«.…sondern dass es regulieren soll, wie sich Ausländer hier zu benehmen hätten.»
Serdar Somuncu, seines Zeichens Comedian mit grenzüberschreitendem Humor, bringt die Kritik an der Änderung des Islamgesetzes deutlicher auf den Punkt als die islamische Glaubensgemeinschaft. In Österreich ist der Islam seit 1912 eine anerkannte Religionsgemeinschaft. Nachdem die Habsburger 1908 Bosnien annektiert hatten, wurde eine große muslimische Minderheit Teil des Habsburgerreiches und ‑heeres. Die Islamische Glaubensgemeinschaft ist lange die offizielle und einzige Vertretung der muslimischen Religionsgemeinschaften in Österreich gewesen. Erst seit 2013 kann die Islamisch Alevitische Glaubensgemeinschaft nach einem entsprechenden Verfassungsgerichtshofurteil den Alleinvertretungsanspruch der IGGiÖ in Frage stellen.
Im Herbst 2014 nahm eine hitzige Debatte um eine Änderung des Islamgesetzes ihren Lauf. Schon die ersten Entwürfe vermischten notwendige Änderungen – wie etwa das Recht auf religiöse Betreuung in staatlichen Einrichtungen und die Beachtung der Speisevorschriften – mit rassistischem Partikularismus. Denn während die Sicherstellung der freien Religionsausübung von allen islamischen Glaubensgemeinschaften begrüßt wurde, hat das Gesetz bzw. viel eher die mediale Auseinandersetzung darum einen klaren Zweck verfolgt. In der Hochphase der Kämpfe gegen DAISH in Rojava, in Syrien und im Irak und zunehmenden Angriffen gegen als Muslim_innen erkennbare Menschen und Moscheen, setzte die Regierung ein Zeichen zur Zurechtweisung ebendieser. Das Versagen der so genannten Integrationspolitik wurde mit den täglichen Meldungen von Jugendlichen aus Österreich, die sich DAISH angeschlossen hatten oder anschließen wollten, immer bedrängender.
Wenig verwunderlich also, dass der «Integration durch Leistung»-Minister Sebastian Kurz in Zusammenarbeit mit Abschiebeministerin Johanna Mikl-Leitner und der ewigen Mitläuferin SPÖ, in Person des eigentlich für Kultusangelegenheiten zuständigen Ministers Josef Ostermayer einen Entwurf zur Änderung des seit 1912 gültigen Islamgesetzes vorlegte, der bestenfalls durch alle formalen Kriterien für juristische Texte fallen sollte.
Das Gesetz sieht vor, dass die Glaubensgemeinschaften aus dem Inland finanziert werden müssen, Muslim_innen sich zum Staat bekennen müssen und Geistliche im Inland ausgebildet werden müssen. – Legitime Punkte aus der Sicht eines bürgerlichen Staates. Illegitim, wenn sie allerdings gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen. (Anfänglich verlangte Außenminister Kurz noch einen einheitlichen deutschsprachigen Koran, abgesegnet von der IGGiÖ.) Noch illegitimer, wenn mit dem Argument der Aktualisierung eines Gesetzes rassistische Politik betrieben wird, um der rechten Wähler_innenklientel das Gefühl zu geben, dass Muslim_innen in die Schranken gewiesen werden.
Denn: Von keiner anderen Religionsgemeinschaft wird «eine positive Grundeinstellung zum Staat» verlangt. Die römisch-katholische Kirche finanziert sich auch aus dem Ausland und genießt mit dem Konkordat eine Sonderstellung im Staat. In keinem anderen Gesetz für eine Religionsgemeinschaft werden Angehörige daran erinnert, dass sich ihre Funktionsträger_innen an die geltenden Gesetze im Staat zu halten haben.
Die Debatte um das neue Islamgesetz zeigt, wie selbstverständlich Rassismus in Gesetzesänderungsmechanismen eingebettet wird. Sie zeigt aber auch, dass Vertreter_innen der Glaubensgemeinschaft nicht in der Lage sind, eine Kritik an dieser rassistischen Praxis zu formulieren – oder wenigstens die Betroffenen deutlich zu nennen.
An vielen Muslim_innen gingen die Änderungen am Islamgesetz nämlich vorbei. Die IGGiÖ nahm nicht die Rolle der Kritikerin, sondern der Juniorpartnerin der Regierung ein. Die Islamisch Alevitische Religionsgemeinschaft begrüßte den Gesetzesentwurf, da sie ihre eigene Position weiter gestärkt sah. Die Muslimische Jugend und das Netzwerk Muslimische Zivilgesellschaft kritisierten den IGGiÖ-Vorsitz Fuat Sanaç für seine passive Haltung und die Nicht-Einbindung der neuen, jungen Vertreter_innen der MJÖ. Sie formulieren ihre Ängste, um die Imame, die in Zukunft nicht mehr praktizieren dürfen, was vor allem die ATIB betrifft, deren Imame aus der Türkei finanziert werden, sowie um die «Verkirchlichung» der Religionsgemeinschaft, schaffen es allerdings nicht ein einziges Mal, das Wort «Rassismus» in den Mund zu nehmen.
Die Vertreter_innen der Glaubensgemeinschaft und ihre Kritiker_innen sind nämlich nicht Vertreter_innen der Muslim_innen und noch viel weniger der von Rassismus Betroffenen in Österreich. Sie sind Vertreter_innen ihrer eigenen Interessen, in einem «innerreligionsgemeinschaftlichen Konflikt». Es geht um Vertretungsansprüche, um Funktionen und einen Generationenkonflikt innerhalb der IGGiÖ, nicht aber um die alltäglichen Auswirkungen des Islamgesetzes auf die in Österreich lebenden und arbeitenden Menschen. Die tangiert diese Gesetzesänderung nämlich nicht.
Der Umgang der IGGiÖ und ihrer Kritiker_innen mit dem rassistischen Islamgesetz, zeigt einmal mehr, dass Religionsgemeinschaften die Interessen ihrer Institutionen vertreten und nicht die der Gläubigen.
Kübra Atasoy ist im Vorstand von «Asyl in Not», einer Organisation, die sich politisch und juristisch für Verfolgte, vor allem Refugees, einsetzt. Sie studiert Sprachwissenschaft in Wien und arbeitet gerade an einem Live-Hörspiel zur jüngeren Streikgeschichte rund um Wien.