Verfolgt man die einschlägigen Debatten, so kann man sich oft des Eindrucks nicht erwehren, dass die deutsche Linke ihren ganz eigenen Nahostkonflikt austrägt. Überidentifikation und unreflektierte Solidarität entweder mit Israel oder mit Palästina tragen besonders in den letzten zwölf Jahren zu einer in Teilen hochemotionalen Debattenkultur bei, die eine sachliche Erörterung und differenzierte Zugänge zur Problematik erschweren, wenn nicht unmöglich machen. Alternative linke Perspektiven auf den Konflikt zwischen Israel und Palästina, die die berechtigten Interessen aller in der Region lebender Menschen im Auge haben und daher etwa eine analytische Gleichrangigkeit von Kolonialismuskritik, Antisemitismuskritik und Ideologiekritik einfordern sowie die Anwendung gleicher universalistischer Standards an die Beurteilung der Konfliktparteien, gelten in hochdogmatischen Milieus als nicht diskursfähig.