Kulturbüro Sachsen in Gefahr

anti­f­ra* schließt sich den For­de­run­gen der betrof­fe­nen Pro­jek­te an:

Opferberatungsprojekte fordern mehr Unterstützung und warnen vor der drohenden Abwicklung von Beratungsprojekten in Sachsen

Am 4. Novem­ber 2013 jährt sich die Selbst­ent­tar­nung des NSU zum zwei­ten Mal.

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2. Novem­ber 2013: Demons­tra­ti­on zum Geden­ken an die Opfer des NSU, der sich am 4.11.2011 selbst ent­tarnt hat­te Foto: Burschel

Täg­lich regis­trie­ren die Bera­tungs­stel­len mehr als zwei bis drei rechts­mo­ti­vier­te Gewalt­ta­ten. Bei den Straf­ver­fol­gungs­be­hör­den fehlt eine Zäsur in der Aus­ein­an­der­set­zung mit poli­tisch rechts, ras­sis­tisch und anti­se­mi­tisch moti­vier­ter Gewalt immer noch. Anläss­lich des zwei­ten Jah­res­ta­ges der Selbst­ent­tar­nung des Natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Unter­grunds (NSU) kri­ti­sie­ren die Bera­tungs­stel­len für Betrof­fe­ne poli­tisch rechts, ras­sis­tisch und anti­se­mi­tisch moti­vier­ter Gewalt, dass eine Zäsur bei den Straf­ver­fol­gungs­be­hör­den im Umgang mit ein­schlä­gi­gen Gewalt­ta­ten noch immer nicht statt­ge­fun­den habe. „Wir regis­trie­ren täg­lich zwei bis drei poli­tisch rechts, ras­sis­tisch oder anti­se­mi­tisch moti­vier­te Gewalt­ta­ten,“ sagt Robert Kusche, ein Spre­cher der Bera­tungs­pro­jek­te. So wur­de bei­spiels­wei­se am 21. Sep­tem­ber 2013 ein Imbiss­be­trei­ber tür­ki­scher Her­kunft in Bern­burg (Sach­sen-Anhalt) von Neo­na­zis an sei­ner Arbeits­stel­le ange­grif­fen und so schwer am Kopf ver­letzt, dass er zwei Wochen lang im Koma lag und ver­mut­lich blei­ben­de Schä­den davon tra­gen wird. „Und noch immer sind vie­le Betrof­fe­ne mit Poli­zei­be­am­ten und Staats­an­walt­schaf­ten kon­fron­tiert, die ras­sis­ti­sche Moti­ve igno­rie­ren oder ver­harm­lo­sen oder den Betrof­fe­nen eine Mit­ver­ant­wor­tung für die Angrif­fe zuschrei­ben,“ so Robert Kusche weiter.

Als ers­ten drin­gen­den Schritt for­dern die Bera­tungs­stel­len die Umset­zung der Emp­feh­lun­gen des Bun­des­tags­un­ter­su­chungs­aus­schuss zum NSU im Bereich Poli­zei und Staats­an­walt­schaf­ten. Dies sei vor dem Hin­ter­grund mas­si­ver ras­sis­ti­scher Mobi­li­sie­run­gen gegen Flücht­lings­hei­me an Stand­or­ten in Ber­lin, Bran­den­burg, Sach­sen, Sach­sen-Anhalt, Meck­len­burg-Vor­pom­mern und Thü­rin­gen zwin­gend not­wen­dig, „denn schon im ver­gan­ge­nen Jahr haben wir einen Anstieg bei ras­sis­tisch moti­vier­ten Gewalt­ta­ten regis­triert,“ so Kusche. Da jedoch bis­lang auch nicht erkenn­bar sei, dass die Innen­mi­nis­ter die von den Pro­jek­ten und vom NSU-Unter­su­chungs­aus­schuss gefor­der­te Reform der Erfas­sung von ein­schlä­gi­gen Gewalt­ta­ten umset­zen, wer­de es wei­ter­hin ein hohes Dun­kel­feld nicht regis­trier­ter ras­sis­ti­scher Gewalt geben und Betrof­fe­ne ohne Zugang zu Unter­stüt­zung blei­ben. „Eine Zäsur bei den Straf­ver­fol­gungs­be­hör­den in der Aus­ein­an­der­set­zung mit poli­tisch rechts, ras­sis­tisch und anti­se­mi­tisch moti­vier­ter Gewalt fehlt auch zwei Jah­re nach der Selbst­ent­tar­nung des NSU immer noch,“ so Kusche.

