Rechter Männerscheiß: „Steeler Jungs“ in Essen

„Stee­ler Jungs“ im Ein­heits­look. (Foto: H.Koch)

In der Ruhr­me­tro­po­le Essen leben über eine hal­be Mil­lio­nen Men­schen. Gera­de­zu beschei­den zur Gesamt­flä­che und Bewohner*innenzahl nimmt sich dabei der öst­lich gele­ge­ne Stadt­teil Ste­e­le aus. Die 1929 ein­ge­mein­de­te und zum Stadt­teil mutier­te Klein­stadt wird von sie­ben wei­te­ren Stadt­tei­len ein­ge­rahmt und liegt idyl­lisch an der Ruhr. Von den etwas mehr als 16.000 Einwohner*innen Ste­e­les besit­zen knapp 15 Pro­zent kei­nen deut­schen Pass.

Die „Steeler Jungs“ — besorgte Bürger?

Seit dem Herbst 2017 mar­schiert an jedem Don­ners­tag eine Bür­ger­wehr durch Essen-Ste­e­le. Die Akteu­re selbst bezeich­nen ihre Mär­sche als Spa­zier­gän­ge. Aus­ge­hend vom Grend-Platz patrouil­lie­ren bis zu 300 Män­ner im Alter von 20 bis 50 durch die Stra­ßen des Stadt­teils. Die mar­tia­lisch auf­tre­ten­den Män­ner mit Hang zu Fit­ness-Stu­dio und rechts­af­fi­nen Beklei­dungs­mar­ken nen­nen sich selbst „First Class Crew — Stee­ler Jungs“. Die aus dem rech­ten Hooligan‑, Tür­ste­her- und Rocker­mi­lieu stam­men­den Män­ner rekla­mie­ren für sich, mit die­sen Auf­mär­schen für „Sicher­heit und Ord­nung“ in Essen-Ste­e­le zu sor­gen. Sicher­heit und Ord­nung für die deut­sche Mehr­heits­ge­sell­schaft wohl­ge­merkt, die sie durch Migrant*innen gefähr­det sehen. Bei ihren Rund­gän­gen las­sen sich die „Stee­ler Jungs“ von Freun­den von aus­wärts unter­stüt­zen. So z.B. durch die „Bru­der­schaft Deutsch­land“ aus Düs­sel­dorf oder der Kame­rad­schaft „Divi­si­on Alten­es­sen“. Treff­punkt der „Stee­ler Jungs“ und ihrer Freun­de ist die „Sports­bar 300“.

„Sports­bar 300“ — Treff­punkt der „Stee­ler Jungs“, (Foto: H.Koch)

Die­se liegt unweit des Grend-Plat­zes an der West­fa­len­stra­ße. Sie wird von dem füh­ren­den Mit­glied der Rocker­grup­pe Ban­di­dos, Chris­ti­an „Bifi“ Wil­ling, betrie­ben, der unweit der Bar noch ein Umzugs­un­ter­neh­men führt. Nach außen hin geben sich die „Stee­ler Jungs“ als „besorg­te Bür­ger“, die selbst­los und unpo­li­tisch mit ihren Patrouil­len das Wohl der Bevöl­ke­rung im Auge hät­ten. Um den fried­li­chen Cha­rak­ter ihrer Auf­zü­ge unter Beweis zu stel­len, ver­wei­sen sie dabei oft auf den — aller­dings mar­gi­na­len — Anteil von Frau­en und Kin­dern, die sich bei den Rund­gän­gen betei­li­gen und aus ihrem fami­liä­ren Umfeld stam­men. Ihre angeb­lich vor­wie­gend sozia­len und nicht poli­ti­schen Absich­ten sehe man an den man­geln­den Trans­pa­ren­ten, Spruch­bän­dern und Paro­len. Sie wür­den ledig­lich „deut­sche“ Prä­senz zeigen.

