Yalla Intersektionalität!

Ein Abend in der Fahi­mi-Bar mit Lady Bitch Ray

Bei Rey­han Şahin aka „Lady Bitch Ray“ han­delt es sich um eine viel­sei­ti­ge Frau, die sich ihres Kön­nens und ihres Wis­sens bewusst ist. Man nennt sie auch Dr. Bitch Ray, ein Name der sowohl ihren 2012 erwor­be­nen Dok­tor­ti­tel, als auch ihren Künst­le­rin­nen­na­men als Rap­pe­rin ent­hält. Rey­han ist eine Rap­pe­rin, wie man sie sonst in Deutsch­land nicht kennt: Aka­de­misch ver­siert, poli­tisch aktiv und zugleich sex­po­si­tiv rap­pend. Der Kar­rie­re als „Lady Bitch Ray“ hat sie mitt­ler­wei­le jedoch den Rücken zuge­wandt. Sie hat­te genug von den Sexis­men und Ras­sis­men in der Hip-Hop-Com­mu­ni­ty, genug davon sich selbst erklä­ren und recht­fer­ti­gen zu müs­sen, genug davon „mit einer Wand zu reden.“ Immer­hin hat sie vor andert­halb Jah­ren noch ein­mal zwei Rap-Songs ein­ge­spielt.  Nun ver­brei­tet sie ihre Gedan­ken auf neu­em Wege, wie zum Bei­spiel über ihr drit­tes und neus­tes Buch: Yal­la Feminismus!

Am 11. Febru­ar haben sich rund 100 Teilnehmer*innen in der fan­cy Kreuz­ber­ger Fahi­mi Bar für die Buch­prä­sen­ta­ti­on von Rey­han Şahin ver­sam­melt. Wei­te­re 60 Men­schen, die vor der Tür war­te­ten, schaff­ten es nicht mehr rein und muss­ten lei­der abge­wie­sen wer­den. Trotz Platz­man­gel und bei­na­he Über­fül­lung der Bar, war die Atmo­sphä­re sehr aus­ge­las­sen und gemüt­lich. Den Teilnehmer*innen war anzu­se­hen, dass sie wohl­ge­son­nen waren und sich mit Rey­han Şahin soli­da­ri­sier­ten. Von Beginn an hör­ten alle, nach­dem sie ihre Drinks bekom­men und sich ein­ge­fun­den hat­ten, auf­merk­sam zu, stimm­ten in Geläch­ter ein, wenn Rey­han mal wie­der sie selbst war, und dach­ten und fühl­ten mit. Vie­le davon als Men­schen, die sich in den Dis­kri­mi­nie­rungs­si­tua­tio­nen die Rey­han beschrieb, wie­der­kann­ten, ob als Frau, Migrant*in, LGBTQ-mem­ber oder alles zusammen.

Ein femi­nis­ti­scher Abend in der Fahi­mi-Bar: Mode­ra­to­rin Fat­ma Kar im Gespräch mit Buch­au­to­rin Rey­han Şahin

Hip-Hop, du Huren­sohn (aber damit mei­ne ich nicht dei­ne Mutter)

Genau das, näm­lich Teil meh­re­rer mar­gi­na­li­sier­ter Men­schen­grup­pen zu sein, ist ein zen­tra­les The­ma in „Yal­la Femi­nis­mus“ und in der Buch­prä­sen­ta­ti­on: Inter­sek­tio­na­li­tät, ein etwas sper­ri­ger aka­de­mi­scher Begriff, der uns durch das Buch und wäh­rend der Prä­sen­ta­ti­on beglei­tet, eben­so wie er von inter­sek­tio­na­ler Dis­kri­mi­nie­rung betrof­fe­ne Men­schen im All­tag durch­ge­hend begleitet.