Die gemein­sa­me Emp­feh­lung des Bun­des­tags­un­ter­su­chungs­aus­schus­ses zum NSU, „ein deut­lich höhe­res För­der­vo­lu­men“ für ein Bun­des­pro­gramm gegen Rechts­extre­mis­mus in den neu­en Bun­des­haus­halt ein­zu­stel­len, müs­se bei den Koali­ti­ons­ver­hand­lun­gen von CDU/CSU und SPD berück­sich­tigt und umge­setzt wer­den. Die Finan­zie­rung der Bera­tungs­ar­beit müs­se außer­dem unab­hän­gig von För­der­pro­gram­men ver­ste­tigt und dafür gesetz­lich abge­si­chert wer­den. Nur so könn­ten unab­hän­gi­ge Opfer­be­ra­tungs­an­ge­bo­te in den alten Bun­des­län­dern flä­chen­de­ckend und ana­log der Qua­li­täts­stan­dards der Pro­jek­te im Osten und in Ber­lin auf- bzw. aus­ge­baut und die Qua­li­tät der Bera­tungs­an­ge­bo­te im Osten erhal­ten wer­den. „Doch statt mehr Unter­stüt­zung für Opfer rech­ter Gewalt bereit­zu­stel­len, ste­hen der­zeit in Sach­sen die erfolg­rei­chen Bera­tungs­struk­tu­ren der RAA und die Mobi­le Bera­tung des Kul­tur­bü­ro Sach­sen e.V. vor dem Aus, denn der Frei­staat hat die not­wen­di­ge Kofi­nan­zie­rung zu den Bun­des­mit­teln für 2014 bis­lang nicht im Haus­halt ein­ge­plant,“ warnt Kusche.

Weni­ge Wochen nach der Selbst­ent­tar­nung des NSU hat­ten die Opfer­be­ra­tungs­pro­jek­te in einem Appell Was jetzt zu tun ist mehr Unter­stüt­zung für Opfer ras­sis­ti­scher, rech­ter und anti­se­mi­tisch moti­vier­ter Gewalt gefor­dert. „Doch weder ist das Ver­spre­chen von Ange­la Mer­kel nach scho­nungs­lo­ser Auf­klä­rung des NSU-Kom­ple­xes bis­lang zufrie­den­stel­lend umge­setzt, noch sehen wir die Bereit­schaft, Ras­sis­mus als gesell­schaft­li­ches Pro­blem end­lich beim Namen zu nen­nen und dar­aus die Kon­se­quen­zen zu ziehen.“

Unterzeichner_innen: ezra — Mobi­le Bera­tung für Opfer rech­ter, ras­sis­ti­scher und anti­se­mi­ti­scher Gewalt in Thü­rin­gen, LOBBI e.V. — Lan­des­wei­te Opfer­be­ra­tung Bei­stand und Infor­ma­ti­on für Betrof­fe­ne rech­ter Gewalt in Meck­len­burg-Vor­pom­mern, Mobi­le Bera­tung für Opfer rech­ter Gewalt (Sach­sen-Anhalt), ReachOut — Opfer­be­ra­tung und Bil­dung gegen Rechts­extre­mis­mus, Ras­sis­mus und Anti­se­mi­tis­mus — Ber­lin, Opfer­per­spek­ti­ve Bran­den­burg e.V., Opfer­be­ra­tung für Betrof­fe­ne rech­ter und ras­sis­ti­scher Gewalt der RAA Sach­sen e.V.

Pres­se­kon­takt:  Robert Kusche  0351–5002567 Geschäfts­füh­rung des Bereichs Opfer­be­ra­tung der Mobi­len Bera­tung, RAA Sach­sen e.V.