Wölfe im Schafspelz

Doch ein wach­sen­der Anteil der Stee­ler Einwohner*innen sieht dies anders. Vor allem die akti­ven Demokrat*innen und Lin­ken. Sie sehen in den „Stee­ler Jungs“ Rechts­ra­di­ka­le, die sich einer Schein­ar­gu­men­ta­ti­on bedie­nen wür­den. Mit einer her­bei­ge­re­de­ten Bedro­hung durch Migrant*innen wür­den sich die „Stee­ler Jungs“ selbst legi­ti­mie­ren, um mit dem Mit­tel einer Bür­ger­wehr auf den Stee­ler Stra­ßen ein Kli­ma der Ein­schüch­te­rung, von Natio­na­lis­mus, Ras­sis­mus und Aus­gren­zung zu schaf­fen. Der Vigi­lan­tis­mus der Rech­ten die­ne der Ein­schüch­te­rung, der Bedro­hung und dem Bestre­ben nach einer rech­ter, anti­de­mo­kra­ti­schen Hege­mo­nie im Sozi­al­raum. Die Kraft­prot­ze­rei der völ­ki­schen Natio­na­lis­ten stel­le eine rea­le Gefahr für Sicher­heit und Gesund­heit aller Nicht-Rech­ten und als nicht-deutsch Wahr­ge­nom­me­nen im Stadt­teil dar. Vor allem für Migrant*innen. Dar­über hin­aus wür­den die „Stee­ler Jungs“ und ihre Kame­ra­den eine gewalt­tä­ti­ge Mobi­li­sie­rungs­mas­se der par­la­men­ta­ri­schen Rech­ten im „Kampf um die Stra­ße“, ein Rekru­tie­rungs­feld für Rechts­ter­ro­ris­mus und Vor­läu­fer para­mi­li­tä­ri­scher Ver­bän­de, wie zur Zwi­schen­kriegs­zeit die Sturm­ab­tei­lun­gen (SA) der NSDAP, dar­stel­len, heißt es dort.

Hinter der Fassade der „besorgten Bürger“

Das Stee­ler Kul­tur­zen­trum Grend, des­sen Lei­ter sich auch gegen die „Stee­ler Jungs“ posi­tio­nier­te. (Foto: H.Koch)

Das die­se Beden­ken und Kri­tik nicht unbe­rech­tigt sind, bewei­sen nicht nur die Inter­net-Auf­trit­te der „Stee­ler Jungs“ und ihrer Kame­ra­den. Für ihre anti-demo­kra­ti­sche und rech­te Gesin­nung fin­den sich auf diver­sen Face­book-Sei­ten zur Genü­ge Bei­spie­le in Form von rech­ter Sym­bo­lik, Rhe­to­rik und rech­ten Gewalt­phan­ta­sien. Und auch der All­tag in Ste­e­le spricht eine deut­li­che Spra­che. So doku­men­tiert die Grup­pe „Auf­ste­hen gegen Ras­sis­mus“, die im Bünd­nis „Essen stellt sich que­er“ orga­ni­siert ist, auf der Inter­net-Prä­senz des Bünd­nis die Pöbe­lei­en, Bedro­hun­gen, Über­grif­fe sowie die Betei­li­gung der „Stee­ler Jungs“ an rech­ten Aktio­nen, Mahn­wa­chen und Auf­mär­schen in Essen und ande­ren NRW-Städ­ten. Der bis­he­ri­ge Höhe­punkt der Gewalt war die Atta­cke mit einer schar­fen Schuss­waf­fe auf das Kul­tur­zen­trum Grend, das der „Sports­bar 300“ gegen­über liegt und in dem sich auch Kritiker*innen der „Stee­ler Jungs“ tref­fen. Ende März die­sen Jah­res wur­de mit schar­fer Muni­tion auf die Schei­ben des Kul­tur­zen­trums geschos­sen. Bis heu­te sind der oder die Schüt­zen unbe­kannt. Doch wird allenthal­ben davon aus­ge­gan­gen, dass es sich hier­bei um die Revan­che rech­ter Gewalt­tä­ter gegen das anti­fa­schis­ti­sche Enga­ge­ment des Kul­tur­zen­trums handelt.

Bürgerwehren als rechte Erfolgsstrategie

Mitt­ler­wei­le hat die Bür­ger­wehr aus Ste­e­le in wei­te­ren Esse­ner Stadt­tei­len wie Bor­beck, Hut­trop, Alten­es­sen (1, 2) und Frei­sen­bruch Schu­le gemacht. Grup­pie­run­gen nach dem Vor­bild der „Stee­ler Jungs“ haben sich gegrün­det und ver­su­chen sich mit unter­schied­li­chen Erfolg an einer Adap­ti­on der Stee­ler Bürgerwehr. 

