Grüne Infamie: In Hamburg kein NSU-Untersuchungsausschuss

Ayşen Taş­köprü: „Alles was ich noch möch­te, sind Ant­wor­ten. Wer sind die Leu­te hin­ter der NSU? War­um aus­ge­rech­net mein Bru­der? Was hat­te der deut­sche Staat damit zu tun? Wer hat die Akten ver­nich­tet und war­um?“ (Aus dem Absa­ge­brief zur Ein­la­dung des Bun­des­prä­si­den­ten Joa­chim Gauck zu einem Emp­fang für die Ange­hö­ri­gen der Opfer des NSU, im Febru­ar 2013) * Fotos: Burschel

Für Süley­man Taşköprü

Im Mai 1999 ver­öf­fent­lich­te die Nazi­zei­tung Ham­bur­ger Sturm ein Auf­se­hen erre­gen­des Inter­view. Hier erhiel­ten erst­mals die soge­nann­ten „Natio­nal Revo­lu­tio­nä­ren Zel­len“ (NRZ) das Wort und sie spra­chen sich für die Pra­xis des bewaff­ne­ten Unter­grund­kamp­fes aus. Das dazu gehö­ri­ge Foto zeigt einen Mann mit Sturm­hau­be und ein Inter­view­ter gibt unmiss­ver­ständ­lich kund: „Unser Weg ist der aus dem Unter­grund han­deln­de Akti­vist.“ Wei­ter heißt es: „Man darf nicht ver­ges­sen, dass wir im Krieg sind mit die­sem Sys­tem und da gehen nun mal eini­ge Bul­len oder sons­ti­ge Fein­de drauf.“ Ergänzt wur­den die­se mar­kan­ten Aus­sa­gen durch Hin­wei­se und Tipps für klan­des­ti­nes Ver­hal­ten. Die­se durch den Ham­bur­ger Sturm öffent­lich kund geta­ne Kon­zep­ti­on des bewaff­ne­ten Kamp­fes, wur­de zeit­ge­nös­sisch nicht nur von Antifaschist*innen, son­dern auch von den Skin­heads in Zwi­ckau und Chem­nitz auf­merk­sam regis­triert. In ihrem State­ment leg­ten die NRZ dar: „Wir sind eine Grup­pe von meh­re­ren Per­so­nen, die in der NPD tätig sind, aber mit dem NPD-Füh­rungs­stil unzu­frie­den gewor­den sind“, wes­halb „wir den neu­en Weg als han­deln­de Akti­vis­ten aus dem Unter­grund ein­ge­schla­gen haben“. Mit­ma­chen bei dem „Unter­grund­kampf für die Frei­heit der Wei­ßen Völ­ker“ kön­nen aus­schließ­lich Män­ner, die Kampf­sport betrei­ben und mit Waf­fen umge­hen kön­nen sowie Com­pu­ter­kennt­nis­se haben. Wei­ter­le­sen „Grü­ne Infa­mie: In Ham­burg kein NSU-Untersuchungsausschuss“

Mölln, NSU, Halle, Hanau

Rechtsterror, Kontinuität und deutsche (Nicht-) Erinnerung

Rech­te Gewalt hat eine lan­ge Geschich­te in Deutsch­land. Nicht zuletzt haben die Anschlä­ge von Hanau und Hal­le und der Mord an Wal­ter Lüb­cke die Kon­ti­nui­tät rech­ter Gewalt erneut schmerz­lich sicht­bar gemacht. Eben­so besteht jedoch auch eine lan­ge Geschich­te der Nicht-Erin­ne­rung rech­ter Taten, des Nicht-Zuhö­rens, wenn es um die Geschich­ten Betrof­fe­ner geht und der Nicht-Auf­klä­rung von Anschlä­gen. Eine umfas­sen­de Aus­ein­an­der­set­zung mit struk­tu­rel­lem Ras­sis­mus und sei­nen poli­ti­schen und gesell­schaft­li­chen Impli­ka­tio­nen ist wei­ter­hin aus­ste­hend, glei­cher­ma­ßen die Rol­le von Poli­tik und Behör­den. Ras­sis­mus und rech­te Gewalt wer­den auch heu­te noch weit­ge­hend aus der all­ge­mei­nen deut­schen Geschichts­schrei­bung aus­ge­klam­mert, eben­falls die Aus­wir­kun­gen die­ser Taten auf Betrof­fe­ne rech­ter Gewalt. Doch wie kann eine Erin­ne­rungs­po­li­tik aus­se­hen, die die­se Geschich­ten erzählt, sie doku­men­tiert und dadurch sicht­bar macht?

Zahl­rei­che Ange­hö­ri­ge und Initia­ti­ven leis­ten seit Jahr­zehn­ten uner­müd­li­che Arbeit, damit die Geschich­ten Betrof­fe­ner gehört und Teil des deut­schen Erin­ne­rungs­nar­ra­tivs wer­den. Sie for­dern, wie die Initia­ti­ve 19. Febru­ar Hanau es immer wie­der betont «Erin­ne­rung, Gerech­tig­keit, Auf­klä­rung und Kon­se­quen­zen.»[2] Der fol­gen­de Bei­trag setzt sich mit der Kon­ti­nui­tät rech­ter Gewalt und der Nicht-Erin­ne­rung im offi­zi­el­len Nar­ra­tiv aus­ein­an­der, weist aber auch auf die Arbeit der­je­ni­gen hin, die ver­su­chen die­se Geschichts­schrei­bung zu verändern.

