Kurz vor dem Jahrestag der Befreiung des NS-Vernichtungslagers Auschwitz sind jüdische sowie israelische Institutionen in Rom Ziel einer antisemitischen Kampagne geworden: Drei Einrichtungen waren Schweineköpfe zugeschickt worden. In beiliegenden Schreiben wird etwa der Begründer des Zionismus, Theodor Herzl, verhöhnt. Außerdem gab es antisemitische Schmierereien in einigen Straßen Roms, vor allem aber auf den Außenwänden des Rathauses in Rom, darunter der Slogan «Hanna [sic!] Frank ist eine große Lügnerin.»
Die Empfänger der Schweineköpfe waren die Hauptsynagoge, ein Museum mit einer Ausstellung über jüdische Kultur in der Hauptstadt Italiens sowie die israelische Botschaft. Die Pakete waren alle in Rom aufgegeben worden. Die sofortigen Untersuchungen des polizeilichen Staatsschutzes ermittelten kurze Zeit später einen 29–Jähriger aus der neofaschistischen Szene als mutmaßlichen Täter. Der Mann soll als Absender für seine Pakete den Namen «Giovanni Preziosi» verwendet haben: dabei handelt es um einen ehemaligen Minister Mussolinis und glühenden Antisemiten, der «Generalinspektor für Demographie und Rasse» gewesen ist. In der Wohnung des Beschuldigten entdeckten Beamte unter anderem T‑Shirts der neofaschistischen Bewegung «Forza Nuova». Er habe sogar eine neue antisemitische Partei gründen wollen, gaben die Ermittler an.
Bei den Unbekannten, die einige Tagen später einen weiteren Schweinekopf an einen jüdischen Adressaten in Florenz gesendet haben, soll es sich nach Aussagen der Behörden lediglich um Trittbrettfahrer gehandelt haben. Darüber hinaus sind in der Nacht zum 27. Januar 2014 antisemitische Slogans auf den Wänden des Donizetti-Theaters in Bergamo aufgetaucht. Dort lief das Stück «Der Elfenbeinturm» von Ronald Harwood, in dem es um den Prozess der US-Militärverwaltung gegen den NS-belasteten Star-Dirigenten Wilhelm Furtwängler 1946 in Berlin geht [Titel der Verfilmung: «Taking Sides»]. Antisemitische und Judenhass schürende Karikaturen sind zur selben Zeit auch in verschiedenen Straßen Mailands plakatiert worden.
Verantwortlich für diese Hetzplakate zeichnet die 2002 von Pierluigi Pagliughi gegründete «Nationalsozialistische Arbeiter Bewegung» (NSAB). Die «Bewegung» soll Anhängern im Piemont und der Lombardei haben. Diese kleine Gruppierung mit ihren etwa 200 Anhänger_innen, entsendet eine Handvoll Mandatsträger in Gemeinderäte kleiner Ortschaften in dieser Region. Die NSAB bezieht sich offen auf Adolf Hitler und ist schon durch ähnliche rassistische Kampagnen aufgefallen. So berichtete die Tageszeitung «Repubblica» vergangenes Jahr von Plakaten, die die Immigrant_innen aus Asien aufforderte, Italien zu verlassen mit Sätzen wie: «Europa den Europäern» und «Die absurde und gesteuerte Mischung von Rassen ruiniert sowohl unsere Nachkommen als auch deine: Wir sind der aufgezwungenen Immigration müde!»
In Ligurien und im Piemont sowie auf Facebook tritt außerdem die Bewegung «Cinque Stelle» (Fünf Sterne) mit Plakaten in Erscheinung, auf denen der Holocaust verharmlost wird, indem er mit dem Schicksal der Palästinenser_innen gleichgesetzt wird. Auf dem Plakat ist das berühmte Foto des kleinen jüdischen Kindes Artur Dąb Siemiątek mit hoch gestreckte Armen im Warschauer Ghetto zu sehen, dem ein Aufnahme eines palästinensischen Kindes gegenübergestellt wird, das von israelischen Soldaten umzingelt ist. Die Inschrift darauf auf Facebook lautet: «Nazismus und Zionismus sind zwei Seiten einer Medaille. Vielleicht war der Nazismus sanfter als der Zionismus (…) Nazismus ist eine nationalsozialistische Bewegung, während der Zionismus extremistischer Nationalismus pur ist.»
Ein weiteres Beispiel solcher antisemitischen Umtriebe in Italien ist das Foto der Verbrennung eines Buches des italienischen, in Paris lebenden Publizisten Corrado Augias, das auf Facebook von einem Anhänger der Bewegung «Cinque Stelle» ins Netz gestellt wurde, nachdem Augias im Fernsehen Kritik an der Bewegung geübt hatte.
Auch wenn im italienischen Senat ein Gesetz, das Holocaustleugnung unter Strafe stellen soll, wieder auf der Tagesordnung steht (vgl. Artikel in der Jüdischen Allgemeinen Zeitung vom 24.10.2013), die Geschehnisse in Rom eine Welle der Empörung bis hin zu Staatspräsident Napolitano ausgelöst hat und das Holocaust-Mahnmal Mailands, «Binario 21», hohe Besucherzahlen verzeichnet – mitten in der wirtschaftlichen Krise Italiens müsste die Summe diese Episoden die Alarmglocken schrillen lassen.