„Kei­ne Frei­räu­me für Nazis!“ — anti­fa­schis­ti­scher Pro­test in Her­ne am 15.10.2019 (Foto: H. Koch)

Auch in der Nach­bar­stadt Her­ne hat sich eine Grup­pe „Besorg­ter Bür­ger“ gegrün­det und ver­sucht seit 2 Mona­ten eine rech­te Bür­ger­wehr in Her­ne zu instal­lie­ren. Es ver­wun­dert nicht, das sich die „Stee­ler Jungs“ aus Essen, die „Bru­der­schaft Deutsch­land“ aus Düs­sel­dorf und auch Mit­glie­der der Par­tei „Die Rech­te“ aus Dort­mund bei den Rund­gän­gen der „besorg­ten Bür­ger“ in der Her­ner Stadt­mit­te ein­fan­den. Die so genann­ten „Misch­sze­nen“ aus dem Milieu rechts­af­fi­ner Hoo­li­gans, Tür­ste­her und Rocker suchen ihre Akti­ons­for­men und ‑rah­men, ihren Ein­fluss und ihr Netz­werk zu ver­grö­ßern. Und die orga­ni­sier­ten Neo­na­zis aus dem Revier suchen den Anschluss an den gesell­schaft­li­chen Bereich, der sich über die seit Jah­ren anhal­ten­de Dis­kus­si­on über Flucht und Asyl hin zum offe­nen Ras­sis­mus, Anti­se­mi­tis­mus und Rechts­extre­mis­mus ent­grenzt hat — also die Bevöl­ke­rungs­an­tei­le, die man gemein­hin als Rechtspopulist*innen und „Wut­bür­ger“ bezeich­net oder eben auch zu rechts­af­fi­nen Gewalt­mi­lieus zählt.

In NRW kann man regis­trie­ren, dass sich das Modell der Bür­ger­weh­ren ver­brei­tet und als Bewe­gungs­stra­te­gie Schu­le macht. Vor allem Anhänger*innen der Pegi­da-Bewe­gung und ehe­ma­li­ge Akteu­re rund um die „Hoo­li­gans gegen Sala­fis­ten“ ver­su­chen sich über Bür­ger­weh­ren und Vigi­lan­tis­mus auf Dau­er als rech­te Bewe­gung zu instal­lie­ren und/oder eine gewalt­tä­ti­ge Stra­ßen­sze­ne wie zur Zeit der rech­ten Gewalt­de­mo in Köln im Okto­ber 2014 zu reak­ti­vie­ren. Dabei geht es gezielt dar­um ter­ri­to­ria­le Ansprü­che anzu­mel­den, sich als Gegen­macht auf­zu­stel­len und gesell­schaft­li­chen Ein­fluss zu gewin­nen. In der Umset­zung die­ses Kon­zepts zei­gen die­se rech­ten „Misch­sze­nen“ der­zeit mehr Erfolg als die ange­schla­ge­ne NPD mit ihrer ähn­lich ange­leg­ten Schutz­zo­nen-Kam­pa­gne. Der NPD gelingt es in NRW nur an weni­gen Orten und in mini­ma­ler Beset­zung durch die Stra­ßen zu zie­hen. Im Anschluss zu die­sen mage­ren Aktio­nen sol­len auf­ge­pimp­te Fotos auf ihren Face­book-Sites der Bevöl­ke­rung eine brei­te Reso­nanz und Akzep­tanz sug­ge­rie­ren. Erfolg sieht aber anders aus.

Besorg­te Bür­ger Her­ne — HoGe­Sa back in town, Her­ne 15.10.2019 (Foto: H. Koch)

