Ein Besuch im NSU-Prozess: Leberwurstsemmeln und Gerechtigkeit

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Das Geschwulst am Straf­jus­tiz­zen­trum in Mün­chen, in wel­chem der NSU-Pro­zess im Saal A101 bald in sein 4. Jahr geht und vor dem das Ein­lass-Zelt steht Foto: Burschel

Eine Stun­de vor Pro­zess­be­ginn tei­le ich mir die Zuschau­er­rei­hen mit nur einem wei­te­ren Besu­cher. Auf sei­ner Glat­ze spie­gelt sich grel­les Neon­licht, das von küh­len Beton­wän­den her­ab­strahlt. Er könn­te Haupt­dar­stel­ler in einem um Auf­klä­rung bemüh­ten, öffent­lich-recht­li­chen Fern­seh­film zu Neo­na­zis­mus sein. Hier ver­kör­per­te er einen dump­fen und lie­bens­wer­ten, aber bedin­gungs­los erge­be­nen Mit­läu­fer. Wie ein ver­ges­se­ner Aqua­ri­ums­be­su­cher blickt der blas­se Koloß durch die dicke, bis zwei Meter unter die Decke rei­chen­de Glas­schei­be nach unten in den Gerichts­saal. Als war­te er dar­auf, dass ein gro­ßer, ganz beson­de­rer Fisch sich bald zei­gen möge. Um einen bes­se­ren Blick zu erha­schen, gehe ich die weni­gen Stu­fen hin­un­ter und pres­se mei­ne Nase gegen die Schei­be. Nun kann ich die Papp­auf­stel­ler lesen, die anzei­gen, wo die Ange­klag­ten, die Bun­des­an­walt­schaft und die Neben­klä­ger sit­zen wer­den. Sofort kommt ein Jus­tiz­be­am­ter her­an­ge­eilt und for­dert mich auf, mei­nen Platz ein­zu­neh­men. Wei­ter­le­sen „Ein Besuch im NSU-Pro­zess: Leber­wurst­sem­meln und Gerechtigkeit“

Aktionstag gegen Rassismus in Tunesien

csm_Handous_Mnemty_demo_in_Tunis_21_March_2016_f9efb4add7Schwar­ze Tune­sie­rIn­nen sehen sich als Bür­ge­rIn­nen zwei­ter Klasse

Tune­si­en ist stolz auf sei­ne wech­sel­haf­te Geschich­te. Das Land ist ein leben­di­ges Muse­um von den puni­schen Besied­lun­gen über die Fati­mi­den bis zum Ara­bi­schen Früh­ling, und die­se viel­fäl­ti­gen Ein­flüs­se sind sicher­lich ein Grund für die gerühm­te tune­si­sche Bereit­schaft zur Kon­flikt­lö­sung durch den Kom­pro­miss. Leben und leben las­sen ist hier eine Devi­se, mit der gewor­ben wird.

Schwar­ze Tune­sie­rin­nen und Tune­si­er, etwa 15 Pro­zent der Bevöl­ke­rung, sehen das jedoch ganz anders. Sie bekla­gen sich über den Ras­sis­mus auf der Stra­ße und in den Insti­tu­tio­nen. Zwar wur­de die Skla­ve­rei im Jah­re 1846 abge­schafft – Jah­re vor die­sem Schritt in den USA oder vie­len euro­päi­schen Kolo­nien –, ein Über­bleib­sel die­ser Zeit ist jedoch heu­te noch in offi­zi­el­len Doku­men­ten gegen­wär­tig. So tra­gen die Nach­kom­men ehe­ma­li­ger Skla­vIn­nen noch heu­te den Namen des „Besit­zers“ ihrer Vor­fah­ren, der der Bezeich­nung „Atiq“ („befreit von“) folgt. Wei­ter­le­sen „Akti­ons­tag gegen Ras­sis­mus in Tunesien“

Berlin 2015: 320 rechte, rassistische und antisemitische Angriffe

[Wir doku­men­tie­ren eine Pres­se­mit­tei­lung der Kolleg_innen der Ber­li­ner Opfer­be­ra­tungs­stel­le ReachOut] 
Auch in Bay­ern schießt der Ras­sis­mus durch die Decke: Im ober­baye­ri­schen Zor­ne­ding pro­tes­tier­ten 3000 Men­schen gegen die ras­sis­ti­schen Angrif­fe, denen der schwar­ze katho­li­sche Seel­sor­ger Oli­vi­er Ndjim­bi-Tshien­de aus­ge­setzt war, nach­dem auch die ört­li­che CSU ihn u.a. wegen sei­nes Ein­sat­zes für Geflüch­te­te dis­kri­mi­niert hat­te Foto: Burschel