Mode­ra­to­rin Fat­ma Kar sitzt neben Rey­han am Tisch in einer gut sicht­ba­ren Ecke der Bar und lei­tet den Abend ein. Sie befragt Rey­han zu ein­zel­nen Stel­len im Buch, bit­tet sie um Erklä­run­gen, tauscht sich mit ihr über ihre Erfah­run­gen aus und ver­sucht sie  immer wie­der zurück auf den roten Faden durch den Abend zurück­zu­ho­len, wenn es sie mal wie­der davon­trägt. Zeit für die geplan­te Dis­kus­si­ons­run­de ist am Ende der Ver­an­stal­tung doch nicht mehr geblie­ben, den­noch war es durch die reflek­tier­ten und span­nen­den Ein­bli­cke, die wir als Teilnehmer*innen beka­men, ein gelun­ge­ner Abend. Fat­ma gab zunächst eine gro­be Ein­füh­rung in das Buch. Yal­la Femi­nis­mus ist in drei Tei­le geglie­dert: Femi­nis­mus im (Deutsch-)Rap, Femi­nis­mus und Islam, und die Rol­le der Frau im Wis­sen­schafts­be­trieb – im Buch als: „Hip-Hop, du Huren­sohn (aber damit mei­ne ich nicht dei­ne Mut­ter!)“, „Die deut­sche Kopf­tuch­sa­ga: A litt­le bit about Kopf­tuch­splai­ning“ und „Die Fucka­de­mia: Der Cis Schwanz aus Elfen­bein.“ Rey­han kor­ri­giert Fat­ma nach ihrer Ein­füh­rung sofort (scheint erst fies, war aber lieb gemeint) und erin­nert an einen vier­ten Teil, der zwar etwas klei­ner aus­fal­le, aber die Ein­lei­tung und somit die Grund­la­ge für das Buch bil­de: „Ceci n’est pas une femi­nis­te.“ – „Das ist kei­ne Femi­nis­tin.“ In die­sem Teil kommt Rey­han ins­be­son­de­re auf ihre eige­ne Defi­ni­ti­on vom Femi­nis­mus zu spre­chen, den inter­sek­tio­na­len Femi­nis­mus. Die­ser gren­ze sich vom „wei­ßen Femi­nis­mus“ ab, wel­cher sich ledig­lich auf die Erfah­run­gen wei­ßer Femi­nis­ten fokus­sie­re und die Erfah­run­gen von Frau­en der BIPoC-Com­mu­ni­ty miss­ach­te. Den wei­ßen Femi­nis­mus asso­zi­iert Rey­han spe­zi­ell mit der „zwei­ten Wel­le“, für den etwa Ali­ce Schwar­zer stehe.

Yal­la Intersektionalität!

Inter­sek­tio­na­li­tät ist etwas, was Rey­han als Per­son, die selbst davon betrof­fen ist, nahe­geht und von klein auf beglei­tet. Sie liest zu Beginn eine Stel­le aus dem Buch vor, wel­che Erin­ne­run­gen aus ihrer Kind­heit teilt. Damals habe ihr Vater ihr ver­mit­telt: „Als Frau und Aus­län­de­rin musst du dop­pelt so viel leis­ten wie ein Mann.“ Rey­han tat dies als Ale­vi­tin, Mus­li­min, sex­po­si­ti­ve Musi­ke­rin, Migran­tin und Frau ihr gan­zes Leben lang und wird bis heu­te in gewis­sen Krei­sen nicht auf Augen­hö­he betrach­tet. Sie erfuhr jedoch auch viel Leis­tungs­druck sei­tens ihres Vaters; lachend erzählt sie, wie ihr Vater damals davon träum­te, dass sei­ne Toch­ter eines Tages „Dok­tor-Pro­fessör“ wird. Dabei erin­nert sie sich auch an eine eher pein­li­che Situa­ti­on, die sie als Teen­ager mit ihrem Vater bei einem tür­ki­schen Plat­ten­la­bel erleb­te. Auch hier berich­te­te Herr Şahin dem Plat­ten­boss stolz, sei­ne Toch­ter sol­le eines Tages „Dok­tor-Pro­fessör“ wer­den. Rey­han ver­ließ dar­auf­hin den Ter­min unter Zurück­las­sung ihrer Demo-Kas­set­te. Sie hat­te es extrem eilig, sich der pein­li­chen Situa­ti­on mög­lichst schnell zu entziehen