Erfolg ver­zeich­nen der­zeit die so genann­ten „Misch­sze­nen“ aus rech­ten Hoo­li­gans, Nazis, Rockern, Kampf­sport­lern und „Wut­bür­gern“. Sie sind es, die in unter­schied­li­chen Städ­ten NRWs als anwach­sen­de Bür­ger­weh­ren auf die Stra­ße gehen. In Essen die „Stee­ler Jungs“, in Düs­sel­dorf die „Bru­der­schaft Deutsch­land“, in Köln der „Begleit­schutz Köln“/„Internationale Köl­sche Mit­te“, in Her­ne die „Besorg­ten Bür­ger“ und in Mön­chen­glad­bach „Mön­chen­glad­bach steht auf“. Chef von „Mön­chen­glad­bach steht auf“ ist Domi­nik Roese­ler, ein Ex-Funk­tio­när von „Pro NRW“ und Mit­grün­der der „Hoo­li­gans gegen Sala­fis­ten“ (Hoge­sa). Der rech­te Bewe­gungs­ma­na­ger mel­de­te für den 8. Sep­tem­ber die­ses Jah­res in Mön­chen­glad­bach eine Demons­tra­ti­on unter dem Mot­to „Stoppt die Gewalt“ an, auf der rund 700 Demonstrant*innen aus unter­schied­lichs­ten rech­ten und gewalt­a­ffi­nen Grup­pen erschie­nen. Dies war bis­her der größ­te Ver­such, die diver­sen rech­ten Grup­pen aus den ver­schie­de­nen Sze­nen und Milieus zu ver­ei­nen und zu koordinieren.

Pro­test gegen den Thor Stei­nar Laden in Dort­mund. (Foto: H. Koch)

In Dort­mund hat die Par­tei „Die Rech­te“ für alle kom­men­den Mon­ta­ge bis zum Jah­res­en­de 2019 Demons­tra­tio­nen ange­mel­det. Die Demons­tra­tio­nen sol­len durch die Dort­mun­der Nord­stadt füh­ren, wo über die Hälf­te der Bevöl­ke­rung einen Migra­ti­ons­hin­ter­grund hat und die Arbeits­lo­sen­quo­te bei über 21 Pro­zent liegt. Die Nord­stadt gilt für das Gro der Dortmunder*innen als Pro­blem­vier­tel. Was nicht von der Hand zu wei­sen ist, schiebt die Stadt doch alle Bevöl­ke­rungs­grup­pen, die mit sozia­len Pro­ble­men und Ver­wer­fun­gen zu kämp­fen hat in die­sen Stadt­teil ab und regelt jeden Kon­flikt pri­mär mit Repres­si­on durch das Ord­nungs­amt und die Poli­zei. Zugleich gilt die­ser Stadt­teil his­to­risch und aktu­ell als mehr­heit­lich anti­fa­schis­tisch geson­nen. Und so wol­len die Dort­mun­der Nazis mit ihren Auf­mär­schen mit einem mini­ma­len Auf­wand einen maxi­ma­len Pro­vo­ka­ti­ons­er­folg errei­chen. Vor­wand für die­sen Demons­tra­ti­on­s­ma­ra­thon ist die Über­ma­lung der „Nazi-Kiez“ Graf­fi­tis in der rech­ten Hoch­burg Dort­mund-Dorst­feld Anfang Sep­tem­ber die­sen Jah­res. Bis­her reagier­ten die Nazis mit meh­re­ren Kund­ge­bun­gen und einer Demons­tra­ti­on durch die Nord­stadt auf die städ­ti­sche Re-Aneig­nung der Fas­sa­den in der Emscher­stra­ße. Die Nazis sind wütend über den Sym­bol­ver­lust ihrer Graf­fi­tis und argu­men­tie­ren vor­der­grün­dig, das die vor den Wän­den Wache schie­ben­den Poli­zis­ten zur Kri­mi­na­li­täts­be­kämp­fung in der Nord­stadt feh­len wür­den. Die Nazis han­deln nach dem Mot­to „bring the war home“. In die­ser Logik machen ihre Aktio­nen sie zu han­deln­den Akteu­ren und lässt sie nicht in der Rol­le ohn­mäch­ti­ger Zuschau­er ver­wei­len, treibt den Preis, den die Stadt für die Über­ma­lung zu zah­len hat, hoch und ver­sucht den sym­bo­li­schen Raum­ver­lust in Dorst­feld durch den zu erwar­ten­den Raum­ge­winn in der Nord­stadt zu kom­pen­sie­ren. Gleich­zei­tig hofft sie auf eine Demü­ti­gung der Dort­mun­der Lin­ken, wenn sie es schafft dau­er­haft in der Nord­stadt Prä­senz zu zei­gen. Das sie den Mon­tag für ihre Demons­tra­ti­on­s­ma­ra­thon wäh­len kommt nicht von unge­fähr. Schafft die Par­tei „Die Rech­te“ es doch dadurch den mon­tag­li­chen Pro­test vor dem neu­en Thor Stei­nar Laden in der Dort­mun­der Innen­stadt zu spal­ten und zu mini­mie­ren. Zudem füh­ren die Nazis durch den anvi­sier­ten Demons­tra­ti­on­s­ma­ra­thon in den kom­men­den Mona­ten eine ähn­li­che Dau­er­prä­senz wie in Essen-Ste­e­le und Her­ne ein. Eine neo­na­zis­ti­sche Bür­ger­wehr für die Dort­mun­der Nord­stadt. Für die Ruhr­pott-Nazis heißt dies, sie kön­nen am Mon­tag in Dort­mund, am Diens­tag in Her­ne und am Don­ners­tag in Essen-Ste­e­le demons­trie­ren gehen.

