in erinnerung an henning eichberg
Manchmal sind es Kleinigkeiten, die bei einem Buch, das man gerade verschlungen hat, nachträglich zu einem Grummeln führen, das allmählich immer stärker wird. So wie bei einem leckeren Gericht dessen reichliche und interessante Würzung dazu geführt hat, dass zunächst nicht zu bemerken war, dass das Hauptprodukt wohl nicht mehr ganz frisch war. Beim jüngsten Buch von Thomas Wagner, „Die Angstmacher. 1968 und die Neue Rechte“, einem sowohl sehr lesenswerten als auch sehr diskussionsbedürftigen Band, war der Auslöser dieses zunehmenden Unwohlseins der Teil eines Gesprächs des Autors mit Henning Eichberg, einem langjährig führenden Ideologen der nationalrevolutionären Strömung der Neuen Rechten[1], das in dem Kapitel „Der Sound der Linken“ wörtlich wiedergegeben wird.
Die Kronzeugin
Konkret dreht es sich um einen Leserbrief unter dem Titel „Die besseren Argumente“[2], einer „Thora Ruth“[3] an die in Argentinien durch den ehemaligen hohen NS-Funktionär Wilfried von Oven herausgegebene Zeitung „La Plata Ruf – La Voz del Plata“, der seitdem in der Fachliteratur immer wieder als kennzeichnendes Beispiel für die Kommunikationsstrategie der extremen Rechten zitiert wird. Nachgewiesen werden soll damit in der Regel, dass sich die rassistischen Inhalte der extremen Rechten – auch bei dem sich als neurechts verstehenden Teil – gar nicht verändert hätten, sondern dass die gleichen Aussagen lediglich moderner formuliert und unverdächtiger verpackt würden. Es handele sich um eine Art Mimikry.[4] Mit der richtigen Entschlüsselungsmethode gelinge es allerdings, diese Tarnung zu decodieren und den Gehalt freizulegen. Sinn des Einsatzes dieses Zitates ist der Nachweis, dass Veränderungen in der Ideologie der extremen Rechten nur behauptet würden. Durch Adaption linken Vokabulars solle die Linke als ideologischer Hauptgegner in die Irre geführt werden. Zugleich sollen laut dieser These mögliche Brückenschläge von rechts nach links im Sinne einer Querfront[5] versucht werden.
Wagner konfrontiert Eichberg mit diesem Leserbrief und zitiert ausführlich daraus (S.70f.). Er vermutet, dass sich Eichberg, dessen Verwendung unterschiedlicher Pseudonyme in seinen diversen Publikationsorganen und nach Textsorten wechselnd bekannt ist, sich damals hinter der Tarnidentität „Thora Ruth“ versteckt hatte. Ein Indiz, welches diese These begründet erscheinen lassen konnte, bestand in der Veröffentlichung des Artikels „Warum sind wir Sozialisten“[6] von Eichberg (unter dem Pseudonym „Hartwig Singer“) im „La Plata Ruf“, der zuvor in der Zeitschrift „Neue Zeit“ der Aktion Neue Rechte[7] erschienen war. Eichberg räumt ein, dass die inhaltliche Argumentation des Leserbriefes starke Ähnlichkeiten mit seinen damaligen Positionen aufweist, distanziert sich aber gleichzeitig von den strategischen Aussagen in dem Beitrag. Er habe so „nicht geschrieben und auch nie gedacht“. Er weist also den Verdacht der Mimikry von sich. Und: „Ich habe aber keine Ahnung, wer das gemacht hat.“[8] Wie jeder gründliche Autor hatte Wagner eine These aufgestellt und sich um ihre Verifizierung oder Falsifizierung bemüht. Er hatte sich geirrt. Damit ist für ihn der Vorgang beendet.
Das ist ebenso bedauerlich wie folgenschwer. Denn wenn es sich nicht um Eichberg selbst handelte, dann wäre anzunehmen, dass der Autor bzw. die Autorin zumindest von seinem Denken beeinflusst worden war. Anderenfalls hätten diese Ideen zur damaligen Zeit quasi in der Luft gelegen, wären dort Allgemeingut ohne nachweisbaren Ursprung gewesen. Gerade nach dem Bestreiten der Urheberschaft des fraglichen Leserbriefs durch Eichberg wäre es also sowohl von Interesse wie auch von Bedeutung gewesen, die Hintergründe der Person Thora Ruth zu erkunden. Der implizite Verdacht der Mimikry gegen die Neue Rechte fände nur dann einen Beleg, wenn die Urheberin zu diesem Spektrum gehört. Relevanz hätte dieser Beleg nur dann, wenn es nicht um einen schlichten Einzelfall handelte.[9]
Bei dem Namen handelt es sich keineswegs um ein Pseudonym. Dieser Umstand ist problemlos durch Recherche zu belegen.[10] Den Spuren der Leserbriefautorin zu folgen wäre durchaus lohnend gewesen, denn ihre Geschichte und ihre Einbindung in ein konkretes Organisationsumfeld hätten Wagner eventuell zum Nachdenken über einige seiner mit viel Selbstbewusstsein und Verve vorgetragenen Hauptthesen veranlasst. So stimmt er zwar Volker Weiß in dessen Feststellung zu, dass es von der Neuen Rechten „immer auch inhaltliche und personelle Brücken zur alten Rechten und insbesondere zum Kanon der Zwischenkriegszeit“ gab. Zugleich aber widerspricht er vehement dessen Relativierung der Einschätzung, bei der Neuen Rechten handele es sich um ein „68 von rechts“, da diese nur Stilfragen erklären und ansonsten „keine tiefere Erkenntnis“ beitragen könne.[11] „Das Gegenteil ist der Fall“, meint Wagner. „Auf das veränderte Auftreten kommt es gerade an.“[12] Dass der Stil Vorrang vor den Inhalten haben soll, wäre erklärungsbedürftig.
Die Geschichte der konkreten Person Thora Ruth und ihres Leserbriefes lässt zumindest an der Unbedingtheit dieser These zweifeln. Thora Ruth (* 12. Mai 1953 in Ulm) studierte Biologie zunächst in Tübingen und später in Mainz (Abschluss als Diplom-Biologin). Ein Faltblatt des Nationaldemokratischen Hochschulbundes (NHB), für den sie auch in ihrer Mainzer Zeit aktiv war,[13] aus dem Jahr 1975 weist sie als Kontaktperson für Ulm aus; neben Diane Kruse (Bremen) ist sie die einzige Frau auf der Liste.[14] Inhaltlich werden ausschließlich hochschulpolitische Themen benannt, lediglich durch eine unverfängliche Karikatur werden „die Linken“ als Feindbild bestimmt. Zwar werden 23 Orte mit NHB-Vertretung aufgeführt, doch dürfte die reale Mitgliedschaft in dieser Studierendenorganisation der NPD die Zahl 100 nicht wesentlich überschritten haben. Von den aufgeführten Funktionären spielt nur noch Thomas Salomon (NPD) aktuell eine Rolle, einige andere waren später noch herausgehoben aktiv (Ronald Drechsler [NPD], Bernd Dröse [NPD, DVU], Heinrich Gerlach [NPD, DVU]) Jobit Stolp [Aktionsfront Nationaler Sozialisten]), sind aber entweder verstorben oder zumindest nicht mehr sichtbar tätig; der Großteil spielte später keine Rolle mehr. Niemand der aufgeführten Personen ist im Zusammenhang mit der Neuen Rechten auffällig geworden.
Dies gilt auch für Thora Ruth. Noch während des Studiums schrieb sie 1975 den Aufsatz „Rassemischung – Wissenschaft und Ideologie“ in der „Neuen Anthropologie“ der „Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung“ Jürgen Riegers, die keineswegs am Ethnopluralismus Eichbergs und seines Umfeldes ausgerichtet war, sondern vielmehr einen wissenschaftsförmig argumentierenden biologistischen Rassismus vertrat.[15] An diesem Umstand scheint quasi nebenbei eine Schwäche der Untersuchung von Thomas Wagner auf. Implizit geht er von der Neuen Rechten aus und nicht von den Neuen Rechten in unterschiedlichen ideologischen Spielarten, mit länderspezifischen Spezifika und historischen Entwicklungsphasen, die teils gravierende ideologische Modifikationen beinhalteten.
„Rasse“, Neue Rechte, alte Rechte
Trotz ihres biologischen Rassismus, der sich auch auf die einschlägigen NS-Theoretiker wie Hans F.K. Günther berief, könnte man nämlich die „Neue Anthropologie“ mit einiger Berechtigung in neurechte Zusammenhänge stellen, wenn man die Einbindung des Blattes in eine „rassistische Internationale“[16] berücksichtigt, die zu vielfältigen Überschneidungen sowohl mit dem Diskurs als auch dem Autorenstamm der französischen neurechten Zeitschrift „Nouvelle École“ der dortigen Hauptorganisation der Nouvelle Droite, des GRECE, führte.[17] Dies jedoch ist als Indiz gegen Wagners These zu werten, dass das „veränderte Auftreten“ entscheidend für die Neue Rechte sei. Offenkundig wurde mittels eines Netzwerkes – eben einer „rassistischen Internationale“ – an einer Modernisierung der durch die NS-Praxis diskreditierten rassistischen und eugenischen Theorien gearbeitet, damit die alten Inhalte in veränderter Form nutzbar wurden. Genau aus diesem Grund erfolgte 1972 auch die Umbenennung der bisherigen „Gesellschaft für Erbgesundheitspflege“ in den unverfänglicher klingenden Namen „Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung“. Auch der Namenswechsel der Zeitschrift erfolgte zu diesem Zeitpunkt; bis dahin hatte sie unter dem Namen „Biologische Zukunft – Erbe und Verantwortung“ firmiert.[18] Während jedoch das deutsche Blatt seine inhaltliche Ausrichtung nicht änderte und Rieger zum NS-Apologeten ohne jegliche Modernisierungsbestrebungen mutierte, erfolgten beim GRECE erhebliche Modifikationen der entsprechenden Ideologie hin zu einem kulturdifferenzialistischen Rassismus, die starke Ähnlichkeiten mit dem Verständnis von „Ethnopluralismus“ des frühen Henning Eichberg aufweisen.[19] Eichberg selbst firmierte zeitweise als deutscher Korrespondent der „Nouvelle École“.[20]
Jürgen Rieger selbst, schon damals Kopf hinter dem Projekt „Neue Anthropologie“, nahm im Sinne der Netzwerkarbeit mehrfach an den „Sababurgrunden“, den regelmäßigen Treffen der sich herausbildenden, nationalrevolutionär geprägten deutschen Neuen Rechten teil. Zwar unterschied sich sein biologistischer Rassismus deutlich von den unter dem Label „Ethnopluralismus“ sich herausbildenden Theorieansätzen der Nationalrevolutionäre, doch stand das gemeinsame ideologische Projekt der Popularisierung des Gedankens der Differenz von Menschengruppen im Vordergrund. Ein Bindeglied dabei war auch der Bezug auf die vergleichende Verhaltensforschung im Verständnis des Nobelpreisträgers Konrad Lorenz, die die genetische Prägung menschlichen Verhaltens stark betonte.
