Deutschrock: Ausdruck gesellschaftlichen Rollbacks

Die Doku­men­ta­ti­on „Deut­sche Pop Zustän­de — eine Geschich­te rech­ter Musik in Deutsch­land“ widemt sich der Ent­wick­lung neo­na­zis­ti­scher Musik in Deutschland

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Neo­na­zi-Kon­zert in Mai­land 2015 Foto: indymedia

Für Uwe Mund­los, Uwe Böhn­hard und Bea­te Zsch­ä­pe, die Rechts­ter­ro­ris­ten des NSU (Natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Unter­grund), spiel­te neo­na­zis­ti­sche Musik immer eine wich­ti­ge Rol­le. So ist das ers­te Beken­ner­vi­deo der Mor­de und Bom­ben­an­schlä­ge mit den Lie­dern „Am Puls der Zeit“ und „Kraft für Deutsch­land“ der Band „Noie Wer­te“, Urge­stein der neo­na­zis­ti­schen Rock­mu­sik in Deutsch­land, unter­legt. Eine neue Doku­men­tai­on, „Deut­sche Pop Zustän­de“, widemt sich genau die­ser neo­na­zis­ti­schen Musik­sze­ne. Dabei wird aber auch die Sze­ne dies­seits des Rechts­Rocks in den Blick genom­men und Pop­mu­sik all­ge­mein in Deutsch­land betrach­tet. Die Doku­men­ta­ti­on geht nicht nur der Fra­ge nach, wie sich die neo­na­zis­ti­sche Musik­sze­ne seit den Sieb­zi­ger­jah­ren ent­wi­ckelt hat, son­dern auch in wel­chem gesell­schaft­li­chen Kli­ma dies gesche­hen ist.

Mar­co Schott hat sich mit Thors­ten Hind­richs, Musik­wis­sen­schaft­ler aus Mainz, über die Doku­men­ta­ti­on und sei­ne Mit­ar­beit dar­an­der unter­hal­ten. Hind­richs beschäf­tigt sich seit län­ge­rer Zeit wis­sen­schaft­lich mit neo­na­zis­ti­scher Musik und — wie er es nennt — „neu­er Deutsch­rock-Sze­ne“ wie „Frei­Wild“.

Die Doku­me­na­ti­on fin­det sich noch bis zum 10.11.2015 immer von 22 — 6 Uhr in der Media­thek von 3Sat.

anti­f­ra*: Kürz­lich hat­te die Doku­men­ta­ti­on „Deut­sche Pop Zustän­de“, bei der du als wis­sen­schaft­li­cher Bei­rat mit­ge­wirkt hast, Pre­mie­re auf 3Sat. Um was geht es und was hast Du dir von der Doku­men­ta­ti­on erwartet?

Es geht auf der einen Sei­te um die Geschich­te deut­scher „RechtsRock“-Musik, von Ende der 1970er Jah­re bis heu­te. Gleich­zei­tig ver­folgt die Doku­men­ta­ti­on das Ziel, die rech­te Sze­ne und ihre Musik nicht als etwas Außen­ste­hen­des zu begrei­fen und dar­zu­stel­len, son­dern als ele­men­ta­ren Bestand­teil der deut­schen Gesell­schaft. Des­we­gen wur­den nicht nur rechts­ra­di­ka­le Musi­ker und Musi­ke­rin­nen oder ande­re Leu­te, die mit rech­ter Musik umge­hen, inter­viewt, son­dern auch in den soge­nann­ten Main­stream geschaut, wo auch da mög­li­cher­wei­se Ein­stel­lun­gen zu fin­den sind, die zwar nicht rechts­ra­di­kal aber mög­li­cher­wei­se rechts anschluss­fä­hig sind.

Von der Doku­men­ta­ti­on erwar­te ich mir, dass sie einen nüch­ter­nen Blick auf die deut­schen „Pop Zustän­de“ gibt und auch über die Pro­ble­me auf­klärt. Wir ver­su­chen nicht mit rei­ße­ri­schen Bil­dern zu arbei­ten, wie der Film „Blut muss flie­ßen“ das tut, son­dern einen objek­ti­ven Blick­win­kel zu wah­ren und damit aufzuklären.

