Antisemitische Kampagne in Italien

Kurz vor dem Jah­res­tag der Befrei­ung des NS-Ver­nich­tungs­la­gers Ausch­witz sind jüdi­sche sowie israe­li­sche Insti­tu­tio­nen in Rom Ziel einer anti­se­mi­ti­schen Kam­pa­gne gewor­den: Drei Ein­rich­tun­gen waren Schwei­ne­köp­fe zuge­schickt wor­den. In bei­lie­gen­den Schrei­ben wird etwa der Begrün­der des Zio­nis­mus, Theo­dor Herzl, ver­höhnt. Außer­dem gab es anti­se­mi­ti­sche Schmie­re­rei­en in eini­gen Stra­ßen Roms, vor allem aber auf den Außen­wän­den des Rat­hau­ses in Rom, dar­un­ter der Slo­gan «Han­na [sic!] Frank ist eine gro­ße Lügnerin.»

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Ras­sis­ti­sche Pla­ka­te der «Natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Arbei­ter Bewe­gung» in Mai­land: «Das Blut gegen das Gold / Das Blut gegen sie / Wach auf!» Foto: Facebook/privat

Die Emp­fän­ger der Schwei­ne­köp­fe waren die Haupt­syn­ago­ge, ein Muse­um mit einer Aus­stel­lung über jüdi­sche Kul­tur in der Haupt­stadt Ita­li­ens sowie die israe­li­sche Bot­schaft. Die Pake­te waren alle in Rom auf­ge­ge­ben wor­den. Die sofor­ti­gen Unter­su­chun­gen des poli­zei­li­chen Staats­schut­zes ermit­tel­ten kur­ze Zeit spä­ter einen 29–Jähriger aus der neo­fa­schis­ti­schen Sze­ne als mut­maß­li­chen Täter. Der Mann soll als Absen­der für sei­ne Pake­te den Namen «Gio­van­ni Pre­zio­si» ver­wen­det haben: dabei han­delt es um einen ehe­ma­li­gen Minis­ter Mus­so­li­nis und glü­hen­den Anti­se­mi­ten,  der «Gene­ral­inspek­tor für Demo­gra­phie und Ras­se» gewe­sen ist. In der Woh­nung des Beschul­dig­ten ent­deck­ten Beam­te unter ande­rem T‑Shirts der neo­fa­schis­ti­schen Bewe­gung «For­za Nuo­va». Er habe sogar eine neue anti­se­mi­ti­sche Par­tei grün­den wol­len, gaben die Ermitt­ler an.

Bei den Unbe­kann­ten, die eini­ge Tagen spä­ter einen wei­te­ren Schwei­ne­kopf an einen jüdi­schen Adres­sa­ten in Flo­renz gesen­det haben, soll es sich nach Aus­sa­gen der Behör­den ledig­lich um Tritt­brett­fah­rer gehan­delt haben. Dar­über hin­aus sind in der Nacht zum 27. Janu­ar 2014 anti­se­mi­ti­sche Slo­gans auf den Wän­den des Doni­zet­ti-Thea­ters in Ber­ga­mo auf­ge­taucht. Dort lief das Stück «Der Elfen­bein­turm» von Ronald Har­wood, in dem es um den Pro­zess der US-Mili­tär­ver­wal­tung gegen den NS-belas­te­ten Star-Diri­gen­ten Wil­helm Furtwäng­ler 1946 in Ber­lin geht [Titel der Ver­fil­mung: «Taking Sides»]. Anti­se­mi­ti­sche und Juden­hass schü­ren­de Kari­ka­tu­ren sind zur sel­ben Zeit auch in ver­schie­de­nen Stra­ßen Mai­lands pla­ka­tiert worden.

Ver­ant­wort­lich für die­se Hetz­pla­ka­te zeich­net die 2002 von Pier­lui­gi Pagliughi gegrün­de­te «Natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Arbei­ter Bewe­gung» (NSAB). Die «Bewe­gung» soll Anhän­gern im Pie­mont und der Lom­bar­dei haben. Die­se klei­ne Grup­pie­rung mit ihren etwa 200 Anhänger_innen, ent­sen­det eine Hand­voll Man­dats­trä­ger in Gemein­de­rä­te klei­ner Ort­schaf­ten in die­ser Regi­on. Die NSAB bezieht sich offen auf Adolf Hit­ler und ist schon durch ähn­li­che ras­sis­ti­sche Kam­pa­gnen auf­ge­fal­len. So berich­te­te die Tages­zei­tung «Repubbli­ca» ver­gan­ge­nes Jahr von Pla­ka­ten, die die Immigrant_innen aus Asi­en auf­for­der­te, Ita­li­en zu ver­las­sen mit Sät­zen wie: «Euro­pa den Euro­pä­ern» und  «Die absur­de und gesteu­er­te Mischung von Ras­sen rui­niert sowohl unse­re Nach­kom­men als auch dei­ne: Wir sind der auf­ge­zwun­ge­nen Immi­gra­ti­on müde!»

In Ligu­ri­en und im Pie­mont sowie auf Face­book tritt außer­dem die Bewe­gung «Cin­que Stel­le» (Fünf Ster­ne) mit Pla­ka­ten in Erschei­nung, auf denen der Holo­caust ver­harm­lost wird, indem er mit dem Schick­sal der Palästinenser_innen gleich­ge­setzt wird. Auf dem Pla­kat ist das berühm­te Foto des klei­nen jüdi­schen Kin­des Artur Dąb Sie­mią­tek mit hoch gestreck­te Armen im War­schau­er Ghet­to zu sehen, dem ein Auf­nah­me eines paläs­ti­nen­si­schen Kin­des gegen­über­ge­stellt wird, das von israe­li­schen Sol­da­ten umzin­gelt ist. Die Inschrift dar­auf auf Face­book lau­tet: «Nazis­mus und Zio­nis­mus sind zwei Sei­ten einer Medail­le. Viel­leicht war der Nazis­mus sanf­ter als der Zio­nis­mus (…) Nazis­mus ist eine natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Bewe­gung, wäh­rend der Zio­nis­mus extre­mis­ti­scher Natio­na­lis­mus pur ist.»

Ein wei­te­res Bei­spiel sol­cher anti­se­mi­ti­schen Umtrie­be in Ita­li­en ist das Foto der Ver­bren­nung eines Buches des ita­lie­ni­schen, in Paris leben­den Publi­zis­ten Cor­ra­do Augi­as, das auf Face­book von einem Anhän­ger der Bewe­gung «Cin­que Stel­le» ins Netz gestellt wur­de, nach­dem Augi­as im Fern­se­hen Kri­tik an der Bewe­gung geübt hatte.

Auch wenn im ita­lie­ni­schen Senat ein Gesetz, das Holo­caust­leug­nung unter Stra­fe stel­len soll, wie­der auf der Tages­ord­nung steht (vgl. Arti­kel in der Jüdi­schen All­ge­mei­nen Zei­tung vom 24.10.2013), die Gescheh­nis­se in Rom eine Wel­le der Empö­rung bis hin zu Staats­prä­si­dent Napo­li­ta­no aus­ge­löst hat und das Holo­caust-Mahn­mal Mai­lands, «Bina­rio 21», hohe Besu­cher­zah­len ver­zeich­net – mit­ten in der wirt­schaft­li­chen Kri­se Ita­li­ens müss­te die Sum­me die­se Epi­so­den die Alarm­glo­cken schril­len lassen.