Thora Ruth blieb weiterhin im Umfeld Jürgen Riegers. Sie heiratete den dänischen Arzt Hans Christian Pedersen, einen bekennenden Nationalsozialisten und engen Bekannten Riegers. Dieser unterstützte das Ehepaar auch juristisch für ihre lokale Gruppierung „Arbeitsgemeinschaft Schönes Sörup“. In ihrem Wohnort Sörup in Schleswig-Holstein „erregten beide erstmals 1985 das Interesse der Öffentlichkeit, als sie eine Gedenkrede zum Volkstrauertag lautstark und handgreiflich störten, in der der Opfer des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus gedacht wurde.“[21] Aktivitäten im direkten internationalen Neonazi- und Holocaustleugner-Umfeld folgten. 1998 verließ das Ehepaar Deutschland in Richtung Südafrika.[22] Zumindest publizistisch blieb Thora Pedersen, die sich inzwischen den Vornamen „Andrea“ zugelegt hatte, auch nach der Auswanderung einschlägig aktiv. In den negationistischen „Vierteljahresheften für freie Zeitgeschichtsforschung“ vermutete sie hinter den Attentätern vom 11. September 2001 die USA selbst und/oder den israelischen Geheimdienst Mossad.[23] Warum jemand wie Thora Ruth, die durchgängig fest in der alten, NS-geprägten Rechten verankert war, als Kronzeugin für eine neurechte Kommunikationsstrategie taugen soll, ist nicht tatsächlich nachvollziehbar.
Wege aus der Krise?
Ich sehe in dem Vorgang vielmehr den Ausdruck einer komplizierten Gemengelage zu Beginn der siebziger Jahre, in der sich die deutsche extreme Rechte zur damaligen Zeit befand. Sie war gezwungen, Auswege aus einer doppelten Defensivposition zu finden. Einerseits war ihre eigene Offensive gescheitert, die mit der Vereinigung wesentlicher Teile der bis dahin zersplitterten extremen Rechten in einer gemeinsamen Partei, der NPD, begonnen hatte und zunächst erfolgreich mit dem Einzug dieser Formation in die meisten Landesparlamente fortgeführt worden war, dann aber letztlich zum entscheidenden Zeitpunkt, der Bundestagswahl 1969, unerwartet scheiterte. Gleichzeitig sah sie sich mit dem Aufstieg einer sich von den sozialpartnerschaftlich ausgerichteten DGB-Gewerkschaften, SPD und der zuvor in die Illegalität gedrängten KPD deutlich unterscheidenden aktionistischen und theoretisch runderneuerten Linken konfrontiert, deren Diskurs in der Öffentlichkeit — häufig in skandalisierender Form — breiten Widerhall fand. Dieser Aufschwung kam nur wenige Jahre nach dem Entstehen dieser Neuen Linken, damals ebenfalls in einer strategischen Defensivposition der Kräfte am linken Rand der SPD[24], allgemein völlig unerwartet. Wagner selbst beschreibt diese Aufbruchsstimmung treffend und anschaulich in dem Unterkapitel „Was 1968 war“ (S.13 – 17) und verweist auch darauf, dass der Erfolg dieser Bewegung nicht zuletzt darauf beruhte, dass sie (ungewollt) die Initialzündung für eine überfällige und dringend notwendige Modernisierung der bundesrepublikanischen Gesellschaft lieferte (S.21ff.), die wiederum teilweise konträr zu ihrem ursprünglichen Anliegen war.
Wagner neigt allerdings dazu, lediglich das Schlüsselerlebnis „1968“ als Auslöser für das Entstehen einer Neuen Rechten in der Bundesrepublik zu sehen. Mindestens ebenso einschneidend waren jedoch andere externe Faktoren wie die Bundestagswahl 1969, die die Bildung einer sozialliberalen Koalition aus SPD und FDP zur Folge hatte. Damit drohte eine außenpolitische Wende hin zu einer Entspannungspolitik gegenüber dem Ostblock inklusive der Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze, verantwortet von einem Bundeskanzler, der – Inbegriff des Schreckens! – aus einer linkssozialistischen Gruppe stammte und vor allem während der NS-Zeit emigriert war. Statt eines Aufschwungs des Nationalismus zeichnete sich also ein „nationaler Nihilismus“ ab. Ermöglicht worden war dieses Szenario ausgerechnet durch das starke und zugleich zu schwache Abschneiden der NPD, denn die neue Regierungskoalition hatte weniger als die Hälfte der abgegebenen Stimmen erhalten. Diese Faktoren bei der Beschreibung der Entstehung der Neuen Rechten einfach weitgehend auszublenden, ist mindestens leichtfertig.
Thora Ruth suchte wie viele andere Aktive und Strukturen der extremen Rechten nach Auswegen aus dieser Doppelkrise. Dazu war sie auch bereit, Teile der noch im Entwicklungsstadium befindlichen Ideologie der Nationalrevolutionäre zu übernehmen: „Die Idee des Befreiungsnationalismus ist in ganz Europa – von Irland und der Bretagne bis zu den unterdrückten Völkern Osteuropas – auf dem Vormarsch.“[25] Das passte inhaltlich zum in Mode kommenden Regionalismus in Teilen der Neuen Linken[26], die sich in etlichen Publikationen niederschlug, sowie die dortige marginale Debatte um das Verhältnis von Marxismus und Nation[27], griff erstmals in dieser Phase Diskursstränge der Neuen Rechten in anderen Ländern, speziell in Frankreich, auf[28], und war zugleich mit dem bisherigen Primat des Antikommunismus der alten Rechten durchaus kompatibel, auch wenn dieser Feind nunmehr als janusköpfiger verstanden wurde. „Wir wenden uns sowohl gegen den sowjetischen Panzerkommunismus als auch gegen den US-Dollarimperialismus.“, hieß es bei Thora Ruth. Zumindest in der nationalneutralistischen Traditionslinie der alten Rechten der Nachkriegszeit waren solche Formulierungen nicht neu[29]; sie waren allerdings in der NPD der sechziger Jahre deutlich minoritär.
Wenige Jahre später sind diese Ansätze bei ihr weitgehend aufgegeben und durch einen neuerlichen Vorrang des Antikommunismus abgelöst: „Wer mit uns der Meinung ist, daß es endlich aufhören muß mit dem Kapitalismus und der Geldsack-‚demokratie‘ der CDU/CSU, FDP, SPD, mit Volksverdummung durch die Werbemaschinerie, Umweltvergiftung durch profitgierige Großkonzerne, Agententum a la Guillaume & Co. und Cliquenwirtschaft der Parteifunktionäre, Unterdrückung des Volkswillens durch Panzerkolonialismus, Politirrenhäuser für Andersdenkende, Mauer, Stacheldraht und Minenfelder — der sollte sich einmal näher über die Vorstellungen und Ziele des Nationaldemokratischen Hochschulbundes informieren.“[30]
Uwe Sauermann, der NHB und der Katalysator Ernst Niekisch
Kleinparteien wie die „Aktion Neue Rechte“ sowie die nationalrevolutionären Gruppen, die diesen alten Nationalneutralismus erneut aufgriffen, übten allerdings unbestreitbar einen spürbaren Einfluss auf den Rest der NPD sowie besonders deren Unterorganisationen NHB und Junge Nationaldemokraten (JN) aus[31], in denen sich hauptsächlich die relativ wenigen und geistig beweglichen Aktiven der Partei betätigten. Ohne dass dadurch diese Gruppen insgesamt neurechts geprägt gewesen wären, bestand ein längerfristiger, enger Diskurs, der etliche Funktionäre und Aktivsten beeinflusste und veränderte. Es handelte sich dabei um ein ständiges Wechselspiel aus Konkurrenz und Kooperation.
Ein Beispiel dafür ist der 1974 gewählte Bundesvorsitzende des NHB, Uwe Sauermann[32], ein ehemaliger Sprecher der radikal-völkischen Münchener Burschenschaft Danubia, der offenkundig stark von dem nationalbolschewistischen Theoretiker Ernst Niekisch[33] beeinflusst war. Durch seine Autoren- und Herausgebertätigkeit sorgte er dafür, dass Niekisch innerhalb der extremen Rechten Nachkriegsdeutschlands einem breiteren Publikum bekannt und entgegen der bisher überwiegenden Lesart als Teil des eigenen Lagers verstanden wurde.[34] Sauermann, „der wohl als erster im Lager der heutigen Traditionsrechten das ideologische Bündnis mit dem ‚nationalistischen Aufbegehren im linken Lager‘ empfahl“[35], sorgte als Verantwortlicher für das Verbandsorgan „NHB Report“ dafür, dass durch entsprechende Beiträge in dem Blatt in der eigenen, ideologisch disparaten Organisation die Modernisierungsbestrebungen innerhalb der extremen Rechten popularisiert wurden[36].
