Eine Stunde vor Prozessbeginn teile ich mir die Zuschauerreihen mit nur einem weiteren Besucher. Auf seiner Glatze spiegelt sich grelles Neonlicht, das von kühlen Betonwänden herabstrahlt. Er könnte Hauptdarsteller in einem um Aufklärung bemühten, öffentlich-rechtlichen Fernsehfilm zu Neonazismus sein. Hier verkörperte er einen dumpfen und liebenswerten, aber bedingungslos ergebenen Mitläufer. Wie ein vergessener Aquariumsbesucher blickt der blasse Koloß durch die dicke, bis zwei Meter unter die Decke reichende Glasscheibe nach unten in den Gerichtssaal. Als warte er darauf, dass ein großer, ganz besonderer Fisch sich bald zeigen möge. Um einen besseren Blick zu erhaschen, gehe ich die wenigen Stufen hinunter und presse meine Nase gegen die Scheibe. Nun kann ich die Pappaufsteller lesen, die anzeigen, wo die Angeklagten, die Bundesanwaltschaft und die Nebenkläger sitzen werden. Sofort kommt ein Justizbeamter herangeeilt und fordert mich auf, meinen Platz einzunehmen. Weiterlesen „Ein Besuch im NSU-Prozess: Leberwurstsemmeln und Gerechtigkeit“