Du hast ja bereits erwähnt, dass ihr Prot­ago­nis­ten und Prot­ago­nis­tin­nen aus der Nazi-Sze­ne, sowie Men­schen, die sich näher mit die­ser aus­ein­an­der­set­zen, inter­viewt habt. Wel­che Per­so­nen tau­chen in der Doku­men­ta­ti­on auf?

Wir haben ver­sucht ein rela­tiv brei­tes Spek­trum abzu­de­cken. Von Musi­kern und Musi­ke­rin­nen direkt aus der rechts­ra­di­ka­len Sze­ne über Pro­du­zen­ten und Pro­du­zen­tin­nen bis hin zu Wis­sen­schaft­lern und Wis­sen­schaft­le­rin­nen, die sich mit dem The­ma aus­ein­an­der­set­zen. Zusätz­lich haben wir einen Aus­stei­ger aus der rechts­ra­di­ka­len Sze­ne inter­viewt, was für alle Betei­lig­ten beson­ders span­nend war, da die­ser auch von sei­nen direk­ten Erfah­run­gen inner­halb der Sze­ne und über die Rol­le der Musik inner­halb der Sze­ne aus­führ­lich berich­ten konnte.

Als Wis­sen­schaft­ler konn­ten wir Wil­helm Heit­mey­er gewin­nen. Der Titel „Deut­sche Pop Zustän­de“ ist natür­lich eine Anspie­lung auf Heit­mey­ers wis­sen­schaft­li­che Stu­di­en „Deut­sche Zustän­de“, in denen er und sei­ne Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen aus Bie­le­feld über Jahr­zehn­te ras­sis­ti­sche, anti­se­mi­ti­sche, anti­zi­ga­nis­ti­sche und gene­rell men­schen­ver­ach­ten­de Ein­stel­lun­gen in der deut­schen Gesell­schaft unter­sucht hat.

Uns war es auch mög­lich, Frank Ren­ni­cke zu inter­view­en. Der Lie­der­ma­cher aus der rechts­ra­di­ka­len Sze­ne soll­te auch einer brei­te­ren Öffent­lich­keit bekannt sein, da er bei den letz­ten drei Bun­des­prä­si­dent­schafts­wah­len für die NPD ange­tre­ten ist. Auch Prot­ago­nis­ten aus der lin­ken Musik­sze­ne wie die Ber­li­ner Rap­pe­rin Soo­kee oder der Mann­hei­mer Rap­per „Chao­ze One“ wur­den Inter­viewt. Dar­über hin­aus kommt auch der Sän­ger von „Frei­Wild“, Phil­ip Bur­ger, zu Wort.

Das hört sich sehr span­nend an. Haupt­be­stand­teil des Films ist die neo­na­zis­ti­sche Sze­ne und ihre Musik. Wie hat sich die­se Sze­ne über die letz­ten Jahr­zehn­te entwickelt?

Die rechts­ra­di­ka­le Musik­sze­ne hat sich über die letz­ten zwan­zig Jah­re mas­siv ver­än­dert. In den frü­he­ren Acht­zi­ger­jah­ren gab es noch ein rela­tiv ein­ge­schränk­tes Gen­re-Spek­trum von „Oi“-Musik bis zu Punk­ein­flüs­sen. Mei­ner Beob­ach­tung nach hat sich in den letz­ten fünf­zehn Jah­ren in der rechts­ra­di­ka­len Musik­sze­ne alle 5 Jah­re min­des­tens eine Jugend­ge­ne­ra­ti­on her­aus­ge­bil­det, die eben auch mit ihren Musik­sti­len und Vor­lie­ben in der rechts­ra­di­ka­len Sze­ne ver­sucht hat Fuß zu fas­sen. Spä­tes­tens seit der Jahr­tau­send­wen­de fin­den wir ein sehr gro­ßes Gen­re-Spek­trum von NS-Black­me­tal über NS-Hate­co­re – in Anle­gung an Hard­core – bis zu einer gro­ßen, auch sehr eta­blier­ten Lie­der­ma­cher-Sze­ne und auch dem Ver­such, Rap­mu­sik als „Natio­na­len Sprech­ge­sang“ für die Sze­ne attrak­tiv zu machen.

