Radikale Substruktur – Wie die AfD ihre neonazistische Basis reorganisiert

Die Jun­ge Alter­na­ti­ve (JA) bie­tet und bie­dert sich den Bau­ern­pro­tes­ten vor dem Bran­den­bur­ger Tor im Janu­ar 2024 an: Sie durf­ten dort mit Sym­pa­thien rech­nen gera­de wegen ihrer boden­stän­di­gen neo­fa­schis­ti­schen Ideo­lo­gie (Foto: Burschel)

Die vom Bun­desam für Ver­fas­sungs­schutz als „gesi­chert rechts­extrem“ ein­ge­stuf­te Jugend­or­ga­ni­sa­ti­on der AfD steht vor einem grund­le­gen­den Wan­del. Ver­fas­sungs­schutz-Chef Jörg Mül­ler bezeich­ne­te sie in einer Pres­se­mit­tei­lung als „Stra­ßen­trup­pe der AfD“ und als eine Gefahr für die Demo­kra­tie. Sie gilt als noch radi­ka­li­sier­ter als die Mut­ter­par­tei selbst – eine Ein­schät­zung, die zuneh­mend auch inner­halb der AfD für Span­nun­gen sorgt.[1] Als Lösungs­an­satz steht eine Umstruk­tu­rie­rung nach dem Vor­bild der sozi­al­de­mo­kra­ti­schen Jungsozialist*innen (Jusos) zur Debat­te. Die­se Jugend­or­ga­ni­sa­ti­on der SPD ist eng in die Par­tei­struk­tur ein­ge­bun­den, was eine ein­fa­che­re Kon­trol­le und Über­prü­fung ein­zel­ner Mit­glie­der ermög­licht. Durch die­se Ände­run­gen wür­den alle AfD-Mit­glie­der unter 36 Jah­ren auto­ma­tisch Mit­glie­der der JA wer­den. Die JA, eine Jugend­or­ga­ni­sa­ti­on, die sich durch dezi­diert natio­na­lis­ti­sche und ras­sis­ti­sche Rhe­to­rik aus­zeich­net, hat wie­der­holt Auf­merk­sam­keit durch ihre Radi­ka­li­tät erregt. Kritiker*innen wie die Lin­ken-Abge­ord­ne­te Mar­ti­na Ren­ner argu­men­tie­ren, dass die geplan­te Ein­glie­de­rung nicht pri­mär auf orga­ni­sa­to­ri­sche Effi­zi­enz abzielt, son­dern viel­mehr den Zweck ver­folgt, die JA-Mit­glie­der vor staat­li­chen Maß­nah­men und einem poten­zi­el­len Ver­bot zu schützen.

Ideologische Verankerung der Jungen Alternative

Die Jun­ge Alter­na­ti­ve für Deutsch­land (JA) zählt rund 2.500 Mit­glie­der und wur­de 2013 als völ­ki­sche Jugend­or­ga­ni­sa­ti­on gegrün­det, die von Anfang an rechts­po­pu­lis­tisch in Erschei­nung trat und als Schar­nier zur neo­na­zis­ti­schen Rech­ten agier­te. Wie vie­le Bewe­gun­gen der Neu­en Rech­ten über­nimmt auch die JA die Inhal­te der AfD und spitzt die­se häu­fig zu. Trotz einem auf dem Bun­des­kon­gress 2016 gefass­ten Beschluss, sich von rechts­extre­mis­ti­schen Grup­pie­run­gen zu distan­zie­ren, bestehen wei­ter­hin enge Ver­bin­dun­gen etwa zur „Iden­ti­tä­ren Bewe­gung“ (IB). Trotz der soge­nann­ten „Unver­ein­bar­keits­lis­te“, nach der die AfD kei­ne Rechts­extre­men auf­neh­men dürf­te, wur­de Jan­nis Geor­ge auf­grund einer Akti­on der IB, deret­we­gen er sich vor Gericht ver­ant­wor­ten muss­te, in den Lan­des­vor­stand der JA gewählt.[2]

Auch mit der mut­maß­li­chen ter­ro­ris­ti­schen Ver­ei­ni­gung der „Säch­si­schen Sepa­ra­tis­ten“, wel­che eine ras­sis­ti­sche, anti­se­mi­ti­sche und apo­ka­lyp­ti­sche Ideo­lo­gie pro­pa­gie­ren, gab es sei­tens der JA bereits Über­schnei­dun­gen.  Die „Säch­si­schen Sepa­ra­tis­ten“ haben die Vor­stel­lung eines „frei­en Sach­sens“, das sich von der Bun­des­re­pu­blik abspal­ten soll. Anfang Novem­ber 2024 wur­den ein AfD-Stadt­rat und wei­te­re AfD-Mit­glie­der unter dem Ver­dacht, Mit­glie­der der „Säch­si­schen Sepa­ra­tis­ten“ zu sein und sich an deren gewalt­be­rei­ten Aktio­nen zu betei­li­gen, fest­ge­nom­men. Die Mit­glie­der wur­den mitt­ler­wei­le aus der Par­tei ausgeschlossen.