Mitt­ler­wei­le sieht auch der Ver­fas­sungs­schutz NRW die­se Ent­wick­lung mit Sor­gen und erwähnt expli­zit die Bür­ger­wehr­be­stre­bun­gen in Köln, Düs­sel­dorf und Essen in sei­nem Jah­res­be­richt 2018. (9) Und aktu­ell wur­de ein Bericht des NRW-Innen­mi­nis­te­ri­ums über die Bür­ger­weh­ren für der Land­tag öffent­lich, der von dem hohen Grad der Ver­net­zung, die expli­zi­te Anbin­dung an die extre­me Rech­te und die Kon­tak­te zur AfD the­ma­ti­siert. (7, 8), In Essen hat es mitt­ler­wei­le auch die Bezirks­ver­tre­tung und der Stadt­rat nach über einem Jahr des Weg­schau­ens geschafft, sich in einer Reso­lu­ti­on zu posi­tio­nie­ren. So heißt es in dem im Mai ver­fass­ten Antrag der Frak­tio­nen von SPD, CDU, Grü­nen, Lin­ken, FDP, und „Bür­ger­li­che Mit­te Essen“: „Hin­ter einer ver­meint­lich harm­lo­sen Fas­sa­de ver­birgt sich womög­lich ein bun­des­weit agie­ren­des Netz­werk mit inten­si­ven Kon­tak­ten in die extre­me rech­te Sze­ne. Das erfor­dert eine inten­si­ve Beob­ach­tung und Beglei­tung durch die Sicher­heits­be­hör­den sowie eine inten­si­ve Aufklärungsarbeit“.

Alltag im Kampf gegen faschistische Raumnahme

Ob die­sen Wor­ten auch Taten fol­gen wer­den, bleibt abzu­war­ten. Denn jen­seits von pla­ka­ti­ven Reso­lu­tio­nen und Sonn­tags­re­den schei­nen sich die Behör­den in einem admi­nis­tra­ti­ven Vor­ge­hen gegen die rech­te Raum­nah­me in Essen-Ste­e­le schwer zu tun. Antifaschist*innen aus Essen bekla­gen die Tole­ranz und Akzep­tanz, die sei­tens der Ver­ant­wort­li­chen gegen­über den rech­ten Gewalt­struk­tu­ren herr­sche. Von der Poli­zei füh­len sie sich eher behin­dert als beschützt (3, 4). Als exem­pla­risch für die sorg­lo­se Hand­ha­be bzw. den kum­pel­haf­ten Umgang der Straf­ver­fol­gungs­be­hör­de mit dem rech­ten Gewalt­mi­lieu dient ihnen ein Vor­fall um die Jah­res­wen­de. Anfang des Jah­res wur­de ein Foto publik, auf dem sich ein ört­li­cher Poli­zei­haupt­kom­mis­sar freund­schaft­lich ver­bun­den im Krei­se der „Stee­ler Jungs“ ablich­ten ließ. Der Poli­zei­haupt­kom­mis­sar wur­de zwar nach einer Dienst­auf­sichts­be­schwer­de der Par­tei „Die Lin­ke“ in einen ande­ren Stadt­teil ver­setzt, aber die Kri­tik an der Poli­zei und den Behör­den ver­stummt nicht. Die Steeler*innen, die sich für ein demo­kra­ti­sches Gemein­we­sen ein­set­zen, sehen sich in ihrem Kampf für demo­kra­ti­sche Wer­te und Men­schen­rech­te von Poli­tik, Ver­wal­tung und Poli­zei in Stich gelassen.