Wich­tig war es uns jedoch bei der Doku­men­ta­ti­on auch, nicht nur den Blick­win­kel auf die rechts­ra­di­ka­le Musik­sze­ne zu len­ken, son­dern eben auch den soge­nann­ten Main­stream genau­er zu betrach­ten. Wir haben uns auch mit Bands wie „Ramm­stein“ oder dem Rap­per Xavier Naidoo beschäf­tigt, der seit gerau­mer Zeit unter die Ver­schwö­rungs­theo­re­ti­ker gegan­gen ist. Der Ver­such, einen brei­te­ren Blick­win­kel ein­zu­neh­men, ist das zen­tra­le Moment an der Dokumentation.

Da schließt auch mei­ne nächs­te Fra­ge an: Der Titel „Deut­sche Pop Zustän­de“ rekur­riert ja auf die Stu­di­en „Deut­sche Zustän­de“ von Heit­mey­er et al., in denen es um men­schen­ver­ach­ten­de Ideo­lo­gien, The­men­kom­ple­xe wie Ras­sis­mus, Anti­se­mi­tis­mus, Patrio­tis­mus und Natio­na­lis­mus in der deut­schen Mehr­heits­ge­sell­schaft und ihren jewei­li­gen Aus­prä­gun­gen geht. Las­sen sich sol­che Ein­stel­lun­gen auch inner­halb der deut­schen Pop­mu­sik fin­den und hat sich Pop­mu­sik auch dem­entspre­chend verändert?

Die­se Ein­stel­lun­gen fin­den sich auch in der deut­schen Pop­mu­sik wie­der. Ungleich­wer­tig­keits­ideo­lo­gien, men­schen­ver­ach­ten­de Ein­stel­lun­gen aller Art sind ein gesell­schaft­li­ches Pro­blem und spie­len in der Pop­mu­sik natür­lich auch eine Rol­le. Pop­mu­sik ist wie alle Musik auch Aus­druck einer bestimm­ten gesell­schaft­li­chen Ver­fasst­heit, weil es eben Men­schen sind, die Musik machen und mit Musik umge­hen. Und Men­schen eben auch Gesell­schaft machen und kon­stru­ie­ren. Inso­fern greift Pop­mu­sik auch gesell­schaft­li­che Ver­än­de­run­gen im Bezug zu bestimm­ten Ein­stel­lun­gen auf.

Was sich in den letz­ten Jah­ren geän­dert hat, ist eine gewis­se Sicht­bar­keit und Wahr­neh­mung von Pop­mu­sik und ihren Inhal­ten. Auch wenn das eigent­lich von Wis­sen­schaft­lern und Wis­sen­schaft­le­rin­nen schon lan­ge demen­tiert wird, hält sich vor allem in Deutsch­land der Mythos, dass Pop­mu­sik auto­ma­tisch sub­kul­tu­rel­le, gegen­kul­tu­rel­le Inhal­te trans­por­tiert und auch irgend­wie links­po­li­tisch und eman­zi­pa­to­risch zu ver­ord­nen wäre. Das war schon frü­her ein Irr­tum und das ist es heu­te noch mehr. Bestimm­te men­schen­feind­li­che Posi­tio­nen gibt es auch in der Rock- und Pop­mu­sik der Sech­zi­ger- und Sieb­zi­ger­jah­re. Die gesell­schaft­li­chen Ein­flüs­se sind nicht mehr oder weni­ger gewor­den, son­dern die Sicht­bar­keit ist auch in der Pop­mu­sik angekommen.

Was sind dei­ner Mei­nung nach die rich­ti­gen Begrif­fe für Bands wie „Frei­Wild“ oder „Kra­wall­brü­der“? Grau­zo­ne oder doch natio­na­lis­ti­sche Pop- oder Rockmusik?