Im Nach­hin­ein könn­te man behaup­ten, dass die Träu­me bei­der, Rey­hans und der ihres Vaters, in Erfül­lung gegan­gen sind. „Lady Bitch Ray“ mach­te sich bald einen Namen im deut­schen Hip-Hop und ver­tief­te zugleich ihre aka­de­mi­schen Kennt­nis­se an der Uni­ver­si­tät. Sie ver­brach­te mehr als genug Zeit in der Biblio­thek oder „Bit­chio­thek“, wie Rey­han es nennt. Aus die­sen bei­den Beschäf­ti­gun­gen resul­tier­te jedoch eine wich­ti­ge und beson­de­re Fähig­keit: Wis­sen­schaft­li­che Inhal­te Men­schen ohne aka­de­mi­schen Hin­ter­grund zu ver­mit­teln, und zwar ohne dabei kom­ple­xe Begrif­fe und schwie­ri­ge Gram­ma­tik zu ver­wen­den.  Rey­han erzählt davon, wie sie ihrer Mut­ter vie­le ihrer wis­sen­schaft­li­chen Erkennt­nis­se „über­setzt“ habe, und ihre Mut­ter dar­auf­hin mit noch inten­si­ve­ren Ein­bli­cke aus ihrer eige­nen Sicht geant­wor­tet habe. Das ist es, was „Lady Bitch Ray“ aus­macht: Als Aka­de­mi­ke­rin und Rap-Künst­le­rin gleich­zei­tig wis­sen­schaft­li­che Inhal­te für alle um sie her­um zugäng­lich und trag­fä­hig zu machen.

Das „Hip-Hop’sche Stockholmsyndrom“

Was sie von ande­ren Frau­en im deut­schen Hip-Hop unter­schei­de, sei das „Hip-hop’sche Stock­holm-Syn­drom“: Man neh­me das Stock­holm-Syn­drom, also knapp defi­niert, aus einer Opfer­per­spek­ti­ve eine Lie­be für den Täter zu ent­wi­ckeln, und bezieht es auf Hip-Hop. Die gesam­te Hip-Hop-Kul­tur, eta­bliert und ver­fes­tigt durch cis-männ­li­che Rap­per, sei der Täter, und die Frau im Hip-Hop das Opfer, so Şahin. Die­ses Syn­drom ver­wei­se auf die patri­ar­cha­li­schen und sexis­ti­schen Struk­tu­ren inner­halb des Hip-Hops, denen sich weib­li­che Rap­pe­rin­nen zu unter­wer­fen hät­ten. Als Rap­pe­rin, die die Struk­tu­ren, in denen sie sich bewe­gen müs­se, hin­ter­fra­ge, wer­de man ganz schnell aus dem Spiel gewor­fen und ver­lie­re sei­nen Sta­tus. Rey­han Şahin erin­nert an die aktu­el­le Situa­ti­on im Deutschrap: Es gebe zwar mehr deut­sche Rap­pe­rin­nen als es sie zu ihrer Anfangs­zeit gege­ben habe, doch han­de­le es sich dabei wirk­lich um Femi­nis­tin­nen? „Nein!“, lau­tet ihre kla­re Ant­wort. Die­se Frau­en mögen zwar als Femi­nis­tin­nen insze­niert wer­den, doch sie wür­den kei­ne tat­säch­li­che femi­nis­ti­sche Arbeit leis­ten — denn sie wür­den unter dem „Hip-Hop’schen Stock­holm-Syn­drom“ lei­den. Eine Erkennt­nis, die Rey­han Şahin teil­te, blieb mir beson­ders im Gedächt­nis hän­gen: „Als Frau im Hip-Hop hast du einer­seits mit Sexis­mus von allen Sei­ten zu kämp­fen, ander­seits ver­suchst du auch dei­ne Brü­der of Color im Hip-Hop vor Ras­sis­mus zu schüt­zen.“ Die­ser dop­pel­te Kampf, den Rap­pe­rin­nen of Color zu füh­ren hät­ten, sei sehr belas­tend, so Şahin. Dafür ken­nen wir heu­te statt der Rap­pe­rin „Lady Bitch Ray“ jedoch die lie­be „Dr. Bitch Ray“.