Zugleich verwies er immer wieder darauf, dass es für eine nationalrevolutionäre Besetzung der „nationalen Frage“ durchaus Bündnispartner auf der Linken gebe. Geradezu genüsslich zitiert er Ausführungen von Thomas Schmid, ehemals Mitglied des SDS in Frankfurt, dann der Sponti-Gruppe „Revolutionärer Kampf“ und noch später der Redaktion der Zeitschrift „Autonomie. Materialien gegen die Fabrikgesellschaft“, aus dem Jahr 1978, zehn Jahre nach der Revolte, die auch eine tatsächliche Entnazifizierung der Bundesrepublik zum Ziel gehabt hatte: „Ich mag diese Unterwürfigkeit nicht mehr: von ausländischen Genossen nur akzeptiert zu sein, wenn ich mein eigenes Land verleugne. Das ist eine Sackgasse, das steht in der Tradition der imperialistischen Entnazifizierung durch die gottverdammten Yankees, die die Demokratie bei uns verordnet haben.“[37] Angesichts solch rasanter und verblüffender Positionswechsel, die im Falle Schmids zu leitenden Tätigkeiten bei den konservativen Zeitungen „Welt“ und „FAZ“ führten, stellt die damals führende Monatszeitschrift der extremen Rechten „Nation Europa“ „die fließenden Grenzen zwischen Nationalrevolutionären, die von der Jungen Rechten abstammen, und unorthodoxen Linken“ als das eigentlich interessante Phänomen des politischen Wandels in der Bundesrepublik heraus und schlussfolgert: „Die westdeutschen Nationalisten stehen vor dem Problem, dass vielleicht einmal eine Situation eintreten kann, in der deutschlandpolitische Prioritäten den Verzicht auf gesellschaftspolitische Rechts-Links-Einordnung fordern“.[38]
Man kann solche und weitere von Sauermann zitierte Aussagen auch als Beleg dafür sehen, dass entgegen der Meinung von Thomas Wagner die Konvergenz der Positionen zwischen „Linken“ und „Rechten“ keineswegs prioritär auf „1968“ oder einen Ideologiewandel der extremen Rechten oder deren veränderte Kommunikationsstrategie zurückzuführen war, sondern durch die Übernahme genuin rechter Topoi, besonders der nationalistischen Ideologie, durch einige Repräsentanten der Neuen Linken.
Am 17. Juni 1976 zog sich Sauermann als Bundesvorsitzender des NHB zurück; er wolle sich „auf die ideologische und publizistische Arbeit konzentrieren“[39]. Das Vorhaben: „Im Rahmen ihrer Nachwuchswerbung beabsichtigt die deutsche Burschenschaft, sich mit einer eigenen Zeitschrift an die Oberklassen der Schulen zu wenden. ‚Junges Deutschland. Das Magazin für Politik und Kultur’ soll unter der redaktionellen Leitung von Uwe Sauermann vierteljährlich ab Juli die Schüler in das burschenschaftliche Leben einführen und auch schwerpunktmäßig Fragen der in der burschenschaftlichen Tradition stets betonten deutschen Einheit behandeln.“[40] Es bleibt beim Plan. Verwiesen werden soll jedoch auf den Umstand, dass die gegenwärtig als neues Phänomen zu beobachtende starke Verflechtung von Burschenschaftern wie auch des Gesamtverbandes Deutsche Burschenschaft mit der extremen Rechten auch in der damaligen Zeit keine Seltenheit war. So war Henning Eichberg mehrfach Autor in den „Burschenschaftlichen Blättern“, war Referent bei herausgehobenen Veranstaltungen von Burschenschaften und trat sogar als Festredner bei der Jahrestagung des Akademischen Turnbundes auf.[41]
Danach ist Sauermann zwischen 1982 und 1990 ständiger freier Mitarbeiter des Bayerischen Rundfunks, siedelte als Korrespondent während der „Wende“-Zeit in die DDR über und gründete dort die „Fernsehproduktion Leipzig“. 2003 wurde Sauermann vom PDS-Vorstand eingeladen, im Rahmen des Neujahrsempfangs der Partei in Berlin seinen Film „Die Kinder von Bagdad“ zu präsentieren. Er stellte ihn dort auch in einer Gesprächsrunde mit seinem Co-Autoren Karl Höffkes[42] vor.[43]
Ein neuer Schlageter-Kurs?
Höffkes und Sauermann hatten bereits zwei Jahrzehnte zuvor zusammengearbeitet, als Autoren des Bandes „Albert Leo Schlageter. Freiheit du ruheloser Freund“, der im neofaschistischen Kieler Arndt-Verlag erschienen war und mit Schlageter eine Ikone der gesamten extremen Rechten würdigte[44]. Der Umgang mit Personen wie Schlageter, aktiv in mehreren Freikorps und frühes Mitglied der NSDAP, der von der französischen Besatzungsmacht 1923 wegen Sabotageakten auf die Infrastruktur im besetzten Rheinland hingerichtet wurde, unterstreicht die enge Lagerverbundenheit zwischen der alten und der neuen Rechten. Während die alte Rechte, repräsentiert durch den „Deutschen Block“, noch Jahrzehnte nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges Schlageter-Feiern zu dessen Todestag an seinem Grab durchführte[45], würdigte ihn die Neue Rechte als Vorbild in ihrer Presse: „Heute, 64 Jahre später, ist bei der Linken dies alles vergessen, wird Albert Leo Schlageter in ‚antifaschistischen‘ Liedern und Gedichten als ‚Mörder‘ und ‚Bluthund‘ beschimpft. Aber es gibt auch andere. Der Schriftsteller Martin Walser sieht in Schlageter weder den ‚käuflichen Landsknecht‘ noch den ‚Faschisten‘, sondern nennt seine Motive ‚idealistisch national‘. Walser hält ihn für einen ‚Braven‘, einen ‚Begabten‘, einen ‚Reinen‘, für einen, ‚der erzogen wurde, Höherem zu dienen‘. Von tiefer Religiosität zeugen auch die Briefe, die er an seine Eltern schrieb. Martin Heidegger sagte am 10. Jahrestag der Erschießung Schlageters in einer Rede als Rektor der Freiburger Universität: ‚Schlageter ist wehrlos und allein den größten und schwersten Tod gestorben.‘ Schlageter zu ehren, ist also gewiß mehr als nur eine Pflichtübung.“[46] Die Person – besser: der Mythos – Schlageter ist bis heute ein „Erinnerungsort“, der alle Fraktionen der extremen Rechten eint. Während die „Freien Kräfte“ bis in das neue Jahrtausend hinein im Raum Köln/Aachen jährlich mit bis zu 200 Teilnehmenden des Idols gedachten, rühmt sich die Marburger Burschenschaft Rheinfranken in ihrer „Fuxenkladde“: „Auch andere politische Einzelaktionen erregten Aufsehen: So zum Beispiel das s.g. ‚Schlageter-Flugblatt‘, mit dem wir im SS 1993 die vorbildliche Rolle von Albert Leo Schlageter aufzeigten.“[47]
All diese Zusammenhänge hätte Wagner durch seinen Gesprächspartner Henning Eichberg mittels entsprechender Nachfragen während des Interviews erfahren können. Nicht nur bei diesem Beispiel ist auffällig, dass kritische Interventionen oder solche, die zur besseren Einordnung des Geschilderten hätten dienen können, unterbleiben. Es entsteht der Eindruck, Wagner sei durch die porträtierten „Angstmacher“ ganz und gar nicht verängstigt, sondern vielmehr in einem Maße fasziniert, dass dies der Analyse schadet.
„Die nationale Frage als revolutionärer Störfaktor“
Ihm entgeht auf diese Weise, dass der Modernisierungsschub ab Ende der sechziger Jahre breite Kreise der extremen Rechten erfasste und dass beileibe längst nicht alle der nach neuen Wegen Suchenden sich in Richtung einer wie auch immer gearteten Neuen Rechten bewegten. Er unterlässt die Überprüfung seiner zentralen These, dass damit begonnen wurde, „von den Aktionsformen der Neuen Linken zu lernen“ (Klappentext). Er hätte sonst bemerkt, dass es wesentlich um eine Auseinandersetzung mit den Inhalten jener Neuen Linken ging, deren ideologischen Ansätze und strategischen Schlussfolgerungen für die extreme Rechte selbstverständlich ebenso ungewohnt und verblüffend waren wie für weite Teile der alten Linken. Ihm wäre aufgefallen, dass der Kern der Auseinandersetzung nach wie vor die „nationale Frage“ war, dass Hoffnung auf eine mögliche Zusammenarbeit jeweils dann aufkeimte, wenn sich Vertreter der Linken auf den Diskurs des Nationalismus einließen oder ihn gar bedienten.
Obwohl die Nationalrevolutionäre bei seinen Exkursen in die jüngere Geschichte eine wesentliche Rolle spielen, vernachlässigt Wagner so den Umstand, dass es ein Merkmal dieser Phase war, dass die Wiederaneignung verschütteter (linkssozialistischer) Ansätze auf der Linken ihre Entsprechung in einem Theorieschub auf der Rechten hatte, die zur Nutzung nach Art eines Steinbruches von jeweils für geeignet erscheinenden Autoren des eigenen Lagers, nämlich der diversen Strömungen der Konservativen Revolution, führte.
