Von Doris Winter
PG Macioti spricht mir aus dem Herzen. Ich fing mit 18 Jahren mit Sexarbeit an und habe viele Jahre angeschafft. Dabei litt ich sowohl unter der früheren Gesetzgebung vor 2002 als auch unter dem Hurenstigma. Nicht unter meinem Job selbst, den mochte ich, schon alleine wegen der finanziellen Unabhängigkeit, der freien Zeiteinteilung und den Gestaltungsmöglichkeiten jeder einzelnen Situation. Ich lernte viel und habe nie bereut, diesen Weg eingeschlagen zu haben. Parallel dazu begann ich eine Ausbildung, um eine berufliche Alternative in der Tasche zu haben. Auch damals gab es schon eine Art «Rettungsindustrie». Ich geriet an einen Ermittlungsrichter, der unbedingt meinen damaligen Bordellbetreiber einbuchten wollte. Das wollte allerdings ich nicht, denn mein Arbeitsplatz war fair organisiert, ich war zufrieden dort.
Die damalige Gesetzgebung scherte sich um solche Kleinigkeiten nicht, unsereins galt als unfähig, selbst zu entscheiden, ob es uns gut ging oder nicht. Nein, der Ermittlungsrichter hieß nicht Alice mit Vornamen… Es war ein Horst. Er drohte, eine Kopie meiner Aussage an meine Ausbildungsstätte zu schicken, wenn ich nicht aussage, was er hören wollte. Das tat ich nicht, und er vollzog seine Drohung. Kurz vor meinem Abschluss war ich in ernstlicher Gefahr, mehrere Jahre beruflicher Ausbildung zu verlieren. Die Ausbildung habe ich letztlich trotzdem zu Ende gebracht, aber das ist eine längere Geschichte.
Über diesen immensen Übergriff, über diese Willkür, habe ich mich so nachhaltig empört, dass ich schließlich begann, mich hurenpolitisch zu engagieren. Als kleines Rädchen im Getriebe kämpfte ich lange für rechtliche Veränderungen. Nach der Verabschiedung des ProstG 2002 war ich schrecklich enttäuscht: so ein winziges, halbherziges Gesetz.
Im Nachhinein besehen, hat das ProstG dann aber doch mehr für SexarbeiterInnen gebracht als auf den ersten Blick ersichtlich. Allein der Wegfall des Umstands der «Sittenwidrigkeit» von Prostitution war ein großer Schritt. Meine Güte. Die Zeiten, in denen Frauen sittsam zu sein hatten, sollten doch schon längst perdu sein. Was tun wir schon Schlimmes? Ein bisschen Freude bereiten. Alle Beteiligten sind erwachsen. Es werden keine Rechtsgüter von Dritten geschädigt. Das Verdikt der Sittenwidrigkeit brachte umfangreiche und unverhältnismäßige rechtliche und sozialversicherungsrechtliche Nachteile für uns. Wie gut, dass es weg ist.
Glauben Sie niemals Menschen, die mit unserem Job überhaupt nichts zu tun haben, aber behaupten, sie wüssten, was gut für uns ist!
Doris Winter hat mit 18 Jahren begonnen, als Prostituierte zu arbeiten, und hat parallel eine Ausbildung gemacht. Sie war neben vielen anderen Jobs bis Mitte 40 hauptberuflich Sexarbeiterin. Sie pflegt weiterhin enge Kontakte ins «Milieu» und ist politisch aktiv für bessere Arbeitsbedingungen für Sexarbeiter_innen. Dieser Artikel erscheint im nächsten Journal der Rosa-Luxemburg-Stiftung (RosaLux 2/2014). Die letzte Ausgabe des Journals finden Sie hier.