Pegida-Gegner seit Wochen in München in Untersuchungshaft

Der jun­ge Anti­fa­schist Paul wur­de bei Pro­tes­ten gegen die ras­sis­ti­sche Pegi­da-Kund­ge­bung am 20. Juli 2015 auf dem Mün­che­ner Mari­en­platz wegen sei­ner klei­nen Fah­ne von Zivilpolist_innen fest­ge­nom­men. Seit­dem sitzt er in Untersuchungshaft.

Das «Bünd­nis gegen Nazi­ter­ror und Ras­sis­mus» erklärt in einer Pres­se­er­klä­rung, die Poli­zei erken­ne Fah­nen dann als Waf­fen an, wenn die­se für sie als zu kurz gel­ten. Die­se klei­nen Fah­nen bezeich­ne die Poli­zei als so genann­te «Knüp­pel­fah­nen». Bei der Haft­prü­fung am 5. August 2015 im Amts­ge­richt Mün­chen ord­ne­te die Rich­te­rin an, Pauls Haft fort­zu­set­zen. Sie tei­le die Ansicht von Poli­zei und Staats­an­walt­schaft, die in der mit­ge­führ­ten kur­zen Fah­ne des Demons­tran­ten eine ver­meint­li­che Waf­fe sehen. Die Haupt­ver­hand­lung beginnt am 15. Sep­tem­ber 2015.

Am Abend des 20.7. wur­de Paul gegen 20.30 Uhr wegen «Ver­sto­ßes gegen das Ver­samm­lungs­ge­setz» fest­ge­nom­men. Die Fest­nah­me eines wei­te­ren Gegen­de­mons­tran­ten begrün­det die Poli­zei mit Wider­stand gegen Polizeibeamt_innen.

Bei der Kund­ge­bung an jenem Mon­tag­abend, bei der Lutz Bach­mann als Gast auf­trat, wur­de auch ein Pegi­da-Demons­trant fest­ge­nom­men. Laut einem Arti­kel der Süd­deut­schen Zei­tung habe der Pegi­da-Demons­trant einen Pflas­ter­stein auf Oppo­nen­ten gewor­fen. Dabei sei nie­mand getrof­fen wor­den. Gegen die­sen Pegi­da-Teil­neh­mer, so betont die jun­ge Welt, sei anders als in Pauls Fall laut Staats­an­walt­schaft kei­ne Unter­su­chungs­haft ver­hängt worden.

Das No-Bag­ida-Bünd­nis erklär­te bereits am Diens­tag in einer Pres­se­mit­tei­lung, es ver­ur­tei­le die Fest­nah­me durch die Poli­zei sowie die Ver­hän­gung der Unter­su­chungs­haft. Begrün­det wür­de die U‑Haft mit «Flucht­ge­fahr». Dem Betrof­fe­nen wer­de unter­stellt, kei­nen fes­ten Wohn­sitz zu haben, berich­tet die Jun­ge Welt. In einer Pres­se­er­klä­rung schreibt der Unterstützer_innenkreis für Paul, dass die­ser sehr wohl an einem fes­ten Wohn­sitz gemel­det sei. Pauls Anwalt Mar­kus Fischer sag­te im Gespräch mit der Jun­gen Welt, auch wenn der Straf­rah­men für das vor­ge­wor­fe­ne Delikt bis zu zwei Jah­re Haft betra­ge, müs­se sein Man­dant rea­lis­tisch gese­hen nicht mit einer Haft­stra­fe, son­dern allen­falls mit einer Geld­stra­fe rechnen.

Aus der Sicht des No-Bag­ida-Bünd­nis­ses han­delt es sich um «eine voll­kom­men will­kür­li­che Repres­si­ons­maß­nah­me» gegen­über Paul. Lars Tisch­ler, Pres­se­spre­cher des Unterstützer_innenkreises für Paul, ergänzt: «Die Inhaf­tie­rung Pauls bil­det nur den Gip­fel der sys­te­ma­ti­schen Kri­mi­na­li­sie­rung des selbst­or­ga­ni­sier­ten anti­fa­schis­ti­schen Wider­stands gegen die wöchent­lich von der Poli­zei durch­ge­prü­gel­ten ras­sis­ti­schen Pegi­da-Auf­mär­sche. Auch zahl­rei­che wei­te­re Anti­fa­schis­tin­nen und Anti­fa­schis­ten wer­den von Poli­zei und Staats­an­walt­schaft mit phy­si­scher Gewalt, Inhaf­tie­run­gen und Gerichts­ver­fah­ren drangsaliert.»