Das mit der „Grau­zo­ne“ ist ein schwie­ri­ger Begriff, der ja als ein Sam­mel­be­griff für Bands aus dem Punk, Oi und Rock­be­reich genom­men wird, denen vor­ge­wor­fen wird, sich nicht aus­rei­chend von rech­tem Gedan­ken­gut zu distan­zie­ren. Da wür­de ich Bands wie „Frei­Wild“ defi­ni­tiv nicht dazu zäh­len. Die Band „Frei­Wild“ hat sich eine eigen­ar­ti­ge Son­der­rol­le erar­bei­tet. „Frei­Wild“ gehört eher zu einer „neu­en Deutsch­rock-Sze­ne“, wie ich sie bezeich­nen wür­de. Dar­un­ter fal­len auch Bands wie „Unan­tast­bar“, „Wil­de Jungs“ oder „Beton­tod“, die sich im Fahr­was­ser der „Böh­sen Onkelz“ bewe­gen.  Die sich nicht nur, was das musi­ka­li­sche, son­dern auch, was die Insze­nie­rung angeht, sehr stark auf die „Böh­sen Onkelz“ bezie­hen. Die Onkelz wie­der­um, das wäre mei­ne Ana­ly­se, bezie­hen sich auf ein frü­hes Cross­over-Gen­re aus Punk und Rock­mu­sik. In ihren Hoch­zei­ten haben die „Böh­sen Onkelz“ exem­pla­ri­schen Punk gemacht. In die­ser Tra­di­ti­on steht auch die­se „neue Deutschrock-Szene“.

Hier gibt es Schnitt­men­gen mit ein­zel­nen Bands, die zwar auch in die­ser Sze­ne unter­wegs sind, aber auch schon eher zur „Grau­zo­ne“ zäh­len. Bei „Kra­wall­brü­der“ ist das deut­lich schwie­ri­ger, aber bei Bands wie „Stom­per 98“ oder „Ger­be­nok“ ist das ein­deu­ti­ger. Die­se Bands sind zwar nicht expli­zit rechts­ra­di­kal, aber bie­ten deut­lich mehr Anknüp­fungs­punk­te für die rechts­ra­di­ka­le Sze­ne als eine Com­bo wie „Frei­Wild“.

Ein Bei­spiel für einen Bewe­gung eini­ger Bands zwi­schen die­sen drei Kate­go­rien ist die Band „Kate­go­rie C“, die sich in ihren Anfangs­jah­ren sehr stark mit der rechts­ra­di­ka­len Sze­ne iden­ti­fi­ziert haben und sich expli­zit auf die­se bezo­gen haben und nach dem Kar­rie­re­en­de der „Böh­sen Onkelz“ ver­sucht haben, in die­se Lücke zu sto­ßen und so mit ihren Tex­ten und ihrem Auf­tre­ten „grau­zo­niger“ gewor­den sind. Seit zwei drei Jah­ren, nach dem sie fest­ge­stellt haben, das „Frei­Wild“ in die­se Lücke gesto­ßen sind, zie­hen sie sich wie­der in die hart rech­te Sze­ne zurück und kon­zen­trie­ren sich auf Hoge­sa, dem seit 2014 lose bestehen­dem Netz­werk aus der rech­ten gewalt­be­rei­ten Hoo­li­gan-Sze­ne in Deutschland.

Gibt es neben musi­ka­li­schen Über­schnei­dun­gen und auch der Bewe­gung ein­zel­ner Bands zwi­schen die­sen Sze­nen, also neu­er Deutsch­rock, Grau­zo­ne und neo­na­zis­ti­scher Musik­sze­ne, auch ideo­lo­gi­sche Ver­satz­stü­cke, die in allen die­sen Sze­nen auftauchen?

Was allen gemein ist, ist eine gewis­se „Sys­tem­kri­tik“ und Poli­tik­ver­dros­sen­heit. Also eine kri­tisch distan­zier­te Hal­tung gegen­über „der“ Poli­tik. Bei „Frei­Wild“ ist das eine Art von Popu­lis­mus, die­se oppo­si­tio­nel­le Kon­struk­ti­on von „wir hier unten“ und „die da oben“. Die gibt es auch in der Grau­zo­ne und natür­lich in der rechts­ra­di­ka­len Sze­ne. Wobei die­se „Wir“ und „Die“ immer unter­schied­lich besetzt ist. In der rechts­ra­di­ka­len Sze­ne fin­det sich das auch, aber mit ande­ren Inten­tio­nen. Alle grei­fen in gewis­ser Wei­se auf die Vor­stel­lung einer kol­lek­ti­ven Iden­ti­tät zurück, die in man­chen Kon­tex­ten eben auch „völ­kisch natio­nal“ geprägt ist.