Der Name Ernst Niekisch, der unverzichtbar für die Entwicklung des nationalrevolutionären Stranges der Neuen Rechten im Nachkriegsdeutschland war[48], wird in Wagners Band an keiner Stelle auch nur erwähnt, obwohl von Niekischs Leben und Arbeit auch durch Wagner umfassend porträtierte Vertreter der aktuellen Neuen Rechten wie Benedikt Kaiser in beträchtlichem Maße zehren. Und nicht zuletzt bleibt somit völlig außerhalb Wagners Blick der bemerkenswerte Umstand, dass es bereits in der Phase vor „1968“ regelmäßige, intensive Kontakte zwischen der Berliner Gruppe des SDS und Niekisch gab. 1962 trat der alte Nationalbolschewist Ernst Niekisch der Förderer-Gesellschaft des SDS bei und kandidierte für deren Kuratorium. Ohne Übertreibung kann von einem Einfluss seines Denkens auf die Neue Linke gesprochen werden.[49] Dies gilt auch, wenn der Behauptung Bernd Rabehls, die Beschäftigung mit der „Frage der nationalen Befreiung“ der Kolonialisierten habe dazu geführt, dass SDS und Neue Linke „deshalb die nationalrevolutionären Schriften von Ernst Niekisch und Bäumler van der Bruck (sic!) studiert“ hätten, „um eine Konzeption der nationalen Wiedergeburt des deutschen Volkes in eine linksrevolutionäre Tradition zu stellen“[50], mit Zurückhaltung begegnet werden sollte, denn Rabehls Erinnerung verändert sich deutlich im Laufe der Jahre. 2002, zum Zeitpunkt der Verfassung der zitierten Zeilen, war er bereits seit einigen Jahren in das Lager der extremen Rechten gewechselt, hatte also ein Interesse an der Interpretation, er habe gar keinen Bruch mit seiner Vergangenheit vollzogen, sondern lediglich an vorübergehend verschüttete Quellen angeknüpft.[51]
Die Niekisch-Rezeption in der frühen Bundesrepublik war einerseits geprägt durch Publikationen, die dessen Rolle als rechter Konkurrent Hitlers relativierten oder gar ausblendeten, andererseits durch Interpretationen seiner Biografie, die seine führende Zugehörigkeit zu linken Organisationen und vor allem seine Verfolgung durch das NS-Regime in den Mittelpunkt stellten.[52] Auch für den SDS, wie für die gesamte Neue Linke, nahm die „nationale Frage“ einen erheblichen Stellenwert ein[53]; Personen, die durch Leben und Werk für die Suche nach einem „dritten Weg“ jenseits von Ost und West standen, fanden deshalb schnell Gehör in diesen Kreisen, die unkonventionellen Ansätzen gegenüber aufgeschlossen waren. Dies traf besonders auf Ernst Niekisch zu, der umstandslos dem eigenen Lager zugeschlagen wurde.[54] Solche wechselseitigen Beeinflussungen von Neuer Linker und entstehender Neuer Rechter bleiben außerhalb von Wagners Blick, obwohl sie genau das zentrale Themenfeld seiner Betrachtungen betreffen.
Neue Rechte vor 1968
Und nicht zuletzt ignoriert Wagner, dass die deutsche Neue Rechte zwar in den Jahren ab „1968“ einen beträchtlichen Aufschwung erlebte, aber einen deutlichen publizistischen und organisatorischen Vorlauf vor dieser mythischen Jahreszahl hatte. Aus der bündischen „Gefährtenschaft“ heraus war bereits 1963 die Zeitschrift „Fragmente“ um den Hamburger Peter Plette entstanden, in der Ansätze neurechten Denkens transportiert wurden. Im März 1964 folgte die Zeitschrift „Junges Forum“. Zum Selbstverständnis hieß es: „JUNGES FORUM soll allen jenen volksbewußten Kräften offenstehen, die sich über neue Formen und neue Grundlagen Gedanken machen. Leute mit Vorurteilen, die gestrigem Erleben und Denken entspringen, sollen nicht angesprochen werden. (…) JUNGES FORUM will Organ einer neu entstehenden Anschauung und Lebenshaltung sein. Es will keine Dogmen verkünden, sondern zum Nach- und Mitdenken anregen und neue Ansätze aufzeigen.“ Wesentliches Ziel war also eine Abkehr von der dominanten NS-orientierten oder deutschnationalen Rechten. Sich selbst charakterisierte der Kreis um die Zeitschrift bald als „Solidaristen“.
Den Weg zu einer inhaltlichen Erneuerung und Modernisierung suchten gleichzeitig auch schon länger bestehende Kleinparteien der extremen Rechten wie die „Deutsche Gemeinschaft“ um den späteren Grünen-Mitbegründer und ersten Bundessprecher der Partei, August Haußleiter[55], der seine politische Laufbahn in der Konservativen Revolution der Weimarer Republik begonnen hatte.[56] Auch wenn Stöss zutreffend feststellt, „dass die Ideologie der DG/AUD trotz politisch-gesellschaftlicher Veränderungen in der Bundesrepublik und trotz äußerlicher Wandlungsprozesse auch der Partei selbst seit 30 Jahren substantiell unverändert ist“[57], muss zugleich festgehalten werden, dass spätestens mit der Gründung der Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher (AUD) 1965 – nicht zuletzt eine Reaktion auf die kurz zuvor erfolgte Gründung der NPD – ein Modernisierungsschub seiner Partei erfolgte, der neue Themenfelder und Zielgruppen erschließen sollte, teilweise inhaltlich parallel zur ideologischen Arbeit der nationalrevolutionären Kleingruppen erfolgte und besonders der nationalneutralistischen Ausrichtung ein höheres Gewicht zuwies. Diese Erneuerungsbemühungen der AUD fanden durchaus positiven Widerhall in der 68er-Bewegung.[58] Thomas Wagner gibt die Begegnung Henning Eichbergs mit Haußleiter am Rande der Demonstration der extremen Rechten gegen den Besuch des DDR-Ministerpräsidenten Willi Stoph 1970 in Kassel wieder. Er erwähnt, dass Eichberg Haußleiter „verehrte“. (S.50) Dabei lässt er es bewenden. Nicht einmal der Versuch der Erklärung, aus welchen Umständen diese Verehrung herrührte.
Wagner widmet dem Besuch von Stoph 1970 in Kassel und den Demonstrationen von rechts aus diesem Anlass unter der Überschrift „Ein neuer Anfang: Die Rebellion der Nationalisten“ zwar breiten Raum (S.37 – 42), sieht in den Vorkommnissen allerdings vor allem eine erste Emanzipation von den taktischen Vorgaben der NPD und betont die Neuartigkeit der Aktionsformen. So schildert er in diesem Zusammenhang auch, dass die DDR-Fahne nur wenige Schritte vom Konferenzgebäude entfernt heruntergeholt und anschließend zerrissen worden sei. Bei den Tätern habe es sich um „drei als Journalisten getarnte Rechtsextremisten aus Schleswig-Holstein“ (S.40) gehandelt, einer von ihnen, Dietrich Murswiek, ein Mitglied des NHB. All dies ist ebenso korrekt wie der Hinweis, dass Murswiek später zum angesehen Staatsrechtsprofessor und CDU-Mitglied wurde, verfassungsrechtliche Gutachten auch für die Bundestagsfraktion der Grünen und der LINKEN verfasste.
Trotzdem erfolgt eine entscheidende Verschiebung der inhaltlichen Perspektive, wenn Wagner zugleich ausblendet, dass die drei Täter Mitglieder der „Deutschen Jugend des Ostens“ (DJO) waren, Murswiek sogar ihrer Bundesführung angehörte.[59] Die 1951 gegründete DJO war organisatorisch und personell eng mit dem Bund der Vertriebenen verbunden, faktisch dessen Jugendverband. Nach Eigenangaben sollen ihm Anfang der siebziger Jahre 160.000 Jugendliche angehört haben.[60] Die Militanz und die Aktionsformen reichten also weit über den Kern der extremen Rechten hinaus in etablierte Organisationen, aus denen heraus es wiederum Übergänge zur NPD und deren Unterorganisationen gab. Niemand käme nun allerdings auf die Idee, der DJO und anderen an den Vorkommnissen in Kassel beteiligten revanchistischen Gruppierungen auch nur eine Nähe zu Neuen Rechten zu unterstellen.
Blick auf das Vorbild Frankreich
Was für Deutschland nicht richtig ist, nämlich die Zuschreibung eines Impetus von 1968 auf die Herausbildung der Neuen Rechten, ist für Frankreich auch dann erst recht falsch, wenn Wagner behauptet: „Mit der Gründung des GRECE antworteten junge Rechte auf die Herausforderung durch eine Neue Linke.“ (S.65) Wagner folgt der Darstellung von Alain de Benoist, wonach das Gründungstreffen des GRECE Anfang Mai 1968 in Lyon stattgefunden habe, die Anmeldung als Verein im Januar 1969 erfolgt sei.[61] Letztere Einschätzung teilt die Wissenschaftlerin Anne-Marie Duranton-Crabol, erklärt jedoch, die Gründung durch 40 jüngere Rechtsintellektuelle sei bereits im Januar 1968 in Nizza erfolgt.[62] Berücksichtigt man, dass bereits im Februar 1968 die erste Ausgabe der GRECE-Zeitschrift „Nouvelle École“ erschien und schon im März 1968 die erste Nummer der „Éléments“, damals als „internes Bulletin“ der Gruppe firmierend[63], dann erscheint ihre Datierung logischer. Sie ergänzt, dass die Gründung der Gruppe und ihrer Zeitschriften eine Reaktion auf die Einstellung einiger wichtiger Zeitschriften der extremen Rechten gewesen sei, an denen die Mitglieder der Gründungsgruppe beteiligt gewesen seien. Bei ihnen habe es sich um „die Generation des Algerienkrieges“ gehandelt, geprägt durch die in Frankreich teilweise militanten und sogar terroristischen Auseinandersetzungen um den Entkolonialisierungsprozess, speziell die Eigenstaatlichkeit Algeriens.[64]
Diesem Urteil folgt Pierre-André Taguieff in seinem Standardwerk über die französische Neue Rechte. Auf die Frage „Kann man die Schaffung des GRECE als eine Reaktion auf die Bewegung des Mai 1968 begreifen?“ antwortet Taguieff unmissverständlich: „In keinerlei Hinsicht. Es trifft zwar zu, dass der GRECE seine Statuten am 17. Januar 1969 hinterlegt hat, aber bereits im Herbst 1967 waren auf nationaler Ebene Kontakte zwischen Militanten der im Mai 1960 gegründeten Fédération des étudiants nationalistes (FEN; Vereinigung nationalistischer Studenten) aufgenommen worden.“[65] Die Gründung sei vielmehr die Reaktion auf eine Reihe von gravierenden Misserfolgen des nationalistischen Lagers gewesen, die mit dem Verbot der Bewegung „Jeune Nation“ im Mai 1958 begonnen hatten und vorläufig mit dem vollständigen Scheitern des „Rassemblement Européen de la Liberté“ (REL) bei den Parlamentswahlen des März 1967 endete.[66] Diese Darstellung ist in der französischen wissenschaftlichen Literatur unstrittig.
