Petition: Besser spät als nie! NSU-Untersuchungsausschuss für Berlin!

Zum Jah­res­tag der Selbst­ent­tar­nung des NSU: Demo zum Geden­ken an die Opfer am 2. Novem­ber 2013 in Ber­lin Foto: Burschel
Pinocchio“, Blood and Honour, Synagoge Rykestraße, geschredderte LKA Akten – die Spur führt immer auch nach Berlin. Wir fordern das Berliner Abgeordnetenhaus auf, sofort einen parlamentarischen NSU-Untersuchungsausschuss einzusetzen!

Die ras­sis­ti­schen Mor­de des „Natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Unter­grunds” (NSU) mar­kie­ren eine Zäsur in der bun­des­re­pu­bli­ka­ni­schen Geschich­te. Die Taten des NSU, sein Netz­werk und die Rol­le der Behör­den sind noch lan­ge nicht auf­ge­klärt. Mit dem kom­men­den Abschluss des NSU-Pro­zes­ses in Mün­chen droht aber die The­se, der NSU sei ledig­lich ein Trio mit eini­gen weni­gen Unterstützer_innen gewe­sen und nicht ein gro­ßes neo­na­zis­ti­sches Netz­werk, das unter den Augen der bun­des­deut­schen Behör­den agier­te, zur gewoll­ten offi­zi­el­len Aus­le­gung des NSU-Kom­ple­xes zu wer­den. Die Auf­klä­rung der Taten des NSU-Netz­werks wird wei­ter­hin größ­ten­teils der Initia­ti­ve und Arbeit der Opferanwält_innen im Mün­che­ner NSU-Pro­zess überlassen.

Auch in Ber­lin stellt sich die Fra­ge: Wel­che Rol­le spiel­ten, was wuss­ten die Behör­den? Als das Kern­trio des NSU abtauch­te und mor­dend durchs Land zog, waren ande­re Neo­na­zis und dazu V‑Leute des Ver­fas­sungs­schut­zes und der LKAs nicht fern. Wir fra­gen: wo und wie hat Behör­den­han­deln den Neo­na­zi-Ter­ror begünstigt.

SPD, Lin­ke und Grü­ne haben in der Ver­gan­gen­heit immer wie­der den ehe­ma­li­gen CDU-Innensenat(or) scharf kri­ti­siert und im Innen­aus­schuss erheb­li­che Män­gel und Ver­säum­nis­se bei der Auf­ar­bei­tung des NSU-Kom­ple­xes in Ber­lin, den Ermitt­lun­gen des LKA und der Arbeit des Ver­fas­sungs­schut­zes beklagt. Es ist doch sehr ver­wun­der­lich, dass trotz­dem im Ber­li­ner Par­la­ment bis­her kei­ne Anstren­gun­gen unter­nom­men wur­den, einen par­la­men­ta­ri­schen Unter­su­chungs­aus­schuss auf Lan­des­ebe­ne einzufordern.

Sehr geehr­te Ber­li­ner Abge­ord­ne­te, wagen Sie jetzt einen Neu­an­fang und stel­len Sie erwei­ter­te Res­sour­cen in Form eines gut aus­ge­stat­te­ten par­la­men­ta­ri­schen Unter­su­chungs­aus­schus­ses zur Ver­fü­gung. Der NSU-Aus­schuss in unse­rem Nach­bar­land Bran­den­burg bringt mit jeder Sit­zung erschre­cken­de Details über das Behör­den­han­deln ans Licht. Die­se Auf­klä­rung brau­chen wir auch in Ber­lin. Und das sind Sie den Opfern des NSU schuldig.

Ber­lin, Juni 2017

Ber­li­ner Ver­ei­ni­gung der Ver­folg­ten des Nazi­re­gimes- Bund der Anti­fa­schis­tin­nen und Anti­fa­schis­ten e.V [VVN-BdA]

Begründung:
Pinocchio“, Blood and Honour, Synagoge Rykestraße, geschredderte LKA Akten – die Spur führt immer auch nach Berlin

Blood and Honour“ gilt als ein ent­schei­den­der Teil des Unter­stüt­zungs­um­fel­des des NSU-Netz­werks. Der frü­he­re Deutsch­land-chef Ste­phan Lan­ge aus Lich­ten­berg wur­de vom Ber­li­ner LKA als Spit­zel „Pinoc­chio“ an den Bun­des­ver­fas­sungs­schutz wei­ter-gereicht. Nicht erst seit den Pres­se­be­rich­ten im Okto­ber 2016 über die ver­mu­te­te Aus­spä­hung der Syn­ago­ge in der Ryke­stra­ße, bei der der Wach­po­li­zist Frank G. im Mai 2000 Zsch­ä­pe und Mund­los erkannt haben will (er wur­de jetzt als Zeu­ge zum NSU-Pro­zess nach Mün­chen gela­den), führt die Spur des NSU-Netz­werks auch nach Ber­lin. Zsch­ä­pe hat einen Auf­ent­halt in Ber­lin ein­ge­stan­den. Es gibt Indi­zi­en dafür, dass der säch­si­sche Neo­na­zi Jan W. gemein­sam mit Zsch­ä­pe und Mund­los nahe der Syn­ago­ge in der Ryke­stra­ße gewe­sen sein könn­te. Noch am 3. Novem­ber 2014 ver­an­lass­ten zwei Bun­des­an­wäl­te die Ver­nich­tung aller Unter­la­gen aus dem Besitz von Jan W., die wegen eines Ver­fah­rens gegen ihn beim LKA Ber­lin lager­ten. Schon 2011 stell­te sich die Ber­li­ner Poli­zei die Fra­ge, ob auch die drei bis heu­te unge­klär­ten Spreng­stoff­an­schlä­ge auf den Jüdi­schen Fried­hof Heer­stra­ße in Char­lot­ten­burg auf das Kon­to des Netz­werks gehen. 1998 explo­dier­ten am Grab von Heinz Galin­ski, dem frü­he­ren Prä­si­den­ten des Zen­tral­rats der Juden, zwei­mal Rohr­bom­ben, 2002 wur­de ein Spreng­satz in den Ein­gangs­be­reich des Fried­hofs gewor­fen. Alle Ermitt­lun­gen blie­ben bis heu­te ohne jeden Erfolg. Aber in der von Zsch­ä­pe ange­zün­de­ten Woh­nung in Zwi­ckau fand sich eine Adress­lis­te, auf der der Jüdi­sche Fried­hof Heer­stra­ße in Char­lot­ten­burg-Wil­mers­dorf ver­zeich­net war.Andreas Nacha­ma, der frü­he­re Vor­sit­zen­de der Jüdi­schen Gemein­de zu Ber­lin, sag­te im Okto­ber 2016: „Ich hal­te es für sehr dring­lich, da Licht rein­zu­brin­gen.“ Dem schlie­ßen wir uns an!P.S.: Ein offe­ner Brief „Ber­li­ner NSU-Unter­su­chungs­aus­schuss jetzt! Bes­ser spät als nie!“, den wir den Abge­ord­ne­ten von SPD, Lin­ken und Grü­nen Ende Okto­ber 2016 geschrie­ben hat­ten, blieb bis dato unbeantwortet.

Im Namen aller Unterzeichner/innen.

Ber­lin, 16.06.2017 (aktiv bis 15.12.2017)

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