Auf­fäl­lig ist, dass in die­sen Sze­nen nur Män­ner eine Rol­le spie­len und auch eine gewis­se Mas­ku­li­ni­tät eine zen­tra­le Rol­le spielt. Ist das noch ein wei­te­res ver­bin­den­den Element?

Das Män­ner­bild ist kei­ne Erfin­dung der neu­en Deutsch­rock-Sze­ne und unter­schei­det sich auch vom Geschlech­ter­bild der rechts­ra­di­ka­len Sze­ne, das ein sehr kon­ser­va­ti­ves, neo­fa­schis­ti­sches Geschlech­ter­bild ist. Da ist der Mann der Krie­ger, der Sol­dat, der auf­rich­ti­ge Deut­sche. Wei­ße Frau­en sind zwar gut, aber haben doch eine klas­si­sche Rol­le — als Mut­ter und Aus­trä­ge­rin des wei­ßen Nachwuchses.

Das ist in der neu­en Deutsch­rock-Sze­ne schon anders. Frau­en tau­chen hier häu­fig als Bild der „hei­li­gen Hure“ auf. Ent­we­der sie sind Sehn­suchts­ob­jekt der Lie­be, manch­mal gepaart mit einer gewis­sen Müt­ter­lich­keit, oder sie sind auf­grund ihrer sexu­el­len Rei­ze Mist­stü­cke. Das sind die bei­den Figu­ren, die in der neu­en Deutsch­rock-Sze­ne eine Rol­le spie­len. Letzt­end­lich ist „der Mann“ auf sich allein gestellt und kämpft nicht nur gegen „das Sys­tem“, son­dern gegen das Ver­lan­gen nach der Frau, die ihn doch nur ver­lässt und ver­letzt. Das wie­der­um ist aber nicht neu, son­dern taucht auch schon bei Wes­tern­ha­gen Ende der Sieb­zi­ger­jah­re auf.

Wel­che Rol­le spie­len Bands wie „Frei­Wild“, „Die Band­brei­te“ oder auch Xavier Naidoo für ras­sis­ti­sche Ein­stel­lun­gen und die momen­ta­ne gesell­schaft­li­che Stim­mung, aus­ge­löst durch die ras­sis­ti­schen sozia­len Bewe­gun­gen wie Pegida?

Bands wie „Frei­Wild“, „Die Band­brei­te“ oder Xavier Naidoo arbei­ten mit bestimm­ten Ver­satz­stü­cken, die in Tei­len der Pegi­da-Bewe­gun­gen arti­ku­liert werden.

Bei „Frei­Wild“ ist es der Hei­mat­be­griff, mit sei­ner Kon­struk­ti­on des „Vol­kes“, das sich über Abstam­mung und Blut­li­ni­en defi­niert. Die Band „Die Band­brei­te“ deckt eine sehr ver­kürz­te Kapi­ta­lis­mus­kri­tik ab. In der es meist um die „Aus­beu­tung“ des „klei­nen Man­nes“ von den gie­ri­gen „Bän­kern“ geht und in Tei­len star­ke anti­se­mi­ti­sche Ten­den­zen auf­weist. Und Xavier Naidoo kommt mit sei­ner „Reichsbürger“-Ideologie und deren Idee eines „gro­ßen Füh­rers“ den Bedürf­nis­sen nach Auto­ri­tät und Len­kung durch eine „Eli­te“ sehr nahe.

Ich wür­de nicht sagen, dass die eine Ent­wick­lung das ande­re bedingt, son­dern dass die Gesell­schaft die Musik macht. Und so, wie sich die Gesell­schaft dar­stellt, so stellt sich auch die Musik­sze­ne dar. Wenn inner­halb die­ser Gesell­schaft sol­che Mei­nun­gen und Ein­stel­lun­gen eine wich­ti­ge Rol­le ein­neh­men, bil­det sich das eben auch in der Pop­mu­sik ab. Die­se Bands sind somit viel­mehr ein Aus­druck eines gesell­schaft­li­chen Roll­backs und nicht ver­meint­li­che Auslöser.