Natürlich ist es richtig und nützlich, dass Wagner die Selbstdarstellung seiner Protagonisten wie Alain de Benoist heranzieht. Diese Methode wird dann kontraproduktiv, wenn sie ohne die zusätzliche Nutzung der relevanten Sekundärliteratur erfolgt. Dies gilt zumal dann, wenn für Biografien wie die von Benoist alternative Versionen vorliegen.[67] Die Selbstbeschränkung auf die Version der porträtierten Akteure läuft Gefahr, das von diesen gewünschte Bild des Geschehens zu vermitteln, den subjektiven Eindrücken statt den objektiv nachprüfbaren Fakten zu folgen. Gerade der Lebensbericht Benoists in Interviewform, den Wagner heranzieht, bietet etliche Beispiele für dessen Tendenz, die eigene Bedeutung herauszustreichen und zu übertreiben, aus dem GRECE und der Nouvelle Droite insgesamt sein ureigenstes Produkt zu konstruieren. Langjährige wichtige Weggefährten, die sich im Streit getrennt hatten, wie Robert Steuckers oder Guillaume Faye, werden dabei in ihrer Rolle minimiert. Dies wäre dann ein nicht wesentlicher Mangel, wenn die Ausführungen Benoists auf seinen persönlichen Lebensweg beschränkt wären, wird aber ärgerlich durch den Umstand, dass Benoist für sich in Anspruch nimmt, kompetent und umfassend für die gesamte Nouvelle Droite sprechen zu können.
Was also bleibt von Wagners Thesen? Nicht viel. Es bleibt eine flüssig und anschaulich geschriebene Darstellung, die sehr materialreich ist und nicht zuletzt durch die Interviews mit einigen wichtigen Akteuren Innenansichten dieser Szene bietet oder vielmehr hätte bieten können. Denn die Interviewtechnik des Autors ist nicht sehr ausgefeilt. Er lässt die Befragten erzählen, bohrt selten nach und hinterfragt in seiner anschließenden Darstellung das Gehörte zu selten. Es ist nachvollziehbar, dass diese Vorgehensweise den Beifall der Betroffenen findet, er gegenüber anderen Analytikern der Neuen Rechten wie Volker Weiß oder Andreas Speit positiv hervorgehoben wird.[68]. Das Lob der – tendenziell nationalrevolutionär ausgerichteten – Interviewten für Wagner dürfte sich zusätzlich durch den Umstand verstärken, dass deren konkurrierende – eher jungkonservative – Fraktion der Neuen Rechten nicht im O‑Ton zu Wort kommt und deutlich knapper dargestellt wird. Es mag eine überzeugende Begründung für diese Verfahrensweise geben, doch bleibt Wagner diese schuldig.
Besonders gefällt Ellen Kositza Wagners zentrale Überlegung: „Dabei stellte ich mir die Frage, ob es tatsächlich eine gute Idee sei, rechte Intellektuelle vom politischen Diskurs auszuschließen, wie es immer wieder geschieht. Ist der offen geführte Streit nicht der viel bessere Weg, mit ihnen umzugehen? Diejenigen, die eine solche Auseinandersetzung in der Vergangenheit suchten, wurden dafür von links meist scharf kritisiert.“[69]
Natürlich kann man darüber diskutieren, ob ein solcher Diskurs sinnvoll ist. Ein Kriterium für die Sinnhaftigkeit ist selbstverständlich, wie der künftige Gesprächspartner selbst über Sinn und Nutzen eines Dialogs mit dem politischen Gegner denkt. Götz Kubitschek, Gesprächspartner von Thomas Wagner und einer der wesentlichen deutschen Protagonisten einer Neuen Rechten, schreibt in dankenswerter Offenheit: „Wozu sich erklären? Wozu sich auf ein Gespräch einlassen, auf eine Beteiligung an einer Debatte? Weil Ihr Angst vor der Abrechnung habt, bittet Ihr uns nun an einen Eurer runden Tische? Nein, diese Mittel sind aufgebraucht, und von der Ernsthaftigkeit unseres Tuns wird Euch kein Wort überzeugen, sondern bloß ein Schlag ins Gesicht.“[70] Trotzdem plädiert Thomas Wagner für eine solche Debatte, denn es gebe dort auch „Leute, die sozialistisch orientiert sind und die linke Strategien und marxistische Literatur studieren. Für den fähigsten Mann auf diesem Gebiet halte ich Benedikt Kaiser, den Verlagslektor von Götz Kubitschek, dem Vordenker der Neuen Rechten. Er sagt, die Linke hat sich von ihren Kernthemen verabschiedet. Das betrifft insbesondere die SPD, die eine neoliberale Partei geworden sei, aber auch die Linke, die ihre klassischen Themenfelder wie die soziale Frage zugunsten einer kulturellen Identitätspolitik aufgeben hat. Eine Politik, die sich vor allem um die Minderheitenrechte kümmert und dabei die Nöte der abhängig Beschäftigten aus den Augen verliert.“[71]
Verklausuliert stimmt Wagner dieser Kaiser zugeschriebenen Analyse zu. Da ist es eigentlich fast schon nebensächlich, dass er hier Sozialismus, der stets egalitär ausgerichtet ist, mit den antikapitalistischen Konzeptionen der Konservativen Revolution, die immer und vor allem anti-egalitär sind, gleichsetzt[72], wenn er sich so unverhohlen fasziniert von einem Nachwuchs-Kader der „Neuen“ Rechten zeigt, der vor wenigen Jahren noch im Nahfeld militanter neonazistischer Gruppen aktiv war.[73] Andreas Speit zitiert vor diesem Hintergrund der laufenden Debatte um die Notwendigkeit eines Dialogs mit der „Neuen“ Rechten den französischen Historiker Maurice Olender, 1993 Mitinitiator des von 40 Intellektuellen veröffentlichten „Appel à la vigilance“ („Aufruf zur Wachsamkeit“), dessen Hintergrund eine in Frankreich beginnende „rot-braune Allianz“ war, die ebenfalls mit der Notwendigkeit einer demokratischen Streitkultur gerechtfertigt wurde: „Man kann über alles, aber nicht mit allen reden.“[74]
Man kann auch darüber streiten, ob die Erderwärmung nicht auch positive Aspekte habe. Aber, so mein Rat, man sollte einen gepflegten politischen Diskurs mit der Neuen Rechten zumindest dann vermeiden, wenn man keinen Begriff davon hat, was Neue Rechte ist und – nicht zuletzt – war, welche Strömungen es in dieser Neuen Rechten gibt, wodurch sie sich unterscheiden und wo sie sich einig sind, wenn der Blick auf eine europäische Erscheinung wie die Neue Rechte weitgehend national borniert erfolgt, gegenseitige Beeinflussungen der Szenen in den unterschiedlichen Ländern deshalb außerhalb des Blickfeldes bleiben, wenn die Verwurzelung in der rechten Stammkultur des jeweiligen Landes als Ursache für die spezifische Entwicklung ausgeblendet wird.
Ein politischer Diskurs erfolgt nie ohne Zweck. Mir persönlich reicht es nicht aus, wenn sein Ziel nur darin bestehen sollte, die Diskurspartner besser kennenzulernen. Das kann ich auch über die Lektüre ihrer Schriften, neuerdings über die Videomitschnitte ihrer Veranstaltungen und Aktionen. Momentan ist die politische und kulturelle Lage (noch) so, dass jeglicher öffentliche Diskurs mit Vertreterinnen und Vertretern der extremen Rechten – ob neu oder nicht – deren Aufwertung bedeutet. Dies kann man natürlich in Kauf nehmen, wenn man die Gefahr als gering erachtet. Ich teile diese Auffassung nicht.
Und nicht zuletzt mag man der Hoffnung sein, man könne durch diesen Diskurs einzelne neurechte Exponenten vom rechten auf den richtigen Weg bringen. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Thomas Wagner Henning Eichberg, dessen Biografie den Band wie ein roter Faden durchzieht, dabei vor Augen hat. Aber Eichberg ist in vielerlei Hinsicht ein Solitär, eine Ausnahmeerscheinung. Seine veränderten Positionen sind das Ergebnis eines jahrzehntelangen Prozesses, teilweise schmerzhafter Brüche, die auch das Ende langjähriger Freundschaften bedeuteten, die zu Distanzierungen bis über den Tod hinaus führten.[75] Trotzdem: das Beispiel Eichberg zeigt, dass ein solcher Weg möglich ist. Die Erfahrung lehrt aber auch, dass nur sehr wenige bereit sind, ihn tatsächlich zu gehen. Natürlich kann man eine politische Strategie auf Hoffnungen gründen. Dann sollte man aber berücksichtigen, was der Preis ist, wenn diese sich nicht erfüllen.
