Petition: Besser spät als nie! NSU-Untersuchungsausschuss für Berlin!

Zum Jah­res­tag der Selbst­ent­tar­nung des NSU: Demo zum Geden­ken an die Opfer am 2. Novem­ber 2013 in Ber­lin Foto: Burschel
Pinocchio“, Blood and Honour, Synagoge Rykestraße, geschredderte LKA Akten – die Spur führt immer auch nach Berlin. Wir fordern das Berliner Abgeordnetenhaus auf, sofort einen parlamentarischen NSU-Untersuchungsausschuss einzusetzen!

Die ras­sis­ti­schen Mor­de des „Natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Unter­grunds” (NSU) mar­kie­ren eine Zäsur in der bun­des­re­pu­bli­ka­ni­schen Geschich­te. Die Taten des NSU, sein Netz­werk und die Rol­le der Behör­den sind noch lan­ge nicht auf­ge­klärt. Mit dem kom­men­den Abschluss des NSU-Pro­zes­ses in Mün­chen droht aber die The­se, der NSU sei ledig­lich ein Trio mit eini­gen weni­gen Unterstützer_innen gewe­sen und nicht ein gro­ßes neo­na­zis­ti­sches Netz­werk, das unter den Augen der bun­des­deut­schen Behör­den agier­te, zur gewoll­ten offi­zi­el­len Aus­le­gung des NSU-Kom­ple­xes zu wer­den. Die Auf­klä­rung der Taten des NSU-Netz­werks wird wei­ter­hin größ­ten­teils der Initia­ti­ve und Arbeit der Opferanwält_innen im Mün­che­ner NSU-Pro­zess überlassen.

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Sich den NSU-Prozess schönreden

Schön­heit ist eine Fra­ge der Per­spek­ti­ve: Der Bun­ker am Straf­jus­tiz­zen­trum in der Mün­che­ner Nym­phen­bur­ger­stra­ße, in des­sen Innern der NSU-Pro­zess läuft Foto: Burschel

Aus der siche­ren Distanz von meh­re­ren Hun­dert Kilo­me­tern kommt die preis­ge­krön­te Zeit-Kolum­nis­tin Özlem Top­çu zu dem Schluss, dass der NSU-Pro­zess vor dem Ober­lan­des­ge­richt in Mün­chen durch­aus kei­ne Ent­täu­schung sei, son­dern „viel bringt. Sogar sehr viel“. So fin­det Frau Top­çu, dass es schon eine tol­le Sache ist, dass es an der Schuld von Bea­te Zsch­ä­pe inzwi­schen – nach 366 Tagen Pro­zess und über vier Jah­ren Pro­zess­dau­er – kei­ne Zwei­fel mehr gibt und die „Beweis­auf­nah­me die Ankla­ge in vol­lem Umfang bestä­tigt“ habe. Zum Beleg zitiert sie hier­zu aus­ge­rech­net Tho­mas Bli­wier, einen der Anwäl­te von Mit­glie­dern der Fami­lie Yoz­gat, die als Hin­ter­blie­be­ne des am 4. April 2006 in einem Kas­se­ler Inter­net­ca­fé mut­maß­lich vom NSU ermor­de­ten, damals 21-jäh­ri­gen Halit Yoz­gat Neben­klä­ger im Mün­che­ner Ver­fah­ren sind. Gera­de die boh­ren­den Fra­gen und Zwei­fel, die die Neben­kla­ge­ver­tre­ter im Fall Yoz­gat uner­müd­lich for­mu­liert haben, sind bis heu­te unge­klärt und offen. İsm­ail Yoz­gat, Halits Vater, hat ange­kün­digt, dass er das Urteil von Mün­chen nicht aner­ken­nen wer­de, solan­ge die offe­nen Fra­gen nicht annä­hernd geklärt sind. Gegen den dama­li­gen Mit­ar­bei­ter des hes­si­schen Lan­des­am­tes für Ver­fas­sungs­schutz Andre­as Tem­me, der – obwohl zwei­fels­frei zur Tat­zeit am Tat­ort anwe­send – bis heu­te behaup­tet, nichts, aber auch gar nichts mit­be­kom­men zu haben, läuft nun ein Straf­ver­fah­ren wegen uneid­li­cher Falsch­aus­sa­ge und das Lon­do­ner For­schungs­team „Foren­sic Archi­tec­tu­re“ weist ihm zudem nach, dass er die Unwahr­heit gesagt haben muss.

