Die Beratungsstellen für Betroffene rechter Gewalt in den neuen Bundesländern und Berlin haben gemeinsam eine Statistik zu rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt im Jahr 2013 veröffentlicht. Aus der Statistik geht hervor, dass nach einem Rückgang im Jahr 2012, die Anzahl politisch rechts motivierter Angriffe im Jahr 2013 deutlich angestiegen ist.
Im Jahr 2013 wurden 737 politisch rechts motivierte Angriffe dokumentiert mit mindestens 1086 direkt Betroffenen. Das ist ein Anstieg von 18 Prozent gegenüber dem Jahr 2012 mit 626 dokumentieten Angriffen. Lediglich Brandenburg und Thüringen konnten einen Rückgang der Angriffe gegenüber 2012 verzeichnen (Brandenburg von 95 auf 85 und Thüringen von 74 auf 45). Ein Erklärungsversuch dafür sei, dass beispielsweise in Brandenburg fast jeder Naziaufmarsch blockiert werden konnte.
Die Berliner Opferberatungsstelle Reach Out verzeichnete für das Jahr 2013 einen traurigen Rekord. Mit 185 (2012: 139) Fällen, dokumentiert sie seit ihrer Gründung die höchste Anzahl rechter Gewalttaten. In Sachsen stieg die Zahl der Angriffe von 155 auf 223, in Sachsen-Anhalt von 104 auf 116, und in Mecklenburg-Vorpommern von 59 auf 83. Den Anstieg begründen die Mitarbeiter_innen der Opferberatungsstellen damit, dass besonders die Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte gestiegen seien. Dies sei dem offenen rassistischen Diskurs zum Thema Asyl geschuldet. Erst im November 2013 gab es in Schneeberg einen von Neonazis organisierten Fackellauf mit massiver Bürgerbeteiligung, um gegen ein Erstaufnahmelager für Asylsuchende vor den Toren der Stadt zu demonstrieren. In Berlin fanden stadtweit am meisten Angriffe in Hellersdorf statt. Auch ein Großteil davon muss im Zusammenhang mit der rassistischen Hetze gegen die Flüchtlingsunterkunft in Hellersdorf gesehen werden.
Von den bundesweit 737 Angriffen war fast die Hälfte rassistisch motiviert (2013: 47 %; 2012: 44%; 2011: 32 %). Zu der zweitgrößten Betroffenengruppe gehören mit 274 Angriffen Menschen, die von rechten Täter_innen als politische Gegner_innen angesehen werden. Bei 57 Gewalttaten (8%) war Homophobie, in 17 Fällen (2 %) Antisemitismus und in 11 Fällen (1%) Sozialdarwinismus das zentrale Motiv. Außerdem wurden acht Menschen mit Behinderung Ziel rechter Gewalt.
Glücklicherweise registrierten die Stellen – im Gegensatz zu den Jahren zuvor – keinen Mordfall. Allerdings wurden sieben Fälle von schwerer Körperverletzung und versuchter Tötung dokumentiert. In 64% der Fälle handelt es sich um Körperverletzung und in 22 % um massive Bedrohung, Nötigung und versuchte Körperverletzung.
Die Statistik basiert sowohl auf Polizei-und Medienberichten sowie auf Informationen, die von den Betroffenen und/oder anfaschistischen Kräften direkt an die Operberatungsstellen weitergegeben werden. Wie die Auswertung der Statistik zeigt, spielen sie eine sehr wichtige Rolle bei der Dokumentation rechter Straftaten und der Aufhellung der Dunkelziffer rechter Gewalttaten. Trotz der Bemühungen sind jedoch nicht alle rechten Übergriffe dokumentiert: es gibt eine hohe Dunkelziffer. Oft wüssten die Betroffenen zwar, dass sie Opfer von Rassismus geworden sind, doch die Ermittlungsbehörden stellen allzu häufig kein rassistisches Tatmotiv fest. Für Sabine Seyb, Mitarbeiterin von Reach Out, ist es deshalb besonders wichtig, dass „die Polizei — wenn sie zu einem Tatort gerufen wird — sich aktiv bemüht ein rassistisches Tatmotiv auszuschließen. Wir haben die optimistische Hoffnung, dass dies nun nach einer Empfehlung des NSU-Ausschusses endlich umgesetzt wird.“
Außerdem fordern die Beratungsstellen gleichwertig geförderte Programme in Westdeutschland, denn es sei fatal anzunehmen, dort seien keine Beratungsstellen notwendig. Sie kritisieren zudem, dass Betroffene – die einen Angriff zur Anzeige bringen – nicht genug über den Stand des Ermittlungsverfahrens informiert würden. Außerdem seien bis heute nicht alle Todesopfer rechter Gewalt, wie sie in der Liste der „Zeit“ und des „Tagesspiegels“ regelmäßig dokumentiert werden, anerkannt.
Immer wieder sind Opfer rechter Gewalt auch Opfer von institutionellem Rassismus. Robert Kusche, Mitarbeiter der Opferberatung RAA Sachsen kritisiert: „Auch in Berlin wurde wieder eine rassistische Tat bekannt, bei der die Betroffenen am Tatort von der Polizei zunächst so behandelt wurden, als seien sie die Täter.“
Es ist traurig, dass die Opfer von der Polizei immer noch nicht ernst genommen werden und man versucht, die Schuld beim Opfer zu suchen und nicht beim Täter. Die Polizei ist halt weiterhin auf dem rechten Auge blind — ich hoffe aber, dass solche Zahlen dazu beitragen, dass sich das demnächst ändert.