Wei­ßer Femi­nis­mus vs. das Kopftuch

In ihrer Dok­tor­ar­beit setzt sie sich mit der Bedeu­tung des Kopf­tuchs aus­ein­an­der. Auch das ist The­ma des Buches und der Ver­an­stal­tung gewe­sen. Spe­zi­ell geht es um den Bezug zwi­schen Femi­nis­mus und Islam. Dabei ist Rey­han ganz klar der Mei­nung: Es gibt zu weni­ge bzw. gar kei­ne mus­li­mi­schen Feminist*innen in Deutsch­land. Hier kommt Rey­han ein wei­te­res Mal auf Ali­ce Schwar­zer zu spre­chen, die die Kopf­tuch­de­bat­te in Deutsch­land vor Jah­ren in Gang gesetzt hat. Dabei bestehe genau hier­in das Pro­blem: eine wei­ße Frau, die wei­ßen Femi­nis­mus „betreibt“, ver­fügt nach Rey­hans Mei­nung gar nicht über die reflek­to­ri­schen Mit­tel, um Femi­nis­mus im Islam zu kri­ti­sie­ren. Sie stu­fe das Kopf­tuch als patri­ar­cha­li­sches Unter­drü­ckungs­mit­tel ein, ohne jedoch ver­schie­de­ne Wahr­neh­mun­gen über das Kopf­tuch aus der Sicht mus­li­mi­scher Femi­nis­tin­nen zu ken­nen (oder über­haupt femi­nis­ti­sche Mus­li­min­nen wahr­zu­neh­men). Dem­nach sei sie nicht in der Posi­ti­on, das Kopf­tuch oder gar mus­li­mi­schen Femi­nis­mus ein­schät­zen zu kön­nen. Dadurch, dass sie sich selbst trotz­dem das Recht neh­me, dar­über zu urtei­len und ihre Mei­nung als wei­ße Femi­nis­tin mit der deut­schen Gesell­schaft zu tei­len, prak­ti­zie­re sie eine „Bevor­mun­dung“, sagt Rey­han Şahin. Auf­grund ihrer pro­mi­nen­ten und pri­vi­le­gier­ten Stel­lung als wei­ße Frau fän­den ihre frag­wür­di­gen Ansich­ten den Weg in die Mehr­heits­ge­sell­schaft, wäh­rend eine Frau wie Rey­han Şahin nicht vor­kom­me, beklagt sie.

Rey­han hat als tat­säch­li­che mus­li­mi­sche Femi­nis­tin ihre gesam­te Dok­tor­ar­beit über die Bedeu­tung des Kopf­tuchs ver­fasst und ist der Mei­nung, dass die Kopf­tuch­de­bat­te von bei­den Sei­ten unre­flek­tiert sei. Sowohl von der ras­sis­ti­schen Sei­te Ali­ce Schwar­zers und sons­ti­ger bevor­mun­den­der wei­ßer Femi­nis­tin­nen, als auch von Sei­ten der isla­mi­schen Femi­nis­tin­nen, wel­che die patri­ar­cha­li­schen Struk­tu­ren inner­halb des Islams igno­rier­ten und sich regel­kon­form inner­halb isla­mi­scher Krei­se ver­hiel­ten. Durch die­se bei­den Posi­tio­nen wer­de der Femi­nis­mus per se „rela­ti­viert“, sagt Şahin. Um in den ver­zwick­ten Debat­ten über Femi­nis­mus im Islam über­haupt einen Durch­blick zu gewin­nen, müs­se man an aller ers­ter Stel­le die spi­ri­tu­el­le von der ideo­lo­gi­sier­ten Pra­xis abgren­zen. Die spi­ri­tu­el­le Reli­gi­ons­aus­übung sei eine pri­va­te Ange­le­gen­heit ohne Beein­träch­ti­gung durch gesell­schaft­li­che Vor­ga­ben „im Namen der Reli­gi­on“. Die ideo­lo­gi­sier­te Reli­gi­ons­aus­übung statt­des­sen lege sich die Wer­te des hei­li­gen Buchs per­sön­lich und zum eige­nen Vor­teil oder auch poli­tisch aus, wodurch die Wer­te patri­ar­cha­ler unter­drü­cken­der Struk­tu­ren in der Gesell­schaft eta­bliert und ver­fes­tigt wür­den, erklärt Şahin. Erst auf Grund­la­ge die­ser Erkennt­nis kön­ne die Debat­te um das Kopf­tuch bzw. die Debat­te über den isla­mi­schen Femi­nis­mus über­haupt erst geführt wer­den. So sieht es Rey­han Şahin. Aber hier muss Fat­ma auch schon wie­der einen Cut machen und die bei­na­he aus­schwei­fen­de Rey­han zum nächs­ten The­ma, der „Fucka­de­mia“, leiten.