Am Abend der Pro­tes­te gegen die Pegi­da-Kund­ge­bung Ende Juli ver­hiel­ten sich eini­ge der Polizeibeamt_innen unver­hält­nis­mä­ßig repres­siv und aggres­siv gegen­über Demonstrant_innen, die rund um die abge­sperr­te Pegi­da-Kund­ge­bung gegen die­se Lärm mach­ten. Beson­ders gegen die Pro­test­teil­neh­men­den, die sich bei den Trans­pa­ren­ten mit der Auf­schrift «anti­fa­schis­ti­scher Schutz­wall» auf­hiel­ten, gin­gen die Polizist_innen bra­chi­al vor. Die Trans­pa­ren­te auf Höhe der poli­zei­li­chen Absper­run­gen schränk­ten die von Pegi­da ange­streb­te Sicht­bar­keit ihres «Patrio­tis­mus» gegen­über den Passant_innen am Mari­en­platz erfolg­reich ein. Die Antifaschist_innen, die sich aus Sicht der Pegi­da-Kund­ge­bung hin­ter den Trans­pa­ren­ten ver­sam­melt hat­ten, demons­trier­ten dort fried­lich. Bei­na­he unun­ter­bro­chen wur­de die­ser Abschnitt der Pro­test­men­ge dabei von meh­re­ren Polizist_innen gefilmt. Ein Beam­ter führ­te eine Video­ka­me­ra, die an einem meter­lan­gen Stock befes­tigt war, auf der Pegi­da-Sei­te der Absper­run­gen ober­halb der Trans­pa­ren­te entlang.

Ab etwa der Hälf­te der Kund­ge­bung – noch bevor der Gast­red­ner und Pegi­da-Grün­der Lutz Bach­mann sei­nen Auf­tritt hat­te – scho­ben sich Polizeibeamt_innen in drei engen Ket­ten von hin­ten in die Men­ge der Demons­trie­ren­den bis zur Absper­rung nach vor­ne. Sie drück­te die Umher­ste­hen­den ohne Vor­war­nung gewalt­tä­tig aus­ein­an­der. Die Demonstrant_innen hat­ten kaum Platz der Poli­zei aus­zu­wei­chen und wur­den daher auf engs­tem Raum zusam­men­ge­drängt. Für eine Zeit ent­stand dadurch der Ein­druck einer Kes­sel­bil­dung durch die Polizeibeamt_innen, mit denen es ver­ein­zelt zu Geran­gel kam. Gefragt danach, war­um sie so vor­gin­gen, gaben die Polizist_innen an, dass aus den Rei­hen der Gegendemonstrant_innen mehr­mals Gegen­stän­de über die Absper­rung in Rich­tung der Pegi­da-Teil­neh­men­den gewor­fen wor­den seien.

Die Süd­deut­sche Zei­tung berich­tet, dass mit rohen Eiern, Obst, Farb­beu­teln und einer vol­len Win­del «von man­chen aus der Men­ge» der Gegendemonstrant_innen auf die 170 Pegi­da-Sym­pa­thi­san­t_in­nen gewor­fen wor­den sei. Die­se Gegen­stän­de habe die Poli­zei aber offen­bar nie­man­dem ein­deu­tig zuord­nen kön­nen, schreibt hier­zu die jun­ge Welt.

Für den Pegi­da-Geg­ner Paul, der seit der Kund­ge­bung wegen der ver­meint­lich mit­ge­führ­ten «Knüp­pel­fah­ne» in U‑Haft sitzt, ver­sam­mel­ten sich bereits vier Tage nach der Fest­nah­me vor der JVA Mün­chen-Sta­del­heim etwa 130 Men­schen, for­der­ten sei­ne sofor­ti­ge Frei­las­sung und pro­tes­tier­ten gegen Poli­zei­ge­walt und Repres­si­on. Unter ande­rem tru­gen sie ein meter­lan­ges gel­bes Trans­pa­rent mit der Auf­schrift «FREE PAUL – aler­ta anti­fa­scis­ta». Eini­ge der Unterstützer_innen schwenk­ten klei­ne Fah­nen, die Pauls Fah­ne ähnelten.

In Soli­da­ri­tät mit allen Betrof­fe­nen von staat­li­cher Repres­si­on rief der «Unterstützer_innenkreis für Betrof­fe­ne von Repres­si­on bei Anti-Pegi­da Pro­tes­ten» bereits anläss­lich der Haft­prü­fung am Mitt­woch, 5. August, zu einer Kund­ge­bung vor dem Amts­ge­richt in der Nym­phen­bur­ger Stra­ße in Mün­chen auf. Eine wei­te­re Pro­test­de­mons­tra­ti­on für die Frei­las­sung Pauls beweg­te sich am 8. August durch Mün­chen. Auf der Face­book-Sei­te heißt es: «Trotz extre­mer Hit­ze und kur­zer Mobi­li­sie­rungs­dau­er brach­ten heu­te mehr als 150 Men­schen ihre Soli­da­ri­ät mit Paul und allen ande­ren Betrof­fe­nen von staat­li­cher Repres­si­on zum Aus­druck. Die Demons­tra­ti­on zog laut­stark vom Haupt­bahn­hof über den Stac­chus und das Send­lin­ger Tor zum Mari­en­platz, dem Ort wo Paul vor knapp drei Wochen fest­ge­nom­men wurde.»

Auf der Face­book-Sei­te «Frei­heit für Paul» wer­den seit Wochen Soli­da­ri­täts­adres­sen mit Fotos und der For­de­rung «Free Paul» aus unter­schied­lichs­ten Städ­ten von Antifaschist_innen gepostet