungsschutzmitarbeiter Andreas T., der zur Tatzeit am Tatort war, Täterwissen hatte. Bouffier wird vorgeworfen, die Ermittlungen gegen Andreas T. behindert zu haben, indem er (damals Innenminister) verhinderte, dass die von Andreas T. geführten V‑Leute polizeilich vernommen wurden. Außerdem werfen ihm die Nebenklageanwälte vor, er habe bereits wenige Wochen nach der Tat vom Tatverdacht gegen T. gewusst. Monate später hat er im Innenausschuss des Landtages behauptet, er habe von den Vorwürfen erst soeben „aus der Zeitung erfahren“. Damit hatte er damals das Parlament belogen. Am Dienstag behauptete er nie gesagt zu haben, er habe die Sache „erst aus der Zeitung erfahren“, womit er erneut gelogen hat, wie sich im Protokoll der Innenausschusssitzung nachvollziehen lässt. Weiterlesen „Lügen und Enthüllungen: Der NSU-Ausschuss in Hessen hat seine Arbeit aufgenommen“
Alles falsch in Sachsen
Seit etwa einem halben Jahr demonstrieren montäglich tausende Menschen in Schneeberg, Dresden, Leipzig und einigen anderen Kommunen Sachsens gegen die Aufnahme von Geflüchteten und gegen das Grundrecht auf Asyl. Sie müssen das wohl tun, denn sie haben ihre parteipolitische «Heimat» verloren. Die NPD ist im vergangenen Jahr nach zehn Jahren abgewählt worden und nicht mehr im Sächsischen Landtag vertreten. Sie kann nur noch auf 100 Kreis- und Kommunalmandate für die Durchsetzung ihrer Forderungen zurückgreifen. So ist es nicht verwunderlich, dass sich die «Schutz suchenden» Demonstrierenden unter die Rettungsschirme neuer politischer Kräfte flüchten.
Ganz ohne Gegenleistung wird ihnen das freilich nicht gewährt und so müssen sie jetzt auch gegen die Genderisierung der Gesellschaft und die Frühsexualisierung von Kindern Gesicht zeigen. Die Bereitschaft der Abendspazierenden weitere Ziele zu verfolgen, ermöglichte die Konstituierung eines facettenreichen Netzwerkes. So streiten die inzwischen nach einem Formtief in Dresden am 16.2.2015 wieder auf mehr als 4000 geschätzten «Patrii» nun auch gegen das Selbstbestimmungsrecht von Frauen, gegen die Russland betreffenden Sanktionen, gegen die politische Einheit Europas, gegen alle Freihandelsabkommen, ganz en vogue auch gegen TTIP und – natürlich – für mehr Polizei. Weiterlesen „Alles falsch in Sachsen“
AfD in der Hamburgischen Bürgerschaft
DIE LINKE hat bei den Bürgerschaftswahlen in Hamburg mit 8,5 % (2011: 6,4%) und elf Mandaten (2011: acht) ein überzeugendes Votum für eine starke linke und konstruktive Oppositionspolitik erhalten. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte Nachricht ist, neben weiter sinkender Wahlbeteiligung, der Einzug der AfD. Sie erhielt 6,1% der Stimmen und acht Mandate und ist damit erstmals in einem westdeutschen Landesparlament vertreten.
Die AfD hat rund 8000 vormalige NichtwählerInnen mobilisiert. Die CDU verlor 8000 WählerInnen an die AfD, 7000 die SPD, 4000 die FDP und je 1000 LINKE und Grüne. Weiterlesen „AfD in der Hamburgischen Bürgerschaft“