Fußnoten:
[1] Dem Verfasser ist bewusst, dass es dem Begriff „Neue Rechte“ einerseits an jeglicher Erklärungskraft für das gemeinte politisch-ideologische und organisatorisch-strategische Phänomen mangelt und andererseits keinerlei Trennschärfe gegenüber anderen Erscheinungen der extremen Rechten gegeben ist. Abhängig von der jeweiligen Tradition wird in unterschiedlichen Ländern bisweilen sogar gegensätzliches unter diesen Begriff gefasst. Um eine Unterscheidung des Gemeinten zu ermöglichen, wird beispielsweise in den Sozialwissenschaften in den USA von der „European New Right“ (ENR) gesprochen. Trotz dieser Bedenken wird nachfolgend durchgängig der Terminus „Neue Rechte“ verwendet, da er allgemein gebräuchlich ist. Inhaltlich orientiert sich hier die benutzte Begrifflichkeit an dem entsprechenden Stichwort in: Klaus Ahlheim/Christoph Kopke (Hg.), Handlexikon Rechter Radikalismus; Ulm 2017, S.102ff.
[2] Thora Ruth, „Die besseren Argumente“, in: La Plata Ruf Nr.65 (September 1973), S.25
[3] Im Register von Wagners Band taucht die Autorin auf als „Thora, Ruth (Pseudonym)“ (S.350)
[4] Vgl. Mathias Brodkorb, „Vom Verstehen zum Entlarven — Über ‚neu-rechte‘ und ‚jüdische Mimikry‘ unter den Bedingungen politisierter Wissenschaft“; in: Jahrbuch Extremismus & Demokratie, Bd. 22 (2010), S.32 — 63
[5] Zum Begriff siehe Ahlheim/Kopke aao., S.113ff., zur Analyse dieser Strategie vgl. Richard Gebhardt, „Querfront“? Zur Kapitalismuskritik und Diskurspiraterie der Neuen Rechten; in: „Das Argument“ 322 (2017), S.347 — 362
[6] Hartwig Singer, „Warum sind wir Sozialisten? Ein Diskussionsbeitrag zum Selbstverständnis der neuen Bewegung“; in: „Neue Zeit“ 4−5÷1973, S.3 u. „Neue Zeit“ 6−7÷1973, S.3f.
[7] Trotz des Namens war dies keine genuine Organisation der Neuen Rechten, obwohl einige Strukturen und führende Vertreter dieser Richtung an dem Projekt beteiligt waren. Wesentlich handelte es sich um eine Abspaltung der NPD, der eine parlamentsfixierte Ausrichtung vorgeworfen wurde. Neben den neurechten Akteuren und Anhängern einer eher traditionalistischen Strömung der Partei fanden sich darin auch zahlreiche Anhänger einer aktionistisch-hitleristischen Strömung.
[8] Wagner 2017, S.71
[9] So wird die These, dass man aus dem Umstand, dass der neurechte Spezialist für Querfrontangelegenheiten Benedikt Kaiser eine – so der Prospekt – „kritische Einordnung“ für die in dem neurechten Kleinverlag „Renovanem“ (Bad Schmiedeberg) 2017 erschienene Neuauflage des sowjetischen realsozialistischen Propagandaschinkens „Wie der Stahl gehärtet wurde“ von Nikolai Ostrowski verfasst hat, nicht schließen kann, dass die deutsche Neue Rechte auf dem Weg zu einem Einschwenken auf einen traditionellen ML-Kurs ist, auch ohne weitere Begründung einleuchten. In diesem Fall sind dann eher Ideologeme wie Maskulismus, Heroismus, Opferbereitschaft und Kult der Arbeit von Bedeutung. Kaiser selbst beschreibt das im Untertitel seines Aufsatzes zu „Nikolai Ostrowskis Jahrhundertwerk“ als „Rebellion und Leidenschaft, Dienst und Dogma“ (S.7).
[10] Zu Wagners Entlastung sei angemerkt, dass vor ihm einige durchaus renommierte Autoren den gleichen Fehler begangen haben.
[11] Volker Weiß, Die autoritäre Revolte. Die Neue Rechte und der Untergang des Abendlandes, Stuttgart 2017, S.37f.
[12] Wagner 2017, S.25
[13] Speziell diese Ortsgruppe in Mainz entsprach in ihrer Militanz während der Verfallsphase der NPD eher dem Bild der aus der Partei heraus gerade entstehenden Gruppen der „Aktionsfront Nationaler Sozialisten“, somit an der SA orientierten Hitleristen. „Peter Schumm, Gründer und Vorstandsmitglied der Mainzer NHB-Gruppe, gehörte zum »Ordnerdienst« der NPD — einer an die »Kampfzeit« der NSDAP erinnernden bewaffneten Schlägergruppe. Schumm verübte Brand- und Schußwaffenanschläge auf das Mainzer DGB-Haus und einen Gewerkschaftssekretär. (Spiegel 33⁄1970, S. 58) Am 27. November 1975 versuchte der NHB, in der Mensa seine Hauspostille, den »Deutschen Studentenanzeiger«, zu verteilen. Es kam zunächst zu verbalen Protesten des Kommunistischen Hochschulverbandes (KHV) mit dem Ziel, die Verteilung des Machwerkes zu verhindern. In dem im Folgenden entstandenen Gedränge greift ein NHB-Mitglied, der Chemiestudent Peter Naumann, zu einer Schreckschußwaffe und schießt einmal in die Luft. Ein israelischer Kommilitone versucht Naumann zu entwaffnen. Naumann feuert aus nächster Nähe viermal.“ (zit. n. nadir.org /nadir/archiv/Antifaschismus/Organisationen/Hochschulgruppen/Mainz/ntrp.html)
[14] Beilage zu „National-politische Studien“ 1⁄76
[15] Vgl. dazu Günter Rexilius, „Die „Neue Anthropologie“ oder: Menschen und Geschichte – von rechtsaußen gesehen“; in: „Psychologie & Gesellschaftskritik“ Nr.13/14 (1980)
[16] Michael Billig, Die rassistische Internationale. Zur Renaissance der Rassenlehre in der modernen Psychologie; Frankfurt/Main, 1981; dort zur „Neuen Anthropologie“ S.116 — 135
[17] So stellt Ian R. Barnes fest, dass „enough evidence strongly suggests a fascist and neo-Nazi heritage found in the continuity of ideas and personalities in the journalistic world. More substantial evidence can be presented by analyzing the international links“, zu denen auch die „Neue Anthropologie“ gehört habe. (Ian R. Barnes, „The pedigree of GRECE“ [Teil II]; in: „Patterns of Prejudice“ 4/1980, S.29 – 39, hier: S.34f. Alain de Benoist selbst gehörte dem Wissenschaftlichen Beirat der „Neuen Anthropologie“ an.
[18] „National-politische Studien“ 10/1972, S.12
[19] Vgl. dazu Pierre-André Taguieff, Sur la Nouvelle droite. Jalons d’une analyse critique, Paris 1994, bes. S.64 – 106. Taguieff charakterisiert den Ethnopluralismus als „Grundlage der jüngsten Doktrin des GRECE, die sich in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre herauszubilden beginnt“. Die Nouvelle Droite nehme den „Faden einer politisch-philosophischen Tradition wieder auf, die in Deutschland… deutlich stärker vertreten war als in Frankreich.“ Dabei werde ein menschliches Grundbedürfnis nach Zugehörigkeit zu einer Gruppe vorausgesetzt, es handele sich um eine „gemeinschaftsbezogene“ oder „identitäre“ Logik. (S.IX)
[20] Es handelte sich um die Jahre ab 1972. Damals war Eichberg neben Armin Mohler der wohl wichtigste deutsche Kontaktmann des GRECE. Die Anbindung an die „Nouvelle École“ scheint allerdings eher schwach ausgeprägt gewesen zu sein. Es lässt sich nur ein Aufsatz von ihm in der Zeitschrift nachweisen. („Der Tod der olympischen Idee“, Nr.33)
[21] Rosa Weiß, „Neonazi-Arzt terrorisiert Dorfbewohner“; in: „Der Rechte Rand“ Nr.8 (September 1990), S.15
[22] Bereits 1979 hatte Thora Ruth bei einer Veranstaltung des rechtsextremen „Hochschulrings Tübinger Studenten“ zum Thema „Südafrikas mutiger Kampf – aus eigener Erfahrung“ gesprochen.
[23] „blick nach rechts“ 2/2002, S.16
[24] Ich folge Alex Demirovic in dessen Einschätzung, die „Geburtsstunde“ der Neuen Linken in der BRD sei die 16. ordentliche Delegiertenkonferenz des SFS am 6./7. Oktober 1961 gewesen, dem Unvereinbarkeitsbeschluss der SPD gegen den SDS noch vorausgehend. Siehe Alex Demirovic, „Die Konstitution der Neuen Linken als Erneuerung der Links-Rechts-Topik“; in: „KultuRRevolution“ Nr.26 (1991), S.35 – 41, hier: S.36f.
[25] Auch der damals noch recht neue Ansatz des „Befreiungsnationalismus“ wurde in mehreren Ausgaben der „Neuen Zeit“ der Jahre 1972⁄73 ausgiebig vorgestellt.
[26] Z.B. Jochen Blaschke, Handbuch der westeuropäischen Regionalbewegungen (Frankfurt/Main 1980) sowie ders., Volk, Nation, interner Kolonialismus, Ethnizität. Konzepte zur politischen Soziologie regionalistischer Bewegungen in Westeuropa (Berlin 1985). Diese Regionalismusrezeption von links fand ihre Entsprechung auf der Rechten wie Michael Braga, Völker zur Freiheit! Vom Kampf europäischer Volksgruppen um Selbstbestimmung; Kiel 1982. Hinter dem Pseudonym „Michael Braga“ verbarg sich der langjährige NPD-Funktionär Hans-Michael Fiedler; publiziert wurde der Band im neofaschistischen Arndt-Verlag.