Die Angriffs­zah­len in Ber­lin sind mas­siv gestie­gen; Ras­sis­mus ist das häu­figs­te Tat­mo­tiv. Die meis­ten Angrif­fe fin­den in Mar­zahn statt.
ReachOut, die Ber­li­ner Bera­tungs­stel­le für Opfer rech­ter, ras­sis­ti­scher und anti­se­mi­ti­scher Gewalt, ver­zeich­net 320 Angrif­fe für das Jahr 2015.
Das ist ein Anstieg von fast 80% der Gewalt­ta­ten und mas­si­ven Bedro­hun­gen im Ver­gleich zu 2014. Ras­sis­mus steht als Tat­mo­tiv im Vor­der­grund. Ins­ge­samt wer­den 412 Men­schen ver­letzt und bedroht. Allein im Umfeld von Geflüch­te­ten­un­ter­künf­ten erfuh­ren wir von 39 Angrif­fen. Wei­ter­le­sen „Ber­lin 2015: 320 rech­te, ras­sis­ti­sche und anti­se­mi­ti­sche Angriffe“

Opferberatungsstellen: Dramatischer Anstieg rassistischer Gewalt

[Wir doku­men­tie­ren hier eine alar­mie­ren­de Pres­se­mit­tei­lun­gen der VBRG e.V, des Bun­des­ver­ban­des unab­hän­gi­ger Bera­tungs­stel­len für Betrof­fe­ne rech­ter, ras­sis­ti­scher und anti­se­mi­ti­scher Gewalt in Deutsch­land]
*Rechts motivierte Angriffe im Vergleich zu 2014 nahezu verdoppelt* + *Dramatischer Anstieg rassistischer Gewalt* + *146 Angriffe an Geflüchtetenunterkünften, darunter 45 Brandanschläge*
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Beein­dru­cken­der Pro­test von 3000 Men­schen gegen die ras­sis­ti­sche Bedro­hung des katho­li­schen Pfar­rers Prof. Dr. Oli­vi­er Ndjim­bi-Tshien­de am 9.März im ober­baye­ri­schen Zor­ne­ding. Der schwar­ze Seel­sor­ger erhielt u.a. Droh­brie­fe des Inhalts: „Ab mit dir nach Ausch­witz!“ Die ört­li­che CSU hat­te im Vor­feld zur ras­sis­ti­schen Stim­mung bei­getra­gen. Foto: Burschel

Im Jahr 2015 stieg die Zahl poli­tisch rechts, ras­sis­tisch und anti­se­mi­tisch moti­vier­ter Gewalt­ta­ten erneut deut­lich an. In den ost­deut­schen Bun­des­län­dern und Ber­lin haben sich die Angrif­fe von 782 auf 1468 nahe­zu ver­dop­pelt. Mit Nord­rhein-West­fa­len legt erst­ma­lig auch ein west­deut­sches Bun­des­land unab­hän­gi­ge Zah­len zur Angriffs­si­tua­ti­on vor. 279 rechts­mo­ti­vier­te Angrif­fe wur­den in dem bevöl­ke­rungs­reichs­ten Bun­des­land gezählt, 1747 sind es damit in der Sum­me. Min­des­tens 2237 Per­so­nen wur­den 2015 in den sie­ben Bun­des­län­dern ver­letzt und mas­siv bedroht. Wei­ter­le­sen „Opfer­be­ra­tungs­stel­len: Dra­ma­ti­scher Anstieg ras­sis­ti­scher Gewalt“

Wirklich Willkommen? Anmerkungen zum Thema deutsche «Willkommenskultur»

Refu­gees Wel­co­me Ban­ner sind in jeder Stadt zu sehen. Pho­to: seven resist (Flickr)

Seit die kata­stro­pha­le Lage an den euro­päi­schen Gren­zen im Som­mer 2015 die Bun­des­re­gie­rung dazu nötig­te, mehr Geflüch­te­te auf­zu­neh­men, ist die Zahl der Asyl­su­chen­den in Deutsch­land stark gestie­gen. Als Reak­ti­on dar­auf erhal­ten einer­seits Pegi­da & Co. ver­stärkt Zulauf und es ereig­nen sich bei­na­he täg­lich Angrif­fe auf Flücht­lin­ge. Ande­rer­seits enga­gie­ren sich vie­le Men­schen, um die neu ankom­men­den Geflüch­te­ten zu unter­stüt­zen. Die Bil­der der beju­bel­ten Ankunft von syri­schen Geflüch­te­ten am Münch­ner Haupt­bahn­hof oder der unzäh­li­gen Frei­wil­li­gen, die Klei­der­kam­mern in Ham­burg orga­ni­sie­ren, gin­gen nicht nur in Deutsch­land, son­dern auch inter­na­tio­nal durch die Medi­en. Bald ent­stand der Begriff der «Will­kom­mens­kul­tur». Doch was genau steht hin­ter die­sem Begriff und wie ist er zu bewer­ten? Wei­ter­le­sen „Wirk­lich Will­kom­men? Anmer­kun­gen zum The­ma deut­sche «Will­kom­mens­kul­tur»“