Die Pro­gram­ma­tik der JA lässt sich durch eine star­ke Ori­en­tie­rung an eth­no-natio­na­lis­ti­schen und anti-plu­ra­lis­ti­schen Idea­len cha­rak­te­ri­sie­ren. Auf ihrer Web­site wer­den Aus­sa­gen wie „Deut­sche Jugend ist rechts und geht auf­recht“ und „Unser Volk zuerst“ pro­mi­nent plat­ziert. Dies offen­bart eine völ­kisch gepräg­te Welt­an­schau­ung, die mit der Idee einer offe­nen Gesell­schaft nichts zu tun hat. Sol­che Äuße­run­gen und die enge ideo­lo­gi­sche Nähe zu ande­ren faschis­ti­schen Strö­mun­gen zei­gen, dass die JA ein Sam­mel­be­cken für radi­ka­le Posi­tio­nen gewor­den ist. Die Ver­wei­ge­rung, sich dem „woken, lin­ken Zeit­geist“ zu beu­gen, wird von der JA hoch­ge­hal­ten und ist im Grund­satz­pa­pier der JA verankert.

Die Ver­stri­ckung pro­mi­nen­ter Mit­glie­der wie etwa des Bun­des­vor­sit­zen­den der JA und AfD-Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­ten Han­nes Gnauck, der bereits vom Mili­tä­ri­schen Abschirm­dienst (MAD) als „Ver­dachts­fall Rechts­extre­mis­mus“ ein­ge­stuft wur­de, unter­streicht die ideo­lo­gi­sche Grund­aus­rich­tung der Organisation.

Kontrolle und Schutz

Die AfD argu­men­tiert, die Ein­glie­de­rung der JA die­ne der bes­se­ren Kon­trol­le und Inte­gra­ti­on ihrer Jugend­or­ga­ni­sa­ti­on. Doch die­se Argu­men­ta­ti­on wirft eini­ge Wider­sprü­che auf: Ist es tat­säch­lich Kon­trol­le, wenn eine Par­tei ihre Struk­tur so erwei­tert, dass radi­ka­le Ele­men­te insti­tu­tio­nel­len Schutz genie­ßen? Oder han­delt es sich hier­bei um eine bewuss­te Ent­schei­dung, die den Zweck ver­folgt, ein Ver­bot der JA unmög­lich zu machen?

Der Schritt der Ein­glie­de­rung, der auf dem bevor­ste­hen­den Par­tei­tag im Janu­ar 2025 in Rie­sa beschlos­sen wer­den soll, zeigt, dass die AfD ihre Ver­ant­wor­tung nicht in der Distan­zie­rung von extre­mis­ti­schen Ten­den­zen sieht, son­dern viel­mehr im insti­tu­tio­nel­len Schutz ihrer Jugend­or­ga­ni­sa­ti­on. Durch die­se Ent­schei­dung liegt nun der Ver­dacht eher noch näher, dass die AfD die Struk­tu­ren demo­kra­ti­scher Rechts­staat­lich­keit nicht als nor­ma­ti­ven Rah­men aner­kennt, son­dern als läs­ti­ges Hin­der­nis, das es stra­te­gisch zu über­win­den gilt.

Die geplan­te Inte­gra­ti­on der Jun­gen Alter­na­ti­ve in die AfD ist also mehr als ein bloß orga­ni­sa­to­ri­scher Vor­gang. Sie ist auch ein Signal: Die AfD stellt den Schutz ihrer radi­ka­len Sub­struk­tur über die Ver­ant­wor­tung für die inak­zep­ta­blen Inhal­te, die durch die­se pro­pa­giert wer­den. Damit ent­steht ein geschlos­se­nes Sys­tem, das sowohl gegen Kri­tik von außen als auch Selbst­re­fle­xi­on von innen abschirmt.

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[1] SWR Kul­tur. (Jahr, Monat Tag). Jun­ge Alter­na­ti­ve: Ein Trei­ber für die Radi­ka­li­sie­rung der AfD [Audio]. Abge­ru­fen von https://​www​.swr​.de/​s​w​r​k​u​l​t​u​r​/​l​e​b​e​n​-​u​n​d​-​g​e​s​e​l​l​s​c​h​a​f​t​/​j​u​n​g​e​-​a​l​t​e​r​n​a​t​i​v​e​-​e​i​n​-​t​r​e​i​b​e​r​-​f​u​e​r​-​d​i​e​-​r​a​d​i​k​a​l​i​s​i​e​r​u​n​g​-​d​e​r​-​a​f​d​-​1​0​0​.​h​tml

[2] „Vom Gerichts­saal in den Vor­stand: AfD-Nach­wuchs wählt rechts­extre­men Akti­vis­ten.“ Zugriff am [Datum], https://www.zvw.de/stuttgart-region/vom-gerichtssaal-in-den-vorstand-afd-nachwuchs‑w%C3%A4hlt-rechtsextremen-aktivisten_arid-883946.