Ökonomie der Migration

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Der Sitz des Bun­des­amts für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge in Nürn­berg („Aeri­al Nurem­berg Sued­ka­ser­ne“ von Nico Hof­mann  CC BY-SA 3.0)

Diet­mar Dath war mal wie­der in den USA und ver­schafft einer erfolg­rei­chen schwar­zen Autorin, mit der er dort sprach, Raum in der FAZ, wo er sie beto­nen läßt,

dass die Bedin­gun­gen, die eine Men­schen­grup­pe benach­tei­li­gen, sich auch in ver­än­der­ten Rechts­la­gen sehr lan­ge unter der Insti­tu­tio­na­li­sie­rungs­schwel­le repro­du­zie­ren: als Gewohn­hei­ten, als Gele­gen­hei­ten, einen Start­vor­teil zu nut­zen, ein exis­tie­ren­des Netz­werk von Erleich­te­run­gen sozia­ler Beweg­lich­keit, als Tra­di­ti­on, als etwas schein­bar Kul­tu­rel­les, das nicht bes­ser wird, wenn jemand sagt: Hey, end­lich gibt es auch schwar­ze Astro­nau­ten und Buch­preis­trä­ge­rin­nen. Denn das stellt eben auch wie­der nur fest: Sie sind Aus­nah­men, wir sind gene­rös. Und wäh­rend­des­sen wer­den die Rega­le intakt gelas­sen, in denen die Leu­te öko­no­misch und poli­tisch ein­sor­tiert wer­den kön­nen. Bil­lig­job zum Bei­spiel, das heißt dann sehr schnell ein­fach: Job für Nicht­wei­ße. Wer die Men­schen­re­ga­le baut, wird die Men­schen fin­den, die sie füllen.“

Die­se Öko­no­mie der Migra­ti­on beob­ach­ten wir auf dem Blog wem​ge​hoert​die​welt​.de und arbei­te­ten sie aus­führ­lich schon 20067 in einem Arti­kel für den Month­ly Review genau­er her­aus. Dabei kamen wir zu dem Ergebnis: 

The Euro­pean bor­der­land pro­du­ces a con­tem­po­ra­ry form of what Marx famously cal­led the “indus­tri­al reser­ve army.” This must be gras­ped as the result of a glo­ba­li­zed and con­flic­tu­al pro­cess invol­ving many actors and levels of ope­ra­ti­on. That said, the main pro­fi­te­ers of the cur­rent situa­ti­on are easy enough to iden­ti­fy. Cor­po­ra­ti­ons and busi­nesses that exploit cheap migrant labor, as well as firms that sup­p­ly nee­ded services—such as inter­na­tio­nal ban­king, trans­por­ta­ti­on, and telecommunications—to the immi­grant com­mu­ni­ty, make good money on the backs of this trans­na­tio­nal labor force. Resis­tance is con­sti­tu­ted only when migrants orga­ni­ze them­sel­ves poli­ti­cal­ly and act in con­cert with local grass­roots groups and trade uni­ons for goals that include but are not limi­t­ed to the lega­liza­ti­on of sta­tus. Pro­po­sals that take into account and respond to the glo­bal ine­qua­li­ties and power asym­me­tries behind migra­ti­on and ille­ga­li­ty must be put on the agen­da. And every suc­cessful cam­paign for an expan­si­on of legal sta­tus should be seen as an oppor­tu­ni­ty for con­so­li­da­ting the base for con­tin­ued grass­roots strugg­le.“ (Eine deutsch­spra­chi­ge Ver­si­on die­ses Arti­kels gibt es lei­der nicht, dafür aber eine chi­ne­si­sche Über­set­zung)

Tat­säch­lich zeigt sich die öko­no­mi­sche Funk­ti­on des Grenz­re­gimes und der Flucht-/Mi­gra­ti­ons­be­we­gun­gen sogar ganz direkt in den gegen­wär­ti­gen Ein­las­sun­gen der Kampf­or­ga­ni­sa­tio­nen des Kapi­tals („Unter­neh­mer­ver­bän­de“), die eine gan­ze Palet­te ehe­mals von links vor­ge­brach­ter Posi­tio­nen auf ihre Fah­nen schrei­ben, bei­spiel­haft zusam­men­ge­fasst auf der Home­page der „Unter­neh­mer in Rhein­land-Pfalz“ anläss­lich des Wahl­kampfs dort, aber auch bei der Bun­des­ver­ei­ni­gung der Deut­schen Arbeit­ge­ber­ver­bän­de (BDA): „Poten­tia­le nut­zen – geflüch­te­te Men­schen beschäf­ti­gen“. Die dis­kur­si­ve Marsch­rich­tung gab schon im Janu­ar 2015 der Chef des Bun­des­ver­ban­des der Deut­schen Indus­trie (BDI) vor. Wäh­rend der gro­ßen Wan­der- (und Pogrom-)bewe­gung der 1990er Jah­re war das anders, weil das (west-)deutsche Kapi­tal damals voll damit beschäf­tigt war, sich die ost­deut­sche Öko­no­mie und deren Mit­ar­bei­ter als bil­li­ge Arbeits­kräf­te ein­zu­ver­lei­ben. In der Logik der Öko­no­mie der Migra­ti­on heu­te wie­der­um liegt es, die bei­den zustän­di­gen obers­ten Bun­des­be­hör­den (Bun­des­agen­tur für Arbeit, Bun­des­amt für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge; bei­de inter­es­san­ter­wei­se his­to­risch in Nürn­berg) unter eine gemein­sa­me Lei­tung zu stel­len (so gesche­hen am 18.9.2015).

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