Das ent­hebt die Künst­ler aber natür­lich nicht ihrer Ver­ant­wor­tung. Es ist zu ein­fach zu sagen, „Frei­Wild“ tra­ge zur Mobi­li­sie­rung von Pegi­da bei. Die­se Eins-zu-Eins-Rela­ti­on ist deut­lich zu kurz gedacht. Aber trotz­dem ermög­licht die­se Musik natür­lich eine gewis­se Bestä­ti­gung und Iden­ti­fi­ka­ti­on die­ses Kli­en­tels, das ist defi­ni­tiv nach­zu­wei­sen. Die­se Bands die­nen eher einer Selbst­ver­ge­wis­se­rung, wie dies auch in der lin­ken Sze­ne durch anti­fa­schis­ti­sche Tex­te wie in dem Song „Schrei nach Lie­be“ von den „Ärz­ten“ statt­fin­det. Natio­na­lis­ti­sche Pop­mu­sik als Iden­ti­täts­ver­stär­kung von natio­na­lis­tisch und patrio­tisch ein­ge­stell­ten Menschen.

Was ist dei­ner Mei­nung nach das Pro­blem mit der deut­schen Popmusik?

In den letz­ten zwan­zig Jah­ren wur­de ver­sucht, die­ses sehr gro­ße und sehr unschar­fe Kon­strukt Pop­mu­sik auf eine „deut­sche Iden­ti­tät“ zu bezie­hen. Damit ist der Grund­ge­dan­ke von Pop­mu­sik, der in gewis­ser Wei­se auch immer eman­zi­pa­ti­ve und frei­heits­ver­spre­chen­de Ele­men­te ent­hal­ten hat, wei­test­ge­hend in der Kon­struk­ti­on von „Deut­scher Iden­ti­tät“ ver­lo­ren gegangen.

Also hat eine gesell­schaft­li­che „Rena­tio­na­li­sie­rung“ auch vor der Pop­mu­sik nicht haltgemacht?

Ja, und in Deutsch­land ganz beson­ders. Und das muss man natür­lich auch ernst­neh­men. Ich argu­men­tie­re schon lan­ge im Bezug zur Band „Frei­Wild“ so: „Frei­Wild“ ist nicht das Pro­blem, son­dern nur ein Sym­ptom für ein Pro­blem. Es scheint, vor allem bei jün­ge­ren Men­schen, Bedürf­nis­se nach einer kol­lek­ti­ven Iden­ti­tät zu geben, in die­sem Fall eben deut­scher Patrio­tis­mus. Wie man dar­auf ant­wor­tet, ist natür­lich eine ande­re Frage.

Wie soll­te man dar­auf antworten?

Ich glau­be, so wie das, was wir ver­an­stal­ten und was auch mit die­ser Doku­men­ta­ti­on ver­sucht wur­de: Auf­klä­rung und poli­ti­scher Bil­dungs­ar­beit. Im spe­zi­el­len Fall Pop­mu­sik soll­ten die Ver­bin­dungs­li­ni­en zwi­schen Main­stream-Musik und rechts­ra­di­ka­ler Musik­sze­ne, die über eine musi­ka­li­sche Ver­bin­dung hin­aus­geht, her­aus­ge­ar­bei­tet wer­den. Genau das ver­sucht die Doku­me­na­ti­on zu leisten.

Und gene­rell gilt natür­lich bei men­schen­ver­ach­ten­den Ein­stel­lun­gen und Äuße­run­gen klar Stel­lung und Posi­ti­on zu bezie­hen. Ras­sis­mus, Anti­se­mi­tis­mus, alle Arten von Ungleich­wer­tig­keits­ideo­lo­gien nicht als ver­tret­ba­re Mei­nung durch­ge­hen zu las­sen, son­dern sie als das benen­nen, was sie sind, näm­lich zutiefst men­schen­ver­ach­tend und in letz­ter Kon­se­quenz töd­lich.