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Kreatives Aktenhandling: Wie lange kann der Verfassungsschutz noch seine Mitverantwortung an NSU-Verbrechen vertuschen?

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Hin­ter die tris­ten Mau­ern des Münch­ner OLG hat man immer noch einen bes­se­ren Ein­blick als hin­ter die des GBA, des BKA oder des .       Bild: Fritz Burschel

Der Ange­klag­te im NSU-Pro­zess Ralf Wohl­le­ben trug vor sei­ner Inhaf­tie­rung Ende 2011 nachts ein T‑Shirt. Das möch­te man zwar gar nicht wis­sen, aber die­ses Schlaf-Shirt hat es in sich: „Eisen­bahn­ro­man­tik“ steht in Frak­tur auf sei­ner Vor­der­sei­te und dar­un­ter sind die Gleis­an­la­gen vor der bekann­ten Sil­hou­et­te des Ver­nich­tungs­la­gers Ausch­witz-Bir­ken­au abge­bil­det. Nach Wohl­le­bens Ein­las­sun­gen im Mün­che­ner Ver­fah­ren Ende 2015, wo er sich im Grun­de als ver­folg­te Unschuld und eben­so auf­rech­ten wie fried­lie­ben­den Natio­na­lis­ten prä­sen­tier­te, hat­ten sich die Anklä­ger der Bun­des­an­walt­schaft (BAW) des viel­sa­gen­den Asser­vats erin­nert und eine Poli­zei­zeu­gin gela­den, die zu die­sem Fund aus­sa­gen soll­te. Das Beweis­stück jeden­falls doku­men­tiert doch eine gewis­se ideo­lo­gi­sche Ein­deu­tig­keit der poli­ti­schen Aus­rich­tung des Ange­klag­ten Wohl­le­ben. Wei­ter­le­sen „Krea­ti­ves Akten­hand­ling: Wie lan­ge kann der Ver­fas­sungs­schutz noch sei­ne Mit­ver­ant­wor­tung an NSU-Ver­bre­chen vertuschen?“

Erfahrungsbericht: NSU-Prozess

Besu­cher­ein­gang zum NSU Pro­zess Foto: Robert Andreasch

Über den Besuch von vier Pro­zess­ta­gen im Okto­ber 2015 und Novem­ber 2015

Ich woll­te schon so viel frü­her hier sein, im Straf­jus­tiz­zen­trum Mün­chen, wo das Ober­lan­des­ge­richt (OLG) im Saal 101 tagt. Bea­te Zsch­ä­pe, Ralf Wohl­le­ben, André Emin­ger, Hol­ger Ger­lach, Cars­ten Schult­ze, all die Rechts­ter­ro­ris­ten von nahem sehen. Die Stim­mung des Pro­zes­ses auf­neh­men. Das „Thea­ter­spiel“ des Gerichts, das mir so vie­le schon beschrie­ben haben, mit eige­nen Augen sehen. Das Gele­se­ne und Erzähl­te in Erfah­rung umwandeln.

Am Ende war es der 30.9.2015, Pro­zess­tag 233. Ich kam gera­de von der soge­nann­ten „Bal­kan­rou­te“ , war in vier Tagen 2000 Kilo­me­ter unun­ter­bro­chen unter­wegs, um Geflüch­te­te auf ihrem Weg nach und in Euro­pa ansatz­wei­se zu unter­stüt­zen; davor die Wochen war ich in Frei­tal, Hei­den­au, Dres­den, um dem ras­sis­ti­schen Mob in sei­nem Bio­top etwas ent­ge­gen­zu­set­zen. Die Erfah­run­gen des „Som­mers der Migra­ti­on“ und die Pogrom­stim­mung in Sach­sen lagen hin­ter mit.

Dann Mitt­woch­mor­gen 8:30 in der Nym­phen­bur­ger­stra­ße in Mün­chen im NSU–Prozess, meh­re­re Besu­che folg­ten und wer­den fol­gen. Was erwar­te­te ich? Trau­er, Ohn­macht, Bedrü­ckung, Wut, Schock, Resi­gna­ti­on?! Sicher kann ich das nicht sagen, doch schon zu Beginn sah ich mich mit einem Gedan­ken­cock­tail konfrontiert.

Wei­ter­le­sen „Erfah­rungs­be­richt: NSU-Prozess“