Lügen und Enthüllungen: Der NSU-Ausschuss in Hessen hat seine Arbeit aufgenommen

Gedenk­plat­te für die NSU-Opfer am Halit­platz in Kas­sel, der dem dor­ti­gen Opfer Halit Yoz­gat gewid­met wur­de Foto: Burschel

Er hat schon wie­der gelo­gen. Vol­ker Bouf­fier, hes­si­scher Minis­ter­prä­si­dent, stand am letz­ten Diens­tag mit hoch­ro­tem Kopf vor den Kame­ras, um neue Ent­hül­lun­gen in der „Welt“ zu sei­ner Rol­le im NSU-Skan­dal zu kom­men­tie­ren. Dort war der Ablauf der Ereig­nis­se um den Mord in Kas­sel an Halit Yoz­gat rekon­stru­iert wor­den, wobei Abhör­pro­to­kol­le, die erst jetzt aus­ge­wer­tet wer­den konn­ten, eine wich­ti­ge Rol­le spie­len. Dem­nach gibt es nun den drin­gen­den Ver­dacht, dass der Ver­fas­sungs­schutz­mit­ar­bei­ter Andre­as T., der zur Tat­zeit am Tat­ort war, Täter­wis­sen hat­te. Bouf­fier wird vor­ge­wor­fen, die Ermitt­lun­gen gegen Andre­as T. behin­dert zu haben, indem er (damals Innen­mi­nis­ter) ver­hin­der­te, dass die von Andre­as T. geführ­ten V‑Leute poli­zei­lich ver­nom­men wur­den. Außer­dem wer­fen ihm die Neben­kla­ge­an­wäl­te vor, er habe bereits weni­ge Wochen nach der Tat vom Tat­ver­dacht gegen T. gewusst. Mona­te spä­ter hat er im Innen­aus­schuss des Land­ta­ges behaup­tet, er habe von den Vor­wür­fen erst soeben „aus der Zei­tung erfah­ren“. Damit hat­te er damals das Par­la­ment belo­gen. Am Diens­tag behaup­te­te er nie gesagt zu haben, er habe die Sache „erst aus der Zei­tung erfah­ren“, womit er erneut gelo­gen hat, wie sich im Pro­to­koll der Innen­aus­schuss­sit­zung nach­voll­zie­hen lässt. 

War­um lügt ein Minis­ter­prä­si­dent für einen Ver­fas­sungs­schutz­mit­ar­bei­ter und behin­dert die Ermitt­lun­gen in einer Mord­se­rie? Die Ant­wort auf die­se und ande­re Fra­gen soll in Hes­sen der NSU-Unter­su­chungs­aus­schuss klä­ren. Es hat drei Jah­re gedau­ert, bis die­ser ein­ge­setzt wur­de. Die Regie­rungs­par­tei­en CDU und Grü­ne woll­ten eben­so wie die FDP den Unter­su­chungs­aus­schuss nicht und haben bis­her durch for­mal­ju­ris­ti­sche Debat­ten den Aus­schuss ver­zö­gert. Seit den neu­en Ver­öf­fent­li­chun­gen beteu­ern alle Frak­tio­nen ihr Auf­klä­rungs­in­ter­es­se. Es ist zu hof­fen, dass dies nicht nur Lip­pen­be­kennt­nis­se sind, sodass nun end­lich mit der eigent­li­chen Auf­klä­rungs­ar­beit begon­nen wer­den kann. Ers­te Akten sind da und die ers­ten öffent­li­chen Sit­zun­gen haben stattgefunden.

Neben der Rol­le von Bouf­fier gilt es natür­lich vor allem die Rol­le der Geheim­diens­te auf­zu­klä­ren. Was mach­te ein Ver­fas­sungs­schutz­mit­ar­bei­ter am Tat­ort? Woher wuss­te er kurz nach dem Mord, dass die ver­wen­de­te Tat­waf­fe in einer bun­des­wei­ten Mord­se­rie eine Rol­le spiel­te? Wuss­te er von dem geplan­ten Mord? War der von ihm geführ­te V‑Mann aus dem rechts­ra­di­ka­len Bereich in den Mord ver­wi­ckelt? Wie steht es um den Ver­fas­sungs­schutz­mit­ar­bei­ter sel­ber, der zumin­dest in sei­ner Jugend als rechts­ra­di­kal galt? Hät­te der Mord oder gar die Serie gestoppt wer­den kön­nen, wenn die Ver­ant­wort­li­chen anders gehan­delt hät­ten? Auch die Rol­le der (hes­si­schen) Neo­na­zi-Sze­ne und ihre Ver­net­zung muss beleuch­tet werden.

Der Aus­schuss hat also viel Arbeit vor sich. Das ist er den Opfern schuldig. 

Mile­na Hil­de­brand ist Refe­ren­tin für den NSU-Unter­su­chungs­aus­schuss der Frak­ti­on Die Lin­ke. im Hes­si­schen Land­tag