Lady Bitch Ray“ aber auch „Dr. Bitch Ray“

Fucka­de­mia“ nennt Rey­han den Hoch­schul­be­trieb, wenn sie dabei auf die Rol­le der Frau abstellt. Als Frau hat Dr. Bitch Ray im wis­sen­schaft­li­chen All­tag häu­fig erfah­ren, was sie „lei­se Dis­kri­mi­nie­rung“ nennt. Also Dis­kri­mi­nie­rung, die sich nicht offen und klar äußert, den­noch aber eine sol­che ist. So habe Rey­han ein­mal um einen Gesprächs­ter­min bei der Gleich­stel­lungs­be­auf­trag­ten der Uni­ver­si­tät gebe­ten, statt­des­sen aber nur per E‑Mail das Ange­bot für ein zehn­mi­nü­ti­ges Tele­fo­nat erhal­ten. Wie lächer­lich das sei, müs­se wohl nicht betont wer­den. Rey­han erzählt, wie sie, als sie sich vom Rap abge­wandt und statt­des­sen der Uni­ver­si­tät zuge­wandt habe, hoff­nungs­voll erwar­tet habe, nun in Krei­se zu gelan­gen, wo sie sich mit wei­te­ren Akademiker*innen auf Augen­hö­he tref­fen und end­lich ihren Gedan­ken frei­en Lauf las­sen kön­ne. Aber: Pus­te­ku­chen! Die Pro­fes­so­ren, über­wie­gend sprich­wört­lich „alte wei­ße Män­ner“, trä­fen die Wis­sen­schaft­le­rin an der Uni­ver­si­tät alles ande­re als auf Augen­hö­he. Auf­grund ihrer Kar­rie­re als schril­le, pro­vo­ka­ti­ve und sex­po­si­ti­ve „Lady Bitch Ray“ sei sie nicht ernst­ge­nom­men wor­den. Aus­schlag­ge­bend jedoch sei, dass Rey­han Şahin nicht nur „Lady Bitch Ray“, son­dern eben auch „Dr. Bitch Ray“ und Dr. Şahin sei, sagt sie. Kon­ser­va­ti­ve, wei­ße Professor*innen jedoch ver­füg­ten nun nicht über die men­ta­le Kapa­zi­tät, um das regis­trie­ren zu kön­nen, erklär­te Reyhan.

100 Shades of Grey

Fazit: Rey­han Şahins Ver­ständ­nis von Inter­sek­tio­na­li­tät muss die Gesell­schaft errei­chen, wis­sen­schaft­li­che Arbeit und gren­zen­lo­se sexu­el­le Pro­vo­ka­ti­on in Rap-Songs las­sen sich sehr wohl ver­ei­nen, man muss nur die eige­ne ein­ge­schränk­te Vor­ein­stel­lung able­gen kön­nen. Es gibt eben nicht nur schwarz oder weiß, es gibt auch 100 unter­schied­li­che Grau­tö­ne dazwi­schen. Und um das zu rea­li­sie­ren, muss Men­schen wie Rey­han Şahin zuge­hört wer­den, denn nur die­se Men­schen selbst kön­nen sich am ehes­ten erklä­ren und aus­drü­cken. Eben­so wie in der Kopf­tuch­de­bat­te Kopf­tuch­trä­ge­rin­nen und mus­li­mi­schen Feminist*innen die Büh­ne über­las­sen wer­den soll­te, um den Bezug zwi­schen Islam und Femi­nis­mus zu dis­ku­tie­ren. Es braucht Räu­me, in denen sol­che Dis­kur­se aus tat­säch­lich inter­sek­tio­na­lem, reflek­tier­tem Blick­win­kel the­ma­ti­siert wer­den, Räu­me wo mar­gi­na­li­sier­te Men­schen ihre Stim­me erhe­ben, um ihre Erfah­run­gen zu tei­len, und wo sie auch tat­säch­lich ange­hört wer­den. „Die­se Räu­me müs­sen geschaf­fen wer­den – ich muss die­sen Raum schaf­fen“: Das ist das Schluss­wort des Abends von Rey­han Şahin.

Solch ein Raum wur­de bei der Buch­prä­sen­ta­ti­on geschaf­fen, wo wir Teilnehmer*innen Rey­han Şahin beim Erzäh­len ihrer Erfah­run­gen als Rap­pe­rin, Wis­sen­schaft­le­rin, Frau, Mus­li­min und Ale­vi­tin zuhö­ren und ihr Ver­ständ­nis vom Femi­nis­mus ken­nen­ler­nen durf­ten. Ich glau­be, jede Per­son, die sich auch nur ein Stück weit mit Rey­han Şahin iden­ti­fi­zie­ren kann, nahm die­sen Abend als gelun­gen wahr und ging mit einem zufrie­de­nen und selbst­be­wuss­ten Gefühl nach hau­se. Hof­fen wir, dass wir in Zukunft mehr von sol­chen star­ken und facet­ten­rei­chen Men­schen hören und die ent­spre­chen­den Räu­me dafür schaffen!