Lokaler Protest

Demons­tra­ti­on „Der Pott bleibt unteil­bar“ am 14.0.2019 in Ess­sen-Ste­e­le. (Foto: H.Koch)

Gegen die Raum­nah­me der „Stee­ler Jungs“ sind im Stadt­teil unter­schied­li­che Grup­pie­run­gen und Ein­zel­per­so­nen aktiv. Her­vor­zu­he­ben sind die dem bür­ger­li­che Spek­trum zuzu­ord­nen­de Grup­pe „Mut­ma­chen – Ste­e­le bleibt bunt“ und die rela­tiv jun­ge Grup­pe „Auf­ste­hen gegen Ras­sis­mus – Essen“, die sich Anfang die­sen Jah­res grün­de­te. Seit dem Okto­ber letz­ten Jah­res beglei­tet die Grup­pe „Mut­ma­chen – Ste­e­le bleibt bunt“ die rech­ten Auf­mär­sche am 1. Don­ners­tag des Monats mit ihrem Pro­test. Und seit dem Früh­jahr über­nimmt die Grup­pe „Auf­ste­hen gegen Ras­sis­mus“ den Pro­test an jedem 3. Don­ners­tag des Monats. Dabei machen sie auf dem ört­li­chen Kai­ser-Otto-Platz einen Infor­ma­ti­ons­stand, ver­tei­len Mate­ria­li­en über die Bür­ger­wehr und bemü­hen sich um ein anti­fa­schis­ti­sches Kul­tur­pro­gramm. Immer wie­der kommt es dabei zu Pöbe­lei­en und Atta­cken der „Stee­ler Jungs“, die ihre Kritiker*innen foto­gra­fie­ren, bedrän­gen und zum Teil bis vor die Haus­tür verfolgen.

Am 14. Sep­tem­ber rie­fen die Grup­pen „Mut­ma­chen – Ste­e­le bleibt bunt“ und „Auf­ste­hen gegen Ras­sis­mus“, sowie das Bünd­nis „Essen stellt sich que­er“ zu einer Groß­de­mons­tra­ti­on unter dem Mot­to „Der Pott bleibt unteil­bar“ auf. Die Demons­tra­ti­on war ein gro­ßer Erfolg. Rund 2.500 Men­schen aus Essen und den angren­zen­den Städ­ten zogen durch Essen-Steele.

Auto­no­me Anti­fa-Demo in Essen-Ste­e­le am 19.09.2019, (Foto: H.Koch)

Ande­re Antifaschist*innen sehen in den zwei­wö­chent­li­chen Kund­ge­bun­gen Protest‑, aber kei­ne Wider­stands­for­men. Den Aktio­nen wür­de es an Häu­fig­keit und Effi­zi­enz man­geln. Sie plä­die­ren für einen auto­no­men Anti­fa­schis­mus. Aus die­sem Grund rie­fen über ein Dut­zend Jugend­an­ti­fas aus dem Ruhr­ge­biet und dem Rhein­land zu einer Demons­tra­ti­on durch Essen-Ste­e­le auf. Klas­sisch in Black-Block-Manier, ver­mummt und mit Son­nen­bril­len ver­se­hen, zogen rund 500 Men­schen durch den Stadt­teil. In Rede­bei­trä­gen sag­ten sie den „Stee­ler Zustän­den“ den Kampf an. Vie­len Zuschauer*innen erschloss sich nicht, was an die­ser Inter­ven­ti­on nun effi­zi­en­ter und nach­hal­ti­ger gewe­sen sein soll­te. Zumin­dest mach­te der Auf­zug den Steeler*innen klar, dass es durch­aus unter­schied­li­che anti­fa­schis­ti­sche Lager mit diver­gie­ren­den Posi­tio­nen, Ansich­ten und Akti­ons­for­men gibt.

Essen-Ste­e­le hat ein mas­si­ves Pro­blem mit rech­ten Struk­tu­ren. Es ist zu wün­schen, dass sich in Zukunft noch mehr Men­schen gegen die­se men­schen­feind­li­che Raum­nah­me wenden.