[27] Herauszuheben dabei der Band von Tom Nairn u.a., Nationalismus und Marxismus. Anstoß zu einer notwendigen Debatte; Berlin 1978. Von den Autoren dieses Bandes wurde Regis Debray zu einem Weggefährten der Nouvelle Droite.
[28] Hier wurden zu jener Zeit besonders die Schriften des bretonischen Autonomisten und NS-Kollaborateurs Yann Fouéré, L’Europe aux cent drapeaux (Nice 1968) oder die föderalistischen Schriften des personalistischen Kreises um Alexandre Marc rezipiert. Bereits in der Entstehungsphase der Nouvelle Droite ist eine starke Beteiligung besonders bretonischer und normannischer Autonomisten nicht zu übersehen, so der spätere Präsident des „Mouvement normand“, Didier Patte, oder der 2006 verstorbene Schriftsteller Jean Mabire, der einen starken Einfluss auf Henning Eichberg ausübte. Es ist also kaum zufällig, dass es starke inhaltliche Überschneidungen zwischen Fouérés „Europa der 100 Fahnen“ und Eichbergs Ansatz der „Balkanisierung für jedermann“ (ders., Abkoppelung. Nachdenken über die neue deutsche Frage; Koblenz 1987, S.117 – 149) gibt
[29] Vgl. aus sympathisierender Sicht Rainer Dohse, Der Dritte Weg. Neutralitätsbestrebungen in Westdeutschland zwischen 1945 und 1955; Hamburg, 1974 sowie Wolf Schenke, Siegerwille und Unterwerfung. Auf dem Irrweg zur Teilung; München, 1988; als Analyse Alexander Gallus, Die Neutralisten. Verfechter eines vereinten Deutschland zwischen Ost und West 1945 – 1990; Düsseldorf, 2001 und Dominik Geppert/Udo Wengst (Hg.), Neutralität – Chance oder Chimäre? Konzepte des Dritten Weges für Deutschland und die Welt 1945 – 1990; München, 2005
[30] Thora Ruth in „JoGu“ Nr. 48, 1978, S. 17; zit. n. https://www.nadir.org/nadir/archiv/Antifaschismus/Organisationen/Hochschulgruppen/Mainz/nhb.html
[31] So wurde die Studie „Leistungsuniversität und offene Gesellschaft. Entwurf einer Hochschulkritik“ („Deutscher Studenten-Anzeiger“, Nr.37 [Januar 1968], S.3f.), verfasst von Hartwig Singer (d.i. Henning Eichberg), von der Hamburger Gruppe des NHB in dem Blatt zur Diskussion gestellt. Eine Debatte über das Papier erfolgte in der Mai-Ausgabe der Zeitung, deren Auflage damals angeblich bei über 40.000 Exemplaren lag.
[32] Sauermann wird in den „National-politischen Studien“ mit der Beschreibung vorgestellt, er gehöre „gleichzeitig der Bundesleitung der Jungen Nationaldemokraten (JN) an und zählt zu den Exponenten der Kräfte im Rechtsbereich, die anstelle landläufigen ‚Deutschnationalismus‘ einen gesellschaftspolitisch fundierten Nationalismus neuen Stils mit betont europäischer Perspektive wollen“. (5−6÷1975, S.13)
[33] Zu diesem v.a. die Dissertation von Michael Pittwald, Ernst Niekisch. Völkischer Sozialismus, nationale Revolution, deutsches Endimperium (Köln 2002)
[34] Uwe Sauermann, Ernst Niekisch. Zwischen allen Fronten. Mit einem bio-bibliographischen Anhang von Armin Mohler; München, 1980; Ernst Niekisch, Widerstand. Ausgewählte Aufsätze aus seinen „Blättern für sozialistische und nationalrevolutionäre Politik“, hrsg. v. Uwe Sauermann; Krefeld 1982, sowie seine Dissertation: Ernst Niekisch und der revolutionäre Nationalismus; München, 1985
[35] Arno Klönne, „‘Linke Leute von rechts‘ und ‚rechte Leute von links‘ damals und heute“; in: „Blätter für deutsche und internationale Politik“ 1/1983, S.115 – 122, hier S.116. Klönne zitiert Sauermanns Aufsatz „Retten Linke die Nation?“ in „Criticón“ Nr.60/61 (1980), S.194. Sauermann wird in dieser Ausgabe zum zehnjährigen Bestehen von „criticón“ als „zorniger junger Mann des Jahrgangs 1947“ vorgestellt.
[36] Vgl. z.B. Günter Bartsch, „Werden die Jungen Nationaldemokraten die Jusos der NPD?“ in „NHB-Report“ Nr.10 (o.J., ca. 1975), S.3 – 6. Vorsichtig verweist Sauermann in seinem Editorial darauf, dass sich „die Meinung des NHB-Bundesvorstandes nicht mit jedem Punkt dieser Darstellung“ in dem Artikel des ehemaligen Kommunisten Bartsch, der inzwischen zum Chronisten und Parteigänger der Nationalrevolutionäre geworden war, decke, doch wird er sich in seinem Kurs durch Bartschs abschließendes Urteil bestätigt gesehen haben, wenn es den Nationalrevolutionären gelingen sollte, „die Zügel der NPD zu übernehmen, so könnte auch diese einen Wiederaufstieg erleben.“ (S.6)
[37] zit. n. „Criticón“ Nr.60/61 (1980), S.194
[38] „Nation Europa“ 11−12÷82, zit. n. Klönne aao. S.119
[39] „National-politische Studien“ 6/1976, S.12
[40] „Criticón“ Nr.39 (1977), S.44
[41] Henning Eichberg, Nationalrevolutionäre Strömungen im modernen Europa, in: „Burschenschaftliche Blätter“, Oktober/November 1974 (Es handelt sich um die Festrede beim Stiftungsfest der Burschenschaft Thessalia zu Prag in Regensburg) Eichberg fragt die Burschen: „Warum kam nicht (als Antwort auf 1968, d.V.) aus der Reihe der Burschenschaften eine Initialzündung, die Einbringung der nationalen deutschen Frage als revolutionärer Störfaktor? Warum war es nicht diese Organisation, die – wie kaum eine andere in Deutschland – mit den Ursprüngen der nationalen und sozialen Revolution im Vormärz und 1848 historisch verbunden ist, die den ‚objektiven’ Tatbestand der deutschen Spaltung in die zwei – oder wenn Sie wollen: drei – Teilstaaten von Bonn, Ostberlin (und Wien) auf die Tagesordnung einer revolutionären jungen Generation setzte?“ (S.172). Siehe daneben auch Henning Eichberg, Nation Europa – Europa der Völker. Eine Kritik und Alternative zum bürgerlichen Europakonzept, in: „Burschenschaftliche Blätter“ Januar/Februar 1974, erweiterte Fassung eines Vortrages vor der Europatagung 74 der Deutschen Burschenschaft am 4. Mai 1974 in Nürnberg; sowie: Henning Eichberg: „Jugendbewegung, Lebensreform und der ATB“, in: Altherrenbund des ATB (Hrsg.): 1883 – 1983 Akademischer Turnbund. Festschrift aus Anlaß des 100jährigen Bestehens; o.O., 1983, S.53 — 70
[42] Höffkes „betätigte sich lange Jahre im Umfeld des BHJ, insbesondere beim, dem BHJ nahestehenden, Arndt-Verlag“ (Klaus Schönekäs, Bundesrepublik Deutschland; in: Franz Greß/Hans-Gerd Jaschke/Klaus Schönekäs, Neue Rechte und Rechtsextremismus in Europa, Opladen 1990, S.218 – 349, hier: S.325). 1983 – 86 arbeitete er redaktionell bei der Zeitschrift „Wir selbst“ mit, deren Hauptautor Henning Eichberg war. Seit 1987 Mitinhaber des Verlages „Heitz + Höffkes“. Wird 2000 Mitinhaber der Firma ‚Polar-Film‘ in Dortmund, betrieb außerdem ein “Historisch-Wissenschaftliches Film- und Bildarchiv“ („Junge Freiheit“ 12⁄00, S.16).
[43] archiv2007.sozialisten.de/partei/parteivorstand/vorstand2002/berichte/view_html?zid=12440&bs=1&n=7
[44] Als prominentes frühes Beispiel siehe Albert Magnus Wehner, „Albert Leo Schlagter“, Leipzig 1934. Zur Analyse des Schlageter-Kultes der extremen Rechten s. z.B. Manfred Franke, Albert Leo Schlageter. Der erste Soldat des 3. Reiches. Die Entmythologisierung eines Helden, Köln 1980 sowie Christian Fuhrmeister: Ein Märtyrer auf der Zugspitze? Glühbirnenkreuze, Bildpropaganda und andere Medialisierungen des Totenkults um Albert Leo Schlageter in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus (www.zeitenblicke.de/2004/01/fuhrmeister/Fuhrmeister.pdf)
[45] „Studien von Zeitfragen“ 10⁄63, S.9
[46] Werner Olles, „Albert Leo Schlageter“, „Neue Zeit“ 2⁄87, S.18ff., hier: S.20. Die von 1975 – 1987 publizierte Vierteljahreszeitschrift „Neue Zeit“ (Untertitel: „Forum für die Sache der Völker“) ist ein nationalrevolutionäres Blatt und nicht identisch mit der oben zitierten gleichnamigen Zeitung der ANR. Der Autor Werner Olles (*1942) war ebenfalls Mitglied im Frankfurter SDS, danach in diversen linken Organisationen von der SPD bis zum Umfeld des Kommunistischen Bundes (KB). 1984 – 1990 war er Redaktionsmitglied von „Wir selbst“, seit den neunziger Jahren schreibt er regelmäßig für die „Junge Freiheit“.
