Ermächtigungsgesetz“: Covidioten im Regen

Nie­der­schlag vor dem Reichs­tag: Demo gegen die „Mer­kel-Dik­ta­tur“ am 18. Novem­ber Foto: N. Lehmann

Die Bun­des­re­gie­rung will ein neu­es Ermäch­ti­gungs­ge­setz ver­ab­schie­den, mit weit­rei­chen­den Fol­gen und Ein­schrän­kun­gen von demo­kra­ti­schen Frei­heits­rech­ten und Men­schen­rech­ten!“ Dar­auf fol­gen noch ein paar Fak­ten, die das Geschrie­be­ne bewei­sen sol­len, und ein wir­rer Ver­gleich mit den Mon­tags­de­mons­tra­tio­nen 1989. So und ähn­lich, teil­wei­se sogar mit Auf­for­de­rung zu Bewaff­nung, wird vor allem im Inter­net für die Coro­na-Demons­tra­ti­on am 18. Novem­ber in Ber­lin geworben.

Schon auf dem Weg zur Demo wim­melt es in der S‑Bahn von soge­nann­ten Quer­den­kern. Die­se wir­ken aller­dings auf den ers­ten Blick alle recht harm­los. So etwa eine Grup­pe auf­ge­reg­ter Ehe­paa­re mitt­le­ren Alters, die sich schnell noch ein klei­nes Pla­kat für die Demo bas­telt und mit Sicher­heits­na­deln ein Stück Stoff mit der Auf­schrift „För­dert O2 Man­gel“ an der Mas­ke befes­tigt. Die Träger*innen jeden­falls lei­den offen­sicht­lich nicht an Sau­er­stoff­man­gel. Lauscht man ihren Gesprä­chen für einen Moment möch­te einem übel wer­den: So geht es im ers­ten Satz noch um die mit­ge­brach­ten Bröt­chen, wenn man jedoch län­ger zuhört, dreht sich ihre Unter­hal­tung aber auch dar­um, dass die gesam­te Mensch­heit ein­ge­sperrt wird und die Wür­de des Men­schen abge­schafft wird durch die­sen „Maul­korb“, der im gemei­nen Sprach­ge­brauch Mas­ke genannt wird. Harm­los klingt anders.

Auf dem T34 in den Wahn­sinn: Demons­trie­ren­de auf dem Pan­zer beim sowje­ti­schen Ehren­mal Foto: N. Lehmann

Auf der Demo ange­kom­men ist der erst Ein­druck auch nicht gera­de ein harm­lo­ser. Zwi­schen diver­sen Deutsch­land­fah­nen sieht man auch meh­re­re AfD-Ban­ner und sogar zwei bis drei Reichs­flag­gen. Auf die Pan­zer-Sta­tu­en vor dem sowje­ti­schen Ehren­mal an der Stra­ße des 17. Juni sind meh­re­re Leu­te geklet­tert. Einer brüllt laut „FRIEDEN!“ in sein Mega­phon, die Men­ge davor ant­wor­tet mit „FREIHEIT!“. Viel mehr Paro­len haben sie aber auch nicht, ver­ein­zelt wer­den bereits bekann­te wie „This is what demo­cra­cy looks like“ [„Das soll Demo­kra­tie sein“] und „Schämt euch!“ skan­diert, das war es dann aber auch. Hören tut man die Demo trotz­dem, mit aller­lei Gerät von Tril­ler­pfei­fen bis Töp­fen wird eine Men­ge Lärm gemacht. Die Stim­mung ist, je wei­ter man zum Bran­den­bur­ger Tor kommt, immer auf­ge­la­de­ner. Wäh­rend wei­ter hin­ten vor allem Lärm gemacht wird, hört man am Platz des 18. März auch vie­le wüten­de Zwi­schen­ru­fe, die sich vor allem gegen die aktu­el­len Hygie­ne­maß­nah­men, aber auch gegen eine angeb­lich in Auf­bau befind­li­che Dik­ta­tur rich­ten, und sieht auch deut­lich mehr Leu­te, die man auf den ers­ten Blick als Nazis ein­stu­fen würde.

Hygienevorschriften? I wo!

Im Umfeld der Demo, vor allem im Tier­gar­ten, sind eine Men­ge Leu­te unter­wegs, die ver­su­chen ande­re Men­schen für ihre spe­zi­el­le Ver­schwö­rungs­theo­rie zu begeis­tern. Vor allem, wenn man eine Mas­ke trägt, wird man auch von Men­schen ange­quatscht, die mei­nen, sie müss­ten einen von irgend­et­was über­zeu­gen, und die teil­wei­se nur schwer abzu­wim­meln sind. Irgend­ein Rüdi­ger wirbt für sei­nen Tele­gram-Kanal, wo es immer die „offi­zi­el­len“ Top-Infos gibt. Ein Stück wei­ter bekommt man Fly­er in die Hand gedrückt, die einem weis­ma­chen wol­len, dass es den deut­schen Staat gar nicht gibt und man unbe­dingt mit­hil­fe von Russ­land jetzt Frie­dens­ver­trä­ge schlie­ßen müs­se, denn der Zwei­te Welt­krieg sei nie been­det wor­den usw. usf. Inter­es­sant aller­dings des­halb, weil zumin­dest die­ser Fly­er sich gegen Faschis­mus posi­tio­niert. Trotz­dem lau­fen die Leu­te, die ihn ver­tei­len, an der Sei­te von Nazis. Auch von die­sen kann man auf der Demo ohne gro­ße Mühe eini­ge an Fah­nen oder Klei­dung erken­nen. Wenn man etwas wei­ter­geht, fin­det man auch noch wei­te­re klei­ne­re Kund­ge­bun­gen, z.B. an der Spree in der Nähe vom Reichs­tag auf der Mar­schall­brü­cke . Dort wird dann von ein paar Leu­ten mit Deutsch­land­fah­nen auch ein­fach mal die Natio­nal­hym­ne ange­stimmt. Das nimmt zwar jetzt nicht die gan­ze Men­ge mit, vie­le sin­gen jedoch trotz­dem recht begeis­tert mit.