Den voll­stän­di­gen Arti­kel fin­det ihr auf der Web­site der Rosa-Luxem­burg-Stif­tung.

Er erscheint außer­dem als Teil des Sam­mel­ban­des: Erin­ne­rungs­kämp­fe. Neue deut­sche Identität(en), neu­es deut­sches Geschichts­be­wusst­sein, Her­aus­ge­ge­ben von Jür­gen Zim­me­rer
Das Buch erscheint am 5. Sep­tem­ber 2023 im Reclam Verlag.

Oury Jalloh — Das war Mord!

«Wir fordern nicht, wir klären selbst auf.»

State­ment der Initia­ti­ve in Geden­ken an Oury Jal­loh über die Not­wen­dig­keit unab­hän­gi­ger Aufklärungsarbeit

Mit die­sem Text möch­ten wir erklä­ren, war­um wir staat­li­chen Behör­den nicht ver­trau­en kön­nen und war­um kon­ti­nu­ier­li­che, selbst­or­ga­ni­sier­te Auf­klä­rungs­ar­beit nicht nur sinn­voll, son­dern abso­lut not­wen­dig ist. Unse­re Hal­tung resul­tiert aus unse­ren jah­re­lan­gen Erfah­run­gen mit der Poli­zei, diver­sen Staats­an­walt­schaf­ten und Gerich­ten aber auch mit Sach­ver­stän­di­gen und ande­ren Expert*innen, die den Mord an Oury Jal­loh mit allen Mit­teln ver­tu­schen und ver­schlei­ern woll­ten. Unse­re Auf­ga­be sehen wir unter ande­rem dar­in, durch Gedenk- und Auf­klä­rungs­ar­beit Ourys Wür­de wie­der­her­zu­stel­len, indem wir die staat­li­che Deu­tungs­ho­heit durch­bre­chen und die wah­ren Täter ent­lar­ven. Zum einen hat Ourys Fami­lie ein Recht auf die Wahr­heit. Zum ande­ren steht die­ser Fall stell­ver­tre­tend für den juris­ti­schen Umgang mit Poli­zei­ge­walt, wel­cher dar­auf aus­ge­rich­tet ist, die Täter*innen in Poli­zei­uni­form zu schüt­zen und die Opfer zu kri­mi­na­li­sie­ren. Wei­ter­le­sen „Oury Jal­loh — Das war Mord!“

Franco-Albrecht-Prozess: Ist doch ein ganz Netter

Pas­send zur Pro­zess­eröff­nung: Adbus­ting in der Frank­fur­ter Innenstadt

Er setzt sich ger­ne in Sze­ne, soviel steht fest. Bereits vor Pro­zess­be­ginn in einem lan­gen Inter­view mit dem rus­si­schen Pro­pa­gan­da­sen­der RT Deutsch hat­te Fran­co Albrecht die Mög­lich­keit sich als Opfer vie­ler Zufäl­le und Sach­zwän­ge dar­zu­stel­len. Und auch im Pro­zess, der nun fast 4 Jah­re nach sei­ner Ver­haf­tung end­lich star­tet, sieht es so aus, als ob er die­se unglaub­li­che Ver­harm­lo­sung wei­ter durch­zie­hen will. Wei­ter­le­sen „Fran­co-Albrecht-Pro­zess: Ist doch ein ganz Netter“

Rechte Staatsdiener*innen: Von Amts wegen Einzelfälle

Ver­stri­ckun­gen trans­pa­rent machen und unhalt­ba­re Nar­ra­ti­ve her­aus­for­dern: Gedenk­de­mo am 20. Febru­ar 2021 in Neu­kölln zum Jah­res­tag des ras­sis­ti­schen Mord­an­schlags in Hanau

Nur weni­ge Mona­te nach der Auf­de­ckung des NSU, im Febru­ar 2012 beschimpf­ten in der Klein­stadt Mücheln (Sach­sen-Anhalt) drei Neo­na­zis ein Imbiss betrei­ben­des Ehe­paar in deren Restau­rant ras­sis­tisch, wäh­rend die zwölf­jäh­ri­ge Toch­ter der bei­den sich in einem Lager­raum ver­steck­te. Die Täter droh­ten damit: soll­te der Gast­wirt den Imbiss nicht bis zu „Füh­rers Geburts­tag“ geschlos­sen haben, wür­de er als wei­te­res Opfer (im Kon­text der Mord­op­fer des NSU in der Pres­se ste­hen. Dann brach­ten sie den Mann zu Boden und schlu­gen und tra­ten auf ihn ein. Wei­ter­le­sen „Rech­te Staatsdiener*innen: Von Amts wegen Einzelfälle“