Walsers Hommage an den Konterrevolutionär Schlageter ist in der Linken nicht ohne Vorbild. Berühmt ist die mehr als fragwürdige Ehrung nach seiner Hinrichtung durch den kommunistischen Funktionär Karl Radek, abgedruckt in: Radek, Karl/Hermann Remmele/Ernst Schneller u.a.: Nationalbolschewismus in der KPD? Mit einem Nachwort von Dr. Claus-Martin Wolfschlag; Hanau 2014 (Reprint der Broschüren „Schlageter. Eine Auseinandersetzung. Kommunismus und nationale Bewegung“ [1923], „Hakenkreuz oder Sowjetstern. Deutschlands Weg – Deutschlands Rettung“ [1923], „Sowjetstern oder Hakenkreuz. Die Rettung Deutschlands aus der Youngsklaverei und Kapitalsknechtschaft“, „Geheimverhandlung zwischen Nazi-Röhm und Reichsbanner-Mayer“ [1932])
[47] S.29f. Kopie im Archiv des Verfassers.
[48] Vgl. dazu v.a. das Kapitel „Die Rezeption des Nationalbolschewismus durch die ‚Neue Rechte‘“ in der Arbeit von Alexander Bahar, Sozialrevolutionärer Nationalismus zwischen Konservativer Revolution und Sozialismus. Harro Schulze-Boysen und der GEGNER-Kreis, Koblenz 1992, S.157 – 182, der als zentrales Element bei dieser „den Versuch einer Synthese von nationalen und sozialen bzw. sozialistischen Ideen und Zielen“ ausmacht (S.180).
[49] Matthias Stangel, Die Neue Linke und die Nationale Frage. Deutschlandpolitische Konzeptionen und Tendenzen in der Außerparlamentarischen Opposition (APO), Baden-Baden 2013, S.97 — 123
[50] Bernd Rabehl, „Die Provokationselite. Aufbruch und Scheitern der subversiven Rebellion in den sechziger Jahren“; in: Siegward Lönnendonker/Bernd Rabehl/Jochen Staadt, Die antiautoritäre Revolte. Der Sozialistische Deutsche Studentenbund nach der Trennung von der SPD, Bd. 1, 1960 – 1967, Wiesbaden 2002, S.400 – 512, hier: S.428
[51] Manuel Seitenbecher betont, dass es für diese Behauptung Rabehls weder in dessen früheren Schriften noch bei Rudi Dutschke einen Beleg gibt. Vgl. Manuel Seitenbecher, Mahler, Maschke & Co. Rechtes Denken in der 68er-Bewegung?; Paderborn 2013, S.100f.
[52] Paradigmatisch für diese Verortung auf der Linken ist Friedrich Kabermann, Widerstand und Entscheidung eines deutschen Revolutionärs. Leben und Denken von Ernst Niekisch; Köln 1973
[53] Vgl. Andrea Ludwig, Neue oder Deutsche Linke? Nation und Nationalismus im Denken von Linken und Grünen; Opladen 1995, bes. S.112 — 125
[54] Z.B. Peter Brandt/Herbert Ammon (Hg.), Die Linke und die nationale Frage. Dokumente zur deutschen Einheit seit 1945; Reinbek 1981. Niekisch wird dort als eine der „abweichende(n) Stimmen aus dem sozialistischen und linksbürgerlichen Lager“ (S.11) vorgestellt.
[55] Bei Wagner (S.46) fälschlich als „August Haußleitner“ vorgestellt.
[56] Zur Biografie siehe Richard Stöss, Vom Nationalismus zum Umweltschutz: Die Deutsche Gemeinschaft/Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher im Parteiensystem der Bundesrepublik; Opladen 1980, S.65 — 70
[57] ebd. S.5
[58] s. Manuel Seitenbecher, aao., bes. S.209 — 219
[59] Eckart Spoo, Deutsche Jugend gen Osten. Die DJO – Kaderschmiede des Nationalismus; München 1970, S.4
[60] Georg Herde/Anke Wagner: Revanchistische Politik. Einfluss – Kräfte – Gefahr; Frankfurt/Main 1977, S.152
[61] Alain de Benoist, Mein Leben. Wege eines Denkens, Berlin 2014, S.138
[62] Anne-Marie Durantoon-Crabol, Visages de la Nouvelle Droite. Le G.R.E.C.E. et son histoire; Paris 1988, S.30
[63] aao. S.247, siehe auch Benoist 2014, S.136. Benoist verweist an dieser Stelle darauf, der Titel der Zeitschrift sei „ein indirekter Verweis auf Georges Sorel und seine ‚Neue Schule‘ des revolutionären Syndikalismus“ gewesen. Wagner zitiert Benoist mit den Worten: „In einem weiteren Sinne schreibe ich mich von Sorel und Pierre-Joseph Proudhon her“. (Wagner 2017, S.65) und analysiert Sorel treffend und ausführlich (S.224ff.), stellt sich dann allerdings nicht die naheliegende Frage, ob es sich bei der Gründung des GRECE um den Versuch einer aktualisierten Wiederbelebung der „faschistischen Synthese“ (Zeev Sternhell, zuerst in ders., Faschistische Ideologie, Berlin 2002, Neuauflage im Erscheinen) gehandelt haben könnte. Die neuerliche starke Rezeption Sorels auch jenseits seines Hauptwerks „Über die Gewalt“ und besonders Pierre-Joseph Proudhons durch die Nouvelle Droite bleibt außerhalb seines Blickfelds. So hat die jüngste Ausgabe der „Nouvelle Ecole“ (Nr.67, i.E.) Proudhon als Schwerpunktthema, fand 2017 ein Kolloquium der „Éléments“ zu diesem Theoretiker statt und erfolgte eine Buchveröffentlichung über ihn durch einen zentralen Kader der Nouvelle Droite. Es wäre also zu überprüfen, ob tatsächlich eine Lösung der Gruppe um Alain de Benoist von den Wurzeln der „faschistischen Synthese“ erfolgt ist, oder ob es sich lediglich um eine Modifizierung dieses Ansatzes in mehreren Schritten handelt.
[64] Duranton-Crabol (aao., S.241) schreibt dazu: „Das Abenteuer der Gruppe hat seine Wurzeln im Algerienkrieg. Als radikale Anhänger eines französischen Algerien haben jene, die die Gründer des GRECE werden sollten, ihr Scheitern überwunden, indem sie nach einem Weg suchten, der weder eine Abkapselung auf ihre eigenen Kreise bedeutete, noch eine Bündnis mit de Gaulle. Sie haben diesen gefunden, indem sie zunehmend den Aktivismus durch den ideologischen Kampf und die Verteidigung der freien Welt durch die Suche nach spezifisch europäischen Werten ersetzten. Die anti-egalitäre Doktrin des GRECE, die seit 1968 ständig überarbeitet wurde, nährt sich aus dem konterrevolutionären Erbe, besonders dem Vorbild der Action française.“ Der GRECE erkläre sich selbst zum Erben der Konservativen Revolution.
[65] Pierre-André Taguieff, Sur la Nouvelle droite. Jalons d’une analyse critique; Paris 1994, S.10
[66] ebd. S.10f.
[67] z.B. Marie-Luise Christadler, „Die ‚Nouvelle Droite‘ in Frankreich“, in: Iring Fetscher (Hg.), Neokonservative und „Neue Rechte“; München 1983, S.163 – 215, bes. S.168ff.
[68] z.B. durch Ellen Kositza, https://sezession.de/57364/wagner (abgerufen am 4.12.17)
[69] ebd.
[70] Götz Kubitschek, Provokation, Schnellroda 2007, S.30
[71] Thomas Wagner, „Mit Kohl und Merkel verschwand die Streitkultur“. Interview in „Berliner Zeitung“ v. 11.12.2017
[72] Olivier Dard betont: „Genährt durch Referenzen an den revolutionären Syndikalismus (Georges Sorel, Edouard Berth), nicht zu vergessen Proudhon oder den späten Georges Valois, beruht die von de Benoist vertretene Konservative Revolution auf dem Erbe eines nicht-marxistischen und ‚nationalen‘ Sozialismus“. Olivier Dard, „Nouvelle Droite“, in: Frédéric Rouvillois/Olivier Dard/Christophe Boutin, Le dictionnaire du conservatisme, Paris 2017, S.671 – 675, hier. S.674. Zeev Sternhell spricht konkreter von einem anti-marxistischen und antirationalistischen Sozialismus.
[73] Sichtbarer Ausdruck dieser Einbindung ist ein gemeinsames Buchprojekt im Eric Fröhlich, einem der Köpfe der inzwischen verbotenen Gruppierung „Nationale Sozialisten Chemnitz“: Eric Fröhlich/Benedikt Kaiser, Phänomen Inselfaschismus. Blackshirts, Blueshirts und weitere autoritäre Bewegungen in Großbritannien und Irland 1918 – 1945; Kiel 2013. Thomas Wagner scheint von einem Ausstieg Wagners hin zur Linken zu träumen (S.291), dessen Vergangenheit in NS-orientierten Gruppen blendet er aus.
[74] Andreas Speit, „Mit Rechten reden? Gesellschaft und Medien verkennen die Diskurs-Strategien der ‚Neuen Rechten‘“; in: „Der Rechte Rand“ Nr.169 (2017), S.3
[75] So unter https://sezession.de/57237/ als Nachdruck aus dem „Staatspolitischen Handbuch“ Bd.3, Schnellroda 2012, S.45f., wo Karlheinz Weißmann vom jungkonservativen Flügel der „Neuen“ Rechten urteilt: „Der Einfluß von Eichbergs Ideen – insbesondere des »Ethnopluralismus« – auf eine ganze Generation der jungen rechten Intelligenz war erheblich, wenngleich seine Sprunghaftigkeit und fehlende Bereitschaft zur Ausarbeitung seiner Weltanschauung letztlich immer mit der Enttäuschung seiner Anhänger endete.“