Mas­ken? Fehl­an­zei­ge. Auf 500 Leu­te kommt viel­leicht ein Mund-Nasen-Schutz – und den tra­gen Journalist*innen, denen Pres­se­aus­wei­se um den Hals bau­meln. Auf Abstän­de wird auch nicht geach­tet. Auf der Stra­ße des 17. Juni wer­den die­se zwar ein­ge­hal­ten, wei­ter vor­ne in der Demo am Platz des 18.März, wo sich die Men­ge zu stau­en beginnt, ste­hen die Leu­te unge­ach­tet der aktu­el­len Situa­ti­on und der ent­spre­chen­den Demo-Auf­la­gen dicht an dicht. Trägt man eine Mas­ke, wird man zwar in Ruhe gelas­sen, die Bli­cke, die man abbe­kommt, sind aller­dings auf das gesam­te Spek­trum von kopf­schüt­telnd über skep­tisch bis offen aggres­siv ver­teilt. Poli­zei­prä­senz gibt es zumin­dest bei Beginn der Demo kaum, nur am und in der Nähe des Bran­den­bur­ger Tors und des Pari­ser Plat­zes sind wirk­lich vie­le Polizist*innen zu sehen. Es wird aber wohl fürs Ers­te auf Dees­ka­la­ti­on gesetzt. Dass die Demons­tra­ti­on ein wah­res Para­dies für die Ver­brei­tung des Covid-19-Erre­gers ist und offen­sicht­lich gegen die Hygie­ne­vor­schrif­ten ver­stößt, scheint erst ein­mal neben­säch­lich zu sein.

Neues Wort gelernt: „Beregnen“

AfD- und Deutsch­land­fah­nen im Was­ser­wer­fer­re­gen Foto: N. Lehmann

Fast wirkt es als fie­len den Behör­den die Ver­stö­ße gegen die Hygie­ne­richt­li­ni­en erst nach einer Wei­le auf, aber um etwa 12 Uhr wird die Demons­tra­ti­on von der Poli­zei über Laut­spre­cher für been­det erklärt. Nach­dem das, wie erwar­tet, nicht aus­reicht, um die Ver­an­stal­tung wirk­lich auf­zu­lö­sen, wer­den auch Was­ser­wer­fer her­bei­ge­schafft. Einer­seits etwas Beson­de­res, dass die­se auch mal gegen Demos aus dem eher rech­ten bis sehr rech­ten Spek­trum ein­ge­setzt wer­den, ande­rer­seits wer­den die „Quer­den­ker“ dann nur etwas von oben „bereg­net“ – eine Woche vor­her in Frank­furt oder Leip­zig war der Was­ser­strahl gegen lin­ke Demonstrant*innen noch direkt auf die Demo gerich­tet wor­den. Die­ses Vor­ge­hen begrün­det die Poli­zei damit, dass sich auch Kin­der in den vor­de­ren Rei­hen befun­den hät­ten. Ver­ständ­lich zwar, aber auch wie­der ein komi­scher Wider­spruch: Die­sel­ben Leu­te, die mei­nen, ihre Kin­der vor dem Tra­gen von Mas­ken wie vor dem Teu­fel schüt­zen zu müs­sen, set­zen genau die­se Kin­der in gewis­ser Wei­se als Schutz­schil­der vor Was­ser­wer­fern ein. Die Stim­mung hat sich mitt­ler­wei­le stark ver­än­dert. Die Men­ge ist wüten­der gewor­den, immer wenn die Was­ser­wer­fer anfan­gen die Demo zu wäs­sern, hört man über­all Pfif­fe und wüten­de Aus­ru­fe. In den vor­de­ren Rei­hen sind kei­ne Her­zen und Bal­lons mehr zu sehen, Deutsch­land- und AfD-Fah­nen wehen aber wei­ter – auch wenn es ihnen durch die Näs­se nicht leicht­ge­macht wird.

Die Poli­zei braucht noch meh­re­re Stun­den bis die Demo am Bran­den­bur­ger Tor kom­plett auf­ge­löst ist, viel Neu­es pas­siert nicht mehr. Ein biss­chen Regen reicht nicht aus, um die Men­ge schnell zu ver­trei­ben. Am Ende wer­den 365 Demonstrant*innen vor­über­ge­hend fest­ge­nom­men, die meis­ten wegen Ver­dachts auf Ver­stoß gegen das Infek­ti­ons­schutz­ge­setz. Und eine Impf­dik­ta­tur gibt´s immer noch nicht.